Schräge Herzen - Dorte Roholte - E-Book

Schräge Herzen E-Book

Dorte Roholte

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Beschreibung

Flora ist Mollys liebe, witzige und schräge Freundin. Zusammen lassen die beiden sich die abgefahrensten Dinge einfallen. Mit der Zeit wird Flora aber immer seltsamer, und mit der Zeit hört der Spaß auf. Flora wirkt ganz außer sich: Sie kann nicht schlafen, begeht Diebstahl und begibt sich sogar in Lebensgefahr. Molly weiß nicht, was sie tun soll, und auf einmal verschwindet Flora. Was passiert da bloß mit ihr?-

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Dorte Roholte

Schräge Herzen

Übersetzt von Rebecca Jakobi

Saga Kids

Schräge Herzen

 

Übersetzt von Rebecca Jakobi

 

Titel der Originalausgabe: Skøre hjerter

 

Originalsprache: Dänisch

 

Copyright ©2017, 2023 Dorte Roholte und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728259931

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung des Verlags gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Die Schmetterlingsreihe richtet sich an Mädchen zwischen neun und vierzehn Jahren. Da diese Zielgruppe recht weit gefasst ist, werden die Titel in zwei Gruppen eingeteilt. Ein Schmetterling zeigt, dass sich das Buch an den jüngeren Teil der Zielgruppe (9-11 Jahre) richtet; Bücher mit zwei Schmetterlingen richten sich an den älteren Teil (12-14 Jahre). Die Geschichten für die Reihe wurden sorgfältig nach Qualität ausgewählt; Thema, Sprache und Gefühle sind auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten.

Kapitel 1

»Mann, Flora, du hast echt einen Knall!«, flüsterte Molly außer Atem, während sie sich hinter einem dreckigen Lieferwagen auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums versteckten.

Es war Dienstag, 14:46 Uhr. Sie waren gleich nach der Schule hierhergefahren, und jetzt gerade hatte Molly keine Ahnung, ob sie lachen, sich gruseln oder beides tun sollte.

Ihr Herz raste, zum einen, weil sie gerannt waren und zum anderen, weil sie Angst hatte. Flora kauerte sich neben ihr zusammen, Molly sah eine Ader an ihrer Schläfe pochen. Vielleicht hatte Flora auch einen Schreck bekommen, obwohl sie an dem ganzen Ärger selbst schuld war. Wie immer. Sie hatte stets das Kommando und dachte sich alle möglichen witzigen Aktionen aus. Dadurch war Mollys Leben ungefähr tausend Mal lustiger geworden, seit sie und Flora sich letztes Jahr angefreundet hatten.

Vielleicht, dachte Molly jetzt, würden sie über die Sache mit dem Rocker auch gleich lachen können – oder in ein paar Stunden. Wenn er denn aufgab, nach ihnen zu suchen. Er war nämlich ganz schön sauer. Sie hatten den Glatzkopf sofort entdeckt, als sie vor dem Einkaufszentrum aus dem Bus gestiegen waren. Sein Nacken war fast so breit wie sein Kopf, und seine Oberarme waren so muskelbepackt, dass der Stoff seines karierten Hemdes aussah, als würde er gleich platzen. Hässliche schwarze Tattoos schlängelten sich um seinen Hals, um den auch eine eklige dicke Goldkette hing. Er hatte, ganz auf sein Handy konzentriert, neben einem glänzenden Motorrad gestanden.

»Guck mal, der Stiernacken da«, hatte Flora gesagt und Molly mit dem Ellbogen angestupst. »Ich geh den mal kurz was fragen.«

»Flora, nein!«, hatte Molly gerufen, doch da war es schon zu spät gewesen.

Flora hatte sich so dicht neben ihn gestellt, dass er sie zwangsläufig bemerkte. Molly hatte das Ganze ein paar Schritte entfernt mit angehaltenem Atem beobachtet.

»Kommen Sie damit klar?«, säuselte Flora und nickte zu seinem Handy.

»Hä?« Der Rocker schaute sie verwirrt an.

»Ich wollte nur kurz etwas fragen«, fuhr Flora fort und richtete den Blick auf die Tattoos an seinem Hals. »Haben Sie einen Tintenfisch unterm Hemd?«

»Hä?«

»Sieht nämlich so aus«, meinte Flora und zeigte mit ihren Fingern, was sie meinte. »Als würde er versuchen, sich zu befreien, oder nicht?«

»Verzieh dich, du Göre!«

Der Rocker stopfte sein Handy in die Hosentasche, blieb aber neben seinem Motorrad stehen.

