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Was für eine atemberaubende Frau! Iannis Kiriakos ist hingerissen von Charlotte, als er ihr auf der romantischen Mittelmeerinsel begegnet. Aber wird sie seine Gefühle weiterhin erwidern, wenn sie die Wahrheit erfährt? Denn er ist nicht der einfache Fischer, für den sie ihn hält …
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Seitenzahl: 201
IMPRESSUM
Schon nach deinem ersten Kuss erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2004 by Susan Stephens Originaltitel: „The Greek’s Seven-Day Seduction“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1653 - 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Sabine Buchheim
Umschlagsmotive: Kiuikson / Shutterstock
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751503341
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Die Brandung umspülte Charlottes Füße, während sie zu den Sternen hinaufschaute. Sie konnte einfach nicht fassen, dass es auf der winzigen griechischen Insel Iskos zu so später Stunde noch immer so warm war. Der Sand unter ihren Füßen fühlte sich fest und kühl an. Endlich war der Moment gekommen, auf den sie gewartet hatte. Sie holte weit aus und schleuderte den schmalen Goldreif ins Meer hinaus. Ihre Ehe mit einem reichen Mann war gescheitert, und der Ring war das letzte Symbol aus dieser Zeit.
Mit geschlossenen Augen malte sie sich aus, wie er auf den Meeresboden sank, und während er fiel, hoben sich ihre Lebensgeister, bis grenzenlose Erleichterung sie durchflutete. Sie setzte sich in den Sand, zog die Beine an und machte eine Bestandsaufnahme. Die Welt hatte sich erfreulicherweise nicht verändert, aber immerhin fühlte sie selbst sich wie verwandelt – sie war frei. So musste sich ein Schmetterling fühlen, wenn er zum ersten Mal die Flügel ausbreitete.
Sie stützte sich auf die Ellbogen und erblickte unter all den funkelnden Punkten am Himmel das Sternbild Pegasus. Ihr erschien es wie ein Zeichen. Die Scheidung lag hinter ihr. Ihr Leben würde neu beginnen.
Charlotte dachte an die Zukunft. Manche Dinge würde sie nicht ändern. Sie war eine renommierte Gesellschaftsjournalistin – reiselustig und Besitzerin eines Laptops – und konnte, dank des Internets, überall leben. Vielleicht würde sie an einen neuen, aufregenden Ort ziehen, vielleicht auf eine Insel wie diese? Zuvor musste jedoch noch einiges passieren, beispielsweise musste ihre Lebensfreude zurückkehren. Sie war nun schon fast einen Monat auf der Insel und nicht ein einziges Mal abends ausgegangen. Dabei hatte die Reise nach Griechenland sowohl ihr Selbstbewusstsein heben als auch ihre Karriere fördern sollen. Bislang hatte der Szenenwechsel nicht geholfen. Die zum Schreiben dringend nötige Inspiration war ausgeblieben, und ihr Selbstbewusstsein tendierte nach wie vor gegen null.
Sie dachte an die verführerischen Kleider, die unbeachtet in ihrem Koffer lagen. Es waren traumhafte Designerstücke, ein kleines Geschenk des Magazins, für das sie arbeitete – aber sie hatten einen Preis. Als ihre Chefredakteurin verlangt hatte: „Finden Sie einen atemberaubenden Griechen, und schreiben Sie über ihn“, war es tatsächlich nur eine andere Formulierung gewesen für: Bring einen reißerischen Reisebericht zurück, um damit deine Karriere aufzupäppeln, die durch deine Scheidung schwer gelitten hat. Das Problem war einzig, dass atemberaubende Griechen auf Iskos offenbar Mangelware waren.
Charlotte ließ den Blick über die Klippen schweifen, an denen sich das Wasser brach und dann durch die stille Bucht wieder hinaus ins Meer strömte. In der Taverne am Ufer brannten die Lichter, und gelegentlich hallte ein Ruf oder Gelächter von den Felsen wider und ermahnte sie, dass es Zeit zum Gehen war.
Sie erhob sich und klopfte sich den Sand von den Sachen, hielt jedoch inne, als ein anderer Laut herüberdrang. Es dauerte einen Moment, bis sie gleichmäßige Ruderschläge identifizierte.
