Schläfst du, Mutter? - Jakob Wassermann - E-Book

Schläfst du, Mutter? E-Book

Jakob Wassermann

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Beschreibung

Eine Novelle. Die Serie "Meisterwerke der Literatur" beinhaltet die Klassiker der deutschen und weltweiten Literatur in einer Sammlung.

Das E-Book Schläfst du, Mutter? wird angeboten von Jazzybee Verlag und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:

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Seitenzahl: 49

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Schläfst du, Mutter?

Jakob Wassermann

Inhalt:

Jakob Wassermann – Biografie und Bibliografie

Schläfst du, Mutter?

I.

II.

III.

IV.

V.

Schläfst du, Mutter, Jakob Wassermann

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849619503

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Jakob Wassermann – Biografie und Bibliografie

Schriftsteller, geb. 10. März 1873 in Fürth, gestorben am 01.01.1934 in Altaussee/Steiermark. Wassermann machte nach Absolvierung der Realschule notreiche Wanderjahre durch und lebte lange in Wien, dem Kreise Schnitzlers und Hofmannsthals nahe stehend. Er schrieb die Romane: »Melusine« (Münch. 1896), »Die Juden von Zirndorf« (das. 1897, neubearbeitete Ausg. 1906), »Die Geschichte der jungen Renate Fuchs« (Berl. 1900, 9. Aufl. 1906), »Der Moloch« (das. 1902), »Alexander in Babylon« (das. 1904) und »Caspar Hauser« (Stuttg. 1908); ferner die Novellen: »Schläfst du, Mutter?« (Münch. 1897), »Die Schaffnerin« u. a. (das. 1897). »Der niegeküßte Mund. Hilperich« (das. 1903), »Die Schwestern« (Berl. 1906) und die theoretische Schrift »Die Kunst der Erzählung« (das. 1904). Weitere Werke sind z.B. "Caspar Hauser oder die Trägheit des Herzens" (Roman, 1908), "Das Gänsemännchen" (Roman, 1915), "Christian Wahnschaffe" (Roman, 1919),  "Laudin und die Seinen" (Roman, 1925) und "Der Fall Maurizius" (Roman, 1928). W. zeichnet sich durch moderne Auffassung und scharfe Beobachtung des Lebens aus.

Wichtigste Werke:

Melusine(Roman, 1896)Die Juden von Zirndorf(Roman, 1897)Schläfst du, Mutter?(Novelle, 1897)Die Geschichte der jungen Renate Fuchs(Roman, 1900)Der Moloch(Roman, 1902)Der niegeküßte Mund(Erzählungen, 1903)Die Kunst der Erzählung(Abhandlung, 1904)Alexander in Babylon(Roman, 1905)Donna Johanna von Castilien(Erzählung, 1906)Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens(Roman, 1908)Die Gefangenen auf der Plassenburg(Erzählung, Erstausgabe 1909)Der goldene Spiegel(Novellenband, 1911)Geronimo de Aguilar(Erzählung, 1911)Faustina(1912)Der Mann von vierzig Jahren(Roman, 1913)Das Gänsemännchen(Roman, 1915)Christian Wahnschaffe(Roman, 1919)Die Prinzessin Girnara, Weltspiel und Legende (Schauspiel, 1919)Mein Weg als Deutscher und Jude(Autobiographie, 1921,)Imaginäre Brücken(Studien und Aufsätze, 1921)Sturreganz(Erzählung, 1922)Ulrike Woytich(Roman, 1923)Faber, oder die verlorenen Jahre(Roman, 1924)Laudin und die Seinen(Roman, 1925)Der Aufruhr um den Junker Ernst(Novelle, 1926)Das Gold von Caxamalca(Erzählung, 1928)Christoph Columbus, eine Biographie (1929)Selbstbetrachtungen.1931Engelhart RatgeberDer Fall Maurizius(1928)Etzel Andergast(1931)Joseph Kerkhovens dritte Existenz(1934)

Schläfst du, Mutter?

I.

