Schmerzengel - Die Detektivhure - Denice von Z. - E-Book

Schmerzengel - Die Detektivhure E-Book

Denice von Z.

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Beschreibung

Bis vor kurzem war Cora die taffe Kriminalpolizistin, die sie immer sein wollte - erfolgreich, cool, unangefochtene Herrin der Lage, und das sowohl im Beruf als auch im Bett. Jetzt, nach einer Affäre unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen, hat sie weder Geld noch Job noch Zukunft. Da meldet sich der Chef eines mysteriösen privaten Ermittlungsdienstes und will sie anwerben. Die Konditionen klingen traumhaft, aber: Kann Cora wirklich sich selbst und ihren Körper skrupellos als Werkzeug und als Waffe einsetzen? Ihr erster Fall führt sie bald in einen Sumpf aus Lügen, Niedertracht und alten Freveltaten. Sie trifft auf Oliver, smart und attraktiv, aber auch Hüter eines dunklen Geheimnisses. Er zwingt sie, sich ihrer devoten Seite zu stellen. Diese Erfahrung revolutioniert sowohl ihr Selbstbild als auch ihre sexuellen Wünsche und Träume. Allerdings können solche Liebesspiele schmerzhafte Konsequenzen haben. Manchmal auch tödliche...

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Kapitel 1: Ein Ende und ein Anfang

Cora stellte die beiden Koffer ab, die ihre gesamte Habe auf dieser Welt beinhalteten, und gab der Wohnungstür hinter sich mit der Ferse einen Stoß. Das hohle Scheppern, mit dem sie ins Schloss fiel, kündete von billigen Baustoffen und geringer Geräuschdämmung. In der Wohnung über ihr dudelte ein Radio, sie konnte beinahe den Text des Songs verstehen. Irgendwo schrie ein Kind. Dazu das Kreischen einer Bohrmaschine, ein oder zwei Stockwerke höher in dem grauen Mietsblock.

Sie seufzte und ließ ihre Augen durch das Appartement streifen. Ein dunkler Nadelfilzteppich, ältliche Möbel und eine unmögliche Leuchte über dem Tisch starrten zurück. Sie kannte die Wohnung schon von dem Grundriss und den Fotos auf der Internetseite der Vermietungsgesellschaft. Bereits die hatten nicht besonders einladend gewirkt. Die Wirklichkeit sah allerdings noch trister aus. Das mochte auch an dem dünnen Aprilregen liegen, der von außen gegen die Fenster im 5. Stock prasselte. Aber dadurch wurden wenigstens die Geräusche der vierspurigen Straße unten zu einem dumpfen Dröhnen abgedämpft.

„Scheiße!“, flüsterte Cora leise. Ihre neue Bleibe war nicht mehr als ein Loch. Seltsamerweise fühlte sie nichts dabei. Nicht die Wut, den flammenden Zorn, den sie so gut kannte, und der in dieser Situation nicht mehr als angemessen wäre. Nicht einmal Trauer, oder irgendetwas anderes. Einfach nichts.

Medizinisch völlig korrekt, sinnierte sie, die Gedanken grau wie Schlamm. Wenn einem das Herz nicht gebrochen, sondern herausgerissen wird, dann kann man nichts mehr spüren. Das hat die Natur ganz gut eingerichtet. Auf diese Weise kann man überleben.

Nur, dass diese trostlose Wohnung sich nicht nach Überleben anfühlte. Höchstens nach dumpfer Leere, nach Dahinvegetieren. Als sie das Appartement per Internet gemietet hatte, da war ihr völlig egal gewesen, wo und wie sie in Berlin wohnen würde. Da war nur wichtig, so schnell und so weit wie möglich abzuhauen. Weg aus München, weg von ihren Kollegen und Freunden, von allen, die sie kannten.

Weg aus ihrem Leben.

Untertauchen. Im Millionengewimmel der Hauptstadt unsichtbar werden. Irgendwie weitermachen. Nicht bei der Polizei, das war klar. Sie würde nie wieder für eine öffentliche Behörde arbeiten. Nicht nach einer unehrenhaften Entlassung aus dem Polizeidienst des Freistaates Bayern. Der schwarze Fleck auf ihrem Lebenslauf war groß genug, um einem ganzen Sondereinsatzkommando Deckung zu bieten.

Selbst das war ihr inzwischen egal. Gut, dann würden es eben langweilige, mies bezahlte Jobs sein. Kellnern, Bus fahren, was auch immer. Sie hatte früher schon miese Dinge bewältigt, sie konnte das wieder tun.

Lediglich die Geschwindigkeit, mit der alles abgelaufen war, vermittelte ihr immer noch ein Gefühl milder Überraschung. Vor drei Wochen noch hatte sie alles, was sie sich immer gewünscht hatte: Nicht nur irgendeinen guten Beruf, sondern ihren Traumjob als Kriminalkommissarin bei der Kripo in München. Freunde unter den Kollegen (viele oberflächliche, ein paar richtig gute), eine gemütliche kleine Wohnung in Schwabing und zwei Belobigungsschreiben wegen besonderer Verdienste. Und als Hauptpreis: Ein Freund, der nicht nur toll aussah und an einem Tag mehr Geld verdiente als sie in einem Monat, sondern der ein unglaublicher, atemberaubender, unfassbar leidenschaftlicher Liebhaber war.

Ein freudloses Lächeln trat auf Coras Lippen. An Mike zu denken löste nichts in ihr aus. Wenn sie sich ein wenig bemühte, dann konnte sie sogar den Nachhall der glühenden Liebe spüren, die sie erfüllt hatte. So wie man sich an einen guten Film oder ein Buch erinnert. Ein lange vergangenes Gefühl, das kaum etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Mike, der dreckige Verräter!

Sie streifte die feuchte Jacke ab und hängte sie an einen der vier schmucklosen Haken, die ab sofort ihre Garderobe darstellten. Dann ließ sie sich probeweise auf das Sofa sinken. Das alte Ikea-Stück knarrte bedenklich und fühlte sich so unbequem an wie es aussah. Auch von diesem neuen Standort sah ihre Wohnung nicht besser aus. Ein einziger Raum mit einer Kochzeile an der Seite. Die Plastikfronten der Schränke waren in einem trüben Grün gehalten und strahlten den Charme der frühen 80er aus. Drüben in einer halb abgetrennten Nische wartete eine unbezogene Matratze auf einem billigen Stahlgestell. Am liebsten wollte sie sich darauf legen, embryonal zusammengekrümmt wie eine dieser Mumien aus den Steinzeitgräbern, die Augen zumachen und endlos schlafen. Aber sie konnte sich nicht einmal zum Aufstehen aufraffen. So wie es aussah, war sie endlich angekommen. Und zwar ganz unten!