Bei genauerem Hinsehen erkannte sie die Laterne am Bug des kleinen Bootes. Die Dunkelheit hatte alle Farben geschluckt, doch dank der Lampe konnte Charlotte die Silhouette eines Mannes ausmachen. Seine Bewegungen waren kraftvoll und ruhig, so als würde er sich am Mond und den Sternen orientieren, um sein Ziel zu erreichen.
Der Anblick des Ruderers übte eine seltsam hypnotische Wirkung auf sie aus. Er vermittelte ihr den Eindruck von Stärke. Lächelnd ließ Charlotte ihrer Fantasie freien Lauf. Sie war auf der Insel zahllosen drahtigen, robusten Fischern begegnet, doch der Instinkt sagte ihr, dass dieser Mann sich von ihnen unterschied. Er war muskulös, aber anmutig wie ein Tiger … geschmeidig und gefährlich energiegeladen. Sie versuchte, seinem Schattenriss Tiefe und Charakter zu verleihen – und plötzlich verspürte sie den Drang, alles niederzuschreiben.
Rasch streifte Charlotte ihre Sandaletten über. Der Kern des Artikels hatte sich ihr noch nicht eröffnet, aber er hatte mit dem Mann im Boot zu tun, dessen war sie sicher. Je mehr sie sich dem steilen Pfad näherte, der den Hang hinauf zu der von ihr gemieteten Villa führte, desto schneller lief sie.
Die Terrasse umschloss das gesamte eingeschossige Gebäude und war mit Kies bestreut. An der steinernen Brüstung stand ein langer Tisch, von dem aus man einen märchenhaften Blick über die Bucht hatte. Hier richtete Charlotte ihr provisorisches Büro ein. Wie die meisten Häuser im warmen Klima verfügte die Villa über zahlreiche Außenlampen, die während der ganzen Nacht ein problemloses Arbeiten ermöglichten.
Während sie eifrig schrieb, war sich Charlotte des winzigen Lichtpunktes auf dem Wasser bewusst. Obwohl sie den Mann und sein Boot nicht voneinander unterscheiden konnte, tröstete sie die Gewissheit, dass er dort war. Dadurch wurde ihre Fantasie beflügelt, und die Worte erschienen wie von selbst auf dem Bildschirm.
Allmählich wurde die Liste der Ideen und Impressionen immer länger, die sie in Vorbereitung für ihren Artikel notierte: geschmeidige Anmut, körperliche Stärke, mühelose Bewegungen, Zielstrebigkeit, Aura der Macht. Charlotte hielt inne und hob mit klopfendem Herzen den Kopf. Entschlossen richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Tastatur: glänzendes rabenschwarzes Haar im schwindenden Licht, ein markantes Profil, Mondschein auf wohlproportionierten Muskeln … Sie zögerte erneut und spürte, dass sich nun auch ihr Atem beschleunigt hatte. Während ihre Finger über den Tasten verharrten, blickte sie hinaus aufs Meer, um sich gleich darauf kopfschüttelnd abzuwenden. Konzentrier dich!
Charlotte merkte gar nicht, wie schnell ihr die Worte aus den Fingern strömten, bis ein plötzlicher Temperaturabfall sie aus ihren Gedanken riss. Fröstelnd richtete sie sich auf und lockerte die verspannten Schultern. Eine frische Brise war aufgekommen und wehte ihr das lange tizianrote Haar ins Gesicht.
Als sie den Himmel das letzte Mal betrachtet hatte, war er bleigrau gewesen, mit einem schmalen rötlichen Streifen am Horizont, wo die Sonne untergegangen war, doch nun hatte er sich in eine tiefschwarze griechische Nacht verwandelt – eine kühle griechische Nacht. Charlotte hüllte sich fester in ihre Stola. Wenige Minuten später musste sie ihre Niederlage eingestehen und sich ins Haus zurückziehen.
Tiefe Stille umfing sie beim Betreten der luxuriösen Villa, aber die Ruhe erfüllte sie eher mit Erleichterung als mit Einsamkeit. Bei der Besichtigungstour mit dem Makler hatte sie sofort erkannt, dass dies für sie der richtige Ort war, um sich zu erholen. Das gepflegte Anwesen am oberen Ende der Preisskala bot ihr die ersehnte Ablenkung von jeglichem Kummer. Sie war seelisch zu angeschlagen und brauchte ein wenig Hilfe, wenn sie ihren Kampfgeist wiedererlangen wollte.
