SCHOSCH 2 - Irene Pietsch - E-Book

SCHOSCH 2 E-Book

Irene Pietsch

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Beschreibung

Das Buch ist die Essenz aus mehr als zwanzig Jahren intensiver Gespräche mit Persönlichkeiten des Kultur- wie auch Musiklebens und Beobachtungen bei ihrer Arbeit. Das Resultat: Mehr Weltpolitik und Weltbewegendes ist kaum möglich. Terrorverdächtige stehen gleich neben den Friedensbemühungen mit einem Musical, Migrantenkultur neben großer Oper. Die Beispiele aus Bremen und Hamburg mit all ihren Verästelungen zeigen es.

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Irene Pietsch

Mandamos Verlag

© 2019 Irene Pietsch

Umschlag: Irene Pietsch

Illustration: Irene Pietsch

Verlag:

Mandamos Verlag UG

(haftungsbeschränkt)

Alte Rabenstr. 6, 20148 Hamburg

Herstellung und Auslieferung:

tredition GmbH, Halenreie 42,

22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback

978-3-946267-57-7

Hardcover

978-3-946267-58-4

e-book

978-3-946267-59-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

Was Musik bewirken kann, wenn sie das richtige Publikum findet, ist vielleicht selbst nicht allen bewusst, die sich eine Konzert- oder Opernkarte kaufen, die kurz – manchmal auch länger – stehen bleiben, um einem Straßenmusiker zu lauschen oder eine CD kaufen, um sich die Welt der Musikkultur nach Hause zu holen.

In den folgenden Kurzreportagen und Betrachtungen zu berühmten Komponisten, Dirigenten und Interpreten von Kompositionen, deren Inhalte bis heute Allgemeingültigkeit haben, sind einige authentische Beispiele wiedergegeben. Die meisten Namen sind aus Datenschutzgründen in Abkürzungen oder Zeichen (…) wiedergegeben.

Hamburg, im Februar 2019

Irene Pietsch

Die Oktoberrevolution in Russland ist hundert Jahre geworden. In Hamburg ist die Studentenrevolution ein halbes Jahrhundert her. 1968: Die Mönckebergstraße ist schwarz von Demonstranten. Der Zug reicht bis zum Hauptbahnhof. Ziel: das rot regierte Rathaus, auf dem die rote Fahne als Triumph über das Establishment gehisst werden soll. Hört sich kontraproduktiv an. Ist es auch. „Ruhnau wir kommen!“, heißt der Schlachtruf. Heinz Ruhnau ist SPD Innensenator der Freien – und Hansestadt Hamburg. Später wird er Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa.

Gedenken an 100 Jahre Oktoberrevolution im Hamburg von 2017: Auf der Mönckebergstraße werden rote Fahnen geschwenkt. Ein Korso von Revolutionsschnauferln – bis hin zu der Nachbildung eines alten sowjetischen Panzers – bewegt sich auf das Rathaus zu. Aus Lautsprechern grölt die „Internationale“. Auf den Umzugswagen agieren Schauspieler als Revolutionsgrößen. Das Publikum reagiert befremdet.

 

2018 im Rathaus der Freien und Hansestadt Hamburg, das sich rühmt, inklusive Turmnutzung ein Zimmer mehr als Buckingham Palace zu haben: Es wird rot-grün regiert. Der Innensenator hat 2016 gewechselt, der neue Amtsinhaber kommt ein Jahr vor dem G-20 Gipfel, zu dem von der Kanzlerin nach Hamburg eingeladen worden ist und der ihn in Schwierigkeiten bringen wird, was so nicht erwartet worden war. Er hatte als Bezirksamtsleiter des Bezirks Mitte, zu dem auch St. Georg und die Hafencity mitsamt Elbphilharmonie gehören, gute Arbeit geleistet und kennt sich mit problematischen Situationen aus. In der Schanze – dem Schanzenviertel, das zum Alt- und Neubürgerbezirk Altona gehört – wird Oktoberrevolution nach Unart der neuen Internationale im Zeichen der „Flora“, einem alten Revuetheater im Stil der Neoklassik und Gründerzeit, geprobt. Nicht erst jetzt, aber zum G-20 besonders.

Zu Gast im großen Festsaal des Rathauses (in Hamburg ist der kleinere Festsaal der Kaisersaal): das Klangforum Wien.

Auch in Wien hatte die Oktoberrevolution Spuren hinterlassen. Marx ist dort zwar ein geläufiger Name und keineswegs eine Trierenale, was aber mitnichten darüber hinwegtäuschen darf, dass Wien durch Massenzuwanderungen aus dem Osten des ehemaligen K.u.K. Reiches infolge des Ersten Weltkrieges als rot gilt.

„Schönberg & die Schrammelbrüder“ klingt wie Stuttgarter Weindorf mit Budweiser Ständen, sind aber trotz der tschechischen Herkunft von Schönberg Ständchen aus dem inzwischen rechts konservativ regierten Österreich, was man nicht hört. Das Programm wurde wohl vor dem Regierungswechsel festgelegt – oder auch nicht.

 

Der Konzertauftakt in Hamburg: Arnold Schönbergs Marsch aus seiner Serenade op. 24. Zu dem soeben zelebrierten Hintergrund aus dem hundertjährigen Kalender der sozialpolitischen Weltgeschichte hätte er kaum besser gewählt sein können. Es ist keine mitreißende Strauss Komposition für Paraden à la Radetzky Marsch, sondern die musikalische Analyse von Massenbewegungen zu Kriegs- und Friedenszeiten.

