Schloss Fleurac - Hildegard Holtschneider-Baer - E-Book

Schloss Fleurac E-Book

Hildegard Holtschneider-Baer

0,0

Beschreibung

An geheimen Orten im Périgord wurde seit über 1000 Jahren das zeitlose Wissen über die Schöpfung bewahrt. Es wird zurückkehren, aber in einer neuen Form. Mythos, Rationalität, Spiritualität und Wissenschaft werden auf neue Weise miteinander verbunden, ebenso wie das Sichtbare und das Unsichtbare. Wenn die Menschen nicht von der sinnlich wahrnehmbaren und bekannten Welt abweichen, gehen sie in die Irre und begreifen nicht, dass es sich nur um ein Spiel des Geistes handelt. In diesem Roman finden sich auch Legenden, die geschrieben wurden über . die Trüffel . denWein Sauternes . den Walnussbaum . . den Holunder . . den Bären im Tal der Loue . die Göttin im Kastanienhain . die schönen Dinge des Lebens

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 614

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Prolog

Marguerite betritt Schloss Fleurac

Marguerite und die Geister: Berthe

Marguerite erkennt die Seele des Ortes Fleurac

Marguerite und die Geister: Berthe

Marguerite wird von der Göttin belehrt

Marguerite hört die Legende vom Sauternes

Marguerite und ihre medialen Kraft

Marguerite und die Geister: Louise

Marguerite verbringt eine unruhige Nacht

Die Legende vom Walnussbaum

Marguerite findet die Kristallkugel

Marguerite und die Geister: das kleine Mädchen mit den Schmetterlingsflügeln

Die Legende von den Trüffeln

Marguerite und die Geister das kleine Mädchen mit den Schmetterlingsflügeln

Marguerite nimmt die Kristallkugel

Marguerite hört die Legende vom Holunderbaum

Marguerite träumt von ihrem Geliebten

Marguerite und die Geister: Marie de Rouffier

Marguerite hört die Legende vom Berliner Bären

Marguerite und die Geister Marie de Rouffier

Marguerite findet die drei magischen Ringe

Marguerite findet und verliert ihren Geliebten

Marguerite hört die Legende von der Göttin im Kastanienhain

Marguerite und die Geister: Louvain’s Verrat

Marguerite begreift: alles in der Schöpfung hat eine Seele

Marguerite und die Geister: die Höhle von Lascaux

Marguerite und die Geister: Louvain

Marguerite betrinkt sich mit Sauternes

Marguerite und die Schamanin vom Rhein

Marguerite verlässt Deutschland wieder

Die Legende von den schönen Dingen

Marguerite erlöst die Seele des Ortes Fleurac

Epilog

Prolog

In jener alten Zeit … als es im Périgord noch Feen und Zauberer gab lebte in den Herzen der Menschen nicht ein einziger Gott der alles und alle regierte sondern auch … die Göttin Symbol weiblicher Schöpferkraft Sinnbild magischer Macht sagenumwoben ihre Vielfalt ihr Können ihre Weisheit Jungfrau Greisin Mutter Geliebte Rächerin Furie doch auch Himmlische Edle Reine

Ihr Bild unvergleichlicher Schönheit und Erotik wurde von Künstlern tausendfach in Stein gemeißelt in Tempeln gehütet

Sie kannte alle Geheimnisse der Schöpfung … Macht und Magie der Worte des Klangs Rhythmus sie ... die Göttin der Liebe ... sollte ... konnte in den Herzen der Menschen immer wieder zu lebendigem Licht werden denn sie führte jede Frau jeden Mann der an sie glaubte sie verehrte … auf dem gefährlichen schmalen holprigen Pfad des Lebens ließ Einheit von MännlichWeiblichem erkennen durch das Tor des körperlichen Liebesaktes schreiten zu Erleuchtung und Erkenntnis aller Dinge allen Geistes … Wegweiserin von irdischer Mühsal in die sieben Himmel

Die Menschen gaben ihr unterschiedliche Namen: Astarte Ischtar, Diana Aphrodite Venus. Im Périgord wurde sie Marguerite genannt Herrin der Perlen Herrin der Tränen weil ihr Dasein sich mit grossem Leid verband

Davon erzählt diese Geschicht’ …

Nur von jener alten Zeit? Mögt Ihr fragen ja – und heut’? Denn – was nützt uns Erinnerung an Vergangenheit wenn Zeiger der Zeit sich nun einmal anders drehen - heut’?Vergaßt Ihr gänzlich dass Zeit nichts anderes denn Fiktion Illusion?

Schon reicht Vergangenheit in Gegenwart und Gegenwart in Vergangenheit zurück

Schon steht sie vor Euch: die alte und neue Marguerite

Wer sie ist? Heut’ ... irdische Tochter einer Göttin jener der Sprache schönen Künste des Wissens Wer sie ist? Heut’ … Deutsche … das hat einen tiefen Sinn ...

Doch mehr ist sie Europäerin ... in den Tiefen ihrer Seele ... Frankreich … ihre Ahnen sind’s ... rufen, ja, sie hat es gehört wacht eines Morgens auf und weiß: Leben ist zu ändern ... sie will … es … muss so sein denn das was sie umgibt Deutschland nimmt ihr den Atem würgt Hier geborgen? Hier zu Haus? Heimat? Fremdes Wort

Schon steht sie auf befreit sich aus Zwängen des Alltags vermeintlicher Sicherheit macht sich auf den Weg folgt nur ihrer inneren Stimme …

Marguerite betritt Schloss Fleurac

Und wieder ist es die Herbstsonne strahlend noch die Haut Haar Sinne rührt Marguerite’s Herz fiebern lässt als sie die Anhöhe zum Dorfe Fleurac erreicht Ihr Blick hängt an dem Schloss hoch über höchsten Hügeln des Périgord – verwunschen fast

Sie geht den Weg vorbei an beiden Zypressen Blick weit über die Hügel geht weiß: so hab ich’s nicht verlassenund doch – ich spür’s: hier bin ich zu Haus’ dazu komm ich her klopft mein Herz hier muss ich mich erinnern an das was einst war … das Geheimnis … hier an diesem Orte liegt es hier in Stein Luft Erde begraben von diesem Hügel zieht es sich achteckige Sternenform sehe ich – bis hin nach Les Eyzies Ahne ich’s schon doch die Schleier hängen noch dicht Helft mir Ihr die Ihr das Geheimnis hütet Ihr die ich einst verlor … Ihr wisst: die Zeit ist da Es klopft ihr das Herz als sie durchs grünschmiedeiserne Tor schreitet nicht geht und es scheint ihr jetzt in dieser Sekund’ als könnte sie’s nicht ertragen: schmähliche Vergangenheit

Marguerite steht vor dem Schloss vertraut wirkt es so nah nicht wuchtig überheblich sondern moderat in seiner Pracht Das helle Blau der Fensterläden stört … schneeweiß müssten sie sein zu viel Zuckerbäcker-Stil hat sich eingeschlichen im Laufe der Zeit Dennoch: es flammt wie eh und je in ihr kommt sie nur nah genug an die Hügelspitze heran Sie geht … sieht ein junges Mädchen stehen klein von Wuchs doch in all seiner Form von seltener Harmonie sprühend das dunkle Haar das in weichen Wellen bis zu den Hüften fällt … unschuldige Lieblichkeit ist’s die Marguerite betört Doch sie hört aus des Mädchens Mund etwas das sie nicht erwartet hat etwas das nicht zu Engeln passt:

„Die Führung beginnt erst in einer Viertelstund’“

Das macht Marguerite ganz hilflos sie wird zornig herrscht das Mädchen an: „Warum denn erst dann?“

Schon tut es ihr leid sieht zarten Ernst auf des Mädchens Gesicht lächelt verkrampft weiß sie doch jetzt: so schön wie dieses … stand einst ein anderes hier geblendet von eigener Schönheit wollte sollte ein gewaltiges Reich beherrschen doch konnt’ es nicht … man hatte ihr die Macht entrissen Frevel gärte Frevel war geschehen das Geheimnis war verraten an solche die gierig sich bemächtigen wollten denn - dieses Geheimnis barg einen Schatz: jedem der wußte fand legte er unermeßlichen Reichtum zu Füßen ... und – er tut es noch Doch nun ist die Zeit gekommen dass der Schatz in andere Hände gelangen muss als in die gierig von Macht Besessener denn – deren Vernichtungswerk ist getan: fast zerborsten ist er … sein Reichtum seine Macht … unsichtbares Geflecht bis hin zu den Sternen geführt von hier zu anderen Orten in klaren kraftvollen Linien Bahnen des Lichts die sich türmten einst hochragten ins galaktische Feld bis hin zu den Plejaden

Genug wurde gehaust an sich gerissen benutzt sich bereichert voll gefressen am Schatze ... Nun ist es hier als erstürbe jeder Atem … wie zäher Schleim hängt Herrschsucht Besitzen–Wollen Machtgier Besser–sein–Müssen ... um jeden Preis verseucht alles und alle Stein Feuer Erde Wasser Luft und Menschen Tiere Pflanzen stehen hilflos dazwischen qualvolle Ohnmacht wächst

Während die einen noch hausen sehen andere mit Entsetzen wie stiller Jammer wächst dunkel zerfressenmit düstersten Kräften im Spiel Krebsgeschwür ohne Kontrolle ohne Disziplin

Und so hat das Schicksal für eine kurze Weile Marguerite geschaffen Sie soll das Geheimnis ihnen den Hausenden Fressenden entreißen Schatz heben seinen Ruhm Reichtum der Welt zu Füßen legen ... Sie weiß: es ist Bürde schweres Los Kampf auf Leben und Tod Ringen zwischen Himmel und Hölle Hier ist schreckliche Pflicht zu erfüllen mörderische Schlacht zu schlagen und – weh’ ihr – sie weiß nicht ob sie gewinnt spürt: Schleier weichen Erinnerung beginnt … Geister der Vergangenheit nahen ihnen hat sie sich zu stellen … bückt sich greift eine Handvoll Kies lässt Steine durch ihre Finger rinnen als seien es Perlen … sieht ihnen nach wie sie aufeinanderprallen weiß–grau gesprenkelt marmoriert denkt: wissen sie dass ich schon begonnen ihnen das Geheimnis zu entreißen als ich die kostbaren Schriften fand?