Die gescheiterte Ehe hatte mehr Narben hinterlassen, als sie erwartet hatte. Hinzu kamen das schlechte Gewissen – vielleicht hätte sie etwas anders oder besser machen können –, ein Gefühl des Versagens und natürlich der Schmerz. Und das hatte sie am meisten verwundert. Aber sie war eine Kämpfernatur, und der Griechenlandurlaub war eine Investition in ihre Zukunft. Wie auch immer sich dieser Artikel entwickeln mochte, sie war überzeugt, dass der Grundtenor optimistisch und heiter sein würde.
Die ausgedruckten Seiten an die Brust gepresst, stieß Charlotte die schwere Eichentür zu ihrem Schlafzimmer mit der Schulter auf. Wie der Rest des großzügigen Hauses war auch dieser Raum in traditionellem Stil gehalten, reich gemusterte Läufer in allen Rottönen bedeckten den glänzenden Terrakottaboden.
Bei der Ausstattung hatte man selbst die ausgefallensten Wünsche künftiger Mieter berücksichtigt und keine Kosten gescheut. Frisch getünchte weiße Wände umgaben das mächtige Bett, von dem aus man aufs Meer blicken konnte. Und das Bett war einzig dazu entworfen, sogar den verwöhntesten Bewohner zu beeindrucken. Die Matratze lag auf einer Plattform aus poliertem Granit, und auf den Leinenlaken türmten sich bunte Seidenkissen.
Im angrenzenden großen Badezimmer wurden die nagelneuen weißen Sanitärobjekte durch hellblaue Anbaumöbel ergänzt. Charlotte beschloss, sich mit einem ausgedehnten Bad für den Beginn des Artikels zu belohnen, doch zuvor wurde sie von einer unsichtbaren Macht zum Fenster gezogen.
Der Mond hatte sich hinter einer Wolke verborgen, und selbst die Zweige des Olivenbaums vor dem Fenster schienen mit der Dunkelheit verschmolzen zu sein. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Ein zarter Limonenduft lag in der Luft, und in der Ferne rief eine Eule. Als Charlotte die Augen wieder öffnete, versuchte sie, die winzige Lichtquelle zu erspähen. Vergeblich. Stirnrunzelnd meinte sie, das Boot sei verschwunden. Doch plötzlich erschien die Laterne dann wieder und strahlte wie Glühwürmchen in der tintenschwarzen Leere.
„Gute Nacht“, flüsterte sie und wandte sich lächelnd ab.
Dies ist vermutlich das bequemste Bett, in dem ich je geschlafen habe, überlegte Charlotte träge, als sie sich an die Kissen lehnte und in die Nacht hinausschaute. Ihr Blick fiel auf die Laterne und verweilte dort. Unwillkürlich dachte sie über den Mann an Bord, den einsamen Fischer, nach.
Rastlos drehte sie sich auf den kühlen Laken hin und her. Wie sollte sie schlafen, wenn ihr Verstand noch so wach war? Wenn sich all ihre Gedanken um den Fischer drehten? Begehre ich einen Schatten? fragte Charlotte sich verwundert. Lief es darauf hinaus? Es schadet doch niemandem, tröstete sie sich. Ich bin jetzt frei.
Im Schlafzimmer einer Villa auf einer winzigen griechischen Insel in der Ägäis war ihre Welt zu einer Oase der Sinnlichkeit geschrumpft, und es war eine Welt voller Möglichkeiten, wenn sie es nur wollte. Die Insel war weit weg von allen, die sie kannte. Sie könnte eine Affäre haben, und niemand würde es je erfahren. Sie könnte eine leidenschaftliche sexuelle Beziehung mit einem Mann beginnen, der nichts von ihr erwarten würde – warum sollte er auch? Keine Verpflichtungen, keine Konsequenzen. Und vielleicht brauchte sie genau das.
Ihr Körper schien jedenfalls dieser Meinung zu sein. Erregung erfasste Charlotte, während sie das tanzende Licht auf dem Meer beobachtete. Lockende Schauer durchrannen sie, aber sie nahm die Hand fort und widerstand der Versuchung. War die Antwort auf ihre Frustration tatsächlich dort draußen auf See in dem Boot mit dem Fischer?