Ihre Gedanken schweiften zurück zu dem letzten Abend mit Mike. Das war am 5. März gewesen, einem Samstag. Sie hatten sich am 4. November kennengelernt – besser gesagt: Mike hatte das so arrangiert – also hatte ihre Liebe vier Monate und einen Tag gehalten. Sie grinste humorlos. Liebe – ha!

Am 5. März war sie müde nach Hause gekommen, nach einem langen und erfolglosen Tag der Beschattung. Obwohl ihr die Arbeit fast immer Freude machte, gestaltete sich der aktuelle Fall ihrer Gruppe so zermürbend und zäh wie ein Marathon durch Treibsand. Die Kerle von der albanischen Drogenmafia schienen genau zu wissen, dass sie beschattet wurden. Sie machten sich anscheinend einen Spaß daraus, den verdeckten Ermittlern absichtlich die harmlosesten Szenen vorzuspielen. Ein weiterer Tag für die Tonne, ohne jedes Ergebnis.

Erst vor zwei Wochen war sie Mikes Wunsch nachgekommen und hatte ihm den Schlüssel zu ihrer Wohnung anvertraut. Als sie nun die Tür hinter sich schloss und seine Lederjacke achtlos in die Garderobe geworfen sah, da lächelte sie unwillkürlich. Fast meinte sie, schon seinen Geruch in der Nase zu haben. Sie spürte, wie die Anspannung und die Enttäuschungen des Tages von ihr abfielen wie welkes Laub. Die harten Muskeln am Nacken und im Rücken lockerten sich zögernd. Sie konnte zwar einen der neuen Zivil-BMW benutzen, aber nach einer Zwölfstundenschicht am Fernglas verwandelten sich selbst moderne Komfortsitze in Folterinstrumente.

Schnell streifte sie die Jacke ab und zog die Schuhe aus. Heute hatte sie unauffällige Alltagskleidung getragen. Ein dickes Jeanshemd und eine undefinierbare Hose in Schwarz, nicht die sonst übliche Uniform. Kein Ton war zu hören, keine Musik, kein Fernsehgeräusch. Das konnte nur eines bedeuten! Das idiotische Grinsen auf ihrer Miene ließ sich einfach nicht unterdrücken.

Sobald sie vom Flur ins Wohnzimmer trat, schlossen sich von hinten starke Arme um sie.

„Hallo, mein kleines Polizeikäferchen!“, raunte er ihr ins Ohr und küsste sie seitlich am Hals.

„Hi Süßer!“

Er hatte beide Hände über ihre Brust und ihren Bauch gespreizt und presste sie an sich. Sie legte ihre Finger auf die seinen, genoss die vertraute Nähe, das spürbare Verlangen in seiner Umarmung und das Versprechen, das darin lag.

„Spät heute“, brummte er und rieb sich und seine beginnende Erektion ungeniert an ihrem Hintern. „Hab auf dich gewartet.“

„Tut mir leid.“ Sie schloss die Augen und ließ sich ganz in seine Gegenwart hineinfallen. „Der Tag war komplett für die Katz! Dieser Saban hat nur…“

„Das kannst du mir später erzählen.“ Er nahm eine ihrer Brüste in die Hand und drückte leicht. „Jetzt muss ich dich erst mal haben!“

Das kam nicht überraschend. Mike musste sie immer erst einmal haben. Sie hätte gerne vorher in Ruhe geduscht. Auch, um ein wenig runterzukommen.

„Mike…“

„Schhhh!“

Für einen Moment spürte sie das vertraute Zögern. Die wortlosen Vorbehalte. Die tief verwurzelte Furcht. Die Angst, einfach loszulassen und sich ihm ganz zu überlassen. All die alten, wohlbekannten Reaktionen. Dann atmete sie einmal bewusst durch und ließ auch dies von sich abfallen. Alte Geschichten! Die dummen Ängste sollten kein Teil ihrer Gegenwart oder ihrer Zukunft sein.

Mike nahm wie üblich kaum Rücksicht auf ihren inneren Kampf. Er liebkoste ihre Brust ein weiteres Mal und zog ihr dann ohne Umschweife das Jeanshemd aus dem Hosenbund. Kalte Luft umfächelte ihren nackten Bauch. Sie lächelte mit geschlossenen Augen und streckte gehorsam die Hände nach oben. Mike zog das Hemd höher, aber nicht ganz über ihren Kopf, sondern nur bis es um die Schultern spannte. So hing es als umgekehrter Trichter an ihr, hielt ihre Arme oben und den Blick verdeckt. Gleich darauf spürte sie, wie er ihr die Hose aufknöpfte und sie an den Beinen entlang herabsacken ließ. Dort blieb sie als verknäulte Fessel um ihre Knöchel liegen.

So plötzlich halbnackt und zur Bewegungslosigkeit gezwungen dazustehen brachte noch einmal eine frostige Panikwolke in ihr zum Aufwallen. Etwas in ihr wollte kämpfen, weglaufen - irgendwas! Nur nicht so hilflos und ausgeliefert dastehen und warten, was der Mann hinter ihr vorhatte…

Sie verdrängte dieses Gefühl mit Gewalt und warf sich geradezu in das Prickeln, das sich darunter breitmachte. Das war genauso wie früher, mit sieben oder acht Jahren, wenn sie sich jauchzend auf einen Schlitten schwang, hinab in die vereiste Schlucht hinter dem Dorf. Das Herz hämmerte und der Kopf schwirrte vor lustvoller Gefahr, der Schlitten zischte in die Tiefe, wo die schmale Durchfahrt zwischen dem Schuppen und der Hecke wartete…