Doch sind’s Fragmente nur deswegen komm’ ich ja her ... Vor geschlossenem Auge sieht sie jene denen sie es entreißen soll sieht: fühlen sich als die Größten hüllen sich in Hochmut intrigante Verräter par excellence nennen sich SonstWieWer glauben sie hätten Weisheit mit Löffeln gefressen und sind doch so dumm wie Bohnenstroh faseln von geheimen Schriften die nur sie lesen könnten verborgen in Schlössern und Höhlen … zaubern ein bißchen … vermehren ihr Geld indem sie sich gegenseitig Posten zuschieben Ländereien erhökern Boden und Wasser vergiften in ihren geheimen Bünden brüten nicht begreifen wollen: ihre Macht geht dem Ende zu … auch die ihres Hofstaates Heerschar der Dämonen mit denen sie sich und ihre geheimen Orte zu schützen wissen Noch herrschen sie ...

Doch von der Weisheit sind sie so weit entfernt wie die Erd’ von der Sonn’ ... ereifern sich als verstünden sie alles von Gott und der Welt der Schöpfung dem Himmel und der Höll’ … blähen sich auf zu Popanzen die sich beräuchern salben selbst erhöhen indem sie andere erniedrigen als stünd’s ihnen zu Wollen nicht wissen: Zeit des Wandels ist da ...Wollen nicht wissen: das was sie einst gierig an sich gerissen haben sie in Wahrheit nur sich selbst gestohlen: himmlisches Glück

Doch im prachtvoll berauschend Gefühl mit dem Reichtum der Macht des Schatzes jeden Widerstand brechen zu können haben sie eines vergessen: die Liebe ... wie auch immer Ihr sie nennen mögt: Göttliches ... Kosmos ... Natur ... Schöpfung ... sie war es die solche Geheimnisse schuf und – nun den Wandel will ...

Marguerite weiß diese Feinde werden sich nicht freiwillig beugen nicht hergeben wollen was sie göttergleich macht weiß Kampf steht bevor weiß Hofstaat beginnt sich zu formieren Dämonen kriechen heran spürt: schnell muss sie gehen schnell ins Schloss hinein denn jene beginnen einen Ring um sie zu schließen schnell muss sie gehen Hass Neid stieren sie an alles beginnt sich zu verzerren hört Kies knirschen sieht spärliche Flut der Touristen strömen … Führung durch das Museum beginnt

Sie drängt sich hinein in die Schar will sich schützen es klopft ihr das Herz ...

Als sie im Schlosse steht flammt es wie eh und je in ihr weiß plötzlich: den Stab braucht sie wieder die Ringe Kugel Amulett und den Becher ... Helft mir flüstert sie stumm helft mir … Ihr die ich einst verlor … helft mir zu finden denn weiß nicht einmal wo ich beginnen soll zu suchenweiß nur … ich muss wieder zaubern können damit das Netzwerk zu den Plejaden von Neuem entsteht Und wie sie sich hineindrängt in die Schar der Touristen da greifen jene Dunklen schon nach ihr schwarzkäfergepanzert mit furchtbaren Krallen Es trifft sie so sehr dass Schwäche sie überfällt kann sich nicht auf den Beinen halten man stockt alle Blicke ruhen auf ihr ...

Helft mir helft … flüstert sie wieder stumm Helft mir … ihr - die ich einst verlor … Panik schreit in ihr … was tun sie ... warum jetzt ... ist das Spiel schon vorbei? Angst steht ihr bis zum Hals ... es beginnt der Kampf Weg in die Höll’ ... sie muss ihn gehen … Jahrtausende lasten wie Felsbrocken auf ihr Sie will es beenden – Schuld und Sühne Zerstörung und Wut

Da geschieht das Entsetzliche: sie muss niedersinken fällt ohnmächtig hin … hat die Meister der schwarzen Kunst unterschätzt So einfach lassen sie sich Geheimnisse nicht nehmen denn: darum wissend – lenken sie ja Geschicke seit endlos scheinender Zeit … Das soll von heute auf morgen zu Ende sein? Niemals!

Was glaubt Ihr – wird sie es schaffen? Wird sie gegen solche Mächte antreten können?

Wer sonst als Marguerite: einst Herrin der Perlen doch dann zutiefst gefallen des Teufels Dienerin … Vom eitel–dumpf–sinnlichen Wesen durch tausend Höllen gewandert einst selbst Meisterin schwarzer Kunst und Magie wird sie sich bald erinnern können an jede List jede Tücke jeden Trick um ihnen den schwarzen Meistern zu widerstehen ... Nein nein denkt nicht sie will Gleiches mit Gleichem vergelten Nein ... diese Zeit liegt hinter ihr … Nein will nichtmehr herrisch sich verdichten sondern Schuld begleichen sich auflösen mitfließen im Strom ewigen Lichts ...

Doch vorerst liegt sie ohnmächtig mitten im Schloss

Und jene die sie um Hilfe gebeten eilen herbei denn wisst: Mensch allein kann solchen Kampf nicht bestehen … sie eilen wehren ab ... Finsternis die sie vernichten will steigen nieder aus unsichtbaren Gefielden treten in ihre qualvolle Ohnmacht hinein Und wie sie – gleich Wellen lieblichen Klängen – Marguerite durchtränken sprechen sie:

„Bringen Dir göttliche Gabe nimm brauch’ sie …wird Dich schützen vor Dunklem und … wir werden Dir auch jenen senden der meisterhaft mit ihr umzugehen verstand auf Erden … Er soll Dich lehren“

Man reicht ihr etwas das sie nicht erkennen kann

Als sie aus der Ohnmacht erwacht denkt sie: hatt’ einen märchenhaften Traum ... es war mir als seien Feen Druiden Engel himmlische Wesen in meine Ohnmacht hineingestiegen es war mir als sei dieser Ort hier heiliger Hain sie alle sangen so herrlich tanzten musizierten

Als sie versucht sich zu erheben … da ist der Rhythmus ... in ihr geboren … sie liegt nicht mehr auf dem Parkett des nussbaumgetäfelten Saales sondern man hat sie auf ein cremefarbenes Canapé gebettet nahe goldgerahmtem Spiegel mamornem Kamin Man blickt besorgt doch sie winkt ab: „Lassen Sie mich nur einen Augenblick ruhen werde mich schnell erholen und dann gehen ...“ Noch eine Weile möchte sie so liegen in neue Stille sich hinein spüren in diesen Ort schließt die Augen fühlt - jemand naht ... ein Dämon?