Seufzend rief sie sich zur Ordnung und vergewisserte sich, dass die Laterne noch immer zu sehen war. Das Licht tanzte jetzt stärker, ganz so, als wäre die See rauer geworden. Dann glaubte sie jedoch, ihre Fantasie habe ihr einen Streich gespielt, denn mit jedem Herzschlag schien das Boot sich zu nähern. Sosehr sie sich auch bemühte, es durch pure Willenskraft zur Villa zu locken, es bewegte sich unaufhaltsam zur anderen Seite der Bucht.
Wer ist er? fragte Charlotte sich, als sie an den Fischer dachte. Und, was noch wichtiger ist, wie kann ich ihn kennenlernen? Sie grübelte noch über dieses Problem nach, als der Schlaf sie überwältigte.
Das Gurren der Turteltauben im knorrigen Geäst des alten Olivenbaumes vor dem Fenster weckte Charlotte im Morgengrauen. Gähnend erhob sie sich von der behaglichen Schlafplattform und lief barfuß über die kühlen Fliesen zum Fenster. Es dauerte einen Moment, bis sie sich an das schwache Licht gewöhnt hatte, dann seufzte sie enttäuscht.
Was hatte sie erwartet? Sie hatte beobachtet, wie der Fischer mitten in der Nacht zur Küste zurückgerudert war. Trotzdem hatte ihre Fantasie ihr vorgegaukelt, er würde irgendwo dort draußen auf sie warten.
Der Himmel war zartgelb. Charlotte lächelte hoffnungsvoll. Immerhin bestand die erregende Möglichkeit, dass sie heute den geheimnisvollen Mann wiedersehen würde.
Diese letzten Tage auf der Insel sind vielleicht mehr wert als alle anderen zusammen. Charlotte verspürte plötzlich den unerklärlichen Drang, sich aus dem Fenster zu lehnen und den neuen Tag zu umarmen. Sie wollte sich diese Aussicht für immer einprägen: die sichelförmige Bucht mit dem elfenbeinfarbenen Sand, der so aussah, als wäre er eigens für ihr Vergnügen gereinigt und geglättet worden, und dahinter den leichten Morgennebel über den Olivenhainen. Die See schimmerte türkisgrün und erstreckte sich spiegelglatt bis zu dem Steg, an dem der Fischer vermutlich sein Boot festgemacht hatte. Sosehr sie sich auch anstrengte, sie konnte keine Spur von ihm oder seinem Boot entdecken.
Zeit zum Schwimmen, entschied sie. Danach würde sie sich wieder an den Artikel setzen.
Sie schlüpfte in ihre flachen Sandaletten, bevor sie die Steinstufen zur Terrasse nur mit ihrem Schlafanzug bekleidet hinunterging. Während ihres kurzen Aufenthalts in Griechenland hatten Sonne und Wärme sie ihr Schamgefühl vergessen lassen – dies und die Tatsache, dass bislang niemand außer ihr den Strand unterhalb der Villa betreten hatte. Sie würde heute nackt schwimmen, genau wie an jedem Tag seit ihrer Ankunft.
Als Charlotte den Rand der Klippen erreichte, klopfte ihr Herz heftiger als sonst. Draußen auf den Wellen tanzten zwei rote Bojen. Seine Bojen? Zweifellos. Sie lief rasch den steilen Pfad zum Strand hinunter. Die beiden Markierungen zogen sie wie Magnete zum Wasser.
Es sind bloß Bojen, ermahnte sie sich, während sie den Sand überquerte. Nichts, worüber man sich aufregen müsste. Betont langsam zog sie die Sandaletten aus, doch als sie an die Wasserlinie kam, konnte sie vor Spannung kaum noch atmen. Er wird zurückkehren – irgendwann muss er zurückkehren, um die Signalzeichen zu holen, überlegte sie, während sie den Pyjama abstreifte und auf den Boden warf.