Flora blieb auch stehen, während Molly vor Schreck fast tot umfiel. Am liebsten hätte sie Flora zu sich gerufen, von dem Mann weggezogen oder beides. Doch sie wagte es nicht einmal, sich zu bewegen.

»Einen Moment, da wäre noch was. Wie nennt man einen Rocker auf einem Fahrrad? Einen Fahrraddieb. Und wie nennt man zwei Rocker auf einem Fahrrad? Bandenkriminalität!«

Flora erzählte den Witz, den sich die ganze Klasse am Tag zuvor herumgeschickt hatte, mit todernster Stimme. Plötzlich schien es, als würde der Rocker vor Wut explodieren. Mit knallrotem Kopf kam er ein paar Schritte auf sie zu und holte mit einem seiner muskulösen Arme nach ihr aus. Flora war aber schnell, sie machte auf dem Absatz kehrt und suchte in voller Fahrt das Weite. Molly rannte hinter ihr her, während ihr Schulrucksack bei jedem Schritt auf- und abhüpfte. Vor ihr düsten Floras lange, dünne Beine davon, und als Molly einen Blick über ihre Schulter wagte, sah sie den Rocker. Sie stieß einen Schrei aus und erhöhte das Tempo, sodass sie Flora überholte. Da riss Flora sie plötzlich zur Seite und ging mit ihr hinter dem schmutzigen Lieferwagen in Deckung, wo sie jetzt saßen. Mollys Sinne waren bis aufs Äußerste geschärft. Sie war bereit, um ihr Leben zu rennen, falls der Rocker auf einmal wieder in Sicht kam. Es war ein furchtbares Gefühl, aber irgendwie machte es auch furchtbar Spaß.

»Ich guck mal kurz«, sagte Flora leise und stand auf, ehe Molly sie davon abhalten konnte.

Molly hielt die Luft an, bis Flora wieder neben ihr abtauchte.

»Ich glaube, er ist weg.«

»Glaubst du nur oder bist du dir sicher?«

»Bin mir sicher, aber jetzt sei doch nicht so ein Angsthase. Gehen wir ins Zentrum?«

»Was, wenn er doch noch da ist?«, wandte Molly ein.

Flora seufzte resigniert. »Echt mal. Da drin sind jede Menge Leute. Denkst du nicht, die würden uns helfen, wenn er uns bedroht oder so? Zwei liebe, zwölfjährige Mädchen und ein widerlicher Rocker! Der Typ kann uns gar nichts.«

Molly gab auf. Hoffentlich hatte Flora recht. Sicher war Molly sich da nicht. Sie stand auf und zupfte ihre Kleidung zurecht. Floras blaue Augen leuchteten, als hätten die beiden gerade ein unglaublich spannendes Abenteuer erlebt. Molly wünschte, sie könnte es genauso sehen. Sie wünschte sich oft, sie wäre mehr wie Flora. Nun war wieder so ein Moment.

»Komm!« Flora zog Molly mit zu der großen Drehtür, die ins Einkaufszentrum führte. Das letzte Stück liefen sie nebeneinander, und Molly musste wieder an den Jungen denken, den sie hier letzte Woche zweimal gesehen hatte. Etwas regte sich in ihrem Bauch. Der Junge sah so süß aus, ein bisschen wie Justin Bieber, nur viel hübscher. Sie war sich fast sicher, dass er sie auch angeschaut hatte, mindestens zweimal. Vielleicht war er heute wieder da. Obwohl sie Flora normalerweise so gut wie alles erzählte, hatte sie ihr noch nichts davon gesagt. Man konnte nie wissen, was Flora sich dann einfallen ließ. Höchstwahrscheinlich würde sie direkt zu ihm marschieren und sagen: Weißt du was, meine Freundin Molly ist total verrückt nach dir!

Molly schüttelte sich bei dem Gedanken, genau als die Drehtür sie in der Mitte des Einkaufszentrums ausspuckte.

»Was ist los?«, fragte Flora und schaute sie an.