Nein - Ihrer gefalteten Hände Fingerspitzen berührt er der gekommen bis Lichtschein sie umgibt So fährt er immerfort der Kontur ihres Körpers nach hüllt sie ein in Licht

Als alle Grautöne gewichen erkennt sie ihn deutlich Er lächelt greift in seine schwere Allonge Perücke Sie lächelt zurück denn diese Zeit ist ihr die liebste von allen: Zeit zierlichster Möbel gold–weißen Prunks Leichtigkeit und Schweben Natur in geheimnisvoll geometrische Formen geschwungen Ruf an den Himmel: hab’ meine Triebe überwunden Symbole Zeichen von ewiger Gültigkeit die ganz bestimmtem Rhythmus Tönen Worten entsprechen … Und er – jener prachtvolle Sohn der Kunst der Musen *

*Johann Sebastian Bach

Er lächelt wieder denn er weiß: sie hat es begriffen spürt schon lange seinen Kompositionen nach Schritt für Schritt Ton für Ton übersetzt sie es in Worte weiß Da ist magische Kraft Er fragt:

„Wo steckt Deine Qual wo haben sie Dich angegriffen? Am Fuße an der Fessel Brust oder dort wo Dein weibliches Zentrum ist? Horch’ nur weiter hinein in mein Werk Eine Passage ist es manchmal eine einzige Arie nur die Du hören musst viele Mal dann hast Du begriffen weißt was zu tun wohin zu gehen wo sich verweigern wo dienen warum und wem Blitz der Erkenntnis trifft Dich und ist es einmal nicht der Fall dann rufe mich Höre auf die Worte die ich gewählt denn ich verbinde beides: Wort mit Musik So entsteht Magie …

Horch’ weiter in mein Werk beginne zu lauschen lass’ sie Dich verachten behindern wollen Sie schaffen es nicht wenn du stark bleibst und glaubst …ich weiß so mancherharte Kampf steht Dir bevor doch glaube! Auch ich ...“

hier lächelt er wieder

„auch ich bin solchen Weg gegangen wie Du ... alle die vorausgeschritten helfen jenen für die ihre Zeit gekommen Also geh’ – auch wenn Du vor Erschöpfung Verzweiflung Einsamkeit niedersinkst Wir werden Dir helfen dazu sind wir bestimmt“

Nimmt ihre Hand beugt sich nieder küsst sie auf die Stirn tätschelt ihre Wange … weicht Sie möchte ihn halten wusste nicht wie sehr sie ihn liebt Doch er geht

Sie erhebt sich mag das Schloss nicht verlassen geht leise vielleicht hat man sie ja vergessen steht nun in einem Raum fürstliches Schlafgemach muss es gewesen sein Herbstsonne strahlt durch hohe Fenster doch vor ihr steigt drohend Nebel hoch

Zeiger der Zeit drehen sich zurück ... Erinnerung beginnt …

Marguerite und die Geister: Berthe

Und aus dem Süden des Raumes tritt vor sie ein rundliches schwammiges Weib Vicomtesse Berthe de Beauroyre formt mit ihren Händen eine Geste die Marguerite zu Tränen rührt Und es erscheint neben Berthe ein kleiner feister Kerl mit wallend weißem Bart Vicomte Albert de Beauroyre Stolz steht er da von sich überzeugt als sei er der Nabel der Welt … Marguerite möchte ihm sagen:

„Tu’s nicht tu nicht alles nur für Dich selbst!“

Doch er hört sie nicht

Flirrend zitternd die Angst das Vergeh’n …und der goldgerahmte Spiegel über dem großen Kamin aus italienischem Marmor blinkt nicht mehr Fein geschnitztes Eichenbett über und über vergoldet schimmert nur matt goldfarbene Seide knistert als Himmel darüber – verstaubt

Es ist der Schlafraum der Berthe kostbar bestickte Bezüge des Louis–Seize–Gestühl’s künden von einstigem Flair prunkvollster Adligkeit Er ist’s der sie herzieht die Seelen lasterhaft oder nicht dieser Flair Glanz Reichtum Abbild himmlischer Pracht Nur – hier wirkt alles verlottert. Doch es tut der vornehmen Art des Hausherrn nichts dass Gut und Geld verwirtschaftet ist … zu sehr hat er in Saus und Braus gelebt der Vicomte

„Und keine Minute davon bereue ich!“ tönt er in der Epicerie „Nicht eine einzige Sekund’!“ spricht er oft vehement Inzwischen ist kein Land mehr zu verkaufen kein Strauch alles dahin Fleischer Weinhändler…sie alle wollen nur noch Bares auf die Hand Hass Wut glimmen im Vicomte doch es hilft nicht Man bleibt hart Zu groß sind die Schulden zu herrisch sein Gehab’ Er Meister der Lebenskunst er soll nun darben wie ein Bettler hier hocken Wasser zum harten Brotesaufen statt Foie Gras essen zum Sauternes? Nein! Wühlt’s in ihm und er sucht unruhig und bös’ sucht nach einer letzten verstaubten Flasche Weines findet nichts setzt sich brütend in eichengetäfelten Raum weit weg von seinem Weib … denkt nach … kein Ausweg in Sicht

Das große Vermögen der Berthe ist ja längst durchgebracht dumme Gans blöde Ziege stumm liegt sie da stumm stumm stumm in ihrem vornehmen Raum ... Überhaupt die Weiber … geht’s ihm durch den Sinn frag’ mich oft wozu sie sind nerven drängen wollen immer nur haben … widerliches Geschlecht Und – vor allem: warum nur eine einzige nehmen ... vor der ganzen Welt? Mormone Muselmann müsst’ ich sein Warum nicht ein ganzes Schloss ausstatten mit Weibern jede gefüllt bis an den Rand mit herrlichster Mitgift Millionen Millionen kämen mir da hinein

Wahrhaftig denkt er das wär ein Riesenspaß bräuchte mir keine Gedanken zu machen um Wasser und Brot Schuldscheine endlose Nörgelei Schnell werden Weiber einem im Bette auch fad’ … Ach die Peitsche schwäng’ er auf ihren Hintern Ach! Ja! Ach!

Wozu hat Gott nur dieses Weibervolk geschaffen grübelt er weiter sehnt sich nach Foie Gras einem herrlichen Tropfen Wein wozu – wenn man sie zu nichts Wichtigem brauchen kann? Hätte dieses Weib da drüben im goldenen Bette wenigstens einen Sohn zustande gebracht ja dann hätte er jemanden mit dem er sich verbünden könnt’ ... Doch die dumme Pute hat nur eines geschafft: ein hässliches Mädchen mit dünnen Locken nicht den Aufwand wert beide Mutter und Tochter nicht … Ach dieses Weibervolk! Und voller Wut darob dass er keinen Wein kein Brot mehr find’t läuft er wieder ruhelos durchs Schlosssucht sucht und sein Hass auf das Weib das sich still zu Bett gelegt wächst wächst ins Unendliche wächst

Er ist in der Falle kein Geld mehr Kein Geld mehr! Werd’ ihr Beine machen denkt er sie soll mir nicht davonkommen schwört er wenn ich schon darben muss ... Ich! Darben! Welche Unverfrorenheit! Und es blitzt in ihm – voller Gier nach Wein – ein Gedanke durch den Kopf Er tritt in den eichengetäfelten Raum klingelt nach dem einzigen Diener der noch geblieben ist der auch ohne Lohn dient befiehlt großmäulig den letzten Gaul einzuspannen

Eine Stunde später sitzt er beim Weinhändler drunten in Montignac beim Weinhändler … dessen feindselige Haltung treibt ihm cholerisch Blut ins Gesicht denn Moribord der Händler will nicht eine Flasche herausgeben ... Nein den Vicomte den mag er nicht rotzt kotzt er doch in seiner hochadligen Art jede und jeden im Städtchen an …

Die schöne Berthe die er einst gefreit wann sieht man sie noch? Kaum und wenn – dann blickt ein verschlafen aufgedunsenes Weib hochvornehm näselnd vor Arroganz … Ach Berthe sie war einst so schön und lieb … Moribord erinnert sich wie sie hier in Montignac als Kind dann junges pralles Mädchengeschöpf leichtfüßig durchs Städtchen gegangen ist … Ach wie verliebt war er in das herzige Kind! Und nun – das schwer aufgedunsene Weib … Was hat dieser Teufel nur mit ihr gemacht grübelt Moribord Würd’ ihn am liebsten massakrieren hinauswerfen doch das wagt er nicht denn – es geht schon gewaltige Macht von diesem Manne aus da kann man sich nicht wehren Dennoch - den Mut hat er - jawohl gnädiger Herr: keine Flasche Wein ohne Bares auf die Hand

Der Vicomte sitzt hartnäckig im Kontor sitzt schweigt lange Zeit dann spricht er sie aus – die Blitzidee:

„Hätte schon eine gute Bezahlung für ein gutes Fass Wein bringt er’s mir nur ins Schloss hinein. Doch vom Besten muss er sein … dazu Cognac im Fässchen und beste Foie Gras“

„So?“ lässt Moribord da vernehmen „Das muss schon ein ordentlicher Batzen sein den Ihr mir da bieten wollt“

Der Vicomte schweigt blickt auf seine groben fetten Hände dreht die Handflächen nach oben nach unten spreizt die Finger Moribord wird neugierig sieht den Vicomte starr an

„Nun nun heraus damit“ spricht er etwas frech

Da trifft ihn des Vicomtes gewaltig verachtender Blick will heißen er droht stumm: Ich bin der Herr hier Ich Ich Ich nicht Du! Auch wenn Ich keinen Centimes in der Tasche habe Ich bin was Besseres als Du!