Wer marschiert bei Arnold Schönberg, dem Sohn tschechischer Eltern und von Haus aus eher Monarchist? Er ist Protagonist der Zeit nach der Oktoberrevolution in Russland, dem damit provozierten Ersten Weltkrieg, des Unterganges der Donaumonarchie und der Selbstfindungsphase vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, bis hin zu seinem unglücklichen Exil und – trotz allem – der Rückkehr ins nunmehr von den Alliierten befreite, heimatliche Österreich.

Anders als Berlin, wird Wien nicht geteilt. Selbst die Sowjets stimmen zu.

 

Vor zehn Jahren kommt es zu einer Begegnung zwischen der Komponistin Chaya Czernowin und mir. Sie kann getrost als arrangiert bezeichnet werden. Ich soll nach Bremen kommen, erreicht mich ein Hilferuf von Prof. Hans-Joachim Frey, Generalintendant am Goethetheater in Bremen. Das Vier-Sparten-Haus will einen Beitrag zur stets angemahnten Vergangenheitsbewältigung zwischen Christen, Juden und Deutschen leisten und dazu – oder dafür – Czernowins „Adama“ auf die Bühne bringen.

Das ist löblich, müssten alle meinen, die löblich guten Willens sind. In Bremen sind das offenbar sehr wenige. Frey bekommt keine Resonanz auf die Presseeinladungen und sucht dringend PR – Maßnahmen für die Premiere. Er hat die Produktion eingekauft.

„Du musst kommen!“

Ich eile herbei. Mein Mann ist auch mit von der Partie, hält sich aber zurück.

Frey hat die Presserunde professionell gestaltet. Außer mir ist noch ein Ehepaar aus Syke bei Bremen anwesend. Es kommt zu einem freundlichen Beschnuppern der kollegialen Beschaffenheit. Im Gegensatz zu mir, sind die beiden vom Fach. Sie ist ihrem Familiennamen nach ungarischer Herkunft. Eva kann hingegen weltweit lokalisiert werden.

In Bremen gibt es eine große Gemeinde ungarischer Flüchtlinge von Zeiten der Weltkriege und nach dem Ungarnaufstand 1956, der durch die Sowjets blutig niedergeschlagen wurde. Vor der offiziellen „Wende“, die den neuen „Tag der Deutschen Einheit“ zeitigte, kamen dann noch etliche hinzu, die schon mal sicherheitshalber über Ungarn ausgereist waren, indem sie den Stacheldraht durchschnitten.

Die beiden Musikwissenschaftler sind eindeutig prädestinierter, über Chaya Czernowin zu berichten, deren Wurzeln, dem Namen nach, ebenfalls im Osten des ehemaligen K.u.K Reiches vermutet werden können. Ich kenne mich nicht besonders gut mit neueren Komponisten und ihren Werken aus. Seit ich Kontakt mit der Frey-Gründung „Internationales Forum für Wirtschaft und Kultur“ in Dresden hatte, über diesen Weg einen Komponisten suchte und eine junge russische Komponistin in Strausberg bei Berlin fand, um sie wegen Foulspiels anderer Projektbeteiligter wieder zu verlieren und mir deswegen eine Belehrung aus dem Forum einhandelte, habe ich mich nicht mehr viel um dieses wichtige Gebiet gekümmert.

 

Prof. Frey bittet meinen Mann mit zum Pressetermin. Vier sehen besser aus als drei. Mein Mann stellt klar, dass er nur Begleitperson ist. Frey nickt. Er weiß es. Das reicht. Ich selber bin mit Projekten beschäftigt und habe auch kaum Gelegenheit, Tagesjournalismus zu betreiben – erst recht keine Rezensionen von Bremer Opernproduktionen in Hamburg unterzubringen. Frey nickt. Er weiß es. Das reicht.

Er stellt die Komponistin vor, was nicht um ein Jota von der Pressemitteilung abweicht. Demnach ist sie weitaus älter als sie aussieht und lebt im israelischen, Arabisch beeinflussten Haifa. Das könnte ein Anknüpfungspunkt für mich sein, sie nach den näheren Umständen und Hintergründen für ihre Komposition zu fragen. „Ich müsste mal wieder nach Haifa“, denke ich. „Es scheint dort einige interessante osteuropäische Neueinwanderer zu geben.“

„Ich müsste mal wieder nach Haifa“

 

 

Frey hat das erste Jahr seiner Arbeit in Bremen Israel gewidmet. Er ist zunächst designierter Generalintendant, im Grunde weniger als nur halb persönlich anwesend. Beinahe ein Jahr ist er Berufspendler zwischen Bremen und Dresden, seiner Nochwirkungsstätte als Kaufmännischer Direktor der Semperoper, Vorstandsvorsitzender des Internationalen Forums für Wirtschaft und Kultur, Organisator des Gesangswettbewerbs „Competizione del Opera“, des Kompositionswettbewerbs der Gläsernen Manufaktur in Dresden, dem Arthur Rubinstein Klavier Wettbewerb und vielen anderen Aktivitäten zugunsten vitaler Musik- und Eventgeschehen.

Das Thema Deutsch-Israelische Kooperation verspricht Unterstützung aus Berlin, die Frey braucht. Die Bundesregierung steht zu ihren Verpflichtungen. Bremen selber hat kein Geld, um hochwertige Inszenierungen zu finanzieren, braucht aber dringend PR und für die PR Geld, ein circulus vitiosus, den es zu durchbrechen gilt. Frey steht im Ruf, ein genialer Beschaffer von Finanzierungsmitteln zu sein.

Das kleinste Bundesland unserer Republik befindet sich in einem markanten Spannungsfeld.