…und dann war sie drin, hatte die richtige Spur gefunden! Aufstöhnend räkelte sie sich in Mikes Armen und genoss seine unverschämten Griffe, seine unverhohlen gierigen Berührungen. Er brachte beide Hände unter den BH, befreite ihre großen Brüste und hielt sie fest umfangen, tastete nach den bereits verhärteten Spitzen. Die direkte Stimulation erregte sie ebenso sehr wie das Gefühl der erzwungenen Passivität, des Aushaltenmüssens. Ganz von selbst schoben sich ihre Hüften vor und zurück, pressten ihren Po gegen seinen Schoß und gegen den harten Knauf in der Mitte. Er reagierte - brummte zustimmend - und legte eine Hand auf ihren Unterbauch, um sie noch stärker gegen sich drücken zu können. Von da aus drang er tiefer vor, unter ihren Slip. Sie nahm bereitwillig die Schenkel auseinander, so weit ihre Fußfessel dies zuließ, und verfolgte genau, wie sich seine Finger ohne Eile über die Locken auf ihrem Venushügel arbeiteten und schließlich die weichen Falten darunter berührten. Lust rieselte durch ihre Beine, befeuert von der Ungewissheit, was Mike als nächstes tun würde. Sie nur zart streicheln, bis sie hier im Stehen einen ersten Orgasmus erlebte? Mit zwei Fingern fordernd in sie eindringen und nach ihren tiefsten Geheimnissen tasten? Oder die Hand gleich wieder herausziehen und sie anderswo reizen? Sie erzitterte atemlos. Wegen der Erregung, aber auch wegen der gerade mühsam unterdrückten Beklommenheit.

Er nahm ihre rechte Schamlippe zwischen Daumen und Zeigefinger und massierte sie nachdrücklich, aber sanft. Er zog leicht daran und walkte sie von oben bis unten durch, löste damit neue Reize aus, verstärkte ihre Ungeduld. Die andere Hand hielt er weiter um ihre Brust gekrallt und tastete nach der Fülle ihres Fleisches. Unverschämt wie immer, er nahm sich, was er wollte. Und sie mochte es!

Mike war ein Wunder für sie. Immer noch, auch nach vier Monaten. Wunder: Ereignisse, die unvermutet eintreten und unglaublich erscheinen. Nie hätte sie gedacht, dass sie eines Tages auf so einen Mann stoßen würde. Keiner der guten, sanften Partner mit treuem Blick, auf die sie früher abonniert schien. Kein Gutmensch, der ernsthaft an einer Beziehung arbeitete und ständig darauf aus war, seine Freundin zufriedenzustellen. Mike war 1,90m groß, sah aus wie ein Schauspieler in einem Pilotenfilm und arbeitete als Daytrader an der Onlinebörse. Falls man das überhaupt arbeiten nennen konnte. Sein schickes Penthouse war fast so groß wie ein Fußballfeld und in seiner Garage standen ein Lotus, eine Harley und ein dicker Mercedes. Für den Alltag.

Ebenso war es ein Wunder, dass sie sich irgendwann tatsächlich auf diesen unglaublichen Typ eingelassen hatte. Mike warb eisern um sie, ignorierte ihre verächtlichen Abfuhren, ihre unterschwellig aggressiven Vorbehalte, die Überheblichkeit, mit der sie ihm anfangs begegnete. Und als sie sich halb widerwillig auf ein erstes Date mit ihm einließ, da verführte er sie derart direkt und zielstrebig, dass ihr fast die Worte dafür fehlten. Mit einem solchen Macho-Arsch wollte sie sich niemals einlassen, so viel war klar! Aber warum zum Teufel kümmerte sich ihr Körper keinen Deut um ihre Vorsätze, sondern schwang sich unter Mike in ungeahnte Dimensionen der Lust auf? Inzwischen war es ihr egal. Sie gab sich ihm und dieser unmöglichen Liebe mit einer Heftigkeit hin, die sie manchmal selbst erschreckte.

„Ist doch klar! In unserem Job ist man ständig angespannt, immer auf Achse. Anscheinend kannst du bei ihm mal auf die andere Seite gehen, und dich so richtig hingeben. Gott, wie ich dich beneide!“ Das hatte Evelyn geseufzt, ihre Kollegin und beste Freundin.

Evelyn hat Recht, dachte sie und leistete nicht den geringsten Widerstand, als Mike sie plötzlich schnappte. Er fasste sie unter den Kniekehlen und den Schultern und schaffte sie hinüber ins Schlafzimmer. Sie war 1,72m groß und mit 65 Kilo weder zierlich noch ein Leichtgewicht. Dass Mike sie so mir nichts, dir nichts tragen konnte, das fügte ihrem Verhältnis eine ausgesprochen archaische Note bei. Der Urmensch schleppt nach der dreiwöchigen Mammutjagd sein Weib in die Höhle, um sie erst mal so richtig zu nehmen…

Im Schlafzimmer warf Mike sie achtlos aufs Bett. Sie federte zweimal und blieb reglos in seitlicher Lage liegen. Arme und Füße waren immer noch gebunden, das Gesicht verhüllt. Sie erschauerte vor Vorfreude und hörte, wie er sich in aller Ruhe auszog, ohne jedes Wort. Dabei betrachtete er sie sicher. Sie zog die Beine halb an den Körper und streckte ihm den Po entgegen. Diesen Anblick liebte er, das wusste sie.

Endlich kniete er sich schnaufend hinter sie, sein Gewicht drückte die Matratze nach unten. Seine Hände fuhren über ihre Haut, von den bloßen Brüsten auf den Bauch und an den Schenkeln entlang. Dann zog er ihr ohne Umschweife den Slip über den Po und befühlte das straffe Fleisch ihrer Hinterbacken. Atemlos kam sie ihm noch mehr entgegen, wollte seine Berührungen, seine Zudringlichkeiten. Der geraffte Stoff ihres Slips um die Beine ließ ihr jedoch kaum Bewegungsspielraum.

Plötzlich ein schnelles Klatschen, ein sengender Schmerz auf der Pobacke.

„AU!“

Mikes Schlag stürzte sie für eine halbe Sekunde in ein tiefes Dilemma. NIEMAND schlug sie, das war ein ehernes Gesetz seit sie neun Jahre alt war! Sie musste jetzt sofort auffahren, wütend wie eine gereizte Klapperschlange, und diesem arroganten, eingebildeten, selbstgerechten…

Ein neues Klatschen, ein zweiter heißer Impuls, der durch ihre überreizten Nerven fuhr. Cora ächzte leise und entspannte sich. Zu den Wundern gehörte auch, dass Mikes gelegentliche Züchtigungen sie nicht zum Ausrasten brachten, sondern im Gegenteil antörnten.