„Ganz einfach mein Guter“ hebt der Vicomte wieder zu sprechen an „Ich verkaufe Euch für ein zwei Stunden meine Frau die gnädige Vicomtesse Berthe de Beauroyre Das Weibsbild liegt den ganzen Tag im Bett stöhnt vor sich hin da könnt Ihr mit ihr stöhnen – wie’s Euch gefällt“

Moribord stockt der Atem … Entsetzen quillt hoch Für wie lasterhaft er den Vicomte auch gehalten … soviel Verworfenheit hätte er nicht vermutet Doch der Vicomte beherrscht jedes Spiel weiß wie begehrlich Moribord einst Berthe nachgesehen

„Nun“ fragt er herrisch „abgemacht? Denke Dir’s gut aus Morgen gegen die Dämmerstund’ – mit allem was ich verlang’ … Werde sorgen dass keiner was erfährt“Spricht’s stolziert mit hämmernden Hacken durch’s Kontor den Weinkeller mit seinen herrlichen Fässern bleibt stehen greift nach einem der Krüge die auf dem nussbaumgeschnitzten Tische stehen greift einen wendet sich dreist dem nächsten Fasse zu dreht am Hahn lässt köstlich roten Wein schäumend in den Krug hineinlaufen so dass er überquillt …

Moribord – wütend aufgesprungen – um dem Vicomte Einhalt zu gebieten … es rinnt immerhin kostbarer Bordeaux zu Boden … stockt als er vor ihm steht denn er spürt: Was Grausames Gewalttätiges ist in dem Mann Herrschsüchtiges abgrundtief Böses und er ahnt dass ihm der Vicomte den Krug über dem Schädel zertrümmern würd’ … sollt’ er es wagen ihn zur Rechenschaft zu ziehen Gewaltiger Dämon denkt Moribord Wer auf diesem Planeten kommt eigentlich gegen ihn an? Verflucht muss der Tag gewesen sein an dem er gezeugt Da schlürft säuft er dass ihm Wein den Hals hinab rinnt säuft gierig meinen edlen Saft als sei’s Bauernwein Nichts zu schätzen weiß dieser Kerl greift grabscht gierig so wie’s ihm gerade passt … frisst zerstört alles was ihm zwischen die Finger gerät … sei’s Wein Weib oder Kind ...

Der Krug ist leer der Vicomte wischt sich mit seiner derben Pranke den Mund schnell ab öffnet die Lippen zu höhnischem Lachen steigt die ausgetretenen Steinstufen hoch öffnet die Tür dreht sich noch einmal um: „Bis morgen mein Guter!“ Dann knallt er die Türe zu so dass die Scheiben klirren

Verstört ist Moribord bleich vor Angst mag nicht einmal den Krug greifen den der Vicomte gehalten hat Furchtbares ist um diesen Menschen Satan in PersonEr öffnet den nussbaumgeschnitzten Schrank nimmt eines der vielen blitzend geschliffenen Gläser heraus sucht eine Flasche gelben Sauternes in den Regalen findet … setzt sich ins Kontor in den breiten Lehnstuhl schiebt ein Tischchen heran stellt Flasche und Glas darauf lässt seinen Blick auf der Flüssigkeit ruhen entkorkt die Flasche wartet ... gießt ein ... blickt lang ins lichte Goldgefunkel ... dreht das Glas ... sieht zu wie der Wein am Glase ölt ... trinkt … schließt die Augen trinkt atmet auf – vorbei der Spuk So war’s schon immer mit dem Sauternes … er vertreibt Dämonen

Und wie er sitzt trinkt in hellen Himmeln schwebt da regt sich andere Kraft in ihm So war’s schon immer mit dem Sauternes …Und er webt sich hinein in den Traum einmal in einem Schloss mit einer Noblen zu sein umgeben von Pracht goldenen Spiegeln seidenen Decken Ach die Vornehmheit Ach sie ist’s die ihn reizt nicht das aufgedunsene Weib doch immerhin ... es ist Berthe das einst leichtfüßige Kind eine Noble was Besseres als er ... oder nicht? Einzudringen in diesen sonst geschlossenen Kreis Vornehmheit zu durchbrechen benutzen Verbotenes nehmen selbst um den Preis dass ein Weib gedemütigt wird … Ach – sie wird’s überleben denkt er … sieht Spiegel blinken ...

Und die Nacht vergeht wie im Fiebertraum Stunden zählt er bis zur abendlichen Dämmerstund’ Hat früh am Morgen aufladen lassen schon ist er unterwegs auf holpriger Straße hoch durch Eichenwälder Schon von weitem sieht er’s stehen Fleurac Märchenschloss hoch über höchsten Hügeln des Périgord stolz und lieblich anzusehen hoch über Tälern verwunschen und schön Kein Diener öffnet er muss selbst hinab vom Kutschbock blickt sich vorsichtig um schließlich steht das Dorf zu nah aus jedem Fenster könnten sie ihn sehen

Wenn auch was soll’s – er bringt Wein das ist kein Vergehen Was mag man da im Dorfe klatschen Er öffnet das große schmiedeeiserne Tor steigt wieder auf knallt mit der Peitsche über dem Gaul fährt hinein in den Park dem Eingang zu … Noble Pracht ist’s die entgegenweht

„Wahrhaftig“ denkt er „werde meine Schulden eintreiben können als er schweres Eichengestühl im getäfelten Saale erkennt weiter kostbare Möbel sieht ... Ehrfurcht ist’s die ihn überkommt Ein schönes Leben muss es sein ... in solcher Herrlichkeit … Aufregung steigt ins Unermessliche Geheimnis Gier Angst und das Gewissen pocht ... Laster ist’s allemal … Laster ist’s was geschehen wird …

Zerstörung Mord ja Mord ... Mord ist’s was der Vicomte da seinem Weib antut und kaum hat er’s gedacht da sieht er ihn sitzen eine Havanna paffend streckt den Arm aus nach dem Fässchen duftenden Cognac’s das Moribord schwer im Arme trägt

„Nur hereinspaziert“ dröhnt’s jovial durch den Raum „stell’ er nur das Fässchen hier auf den Tisch und hol er mir danach ein Glas – dort aus dem Schrank“ Frech kaltschnäuzig tönt’s glitzernde Wut Genugtuung im Blick sitzt er da der Vicomte … Beine hoch auf dem Eichentisch Was für ein Tier denkt Moribord und doch überspült Erregung ihn so heftig so unfassbar grell und stark wie er es nie zuvor gekannt Das nenn’ ich was … beim Weinfass … das nenn’ ich was das ist schon ein Spaß wie’s da lodert in mir sich auftürmt denk’ ich nur daran dass ich gleich die Tür öffnen werde ins Märchenland … Zimmer der Berthe soll ja der schönste Raum im Schlosse sein es … Es treibt ihm Blut ins Gesicht während er das Glas dem Vicomte bringt Der grinst ihn höhnisch an blickt verächtlich auf dessen Unterkleid dorthin wo sich’s wölbt dann winkt er rüde ihmnach rechts spricht: „Geradeaus ... es ist keiner im Haus“ schnarrt grob weiter: „Doch stöhn’ er nicht zu laut!“

Spuckt einen Fetzen Havanna durch den Raum gießt sich gierig vom braun leuchtenden Cognac ein er sieht’s schon der Vicomte ja er sieht’s … Moribord hat beim Cognac nicht an Qualität gespart das ist ein Spitzenbrand das schnuppert er gleich … säuft’s hinunter viel zu schnell ...

Und Berthe die Vicomtesse vornehm arrogante Noble des Périgord wie wird sie’s tragen diese Schand’? Vielleicht foppt der Vicomte ihn nur und er Moribord wird stehen wie ein geprügelter Hund weil sie ihn kühl mit eisigem Blick auf einem ihrer goldenen Stühle sitzend sofort aus ihrem Raume weist? Zögernd dreht er sich um mustert den feisten Vicomte wie er säuft stiernackig bullig gefährlich wie ein Raubtier und er geht zurück fragt: „Und sie?“ Da lacht der Vicomte dröhnend schnarrt:

„Habt nur keine Angst Jammerlappen … Weiber habe ich immer im Griff ... liegen mir zu Füßen himmeln mich an und sollte eine mal nicht parieren kriegt sie die Knute Will meine gnädige Vicomtesse nicht ... dann nehmt ihr die goldenen Sesselchen weg Die sind mehr wert als Euer Gesöff“

Dabei glitzert sein dunkelbraunes Auge so tückisch dass Angst Moribord durchfährt Da gibt’s was das ich nicht weiß … er quält das Weib mehr als ich ahn’ und es kriecht hoch die Erregung in ihm und er dreht sich um geht zur hohen Tür stockt klopft an … Ehrfurcht ja Ehrfurcht ist’s gepaart mit Gier Sucht und er öffnet leise die Tür staunt in gold–weiß gleißende Pracht Potzblitz das hätte er nicht gedacht ... Möbel zierlich golden überreich geschnitzte Spiegel überall Spiegel Gold goldene Pracht …

Seit Tagen schon strömt Regen schlimmer als je zuvor Sturm peitscht den Périgord die Vézère ist über die Ufer getreten Montignac in Not Wasser steigt stetig Feuchtigkeit zieht in den Mauern hoch Schimmel blüht an den Wänden man klagt ... über Gewitter Sturm und ... Gott … Gicht schleicht sich ein man friert bis in die Knochen jetzt schon Holz verfeuern in den großen Kaminen? Was soll dann erst im Winter werden? Und so säuft man Wein davon wird’s einem warm man liegt liebt ... liegt ... Arbeit? Lasst Arbeit Arbeit sein Ach dieses Wetter dagegen hilft nur der Suff ... und ... die Liebe ... das ist genug …