Reiß dich zusammen, schalt sie sich und genoss es, die frische Brise auf ihrem nackten Körper zu spüren. Wenn sie sich so aufführte, wäre es vernünftiger gewesen, in der Villa zu bleiben, wo sie sicher war. Zumal es wesentlich ungefährlicher war, sich den Fischer nur in ihrer Fantasie vorzustellen, als eine Begegnung zu riskieren …
Als jedoch das kühle Wasser über Charlottes Füße schwappte, kam ihr eine Gedichtzeile in den Sinn, die perfekt auf den Fischer zu passen schien. Mehr noch, sie bot das ideale Thema für ihren Artikel.
Mögen ihre mühselige Plackerei, ihre häuslichen Freuden und wahren Bestimmungen nie durch Ehrgeiz gestört werden.
Es war einfach perfekt – sowohl als Aufhänger für den Text als auch als Thema, nach dem sie gesucht hatte.
Sie brauchte bloß noch an den Fischer zu denken, und schon war die Richtung ihres Berichts klar. Es war eine Geschichte, die die Leser garantiert fesseln und sie bei ihrem Caffè Latte innehalten lassen würde: ein gefestigter Mann, ein Mann, der seine Erfüllung bei der Arbeit in freier Natur in der verträumten Umgebung einer kleinen griechischen Insel gefunden hatte.
So weit, so gut. Fröstelnd watete Charlotte tiefer ins Wasser. Aber was war aus ihrem Vorsatz geworden, sich selbst neu zu definieren? Sollte der Fischer auf Papier gebannt werden? In einer Fantasiewelt zu leben, war wunderbar – es hatte ihr stets eine Fluchtmöglichkeit geboten –, aber war es auch genug? Und durfte der Gedanke an den Fischer ihren Blutdruck in astronomische Höhen katapultieren? Sie verdrängte diesen Gedanken, als sie mit einem leisen Aufschrei in die kalten Wellen tauchte.
Mit kraftvollen Zügen schwamm Charlotte auf die Bojen zu. Sie bewegte sich gut, hielt den Kopf meist unter Wasser, um möglichst wenig Widerstand zu bieten und den Kraftaufwand zu verringern. Das Meer war so klar, als wäre es gefiltert, der Grund war mit Felsen übersät, die Scharen bunter Fische Schutz gewährten. Sie sah die Hummerfallen des Fischers zwischen zwei Steinbrocken, bevor sie die Markierungen erreichte.
Wasser tretend umklammerte sie eine der roten Kugeln und presste sie an die Brust. Die Knospen ihrer Brüste richteten sich steil auf, während sie die schartige Oberfläche der Bojen mit den Fingerspitzen nachzeichnete und ihren Überlegungen freien Lauf ließ. Mit geschlossenen Augen gab sie sich einem erotischen Abenteuer hin, in dem sich das feste Hinterteil des Fischers im gleichen Rhythmus bewegte wie die Wellen unter seiner Boje. Sie ließ sich treiben und benutzte die Markierung, um sich über Wasser zu halten. Der Ballon fühlte sich kühl und angenehm an ihrer Wange an, gerade rau genug, um sie von einem unrasierten Kinn an ihrer Haut träumen zu lassen. Ihre Fantasie beschäftigte sich mit seinen starken Händen, seinen Berührungen und …
„Oy! Min to kanis afto!“
Erschrocken stieß Charlotte die Boje von sich. Der laute Befehl war eindeutig vom Ufer übers Wasser zu ihr gedrungen. Tropfen spritzten hoch in die Luft, als sie herumwirbelte und zu erkennen versuchte, wer sie so anschrie.
So viel zu romantischen Idealen! Es war ihr Fischer, und sogar der Schock, so jäh in die Realität zurückgeholt worden zu sein, spielte keine Rolle mehr, als sie sah, dass er den Strand entlangeilte. Er denkt, ich sei in Gefahr, und will mich retten, stellte sie fest. Rasch hielt sie den Arm in die Luft und bedeutete dem Mann mit dem Daumen nach oben, dass alles in Ordnung sei. Charlotte entspannte sich ein wenig, als er unvermittelt innehielt, trotzdem strahlte er unbeugsame Entschlossenheit aus, die bei der geringsten Provokation erneut durchbrechen konnte. Sie bildete sich nicht ein, dass er sich um sie sorgte. Er war schlichtweg wütend.