Jetzt strich er sanft über die malträtierte Stelle. Würde er sie weiter schlagen? Tiefer, auf die Schenkel? Oder höher? Auf die Brüste? Die zitternde Ungewissheit trug ebenso zu ihrer Erregung bei wie das nun langwellig auf und ab schwingende Brennen auf ihrem Hintern.

Stattdessen schob Mike ihr die Beine dicht an den Leib und kniete sich direkt hinter sie. Etwas Heißes legte sich auf ihre intimste Stelle. Gleich darauf bohrte er sich hart und tief in sie hinein, ein mächtiger Bolzen aus geschmolzenem Stein. Cora stöhnte wollüstig und genoss die vertraute Sensation, wie er Besitz von ihr ergriff.

Thomas, ihr früherer Freund, hätte sich das nie getraut. Ebenso wenig wie Dirk, oder wie einer der anderen davor oder danach. Aber Mike scherte sich nicht um sie, um ihre Stimmungen, ihre Launen. Er folge nur seiner eigenen Lust und tat sich an ihr gütlich. Auf seltsame Weise führte dies regelmäßig dazu, dass sie selbst umso heißer wurde. Ein fast unheimlicher Vorgang, der so gar nicht zu dem passte, was sie von den Männern dachte und erwartete.

„Kein Wunder“, hatte Evelyn gemeint und wissend gelächelt. „Vermutlich spürt er, was du brauchst - er scheint ja kein egoistisches Arschloch zu sein. Aber wenn er im Bett bei sich selbst bleibt, dann musst du dich nicht verantwortlich fühlen, dass es ihm gut geht. Also bist du freier und kannst dich endlich mal so richtig hingeben.“

Genau so war es nun. Mike fickte sie mit langen, stetigen Bewegungen und berührte sie dabei, wo immer er wollte. Einmal lag seine Hand flach auf ihrem Rücken, stützte sie an den Schulterblättern, und mit der anderen Hand streichelte er sie zwischen den Beinen. Er massierte erneut ihre Schamlippen, während sein Schwanz dazwischen ein und aus fuhr, und reizte sie ganz direkt über der Klitoris. Dann packte er die oben liegende Hinterbacke und walkte die weiche Form so fest und genüsslich als wollte er sie im nächsten Moment verschlingen.

Cora erschauerte und keuchte ihren ersten Orgasmus kehlig in den Jeansstoff vor ihrem Mund. Daraufhin zog er sich kurz zurück, wälzte sie auf den Bauch und fickte sie von hinten weiter, ohne ihre Bandagen zu lösen. Ein zweiter Höhepunkt raste durch ihren Leib, intensiver als der vorherige, fast glühend. Gleichzeitig stöhnte Mike auf und ergoss sich zuckend in sie. Sie lag hilflos zitternd da, spürte sein Gewicht auf sich, seinen großen Penis in sich und weinte beinahe vor ungläubigem Staunen über so viel Lust und so viel Glück.

Später wurden die Kleider unbequem und er befreite sie davon. Sie kuschelten sich nackt unter die Decke und sie erzählte ihm wie immer von den Geschehnissen des Tages und was für die nächste Woche anstand. Er hörte zu und stellte nur wenige Fragen. Wie immer spürte sie, dass er sich wirklich für sie und ihre Arbeit interessierte. Klar, vieles von dem, was sie mit ihm teilte, war eigentlich geheim. Aber diese intimen Zwiegespräche über alles, was sie tagsüber bewegte, bildeten einen genauso prägender Teil ihrer Beziehung wie der Sex. Dummerweise fand sie ihrerseits den Kram mit den Börsenkursen und den Warentermingeschäften eher langweilig. Mike schien es jedoch nicht zu stören, dass ihre Diskussionen darüber recht oberflächlich blieben.

Kurz vor dem Einschlafen liebten sie sich noch einmal, zärtlicher jetzt, in wortlosem Einklang, ohne Höhepunkt. Ihr letzter Gedanke galt der Frage, ob eine solche Liebe wohl endlos gehen konnte.

Etwas zog sie aus dem Schlaf, zwang sie höher, von den lichtlosen Abgründen tiefer Traumschichten bis in die helleren Sphären halbwacher Wahrnehmung…

„Hm?“

Sie blinzelte. Das Hochziehen war kein Traum, sondern Wirklichkeit. Etwas hielt ihren rechten Arm gerade nach oben gestreckt. Und jetzt nahm Mike ihr linkes Handgelenk. Kühler Stahl, ein leises Klicken, Zug über den Kopf...

„Mike?“

„Schh!“

Auch diese Handschelle rastete über ihr am Bettgestell ein. Sie begriff, dass ihr Freund sie im Schlaf gefesselt hatte. Nun lag sie reglos auf dem Rücken, beide Arme aufwärts gespannt. Die Digitalziffern ihres Weckers zeigten 5:49. Nur das schwache Restlicht der Straßenbeleuchtung erhellte das Zimmer. Die Dämmerung würde an diesem 6. März erst später kommen.

Der schwarze Umriss neben ihr bewegte sich, zog die Decke weg. Sie erschauerte, als kühle Luft über ihre Haut strich und die Schlafwärme vertrieb.

„Mike, was machst du?“

Eine überflüssige Frage. Er hatte sie mit den eigenen Handschellen an das Bett gefesselt. Eine neue Prüfung ihrer Hingabe, ein neuer Grad an Hilflosigkeit. Für einen Moment konnte sie nicht atmen, eine Platte aus Blei lastete auf ihrem Brustkorb.

„Jetzt gehörst du ganz mir!“, flüsterte Mike an ihrem Ohr und strich ihr mit dem Handrücken am Hals entlang, und tiefer, über eine Brust. „Ich kann mit dir machen, was ich will, richtig“?

„Ja.“ schluckte sie. „Was du willst…“

Wieder hatte er sie in eine Situation gebracht, die ihr verräterischer Körper als höchst stimulierend deutete. Wie von selbst öffneten sich ihre Beine und sie räkelte sich unter seiner tastenden Hand.

„Ich werde dich jetzt ficken.“ Er küsste sie hinter dem Ohr. „Oder vielleicht sollte ich ein bisschen hinten bohren?“

Sie erschauerte. Analer Sex war eine Spielart, die sie erst kürzlich durch Mike entdeckt hatte. Er hatte mehrere Wochen benötigt, um sie zu überreden. Und dann nochmals, um sie nach dem ersten, eher misslungenen Versuch von weiteren Experimenten zu überzeugen. Sie ließ sich eigentlich nur seinetwillen darauf ein und war recht überrascht, als der Analsex sich unerwartet lustvoll und unkompliziert gestaltete.