»Nichts«, sagte Molly schnell. »Hast du Geld dabei? Ich habe etwas über zwanzig Kronen.«

»Mama hat mir heute Morgen einen Fünfziger gegeben«, sagte Flora. »Sollen wir zuerst in die Burgerbar? Wir können ja danach noch zu Matas gehen. Ich fall vor Hunger gleich um.«

Molly nickte. Sie hatte auch Hunger. Mama gab ihr jeden Tag etwas zu Essen mit, aber sie aß es natürlich nie. Meistens warf sie es in den Mülleimer oder gab es Kasper aus ihrer Klasse, der sowieso alles in sich reinstopfte. Vorher schaute sie aber immer, was es war, weil Mama sie abends manchmal danach fragte.

Vor einer Weile hatte sie das einmal vergessen. Mama war sauer geworden und hatte wissen wollen, ob Flora ihr eingeredet hatte, dass es uncool war, sein mitgebrachtes Pausenbrot zu essen. Sie vermutete, dass Flora einen schlechten Einfluss auf Molly hatte, denn als sie noch mit Fie befreundet gewesen war, hatte sie ihr Pausenbrot immer aufgegessen. Molly hatte wütend erwidert, dass Flora nichts damit zu tun hatte. Mikkel, die feige Sau, hatte nur blöd gegrinst. Dabei war Molly der festen Überzeugung, dass er sein Brot auch nicht aß, sondern es irgendwo auf dem Weg zur Technischen Schule wegwarf. Ihm stellte Mama aber keine Fragen. Seitdem hatte sie jedenfalls immer beantworten können, was in der Brotdose gewesen war.

Manchmal hatte Molly das Gefühl, dass ihre Eltern Flora nicht besonders gut leiden konnten. Dabei wussten sie nicht mal ein Zehntel von allem. Zum Glück!

Die Burgerbar lag auf der anderen Seite des Zentrums als Føtex, der große Supermarkt. Molly und Flora schlenderten langsam dorthin, während sie sich die Schaufenster anschauten und Ausstellungswaren im Angebot durchstöberten. Molly war die ganze Zeit auf der Hut und hielt im Augenwinkel nach dem Rocker Ausschau. Sie suchte auch nach dem Jungen, konnte aber weder ihn noch den Rocker irgendwo entdecken, bis sie bei der Burgerbar ankamen. Nur wenige der Sitznischen waren belegt, hinter der Theke standen zwei ältere Typen mit albernen Papierhüten und unterhielten sich. Es roch stark nach Frittierfett, ein kleiner Junge schrie in einem Buggy. Flora hatte schon zwei kleine Cola, zwei Pommes und zwei Cheeseburger bestellt, als Molly ihre Münzen genauer betrachtete und schockiert feststellte, dass sie nicht genug Geld hatten. Davor hatte sie immer Angst, und jetzt bekam sie wieder Herzklopfen und Atemnot.

»Uns fehlen fünf Kronen!«, flüsterte sie Flora zu.

»Uns fehlen fünf Kronen, das tut uns wirklich sehr leid«, wiederholte Flora lauthals und in einem Tonfall, als wäre es ihr völlig egal.

Einer der Papierhuttypen hatte die Colas schon auf den Tresen gestellt, der andere portionierte gerade die Pommes. Der mit den Colas verdrehte die Augen und warf dem anderen einen Blick zu.

»Dann scann die eine Cola halt nicht ein«, sagte der andere und legte die Burger und Pommes auf ein Tablett. »Und ihr zwei bestellt beim nächsten Mal nur, was ihr auch bezahlen könnt, ja?«

»Oh, tausend Millionen Dank«, rief Flora und warf ihm drei schnelle Luftküsse zu.

Der eine Typ grinste, der andere lief rot an. Molly schnappte sich schnell das Tablett und ging zu einem Tisch, von dem aus sie den Gang des Einkaufszentrums beobachten konnten. Flora sah glücklich aus, als sie sich ihr gegenübersetzte und den Strohhalm in den Mund steckte.

»Bin ich nicht gut?«

»Nein, du bist echt schlimm«, sagte Molly, musste aber trotzdem lachen.

Solche Dinge passierten ständig, wenn sie mit Flora zusammen unterwegs war. Entsetzliche Dinge, die schließlich doch in Gelächter und mit einem coolen Gefühl im Bauch endeten, weil man es überstanden hatte.