Peter Vogelsang Geht auf den Grillenfang, Hat eine lange Nase Und Ohren wie ein Hase

Ich lasse sie schreien, die Knirpse, dachte Peter und schritt würdevoll seine Straße fürbaß. Das Spottgedicht stammte vom Herrn Lehrer selbst, aber Peter war fest überzeugt davon, daß ihn diese »Kinderei« gleichgültig lasse. Wenn er in den Zwischenpausen träumerisch, fast tiefsinnig im Schulhof stand, hinten am Zaun, wo man auf den Fluß hinabsehen konnte, der so ruhig und so klar vorbeiströmte, oder wenn er abseits von dem Knäuel der Aufgeregten mit nachdenklich verschränkten Armen dastand, mußte ihn oft die spöttische Mahnung des Lehrers aus seinem Sinnen wecken. Aber Peter lächelte nur, und dieses Lächeln war nicht ohne eine gewisse Geringschätzung; denn er war bei seinen neun Jahren schon ein beachtenswerter Philosoph, der über den lieben Gott bereits sein ganz bestimmtes Urteil hatte. Es war ein Mittwoch-Nachmittag und er ging spazieren. Er trug einen dünnen Spazierstock aus Weichselrohr, die Mutter hatte ihn gestern erst gekauft, und damit hieb er fortwährend auf die Einfassung des Trottoirs los, gerade als könne er sich damit von einer Summe innerer Zweifel befreien. Am Lilienplatz ertönten die Schmiedehämmer und das war ein heller, fast klagender Laut. Peter blieb stehen, denn diese Töne fesselten ihn sehr. Klang es nicht, wie wenn die alten und berühmten Recken mit ihren Schwertern aufeinander loshieben? Wahrlich, wenn man die Augen schloß, so konnte man glauben, Laurin kämpfe in vollem Gewaffen mit Dietrich von Bern. Dann sah er noch zu, wie einem Pferd die Hufeisen erneuert wurden, und so beklommen war sein Herz bei diesem Schauspiel, daß ihn selbst der arge Gestank des angesengten Hufs nicht vertreiben konnte. Er staunte nur, daß ein Pferd so schön stille halten konnte, während man ihm Nägel in die Füße schlug. Er ging weiter, aber das Staunen über diesen sonderbaren Umstand wollte ihn gar nicht mehr verlassen. Er dachte: man sollte das einmal bei mir probieren! man sollte mir einmal Nägel in die Füße schlagen! Erstens würde ich schreien und dann ... dann würde schon Papa kommen ..

Als er sich der Fischergasse mit ihrem schlechten Pflaster und ihren kleinen, baufälligen Häusern näherte, dachte er: dies Fürth ist doch eine häßliche Stadt. Warum hat mich der liebe Gott nicht in einer Stadt mit schöneren Häusern geboren werden lassen? Schon der Name ist so häßlich. Es giebt doch so schöne Städte: Babylon oder Bagdad oder Palmyra ...

Seine kindische Sehnsucht machte seine Schritte größer und hurtiger. Bald lagen die Wiesen vor ihm.

II.

Lange Zeit verfolgte er die Landstraße, die kahl und schattenlos dalag, während der weiße Staub sie gleich einer Mehlschicht bedeckte. Am wolkenlosen Himmel stand die Sonne, und alles Land lag da: leblos, gleichsam schlaftrunken. Bienen und Hummeln summten vorbei und der Kohlweißling und das Pfauenauge flatterten umher. Hinter den Hügeln drüben erhob sich ein Dorfkirchturm einsam in die Luft, lang und schmal wie eine Lanze. Ein leichter Schleier verhüllte die Fernen, und je weiter sich der Knabe von der Stadt entfernte, desto stiller, desto feiertäglicher wurde es in der Runde um ihn. Er hätte immer zuwandern mögen in diese große Ebene hinaus, die so trügerisch den Schein eines Unermeßlichen erweckte. Nichts fesselte das Auge hier und stets sah man die schwere, gleichförmige Linie des Horizonts: aber dies Flachland birgt Schönheiten, die denen der Nacht verwandt sind.