Würde er das jetzt tun? Würde er sich ihre Beine an den Körper pressen und sich auf sie legen, sie zuerst in die Muschi und danach in den Po ficken? Die Klammer um ihre Kehle bestand zur Hälfte aus Furcht und zur Hälfte aus Faszination.

Plötzlich fuhr Mike hoch. Sie blinzelte. Was war das für ein Geräusch draußen im Flur? Was..?

Ein Ruf und ein 40kg-Rammbock krachte gegen ihre Tür. Splitterndes Holz. Schwarz vermummte Gestalten stürmten die Wohnung, unverkennbar ein Einsatzkommando mit Schutzwesten. Bevor sie noch richtig wach war, hielt sie jemand auf das Bett gepresst und die kalte Mündung einer Pistole an der Wange. Neben ihr Schreie und Aufruhr, als Mike mehr Widerstand leistete.

Gleich darauf war alles vorbei. Das Licht ging an. Mike wurden Handschellen angelegt, nackt wie er war. Polizeioberrat Bellheimer stand breitbeinig in ihrem Schlafzimmer und starrte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er ließ seinen Blick anzüglich von den gefesselten Armen über ihre bloßen Brüste auf die verklebten Schenkel wandern.

„Damit dürfte wohl geklärt sein, warum die bisherigen Ermittlungen gegen Sabans Organisation so erfolglos waren“, meinte ihr Vorgesetzter leichthin, ohne die Augen von ihrer Schamgegend zu nehmen. Cora blinzelte ihn ungläubig an. Dann wanderte ihr Blick zu Mike. Der stand schwer atmend zwischen zwei der SEK-Leute, sein Schwanz immer noch deutlich geschwollen, und setzte ein bedauerndes Grinsen auf.

„Tut mir leid, Baby. Er hat Recht. Ich heiße eigentlich Mirko, nicht Mike.“

„Du…?“ Ihr versagte die Stimme.

„Ich arbeite für Saban. Der Börsenscheiß war nur Tarnung. War aber echt ein guter Auftrag. Hat Spaß gemacht“, fügte er hinzu und zuckte die Schultern. Damit war für ihn die Sache anscheinend erledigt.

Das war der Zeitpunkt, an dem etwas von der Größe einer Kanonenkugel ihre Brust durchbohrte und das Herz sauber herausstanzte. Ihr Kopf sank auf das Bett zurück, während ihre Welt in scharfkantige Bruchstücke zersplitterte und rings um sie in die Tiefe stürzte. Als jemand ihre Handschellen löste und Bellheimer ihr ein Verfahren wegen Geheimnisverrats androhte, da erreichte sie das schon überhaupt nicht mehr.

Das Innenministerium ließ die Klage schließlich fallen, um kein Aufsehen zu erregen. Ihr Rechtsanwalt tat so als sei dies seine Leistung und stellte eine entsprechende Rechnung. Sie musste Stillschweigen geloben und wurde anstelle einer rituellen Schlachtung nur mit einem Tritt hinausgejagt. Von einem Tag auf den anderen hatte sie nichts mehr. Keine Karriere, kein Einkommen, keine Kollegen, keine Freunde. Also hatte sie alle CDs, die meisten Bücher und das sonstige Besitzgut der letzten Jahre über ebay verkauft, die Wohnung gekündigt und sich davon geschlichen.

Jetzt kauerte sie sich hier in Berlin auf einem altersschwachen Sofa zusammen und wartete, dass der Alptraum endlich von ihr weichen würde. Dabei wusste sie es besser. Der Alptraum würde nicht weichen. Das war ab sofort ihr Leben.

„Scheiße!“, flüsterte sie erneut. Ihr Konto wies ein Guthaben von knapp 3000 Euro auf. Das war neben den Klamotten in den Koffern alles, was sie auf dieser Welt besaß. Sie würde sich aufraffen und einen Job besorgen müssen. Aber der Gedanke an so viel zielgerichtete Aktivität war so unwirklich und fern wie ein unentdeckter Kontinent. Warum nicht einfach hier sitzen bleiben und langsam mumifizieren? Eines Tages fiele einem Nachbar der strenge Geruch auf und jemand käme zum Nachschauen…

Eine gedämpfte Tonfolge erklang. Cora sah auf und runzelte die Stirn. Welches der altersschwachen Geräte in ihrer Küche mochte sich mit so einem modernen Digitalton melden?

Der Melodiefetzen ertönte nochmals. Eine unbekannte Weise, ähnlich wie ein Klingelton in hoher Qualität…

„Das Handy!“

Sie sprang auf und stürzte zur Garderobe, wo sie das nagelneue Nokia aus der Innentasche ihrer Jacke zog. In dem Moment erglühte das Display in modischem Blau. Es zeigte eine unbekannte Nummer mit Berliner Vorwahl, während es die kurze Melodie ein weiteres Mal abspulte.

Cora zögerte. Sie hatte im Zuge ihrer Lebensauflösung ihren alten Mobiltarif zusammen mit sämtlichen anderen laufenden Verträgen gekündigt. Dieses Prepaid hatte sie erst letzte Woche gekauft, ein spontaner Entschluss in der Fußgängerzone. Niemand kannte die Nummer und sie hatte noch keinen Menschen damit angerufen. Sie hörte den voreingestellten Klingelton zum ersten Mal.

Sie drückte die Rufannahme und hielt das Handy ans Ohr. Ganz vorsichtig, als könnte es sie beißen.

„Ja?“, meldete sie sich neutral.

„Spreche ich mit Frau Cora Anastasia Rebel?“, wollte eine sonore Stimme wissen.

„Wer sind Sie?“, fragte sie zurück. „Woher haben Sie diese Nummer?“

„Punkt eins: Ich heiße Burkhard Theiss, Frau Rebel. Und Punkt zwei: Ich bin stets gut informiert. Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten. Möglicherweise habe ich einen Job, der Sie interessiert.“

„Warum denken Sie, dass ich einen Job suche?“ Sie hasste den defensiven Tonfall in ihrer Stimme.