Während des Essens fühlte Molly sich glücklich und frei. Sie war beinahe sicher, dass sie heute auch noch den Jungen sehen würde.

»Warum guckst du eigentlich die ganze Zeit nach draußen?«, fragte Flora und musterte sie. »Wegen dem Rocker oder was?«

»Ja«, log Molly, nickte und trank schnell einen Schluck Cola.

»Denk nicht so viel drüber nach«, sagte Flora. »Meine Mutter sagt, diese tätowierten, testosterongeladenen Halbaffen bringen sich nur gegenseitig um, und das sollten sie auch ungestört tun dürfen.«

Molly fiel etwas ein. »Manchmal tun sie normalen Menschen aber auch was zu Leide. Als mein Vater noch bei der Bank gearbeitet hat, hat er mal etwas richtig Widerliches erlebt. Also, er hat es von seinem Platz aus beobachtet, er saß ja nicht direkt am Schalter. Jedenfalls kamen zwei Typen rein, der eine war so ein Rocker, der andere sah normal aus. Der Normale ist zum Schalter gegangen und wollte einen Scheck von fünfundzwanzigtausend Kronen ausgezahlt bekommen. Er hat gezittert und geschwitzt, war kurz vorm Ausflippen, das konnte die Frau am Schalter ihm ansehen und hat deshalb auch gleich Verdacht geschöpft. Der Rockertyp stand währenddessen die ganze Zeit neben der Eingangstür. Die Frau hat dann ihren Chef gerufen, weil sie dachte, dass der Scheck vielleicht gefälscht ist. Der Chef meinte dann, sie würden sich den Scheck nochmal genauer ansehen, und auf einmal ist der Typ in Tränen ausgebrochen. Er hat gesagt, sie sollen die Polizei rufen, weil die Rocker ihn dazu gezwungen hätten, den Scheck einzulösen, weil er ihnen Geld schuldet. Er kam aus einem gestohlenen Scheckbuch oder so, jedenfalls hat der Typ dann gesagt, draußen würden zwei von den Rockern in einem Auto sitzen, und sie hätten ihm gedroht, ihm mit einer Heckenschere die Finger abzuschneiden, wenn er nicht auf sie hörte. Als die Polizei kam, waren die Typen aber schon weg, also haben sie den normalen Typ mitgenommen …«

Molly hielt inne. Die Stimmung hatte sich irgendwie verändert. Flora war plötzlich seltsam still und ernst geworden, was durchaus manchmal vorkam. Sie hatte auch aufgehört zu essen und zu trinken, obwohl noch viel übrig war. Jetzt bereute Molly, dass sie die Geschichte erzählt hatte.

Papa hatte sie vor über einem Jahr einmal beim Abendessen erzählt. Schon damals hatte Molly vermutet, dass er sie sich vielleicht ausgedacht hatte, um Mikkel von Rockerbanden abzuschrecken. Molly hatte er damit aber auch Angst eingejagt, und ihre Mutter war ganz schockiert gewesen.

»Vielleicht war das alles aber auch nur erfunden«, sagte Molly, zuckte mit den Schultern und lächelte Flora an. »Gehen wir jetzt noch zu Matas?«

»Aber sowas von!«

Flora war wieder sie selbst. Sie ließ sich vom Hocker rutschen und steuerte auf den Ausgang zu, während sie den zwei Typen hinter der Theke Handküsse zuwarf. Molly räumte schnell den Tisch ab und stellte das Tablett in einen Ständer, wie es sich gehörte, bevor sie Flora hinterhereilte. In bester Laune spazierten sie Arm in Arm in die große, hell erleuchtete Drogerie und ließen sich von dem ewigen Parfumduft einhüllen. Kleine goldene und silberne Pappschachteln mit Creme und in Zellophan gewickeltes Make-up strahlten ihnen von Regalen und Ständern entgegen, ein großes Tablett voller Parfumfläschchen lockte sie zu sich. Flora ließ ihren Rucksack auf den Boden sinken und probierte die Parfums Stück für Stück aus, jeder Fleck auf beiden Armen wurde genutzt. Molly testete auch ein paar, wollte aber nicht wieder so stark riechend nach Hause kommen wie letztes Mal.

»Mensch, ist das hier nicht toll?«, fragte Flora und hielt Molly den Arm unter die Nase. Molly nickte, obwohl sie schon den Punkt erreicht hatte, an dem alles gleich roch.