Allmählich ärgerte sie sich über sein unverschämtes Eindringen auf ihren Strand. Was glaubte er wohl, was sie hier tat? Dachte er, sie wolle sich ihr Abendessen zusammenstehlen? Gehörte ihm das Meer? Charlotte war so schlau, zu bleiben, wo sie war, bis der Mann aufgeben und wieder verschwinden würde. Doch dann hörte sie Motorengeräusch, das sich rasch näherte. Ein kleines Fischerboot tuckerte unaufhaltsam auf sie zu.
Der Fischer hatte sich inzwischen vor ihren Schlafanzug gestellt, während im Boot ein gedrungener älterer Mann mit einem buschigen Schnurrbart saß. Er hatte sie inzwischen entdeckt. Das Boot war mittlerweile nahe genug, dass Charlotte die blauen und weißen Streifen an der Seite erkennen konnte.
Sie konnte nicht ewig Wasser treten. Trafen hier die Fäden des Schicksals zusammen, oder bahnte sich eine Katastrophe an? Es gab nur einen Weg, dies herauszufinden. Sie schwamm zum Strand zurück und wurde erst langsamer, als sie die Gischt sah, die die Füße des Fischers umspülte. Ihre Blicke begegneten sich, und er schwenkte ihre Sachen wie eine Fahne hin und her.
Will er mir den Pyjama zeigen oder mich damit verspotten? überlegte Charlotte. Angesichts des schadenfrohen Funkelns in seinen Augen, steuerte sie auf die schützenden Felsen am Ufer zu.
Es geht doch nichts über ein paar unverfälschte Erfahrungen, um dem Text Würze zu verleihen, dachte sie selbstironisch. Als sie sich umwandte, bemerkte sie, dass der Fremde eine gebieterische Geste machte – diesmal allerdings nicht in ihre Richtung, sondern zum Boot hin.
Sofort wurde der Motor abgestellt. Der Mann an Bord ging zum Heck und beschäftigte sich mit den Netzen. Jetzt war nur noch die Brandung zu hören, die unablässig gegen das Riff und den Rumpf des kleinen Fischkutters schlug.
Charlotte robbte wie ein Rekrut auf den Ellenbogen durchs Seichte und verbarg sich atemlos hinter zwei mächtigen Felsen. Nachdem ihr Pulsschlag sich beruhigt hatte, riskierte sie einen Blick zum Strand. Der Fischer hatte sich nicht von der Stelle gerührt und hielt jetzt aber ihren Schlafanzug in der Hand.
„Werfen Sie ihn her“, rief sie aus sicherer Deckung. Sie wartete, doch als keine Reaktion erfolgte, spähte sie erneut heraus. Der Fischer schüttelte zuerst ihre Sachen und dann den Kopf – langsam und verächtlich.
Frustriert lehnte Charlotte sich zurück. Der Mann war ein ernst zu nehmender Gegner und außerdem ein hinreißend attraktives Exemplar. Seine Augen waren außergewöhnlich. Ein Blick allein genügte, um ihr einen lustvollen Schauer über den Rücken zu jagen.
Vielleicht rührt die Ausdruckskraft vom naturverbundenen Leben her, sagte sie sich ungeduldig. Allerdings musste sie einräumen, dass der durchtrainierte, muskulöse Körper des Fremden in Verbindung mit seiner geringschätzigen Miene mehr verhieß, als sie sich in ihren Tagträumen über den geheimnisvollen und bis dahin ungesehenen Fischer ausgemalt hatte.
Er war größer, als sie gedacht hatte, und wie ein Kickboxer gebaut. Er hatte unglaublich lange Beine, die in den ausgefransten Shorts bestens zur Geltung kamen. Bei dem bloßen Gedanken, von solch kraftvollen Schenkeln umfangen zu werden, gerieten Charlottes Sinne in hellen Aufruhr. Sie schloss die Augen, als könnte sie so die Gefahr bannen.
Fantasie war eine Sache. Die Wirklichkeit hingegen, in Gestalt dieses speziellen Griechen, war etwas völlig anderes. Er trug sogar ein Messer an der Hüfte, das in einer langen Scheide von einem locker sitzenden Ledergürtel baumelte. Charlotte spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Der Mann war so unwiderstehlich, dass sie sich einerseits danach sehnte, ihm die Kleidung vom Leib zu reißen, anderseits wütend auf ihn war, weil er derart unverantwortliche Wünsche in ihr weckte.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich genug gefangen hatte, um einen weiteren Blick zu riskieren – und das war ein Fehler.