„Ich weiß, dass Sie kürzlich bei der Kripo München rausgeflogen sind, dass Sie heute eine Wohnung hier in Berlin im Stadtteil Wedding bezogen haben, und dass Sie noch keiner neuen Tätigkeit nachgehen. Und ich vermute, dass ihre finanziellen Reserven einigermaßen begrenzt sind.“

Cora fiel keine Antwort ein. Sie schwieg in den Lautsprecher. Das konnte dieser Theiss anscheinend auch. Die Stille zog sich.

„Mir gefällt das nicht besonders“, meinte sie schließlich. „Sie wissen einiges über mich, aber ich weiß nichts über Sie.“

„Deshalb mein Anruf und mein Angebot. Darf ich Sie auf einen unverbindlichen Kaffee in mein Büro einladen? Um 14.00 Uhr? Ich werde alle Ihre Fragen beantworten.“

„Um was für einen Job geht es denn?“, hakte sie nach.

„Ermittlungsarbeit. Nichts, was Sie nicht kennen.“

„Sind Sie von der Polizei?“

„Nein. Da war ich früher. Jetzt leite ich die Detektei Hänsler & Wedenstein. Es geht um private Ermittlungen.“

Cora schloss die Augen. Natürlich lag es für eine gefeuerte Polizistin nahe, sich im kommerziellen Security-Bereich umzusehen. Sie kannte diese Szene einigermaßen, zumindest in München. Aber sie verspürte nicht die geringste Lust auf die Begleitung von Geldtransporten oder auf Personenschutz für Möchtegern-Promis, auf nächtliche Bewachung von Kaufhäusern und Büros oder auf die Beschattung von mutmaßlich untreuen Ehegatten.

„Tut mir leid, ich bin nicht interessiert“, hörte sie sich antworten. Lieber wollte sie in einer Kneipe bedienen als sich jeden Tag mit einem jämmerlichen Abklatsch ordentlicher Polizeiarbeit quälen.

„Ich weiß, dass Sie eine Top-Kripofrau waren. Vor der Geschichte mit diesem Mike“, drang es aus dem Kopfhörer. „Er war auf sie angesetzt, ein uralter Trick. Sie haben einen Fehler gemacht, Frau Rebel. Aber das ändert nichts an ihren Qualifikationen.“

Sie starrte das Handy an als sei es eine ungesicherte Handgranate.

„Woher kennen Sie seinen Namen?“ fragte sie langsam. „Das wurde nicht veröffentlicht.“

„Ich sagte doch: Ich bin gerne auf dem Laufenden“, wiederholte Theiss geduldig. „Uns liegt der komplette Untersuchungsbericht zu Ihrem Fall vor. Ich weiß also auch von dem Deal mit dem Innenministerium. Verzicht auf Anklage wegen Geheimnisverrats gegen ihr Schweigen.“

Cora fühlte unangemessene Heiterkeit in sich aufsteigen. Der kümmerliche Rest ihrer Existenz löste sich in Staub auf. Wie beispielsweise die Illusion, sie könne die Vergangenheit hinter sich lassen und von vorne anfangen.

„Wollen Sie mich erpressen?“, fragte sie nach, ehrlich neugierig.

„Aber mitnichten.“ Theiss’ Stimme war anzuhören, dass er mit der Wirkung seiner Worte zufrieden war. „Ich wollte Ihnen nur eines demonstrieren: Wir sind nicht nur ungewöhnlich gut informiert, sondern auch ungewöhnlich gut bei der Bearbeitung von ungewöhnlichen Fällen. Sie sind ein ungewöhnlicher Fall, Frau Rebel.“

„Ich fühle mich geehrt“, erwiderte sie trocken. „Also gut. Ich komme zu Ihnen.“

Der Mann gab ihr die Adresse. Zwei Floskeln später war das seltsame Telefonat zu Ende. Cora stand mit in die Hüfte gestemmten Armen in ihrer Wohnung und dachte fieberhaft nach. Erst nach einigen Minuten bemerkte sie die Veränderung. Der trübe Schleier, der seit jenem Morgen am 6. März wie eine nasse Wolldecke auf ihr lastete, schien sich ein wenig gelichtet zu haben. Sie grinste dünn.

Also gut. Aufgepasst, Watson! Hier kommt Cora Holmes, der neue Star am Detektivhimmel über der Hauptstadt!

Kapitel 2: Ein Angebot

„Guten Tag, Frau Rebel. Oder darf ich Cora zu Ihnen sagen? Bitte nehmen Sie Platz.“

Burkhard Theiss gab ihr einen festen Händedruck und wies höflich auf den Ledersessel vor seinem Schreibtisch.

„Vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch“, sagte Cora artig, ohne auf seine Frage zu ihrem Vornamen einzugehen. Sie ließ sich in den tiefen Sessel gleiten und schlug unbehaglich die Beine übereinander. Sie fühlte sich in Jeans und schlichter Bluse erschreckend falsch angezogen für dieses gestylte Büro in einem edel restaurierten Altbau mitten in Charlottenburg. Sowohl das matt schimmernde Holz der Bodendielen als auch die schick gekleideten jungen Mitarbeiter draußen in den verglasten Räumen passten eher zu einer teuren Beratungskanzlei als zu einem Security-Unternehmen.

Der Inhaber auf der anderen Seite des großen Schreibtisches dagegen fügte sich genauso wenig in dieses Edel-Biotop wie sie selbst. Burkhard Theiss war ein Mann mit unbestimmbarem Alter, irgendwo in den 50ern. Sein grobes Gesicht mit einer beherrschenden Knollennase würde niemand als schön oder auch nur als apart bezeichnen. Dennoch hatte Cora das bestimmte Gefühl, dass Theiss sich um mangelnden Erfolg beim anderen Geschlecht wohl noch nie Gedanken machen musste. Das mochte an den ruhigen, aber durchdringenden dunklen Augen liegen, oder an dem festen Zug um den Mund.

Theiss musterte sie umgekehrt ebenso ungeniert und Cora warf die Haare zurück. Sie sah gut aus, das wusste sie. Schulterlange blonde Haare, tiefblaue Augen, ebenmäßiges Gesicht. Genau das, was die meisten Männer wollten. Die Bluse machte aus ihrem vollen Busen kein Geheimnis. Theiss schien dies durchaus zu würdigen. Für eine Sekunde verspürte Cora den verrückten Wunsch, noch zwei oder drei weitere Knöpfe aufzumachen, nur um zu sehen, wie er darauf reagieren würde...