Und die Edlen von Montignac? Sie nutzen die Stunde ... Man drängelt sich an langen Tischen im Kontor es duftet nach Wein wahrhaftig der Mann hat köstlichen Saft Von Wein versteht er was … nie ist’s gepanschte Brüh’ man dämmert herrlich in den Nachmittag hinein Weiber … sie denken man arbeite hier … warten bis man pünktlich heimgekehrt … warten - heute und morgen auch - ach es ist herrliche Männerherrlichkeit … Doch alles hat seinen Preis Im Kontor dichtgedrängt macht Moribord händereibend ein prächtiges Geschäft Kalt ist’s heut’ feucht draussen … Wasser rinnt überall und Cerannes der Fleischer schimpft:

„Könnt’ mir einen Krug aus dem besten Fasse leisten wenn dieses Monster von Vicomte nicht wär’“

„Na so schlimm wird’s nicht sein“ lachen die anderen „siehst ja ganz stattlich aus“

Und der Makler Vervères zieht ihn am Revers tätschelt sein Doppelkinn

„Doch“ knurrt Cerannes „es reicht mir mit diesem Kerl Seit Jahren vertröstet er mich schnauzt mich an Hätte man mir nicht von Kindesbeinen an Ehrfurcht vor den Nobleneingebleut dann hätte ich ihn am Fleischerhaken erhängt“

Die Männer lachen wieder

„Ja ein Vermögen schuldet er mir“ knurrt Cerannes „das beste Fleisch die besten Pasteten Jahr für Jahr … von der Gans bis zum Kalb Alles hab ich hingeliefert Schlosslieferant wollte ich sein nun ja Reklame muss eben sein dachte ich … ahnte nicht dass dieser Satansbraten kein Geld mehr hat Schon seit Jahren verkauft er Land … Vervères warum hast Du es nicht gesagt?“

Vervères der Makler zuckt mit den Schultern bekommt einen tückischen Zug ins Gesicht Die anderen nicken:

„ Ja Vervères an der Nase herumgeführt hast auch Du uns“ ruft der Schneider doch dann vergisst er’s in seiner Wut:

„Dieser Vicomte ... immer das vornehme überhebliche Getu’ ... Ich bin was Besseres als Du ... so hieß es doch immer mit und ohne Worte … also spur’ ... also parier’ also kriech' schön demütig vor mir ... Jawohl gnädiger Herr wie Sie es wünschen ... Hochwohlgeboren ... Und keinen Centimes für dieses Getu’“

„Dieser dreiste Kerl wie er die größten schönsten Blumensträuße des Périgord verlangt aber keinen Sous in der Tasche hat“ fällt der Gärtnermeister von Montignac dem Schneider ins Wort

„Ich wage nicht einmal zu widerstehen er kommt ja daher wie ein Gott denke immer die Zeiten drehen sich zurück ... gleich zieht er die Peitsche schlägt sie mir ins Gesicht … Revolution hin und her“

„Und ich erst“ klagt der Wirt vom Clef d‘ Or „wie plustert er sich wenn er mit seinen Freunden kostenlos tafelt bei mir Halt er die Schnauze! fährt er mich an wenn ich ihm zu sagen wag’ dass ich heut’ sehen will ein paar Franc Macht einem Angst der Kerl das muss ich sagen Dirigiert mich und mein Personal herum als seien wir sein Eigentum Was nützt ein Vicomte der nur nimmt niemals gibt? Ist das der Sinn von adligem Sein? Schützt er uns? Verschafft er uns Privilegien? Tut er was für unsere Straßen? Für Arme Schwache Kranke? Nichts! Er benutzt uns … das ist die Schweinerei! Da wird gefressen und gesoffen da wird gelebt in Saus und Braus und Du stehst daneben Du armer Pfropf siehst zu und weißt nicht ein noch aus“

Sie trinken ihre Wut ihren Ärger hinunter Ach es ist heute so kalt ... Moribord der dürre Kerl schaut heute zu tief ins Glas Schlecht ist das!

Denn nun bleibt die Geschichte von ihm und der Berthe im Schloss Fleurac kein Geheimnis mehr ... Nun ist es gesagt …

Marguerite erkennt die Seele des Ortes Fleurac

Marguerite staunt als die Vision verblasst vom Kontor in Montignac steht wieder im Raume der Berthe de Beauroyre sieht seidenen Himmel über großem Bett … Hier also war’s ... Warum solche Geschichten ... wo ist diese Berthe? Irgendwie wächst Angst denn plötzlich steht das schwammige Weib so nah vor ihr dass Marguerite sie fassen könnt’ Augen verweint Haar ungepflegt Kleid demoliert und – Entsetzen – Berthe spricht! Ein Geist der spricht wie ein lebendiger Mensch?!

„Gib mir eine Flasche Sauternes reich mir ein Glas lass’ mich Du sein ich schlüpf’ nun in Dich hinein führe Dich … weiß wo es herrlichen Tropfen gibt trink’ Du ihn – denn dann trinke ich Wie soll ich’s ertragen im Totenreich ohne Wein ganz allein nur mit meinen Möbeln diesem Raum in dem ich irre ach wie lange schon ... kann nicht hinüber gleiten in anderes Reich denn das Grauen sitzt zu tief in mir … Grauen Grauen Grauen vor diesem Mann ... dem Vicomte der mich mein Leben das meines Kindes und mein ganzes Vermögen verschachert hat Schock über Schock in mir über Kerle mit stinkenden Körpern schmutzigen Gliedern die er mir gesandt kannst Dir nicht vorstellen was …“

Marguerite hebt die rechte Hand:

„Halt ein Berthe“ sagt sie streng denn sie fühlt ... Geist der nicht sterben kann ... dieser Geist schlüpft in sie hinein … oder ... war er schon immer in ihr? Schlummernd in Unbewusstem? Nun erwacht? Wie auch immer: eines darf nicht sein ... sie kann nicht Berthe’s Leben einfach wieder leben Berthe muss begreifen: ihre Zeit ist vorbei ...Doch – wie helfen? Was kann sie tun damit dieses Geschöpf nicht irrt und Menschen ... diesem Ort Erde Wasser Luft Schaden zufügt weil es Körper Sinne besitzen will die es – für sie – nicht mehr gibt?

Da schwebt – aus dem Süden kommend – neuer Geist heran Berthe wendet sich um will nicht sehen … Louise ist’s Louise de Beauroyre schlank schmal mit großer Nase dünnem Haar Louise ... Kind der Berthe ... Louise naht ...

„Warum willst Du gehen?“ fragte Marguerite zu Berthe gewandt „S’ist doch Dein eigenes Kind“ … Berthe entzieht sich heftig lässt sich nicht halten

„Wie ... nun willst du nicht mehr? Kein Plätzchen in mir? Komm’ ich gebe Dir ein Stückchen Mensch eine Ahnung davon wieder was Sinne sind ... komm’ kannst fühlen schmecken und zum guten Schluss gönne ich mir und Dir ... ein Fläschchen Sauternes Nun – wie gefällt es Dir?“

Kein Zweifel ... weiß Marguerite ... Berthe hat ein schlechtes Gewissen Hat was ausgefressen Da stimmt was nicht mit ihr und dem Kind Da hat sie Mutterpflichten verletzt auch deswegen irrt sie hier im Schloss Während sie’s denkt fühlt sie sich schlecht … rechts vor allem an der rechten Hüfte und Brust ... fühlt sich aufgedunsen hat ganz unerhörten Durst ... Ah ja denkt Marguerite das ist also Berthe … Doch Vorsicht breite Dich nicht zu sehr aus denn ... meine Liebe ... schon lang’ ... viel zu lang’ … kenn' ich Eure Geister-Tricks: Erst ganz still und bescheiden dann – nach einer Weile wollt ihr die ganze Persönlichkeit eines Menschen beherrschen Doch Berthe Schätzchen hab' meine Lektion gelernt ... meine Meister waren streng brauch’ nur Finger in bestimmter Art aufeinander zu pressen dann bist Du weg bist Du ... draußen! ... Aus und vorbei! Nur – damit Du’s weißt! Doch was ich tun kann um Euch alle zu erlösen das sei getan dazu bin ich hier … das ist meines schwierigen Lebens letzter Sinn Louise naht ... schnäuzt sich die Nas’ mit den großen Löchern steht aufrecht und doch voller Lieblichkeitführt Marguerite stumm in einen anderen Raum in dem ein schwarz–rot–geblümtes Sofa steht und ein schwarzer japanischer Intarsienschrank

Automatenhaft wirkt Louise stark sehr stark Doch auf merkwürdige Art ist ihre Kraft gebrochen Alles in ihr fließt wirr gequält Was hat man wohl an ihr verbrochen? Berthe will sich abwenden doch Marguerite erlaubt es nicht lautlos entsteht ein Kampf den Marguerite gewinnt So sehen beide sich dann lang’ sehr lang’ das Louischen an ...