Charlotte stockte der Atem, als ihre Blicke sich begegneten. Irgendetwas in der nachdenklichen Miene des Griechen deutete an, dass er jede Position des Kamasutra kannte und sein bisheriges Leben darauf verwandt hatte, sie allesamt zu perfektionieren. Zweifellos ideales Hintergrundmaterial für ihren Artikel, aber war sie dafür tatsächlich bereit?
Sie ignorierte die warnende innere Stimme. Der Moment war gekommen. Entweder nutzte sie ihn, oder sie würde es ewig bedauern.
Der Mann strahlte Überlegenheit und überaus männliches Interesse aus. Charlotte schätzte ihn auf Mitte dreißig, alt genug, um zu wissen, was im Schlafzimmer geschah, ohne die Begeisterung oder Ausdauer für das verloren zu haben, was ihr vorschwebte …
Energisch verdrängte sie die letzten Zweifel und rief sich noch einmal ins Gedächtnis, was sie über ihn wusste: sein Haar war dicht, rabenschwarz und leicht gewellt, und er trug es länger als die meisten Männer – allerdings glich er auch nicht im Entferntesten den meisten Männern.
Sie konnte keinen Ring an seiner Hand entdecken. Trotzdem würde sie Marianna diskret aushorchen, die in der Villa arbeitete und alles über jeden auf der Insel zu wissen schien. Die Zeichen stehen gut, dachte Charlotte zuversichtlich. Ein hinreißender, ungebundener Mann mit makelloser Figur für das Vergnügen einer einsamen Journalistin. Natürlich nur zum Zwecke der Recherche.
Er hätte mühelos als einer der alten griechischen Götter durchgehen können, nur dass diese zu klein und zu hübsch gewesen waren, wie sie fand. Sie verglich ihn eher mit Jason, dem legendären Führer der Argonauten, und prompt nahm der kleine weißblaue Fischkutter die Form der „Argo“ mit ihren fünfzig Ruderbänken an – wobei es selbst Charlottes blühender Fantasie nicht gelingen wollte, ihren schäbigen Schlafanzug als das Goldene Vlies zu präsentieren. Apropos Schlafanzug … Er hatte ihn noch immer in seiner Hand.
„Werfen Sie den Pyjama her“, befahl sie laut.
Zu ihrer Empörung zuckte er mit keiner Wimper. Stattdessen übte der Blick seiner Augen eine geradezu hypnotische Wirkung auf sie aus. Er wirkte hart und spöttisch, war der eines erfahrenen Verführers.
Charlotte versuchte ein letztes Mal, ihn zu überreden, diesmal mit sanfter Stimme, in der Hoffnung, an sein Gewissen zu appellieren. Lächelnd deutete sie auf den Pyjama.
Der Fischer machte einen Schritt in ihre Richtung.
„Bleiben Sie stehen“, schrie sie eingedenk ihrer Nacktheit.
Er hielt inne und stützte lässig eine Hand auf die Hüfte.
Er genießt meine Notlage und wartet darauf, dass ich mein Versteck verlasse und den Schlafanzug hole.
Als er gelangweilt die Schultern zuckte, kam ihr plötzlich eine Erklärung in den Sinn. Warum hatte sie nicht schon früher daran gedacht! Er verstand kein Wort von dem, was sie sagte!
Charlotte überlegte. Sie sprach kein Griechisch, also würden sie sich nie einigen.
„Warum kommen Sie nicht her und holen sich Ihre Sachen?“, fragte der Fischer plötzlich in nahezu akzentfreiem Englisch.
Charlotte wich erschrocken zurück. Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass er ihre Sprache so mühelos beherrschte.
Seine Stimme war kaum lauter als die sanfte Brandung, und dennoch schwang in ihr jene Selbstsicherheit mit, die Charlotte mit urtümlicher Männlichkeit verband.
Er sprach so gut Englisch … Touristen! Sie verwünschte ihre Begriffsstutzigkeit. Natürlich sprach er fließend Englisch, was sonst? Etwa Altgriechisch?