He, mal ganz langsam! Pass auf deine Fantasie auf, Mädchen. Auch wenn der Typ interessant wirkt: das ist möglicherweise dein nächster Arbeitgeber!

„Ich habe im Internet ein wenig recherchiert, konnte aber in der Kürze der Zeit nicht viel zu Ihrer Firma finden“, begann sie geschäftsmäßig. „Wenn Sie mir also erläutern könnten, was Sie genau tun? Dann verstehe ich vielleicht auch, warum Sie ausgerechnet mich haben wollen.“

„Aber gerne.“ Theiss lächelte höflich. „H&W ist ein Urgestein der Berliner Szene, gegründet 1924 von August Hänsler. Später kam dann sein Kompagnon Frederik Wedenstein dazu. Die Firmenhistorie steht auf unserer Internetseite, das haben Sie vermutlich schon gelesen. Auch, dass ich das Haus erst vor drei Jahren übernommen habe.“

„Stimmt“, nickte Cora. „Anscheinend war da im normalen Wach- und Schließdienst nicht mehr viel zu holen.“

„Exakt. Die Firma war zu dem Zeitpunkt praktisch insolvent. Was Sie heute sehen, haben wir in den letzten drei Jahren aufgebaut. Wir beschäftigen uns nur mit absoluten Spezialfällen. Personenschutz der oberen Liga beispielsweise. Datenschutz, Internet-Kriminalität. Ganzheitliche Sicherheitskonzepte.“

Cora nickte erneut und fragte sich, was unter „ganzheitliche Sicherheitskonzepte“ zu verstehen war. Die Firma schien wirklich gutes Geld zu verdienen. Möglicherweise zu gut, so kurz nach einer Übernahme. In München wäre das mindestens eine Anfrage beim Finanzamt wert gewesen. Dann unterdrückte sie diesen Gedanken ganz bewusst. Das hier war ein Vorstellungsgespräch, kein Verhör. Noch nicht.

„Gut“, meinte sie und rüstete sich für den nächsten Vorstoß. „Warum ich? Sind Sie auf der Suche nach gut ausgebildeten Bullen, die Pech hatten und günstig zu haben sind?“

„Aber nein.“ Theiss schüttelte den Kopf und beobachtete sie wie ein chemisches Experiment, dessen Reaktion nicht genau vorherzusehen war. „Alle unsere Mitarbeiter haben mindestens einen akademischen Abschluss und profunde Erfahrung. Ich lege höchsten Wert darauf, nur mit den besten Leuten zu arbeiten, Cora.“

„Ich glaub’s ja. Aber noch mal: Warum ich? Und woher haben Sie die ganzen Informationen über mich?“

„Leider kann ich Ihnen im Moment nicht sagen, wer mir die Empfehlung gab, Sie anzusprechen“, antwortete Theiss mit einem feinen Lächeln. „Bitte gehen Sie vorläufig davon aus, dass ich mit einer ganzen Reihe von Dienststellen sehr gut vernetzt bin.“

Cora neigte den Kopf. Mehr würde er nicht herausrücken. Theiss wies auf eine Akte vor sich.

„Ihre Referenzen und die bisherigen Leistungen sind sehr überzeugend. Abitur mit 1.7, Sportpreis der Schule. Dann sofort Bewerbung für den mittleren Dienst bei der bayrischen Landespolizei. Ausbildung in der Mindestzeit mit einer Auszeichnung für besonderen Einsatz. Danach ein Jahr Dienst bei der Autobahnpolizei. Gute Beurteilungen Ihrer Vorgesetzten und Empfehlung für den gehobenen Dienst. Studium an der Polizeifachhochschule des Landes in Rosenheim und Fürstenfeldbruck. Abschluss zur Diplom-Verwaltungswirtin mit ‚Sehr gut’. Seit vier Jahren als Polizeikommissarin bei verschiedenen Sonderkommissionen zur Bekämpfung von organisiertem Verbrechen, insbesondere Drogenkriminalität. In dieser Zeit zwei Belobigungen, einmal nach der Rettung eines Kollegen aus Lebensgefahr, einmal wegen ‚besonders engagiertem und kreativem Einsatz’. Dazu eine silberne Medaille für gutes Schießen.“ Theiss hatte die ganze Zeit keinen einzigen Blick auf das Papier geworfen.

„Gut, Sie haben mich überzeugt. Ich bin wirklich gut.“ Cora schenkte ihm ein treuherziges Lächeln. „Eigentlich stand meine Beförderung an. Aber leider kam die dumme Geschichte mit Mike dazwischen. Das hat meiner Karriere einen kleinen Dämpfer verpasst.“

„So reagieren Bürokratien eben. Ein kleines, privatwirtschaftliches Unternehmen kann sich natürlich mehr Flexibilität leisten als eine Behörde.“ Theiss zuckte die Schultern und fasste sie genau ins Auge. „Um präziser zu sein: Ich sehe in Ihrer Erfahrung mit ihrem letzten Liebhaber sogar eine gewisse Zusatzqualifikation.“

Was soll das nun schon wieder bedeuten?

Theiss beugte sich jetzt vor und fixierte sie direkt. Sie atmete tief durch.

„Cora, ich habe vor, einen völlig neuen und innovativen Bereich bei H&W zu gründen“, begann der Mann mit sorgfältiger Betonung jeder Silbe. „Eine kleine, feine Abteilung für ganz besondere Aufgaben. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie die perfekte Besetzung wären.“

Cora nickte unverbindlich, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

Jetzt kommt’s!

„Für die Aufgabe werden Sie alles brauchen, was Sie je bei der Polizei gelernt haben, und vermutlich einiges darüber hinaus. Daher haben Sie hoffentlich Verständnis, dass wir gerne eine Arbeitsprobe von Ihnen hätten, bevor Sie weitere Details über dieses neue Projekt erfahren.“

„Was?“ Cora fuhr auf. Fast dankbar spürte sie die vertraute Hitze der Wut, die sich in ihrem Bauch zusammenballte und von dort aus höher stieg. In den Brustkorb, und in den Hals. Wenn die Hitze ihren Mund erreichte, dann könnte sie unversehens in unflätige Beschimpfungen ausbrechen.