Während sie so stehen sehen klirrt es klingt es im Raum auf so fremdartige Weis’ dass alle drei erschrocken zusammenzucken sehen hören fühlen … glasharte Helligkeit qualvoll heller Ton weißes Brokat-Kleid knistert ...

Marguerite tritt unwillkürlich zurück denn in den Raum fällt immer mehr gleißendes Licht … Kristall-Lüster funkeln Wieso und warum? Da sehen Marguerite Berthe Louise ... ein Kind … kennen es nicht ... trägt brokatenes Kleid ... doch ist’s ein Kind? Nein Marguerite Berthe Louise staunen … das Wesen hat kindliche Gestalt doch es ist greis ... uralt!

Vor ihm dem merkwürdig entstellten Geschöpf mit stumpfen aschblonden Locken kniet ein Mann … In grenzenloser Helligkeit des Raumes sieht Marguerite überdeutlich in sein Gehirn hinein … sieht Geschwür Verknotung Schlingung die jeden Impuls der kommt falsch leitet dorthin wofür er nicht bestimmt sieht Beschränktheit seines Geistes Verdunkelung der Seele sieht hinter rot durchbluteter Haut schwarzen Eiter fließen alles in ihm ist verzerrt alles krank … Er hebt schwere derbe Hand zum Kinde hoch Doch das greise Wesen in weißem Kleid bleibt stumm schweigt in die Helligkeit hinein die langsam sich trübt weil von dem knienden Mann so viel Dunkles fließtUnd sie treten hinzu hohe Gestalten ...Woher kommen sie? Plötzlich sind sie im Raum …

Marguerites Herz klopft stärker denn je zuvor Möchte zu ihnen laufen rennen gehen fliegen eilen Doch so sehr sie sich auch müht sie scheint festgewachsen muss unbeweglich stehen Da ruft sie lautlos in den Saal hinein:

„Ihr … die ich einst verlor … Ihr … sagt mir … wer ist dieses entstellte Kind?“

Da summt’s singt’s klingt’s so nah so vertraut Himmlische antworten: „Es ist die Seele dieses Ortes“ „Warum ist es so krank entstellt und greis?“ Wieder hört sie es klingen:

„Es hat einen Defekt kann nicht vorwärts schreiten“ ... „Warum?“ Die hohen Gestalten treten näher und näher sehen das Kind ernst und traurig an … doch es wendet nur leicht den Kopf sein Blick hängt an dem düsteren Mann

„Wir müssen gehen“ klingt’s durch den Raum „Helligkeit trübt sich … Immer dann ist zu gehen unsere Zeit“ Da wendet sich das Kind zu jenen hin die sprechen Sehnsucht Liebe im Blick … „Du musst ihm verzeihen“ klingt es zum greisen Kind hin „Du musst … denn sonst bleibst Du in Dunkelheit“

Da verschließen sich Lippen des Kindes zu hartem Strich Helligkeit flackert weißes Brokat-Kleid knistert schimmert matt … Helligkeit erlischt Der vierschrötige Kerl legt seine Stirn auf glänzendes Parkett Wie merkwürdig ... denkt Marguerite öffnet schließt die Augen dieser Kerl löst sich gerade sekundenkurz auf flimmert und dann sehe ich einen großen schlanken … einen Hünen von Mann ... der da kniet ... was soll denn das bedeuten?

„Wir müssen gehen“ singt’s im Raum „Willst Du erlöst sein dann verzeih’!“

Da schüttelt das Kind den Kopf flüstert erst dann schreit es: „Nein! Ich kann’s nicht! Nein! Ich kann nicht verzeihen!“

Der Mann hebt den Kopf wird plötzlich wieder zum kleinen vierschrötigen Kerl blickt aus dunkelbraunem Auge hat verstanden erhebt sich und wie er’s getan geschieht Schreckliches: aus derber demütig düsterer Gestalt die am Boden gelegen erhebt sich dunkler machtvoller Klotz wuchtige Kraft Gier wächst mit jeder Bewegung alle Helligkeit ist gewichen finsterste Dunkelheit herrscht und der kantige Kerl ist nicht mehr demütig sondern voller Hass Noch leuchtet weißes Brokat-Kleid noch hört Marguerite Stimmen der sich entfernenden Himmlischen wie verwehenden Hauch:

„Verzeih’ ihm verzeih’!“

Doch das Kind schweigt weiter mit hartem Mund und während der Klotz voller Gier seinen Blick über das schöne Brokat-Kleid die fein gerundeten Glieder des Kindes gleiten lässt dann nach ihm greift … da ruft Marguerite:

„Halt!“

Bild verblasst Zuviel für mich ... denkt sie ... das halte ich nicht aus! Ein Schloss voller Geister und Götter die entstellte Seelen umstehen und ich weiß nicht warum! Hier werd’ ich verrückt! Sie seufzt ... Doch was hilft’s Sie muss hindurch das ist Pflicht Sinn ihres Daseins Grauen Qual Und sie atmet tief ein … Da spürt sie … Berthe in ihr … verlangt nach Wein … Krutzitürken!

„Halt Deine Klappe“ ordnet Marguerite streng an „Du hast nichts zu melden In di es er Version von Mensch bin ic h die Herrin hab’ ic h zu leiten! Also kusch!“

Verschreckt ob dieser derben Art schweigt Berthe still tritt aus Marguerite heraus Da hören sie Louise am Fenster sich wieder die Nase schnäuzen automatenhaft ... Marguerite tritt neben Louise schaut hinaus weit über die Hügel des Périgord sieht den Wind die Bäume wiegen Wolkenfetzen am Himmel zieh’n … sieht weit unten auf der Straße nach Les Eyzies ein junges Mädchen gehen – prall und schön Es singt trägt ein Kleid aus vergangener Zeit Da spricht zum ersten Mal Louises Geist:

„Das ist meine Mutter Berthe de Veaux ... “

Und wieder drehen sich die Zeiger der Zeit ... Herbstsonne strahlt durch hohe Fenster ...

Erinnerung beginnt …

Marguerite und die Geister: Berthe

Berthe singt ... Leichtigkeit in ihr ... zartes Weben mit der sie über Horizonten schwebt ... Könnte sie glücklicher sein? Ist ja schön und reich wie selten ein Kind - denn es wird geliebt

Es ist des Vaters Macht und Kraft die solche Liebe trägt Liebe eines Vaters für sein helles fröhliches Kind ... sie soll es besser haben als er - kleiner Provinzadliger mit Namen de Veaux - wird und will er dafür sorgen dass sein einziges Kind zum Hochadel gehört Aufstieg muss sein ... Da kommt ihm die Werbung des Vicomte de Beauroyre gerade recht ... ja sehr recht obwohl zugegeben es ärgert ihn schon dass sein zukünftiger Schwiegersohn zwar einen hehren Titel – doch kein Geld besitzt

Dennoch – wer könnte vornehmer auftreten als der Vicomte immer erhaben lächelnd ... wie er feine seidene Socken beim Überschlagen der kurzen Beine zeigt … großzügig am schwer–süßen Aperitif dann nippt leichthin erwähnt es sei simples Bauerngetränk doch dafür gut dieser Pinot sehr gut im Geschmack ... ja sehr gut ... er aber habe adligen exquisiten Muscadet im Schrank Überhaupt … wie der Vicomte alles besser weiß und kann ... Nur – warum ist er dann so arm?

Seitdem Verhandlungen für die Hochzeit begonnen ist dem alten de Veaux die Lust auf Pinot geronnen Der Kerl von zukünftigem Schwiegersohn hat nicht einmal einen Beruf ... Es wurmt ihn Tag für Tag und er fragt sich warum er ... de Veaux ... Schloss Fleurac das die hochadlige Sippe nicht mehr halten kann finanzieren soll einfach nur so ohne Sicherheiten ohne das Schloss als sein Eigentum zu betrachten Hochmut par excellence de Veaux erinnert sich:

Es ist die Mutter zierliche Brünette die ihn auf Schloss Fleurac empfängt in einem Raum – ausgestattet mit Möbeln die er noch nie in seinem Leben gesehen zart fein elegant … die Gnädige … ganz in brauner Seide … die Mutter spricht nicht zehn Worte mit ihm mustert sein bäuerlich anmutendes Kleid die derben Stiefel als käm’ er gerade vom Feld sitzt da mustert ihn als sei er gekommen ihr Bürsten zu verkaufen ... schlicht degoutant ... und nicht ... um sein Gut und Geld seine Tochter anzubieten …

Es interessiert sie nicht ist ihr völlig gleich wen ihr Sohn heiratet sie will nur Geld und eines weiß sie sicher Geld rafft ihr Sohn nur für sich selbst an Gier übertrifft er sie ... und drum ... mit diesem Bauernstiefel de Veaux hat sie nichts im Sinn Da kann ihr Sohn dieser eigensinnig faule Kerl der nicht arbeiten will da kann er sie bedrängen wie er will … Schlimm genug dass sie hier sitzen sich demütigen muss vor diesem périgordinischen Tölpel denn Demütigung ist’s allemal dass dieser Stinkstiefel ein Vermögen besitzt sie aber nicht Sitzt sie ... nur ... für ein Kind das sie geboren doch auf den Tod nicht ausstehen kann ... sie die kaum über den Tellerrand aus Sèvres hinausdenkt ihren Adel wie ein Sternenbanner trägt obwohl sie in zerlumpter Unterwäsche geht sitzt sie für ihren Sohn ein Tunichtgut eine Missgeburt mag ihn nicht … sitzt sie im einzig noch möblierten Raum alles andere ist schon verkauft ... hätten sie nur alle nicht so gehaust!