„Hören Sie!“, sagte sie schnell, um dem zuvorzukommen. „Sie kennen anscheinend mein Leben. Sie wissen auch, warum ich hochkant rausgeflogen bin. Das war ein Fehler. Ein privater Fehler! Das ändert nichts an meinen Qualifikationen als Ermittlerin, die Sie gerade selbst aufgezählt haben. Arbeitsprobe – das ist doch lächerlich!“

„Das ist es nicht“, erwiderte Theiss still. „Ein kurzer Auftrag. Einige Tage Arbeit auf freiberuflicher Basis, höchstens eine Woche. Sie erhalten zweitausend Euro als Honorar. Plus weitere dreitausend im Erfolgsfall.“

Cora starrte ihn an. So viel hatte sie bisher etwa in zwei Monaten verdient.

„Wo ist der Haken?“, fragte sie argwöhnisch.

„Kein Haken!“ Theiss lächelte höflich. „Ich möchte Ihnen damit klarmachen, dass auch die Bezahlung unserer Mitarbeiter sich nach den Anforderungen und der Qualität der Aufträge richtet. Mit anderen Worten: Das Beste ist für uns gerade gut genug. Nun – sind Sie interessiert?“

Cora presste die Lippen zusammen und dachte rasch nach. Hier war etwas faul, das spürte sie genau. Niemand warf derart mit Geld um sich, nur um eine gescheiterte Polizistin zu beeindrucken. Andererseits: Mit fünftausend Euro mehr in der Kasse hatte sie etwas Zeit, um sich in aller Ruhe einen ordentlichen Job zu suchen. Dann war sie nicht auf diesen Theiss und sein merkwürdiges Angebot angewiesen!

„Möglicherweise habe ich Ausgaben im Vorfeld“, meinte sie zögernd, das Gelände testend.

„Kein Problem. Geben Sie dem Sekretariat draußen Ihre Kontoverbindung, wir überweisen Ihnen das Grundhonorar sofort.“

„Sofort?“ Cora blinzelte. Das kam ihr immer unwirklicher vor. „Ich könnte das Geld einfach behalten, überhaupt nichts tun, und ihnen in ein paar Tagen am Telefon sagen, dass es leider nicht geklappt hat.“

„Korrekt, das könnten sie.“ Theiss lächelte sie an wie ein gütiger Weihnachtsmann. Die Temperatur im Ausdruck seiner Augen stieg dabei jedoch um kein einziges Grad an. „Aber ich glaube nicht, dass sie das tun werden.“

„Sie glauben es. Aber sie wissen es nicht“, beharrte Cora um der reinen Herausforderung willen. Dieser Mann manipulierte sie gerade auf subtile Weise, und das passte ihr überhaupt nicht!

„Wieder korrekt.“ Theiss sah ihr direkt in die Augen. „Es ist mein Beruf, Leute einzuschätzen, Cora. Meistens liege ich damit richtig. Also gehe ich das Risiko ein und setze die zweitausend Euro auf meine Einschätzung Ihres Verhaltens. Wenn ich daneben getippt habe, dann buche ich es als Lehrgeld ab. Sie sehen, Sie können nur gewinnen.“

Cora kämpfte mit sich. Das klang einfach zu gut, um wahr zu sein. Was zum Teufel steckte hier dahinter?

Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.

„Also schön“, hörte sie sich sagen. „Wen muss ich dafür umbringen?“

Theiss nahm ein Foto aus einem Umschlag und schob es ihr über den Tisch zu.

„Das ist Boris Greger Antonov, 32 Jahre alt. Er arbeitet bei einer kleinen IT-Firma drüben in Wilmersdorf. Anscheinend ein ganz normaler Programmierer. Vermutlich ist er aber ein sehr fähiger Hacker und möglicherweise ein Krimineller.“

Cora nahm das Foto. Es zeigte einen jungen Mann mit unordentlichen Haaren und einem dünnen Bart, der respektlos in die Kamera grinste.

„Unser Auftraggeber möchte wissen, ob er einen bestimmten Ausweis bei sich trägt. Eine Zugangskarte zu Realtime Simulations Ltd. in London. Hier, die müsste ungefähr so aussehen.“

Ein weiteres Foto, diesmal von einer Plastikkarte im Scheckkartenformat, dünne schwarze Buchstaben auf unschuldigem Weiß. Darauf das Foto und ein anderer Name. Cora nickte. „Antonov, Ausweis. Klar“, meinte sie knapp.

„Sie klären das, und falls er den Ausweis hat, beschaffen Sie die Nummer darauf“, schloss Theiss. Er lehnte sich bequem zurück und zog fragend eine Braue hoch.

Cora dachte schnell nach. Sie hatte mit etwas wesentlich Anspruchsvollerem oder Gefährlicherem gerechnet.

„Ich soll also nichts Illegales unternehmen?“, hakte sie nach.

„Aber nein!“ Theiss sah sie mit großen Augen an als sei solch ein Gedanke völlig abwegig. „Natürlich bewegen sich alle unsere Mitarbeiter immer absolut diesseits des Gesetzes! Wie sie diesen Auftrag erfüllen ist Ihre Sache, aber wir würden niemals verlangen, dass Sie ein justiziables Risiko eingehen.“

„Also gut. Ich übernehme den Auftrag“, willigte Cora schließlich ein und ignorierte das warnende Grummeln in ihrem Magen. „Ich möchte Sie aber darauf hinweisen, dass damit noch keineswegs eine Zusage für Ihr Geheimprojekt verbunden ist. Es geht nur um diesen Ausweis und die fünftausend Euro.“

„Wir verstehen uns, sehr schön.“ Theiss erhob sich und reichte ihr ein bedrucktes Blatt. „Hier finden Sie Antonovs Adresse und ein paar weitere Informationen. Bitte rufen Sie mich an, sobald Sie Ergebnisse vorweisen können. Vielen Dank für Ihr Kommen, Cora. Wir freuen uns, dass Sie an Bord sind.“

Cora lächelte höflich und schüttelte Theiss die Hand. Erst als sie draußen auf der Straße stand, zog sie ihr Nokia aus der Tasche und kontrollierte die MP3-Datei, die der mitlaufende Aufnahmemodus erstellt hatte. Sowohl Theiss’ Stimme als auch ihre eigene waren einwandfrei zu vernehmen. Er würde keine Chance haben, sich aus dieser Honorarverpflichtung herauszureden.

Sie grinste düster. Männern zu vertrauen war etwas, das sie erst wieder lernen musste.

Kapitel 3: Die Arbeitsprobe

„Heee! Können Sie nicht aufpassen! Verdammt, das kriege ich nie wieder raus!“