Nun soll sie die liebende Mutter spielen damit ihr Sohn an das Geld dieses steinreichen ehrgeizigen Provinzadligen kommt Doch hat diese Missgeburt Sohn es erst einmal in Händen weiß sie wird er jeden davonjagen der Ansprüche an ihn stellt Keinen Sous wird er abgeben davonjagen wird er sie ... auch die eigene Mutter ... warum auch nicht ...

Oh! Dieser de Veaux wird den hochadligen Namen mit siebenzackiger Krone teuer erkaufen müssen für sein Kind und – eines weiß sie auch schon jetzt: das Vermögen wird nicht lange reichen ...Sie kennt ihren Sohn nur zu gut ... wie der Vater so der Sohn Güter Höfe Acker um Acker Wald Häuser Paläste wird er fressen wie gebratenen Kapaun Da kann sich der Alte die Zähne ausbeißen an seinem neuen Schwiegersohn Er ist missraten weiß sie schon lang Doch hat sie nie je gefragt: warum? Weil er Spiegelbild ihrer Seele seines Vaters seiner Kaste? Keine Ahnung es interessiert sie nicht ... will nur Luxus Dienerschaft Reichtum und Macht

So sitzen sie schweigend da ... öffnet sich die Tür und der alte Vicomte tritt ein … Herrschsucht wie eine Krone über dem Haupt denn ... es soll diesem Esel aus dem verlotterten Périgord keine Chance gegeben werden sich als seinesgleichen zu fühlen nein ... nur: gib und dann stirb ... so heisst es hier Und der alter Esel durchglüht von Ehrgeiz blind vor Sehnsucht nach vergangener Zeit als Adel noch mit edel zusammenzubringen war ... noch mit Ahnung von wahrer Herrschaft über Menschenwelt dieser alte Esel verglüht fast vor Gier nach Titel Status Rang und so erkennt er nicht dass man ihm Komödie vorspielt

Jeder Kaufmann sieht’s riecht’s schon von weitem: den Beauroyres weht das Hungertuch abgewirtschaftet die gesamte Sippe … schon lang wird verkauft und dennoch geprasst Voller Ahnenstolz sind sie davon überzeugt dass i n ihnen edleres Blut fliesst denn im gemeinen Volk und so greifen sie zu jedem und allem denken es steht ihnen zu ... Kraft Gottes Kraft der Natur ... nutzen bereichern sich wo und wie sie nur können vor ihnen hat man sich zu beugen und er Bauerntölpel de Veaux hat dem alten Vicomte nun Rede zu stehen: Wieviel Gut? Wieviel Geld? Wieviel Mitgift? Welche Sicherheit? Der Alte will sich nicht lumpenlassen in seiner Ehrfurcht vor so viel Hochmut läßt sich einschüchtern will ihnen gleichtun auch hochadelig sein reckt sich lässt sich hinreißen sagt:

„Nun denn ich kaufe zu einem guten Preis Euch Schloss Fleurac ab Für mein Kind ist’s Morgengab’ ... ihres soll es sein ...“

So spricht er sich ins Unglück hinein und die Gnädige und der alte Vicomte lächeln fein „Nur das Schloss?“ hört er’s fragen kalt keck unverschämt Da dreht sich de Veaux aus zierlichem Sessel hoch fühlt sich jämmerlich nichtig und klein Ja denkt er das Schloss allein ist eine zu bescheidene Gabe für so viel Adel und vergisst dabei: die goldenen Zeiten sind vorbei bietet willfährig weiter und weiter ... dieses und jenes Gut diesen Hof und ein schönes Palais ... Adel nickt gnädig: „Der Notar wird morgen bei Ihnen sein“

Beide begleiten ihn nicht einmal zur Tür mustern ihn kalt lassen ihn in seine Kutsche steigen sehen hinter verhangenem Fenster ihm nach ... Der alte Vicomte reibt sich die Hände es ist geschafft denkt er ... für dieses Mal die Partie gewonnen doch die Gnädige hemmt seinen Stolz:

„Freu Dich nicht zu früh das Vermögen gehört der Berthe nicht Dir oder mir … sicher wär’s klüger gewesen hättest Du Dir ein oder zwei Güter überschreiben lassen auf Deinen Namen .glaub’ mir Dein Sohn wird Dich abservieren sobald er Weib und Geld in Fingern hält ... “

Der alte Vicomte runzelt die Stirn denkt hasserfüllt: dieses erbärmliche Weib ... alles will sie besser wissen redet mir ständig hinein ...ich hasse Weiber ... hasse diese Frau und das schlimmste ist: habe kein Geld ... Schreit er: „Warum hast Du’s nicht gesagt und getan?“

Erwidert sie lapidar:

„Hättest Du’s erlaubt? Hättest Du mich nicht sofort lächerlich vor ihm gemacht? Durft’ ich je anderes denn schweigend repräsentieren ... Deine Blödheit Deine Inkompetenz!? Herrgott ich hasse Dich! Hätt’ ich nur einmal wirtschaften dürfen wär’ mein Vermögen nicht verbraten verloren!“

Dieses Weib bring’ ich um ... denkt er … solche Frechheiten zu sagen Wär’ ich noch wer in dieser Welt: ich würde sie vergiften verbrennen ihr jedes Verbrechen anhängen nur damit sie bestraft werde für solche unglaubliche Rede

De Veaux indes fühlt sich schlecht auf dem Weg zurück … was tun fragt er sich bang wenn ich mein Vermögen verspielt Doch ... dann – voll ärgerlicher Eitelkeit denkt er … immerhin ... hab’s dem Hochadel gezeigt meine Tochter wird dazugehören Doch – schleicht bang sich die Frage ein: um welchen Preis? Meine gesamte Existenz ... alles was ich hab’ ... in der Hoffnung dass der Mann Gut und Geld und mein liebliches Kind zu schätzen weiß ...

Je länger er nachdenkt desto sicherer schleicht sich die Ahnung ein dass ihn diese Heirat dieser Schwiegersohn das Leben kosten wird Wie soll alles zu zahlen sein: Schloss Dienerschaft Wer pflegt den Park? Wer die vielen Räume bis unter’s Dach? Leibeigene gibt es nicht mehr ... und das périgordinische Bauernvolk war zum Dienen noch nie begabt ... diese aufsässigen Okzitaner mögen keine Überheblichkeit und ... wovon soll Berthe sein Kind leben wenn der Schwiegersohn nicht arbeiten will weil sich’s für den Hochadel nun einmal nicht ziemt? Also wird er sein Kind finanzieren müssen: Roben Dessous Champagner Pralinen feine Bücher Kammerzofen Und – woher Brotnehmen Fleisch Kartoffeln Enten ... alles das was so viele Menschen die in einem Schloss leben ... eben essen? Ihm schwant Ungutes ... das ist zu viel für einen einzigen Mann wie ihn ... da wird der neue Sohn ... ja … er hat da eine gute Idee: Weinstöcke sollten um das Schloss herum stehen Weingut müsst’ es werden das Schloss ... Gut Fleurac … Obstbäume ja Obstbäume müssten zuhauf bis ins Tal hinunter gedeihen ... das brächte Geld ein ... die Schnapsbrennerei ... er könnt’ sicherlich eine Lizenz beschaffen ... Herrlich! In den Kellern würde es duften!

Doch – was ist wenn der feine Adel sich nicht die Finger schmutzig machen möcht’? Nicht jeden Tag Arbeit Weinlese Keltern Brennen? Nicht Kunden anwerben? Ja was dann? Er hat sich verplappert droben im Schloss hat zu viel versprochen Das geht nicht gut Doch geschehen ist’s er kann nicht zurück Und so setzt er am nächsten Tag sein Kind in die Kutsche fährt die Straße hoch durch Eichenwälder … Trüffel sollte man hier wieder kultivieren denkt er … und da steht schon Schloss Fleurac

Er hält an noch bevor sie das Tor erreichen nimmt seines Kindes Hand sagt: „Nun wäre das ein schönes Heim für Dich?“ Berthe sieht hin denkt Ach s’ist nur ein Traum nickt atemlos drängt vorwärts möchte aussteigen hinlaufen zum Schloss ... „Nun geh’ schon“ sagt der Vater mild und sie tut’s ...

Der Alte knallt mit der Peitsche rollt zum Schloss Herrgott warum habe ich dämlicher Hund ohne einen Preis zu nennen den Kauf dieses Gemäuers angeboten? Sie werden

mich allesamt über den Löffel barbieren Hohn-Preise türmen ... und er steigt vom Kutschbock da steht auch schon sein Kind strahlend fasst seine Hand Berthe ist so glücklich naiv verträumt ...

fiebert der Sekunde entgegen in der sie das Schloss betreten darf schreitet aufrecht so wie es sich gehört für eine zukünftige Vicomtesse ...

Ein uralter Diener ausgemergelt und schwach öffnet das Tor lässt beide hinein ... sie warten ... doch keiner der Hochadeligen lässt sich sehen ... keiner begrüßt sie ... meldete der alte Diener sie? ... Er ist verschwunden ... bleich ausgemergelt schwach

Dieses Pack! denkt de Veaux ... Hat’s nicht einmal nötig uns die Hand zu reichen zu grüßen ... Oh was hab ich nur getan?

Sieht seine kleine reizende pralle Tochter an nein adlig wirkt sie nicht doch lieblich edel und voller Kraft Sie gehen beide durch die Halle … gehen an einer Flucht heller lichtdurchfluteter Zimmer vorbei alle leer ... sehen Marmorkamine verzierte Decken Berthe staunt wie ein Kind nur staunen kann

Und des Vaters praktische Art sich die Kellergewölbe anzusehen gibt ihr Gelegenheit allein in leeren Räumen zu stehen sich wundernd warum man sie lässt ... geht andächtig still … sieht einen Raum ... ihr Herz schlägt höher ... beschließt sofort: dies wird ihr Reich ist glücklich hier sofort seit der ersten Sekunde überhaupt ...

Seitdem sie das Schloss betreten weiß sie... es gehört zu ihr sie hierher fast ist ihr als stehe ein hochgewachsener Mann Hüne hier und dort ... lächle ihr freundlich zu ... Dummheit Unsinn …Dort ... beschließt sie ... soll ihr Bett stehen … dort ... scheint die Luft leichter ... prickelnd ... Champagner gleich den sie noch nie getrunken hat ... Merkwürdig vertraut diese Luft hier ... das Gefühl ... selbst Luft zu sein keinen Körper zu haben herrlich ... es müssten so dünktihr ... über ihrem Kopfe ... gläserne Pyramiden wachsen ... so vertraut ist’s als sei sie’s gewohnt ... seit urewiger Zeit ...

Welche Dummheit ... denkt sie ... Ach! Berthe Ach! Nun wird ihr bang denn der Vicomte der Mann ... den sie heiraten soll … sie weiß nicht ob sie sich in ihn verlieben kann Ist ja nicht jener der ihr ... hier gerade zugelächelt ... Ach wird’s schon können ... vielleicht ja doch wenn er nur einmal recht nett zu ihr wäre doch das ist er nie ... immer hochnäsig Das gefällt ihr nicht denn sie weiß: ist schön und reich ... nur nicht so adelig wie er ... ist es das was ihn wurmt? Sieht er in ihr nur ein plumpes derbes Bauernding? Sie ist sicher ... wird ihn zu betören wissen ... träumt: wird Liebe ausgießen aus unerschöpflichem Quell’ doch weiß nicht dass ihn weder Liebe noch Schönheit betören kann sondern nur Macht und Geld

Feinheit Kunst Liebliches Zartes – das macht ihn nicht an was schert es ihn Albert de Beauroyre Herr will er sein über alles und jeden Herr Herr Herr (!) Junker sein zechen mit Kumpanen auf die Jagd gehen ob nach Wild oder Weib ... lachen streiten ... mit Männern nie mit einem Weib ... ist’s nicht wert ... Plan: sein neues junges Weib wird ihn nicht scheren sicherlich nur Ansprüche stellen … ihm ... Oh Graus! ... Morgens eine Kinderschar ans Bett bringen wollen ihn zwingen darüber glücklich zu sein Nein das wird er ihr austreiben so wie jegliches Herrschen Schon in der Hochzeitsnacht soll ihr klar werden: er und nur er ist der Herr! Unheil nimmt seinen Lauf ... das schöne naive Kind Berthe weiß noch nichts ... und das ist gut

Irgendwann reisst der Vater Berthe aus ihren Träumen steht wütend mit rot angelaufenem Gesicht denn: kein Diener ist zu finden Herrschaft schon gar nicht … man ignoriert ihn ... de Veaux hat zu gehen ... den Alten quält diese Demütigung schweigend führt er sein Kind aus demSchloss hoch über höchsten Hügeln des Périgord Sie fahren langsam dem großen Tore zu Auch das müsste erneuert werden doch – von welchem Geld?

De Veaux grämt sich hört sein Kind Pläne schmieden … von Rosenbäumchen–Alleen ... neue Möbel müssten her nicht das übliche plumpe dunkle Zeugs … Was tun ... brütet de Veaux habe mich schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt vielleicht spreche ich ein Wort mit dem Schwiegersohn in spe

Drunten in Les Eyzies im feinsten Hotel am Platze müsst’ er mit seinen Kumpanen sitzen hoffentlich nicht wieder auf de Veaux’sche Rechnung Und so hält er – auf der Rückfahrt – vor dem Hotel heisst sein Kind warten findet den jungen Vicomte mit Freunden tafeln vom Feinsten

„Habe mit Euch ein Wort zu reden“ winkt de Veaux ihm Der junge Vicomte kommt herbei voller Hochmut Feindseligkeit ... diese unvorstellbare Überheblichkeit! Denkt ja … ist fest davon überzeugt … er sei was Besseres als andere Leut’ ... dennoch – de Veaux braucht klare Sicht ... schluckt die Demütigung kratzt sich am Kopf:

„Vicomte möchte Euch sprechen nennt mir einen Termin Vielleicht in fünf Minuten? Vielleicht in einer halben Stund’? Wisst Ihr – ich denke ... wir müssen über Geschäfte sprechen Sie werden ja mein Schwiegersohn ... also ... Ihr müsst mir helfen hab’ da für Euch und mich und die Zukunft ein paar vernünftige Ideen“

Der junge Vicomte blickt ihn feindselig an de Veaux hat einen Faux Pas begangen plumpst hier primitiv herein stört den Vicomte in Privatereien ... de Veaux lenkt ein:„Verzeiht meine Aufdringlichkeit doch es geht um mein Vermögen muss mit Euch sprechen und im Schloss fand ich keinen“

„Ihr seht doch ich habe Gesellschaft hier“ „Hoffentlich nicht wieder auf meine Kosten“ grollt de Veaux Da beugt sich der Vicomte zu ihm hin sagt kurz:

„De Veaux ... ich weiß dass es Euch an guter Kinderstube fehlt Euer Verhalten ist lächerlich ... um es kurz zu machen meinen schönen Titel mein adliges Savoir bekomm’ ich auch in andere Familie hinein ... denn eines weiß ich ganz genau es gibt Väter mit Töchtern die gebildeter liquider sind es gibt solche die wissen was sich gehört“

Spricht’s geht wieder an seinen Tisch setzt sich säuft frisst lässt de Veaux stehen … Das ist ein Hieb der hat gesessen De Veaux verschlägt’s die Sprache angesichts solcher Lieblosigkeit doch auch in Erkenntnis eigener Unfähigkeit Ach hätt’ ich mich doch nicht involviert in das Noble ... dieses adelige Gesindel … bin ihnen nicht gewachsen zu derb ... hab’ keine Ahnung

Und er verlässt das Hotel steigt bedrückt auf den Kutschbock grollt mit sich ... während Berthe vom Schlosse träumt ... sitzt er schweigend hadert auch später beim Abendbrot neben seinem Weib:

„Kann mir nicht denken wie so ein knallhart taktierender Kerl Wein – oder Obstbauer werden könnt’ ... denk ... er wird alles Geld Hab und Gut das er von uns bekommt auf die vornehmste Art verprassen leben wie ein Edelmann vergangener Zeit Doch – was ist wenn unser Vermögen zur Neige geht? Ein Schloss unterhalten – mit aller Dienerschaft wie will er das schaffen?“

Sein Weib blickt ihn erstaunt an

„Mann ich denke Du hast alles im Griff?! Hab’ doch schon in Sarlat ein Bett mit weiten goldseidnen Stoffbahnen in Auftrag gegeben … Gardinen werden geklöppelt das Hochzeitskleid wird für Berthe genäht ... “

„Wisst Ihr“ sagt de Veaux bedrückt „denk’ wir haben uns verzettelt Das alles ist eine Nummer zu groß für mich lässt sich nicht rechnen und die Hochwohlgeborenen sind dermaßen stolz und frech dass mit ihnen nicht umzugehen ist behandeln mich wie den letzten Dreck ... was wird da aus Berthe?“

Er stöhnt Sein Weib ist entsetzt in Berthe kriecht Angst hoch langsam doch unaufhaltsam wird frisch strahlende Kraft gelähmt

„Vater“ spricht das Kind „Vater zu mir ist er auch nicht nett