Schule ohne Lehrer? - Arne Ulbricht - E-Book

Schule ohne Lehrer? E-Book

Arne Ulbricht

4,5

Beschreibung

Kai und Katie erleben Unterricht heute und in naher Zukunft aus Schülersicht – Herr Schmidt und Frau Schmidt gestalten ihn aus Lehrersicht. Mit diesem fiktiven Personal zeigt Arne Ulbricht auf, welche Gefahren es birgt, wenn Schule so weitermacht wie bisher.Die Analyse des Ist-Zustands an unseren Schulen, der den Trend zur totalen Digitalisierung gerade erst erahnen lässt, mündet in ein sich dramatisch negativ zuspitzendes Szenario: Schüler ergoogeln sich während der Gruppenarbeit in Sekundenschnelle das Weltwissen und spielen anschließend Quizduell. Der verpönte Lehrervortrag ist durch den Schülervortrag in Form einer unverstandenen Hochglanz-Powerpoint-Präsentation abgelöst; die Benotung erfolgt mithilfe einer Lehrersoftware, die vom Tablet abgelesen wird. Die Lehrkraft als pädagogisch agierende Person verschwindet vollkommen von der Bildfläche.Lehrer wie Schüler stehen unter schwer erträglichem Druck, der jeglichen pädagogischen Erfolg in Frage stellt und physisch wie psychisch bedenkliche Nebenwirkungen hat.Arne Ulbrichts Plädoyer fällt eindeutig aus: Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Lehrerinnen und Lehrer gehören ins Zentrum des Geschehens und müssen in ihrer Vorbild-Rolle gestärkt werden!

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Arne Ulbricht

Schule ohne Lehrer?

Zurück in die Zukunft

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eISBN 978-3-647-99647-9 ISBN 978-3-647-70174-5

Umschlagabbildung: © drubig-foto, Fotolia

© 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Umschlag: SchwabScantechnik, Göttingen Druck und Bindung:

Inhalt

Prolog

Vorworte

Teil I: Schule »früher«

Teil II: Der Akku ist leer

Teil III: Der Lehrer verschwindet

Teil IV: Katie, 15, selbstständige Lernerin

Teil V: Wehrt euch!

Epilog: Tod eines Schülers

Für

Maximilian, Alex A., Bryan (in memoriam), Alex B., Nicole, Leonard, Christoph, Celine, Dominik, Timon, Max L., Tiziana, Philipp, Kai M., Steffen, Nadine, Kai S., Gerrit, Christina, Max S., Florian und Sebastian

Danke (I)

Dank Leonard Braunsmann und Steffen Mentzel steht folgender Satz nicht in diesem Buch: »Kai schrieb eine SMS über Facebook in die WhatsApp-Gruppe und guckte abends auf RTL2 Counterstrike.« Denn Leonard und Steffen haben mir mit viel Geduld und Nachsicht meine vielen Fragen beantwortet, und zu keinem Zeitpunkt haben sie mir das Gefühl gegeben, ein Idiot zu sein. Ohne ihre Mithilfe hätte ich die fiktiven Teile dieses Buches nicht schreiben können. Und das wäre schade gewesen.

Danke (II)

Als ich Ulrike Gießmann-Bindewald von Vandenhoeck & Ruprecht vorschlug, ein Sachbuch mit längeren fiktiven Einschüben zu schreiben, befürchtete ich, sie würde mir nicht mal antworten. Aber sie unterstützte dieses eher ungewöhnliche Buch von Beginn an.

Prolog

Kai1, 15, zehnte Klasse (6:30–8:05 Uhr)

Montagmorgen.

Kai, der am Abend beziehungsweise in der Nacht zuvor von seinen Eltern unbemerkt bis kurz vor zwei Counterstrike gezockt hat, wird Punkt halb sieben von seinem Handywecker aus dem Tiefschlaf gerissen. Er nimmt sein Handy, schaltet den Song aus, schaut aufs Display und … ist plötzlich hellwach: Die acht neuen Nachrichten sind für ihn der Adrenalinschub, den er so dringend benötigt. Er beginnt zu lesen:

1: Jonas schreibt an ihn persönlich und fragt, ob er schon wach sei.

2: Alexei schreibt in die Klassengruppe, zu der nur Simon nicht gehört. (Simon ist ein totaler Spinner: Der hat kein Handy und sagt, er brauche keins! Vollkommen krank der Typ.) Alexei möchte wissen, wer Mathe verstanden habe und ihm Mathe noch in der Pause vor der Arbeit erklären könne.

3: Lisa,

4: Hannes und

5: Leyla haben bereits geantwortet. (Lisa: »Ich versteh auch nix.« Hannes: »Mathe kann ich nicht, aber Physik noch weniger.« Leyla: »Ich geh heute nicht zur Schule.«)

6: Hannes, der Klassensprecher, schreibt: »Denkt dran, wir sollen heute für Deutsch Scheren, Kleber und dicke Filzstifte mitbringen!!!! Sollte ich euch noch mal dran erinnern!!!!« Darauf hat

7: Bülent schon geantwortet: »Kindergartenkram. Wir sagen einfach, wir haben es nicht gelesen. Mathe erklär ich.«

8: Johanna: »Gibt Herr Schmidt heute wieder Noten? Letztes Mal in Französisch: 4,7! Warum überhaupt Französisch?«

Kai antwortet noch im Bett liegend. Er schreibt an …

… Jonas: »Bin wach. Montag. Megahart.«

… die Klasse: »Mathe? Heute???? Wetten, Frau Schmidt heult wieder rum? Klar gibt Herr Schmidt heute wieder Noten.«

Während er die Nachricht abschickt, hört er die Stimme seiner Mutter: »Kai … AUFSTEHEN!«

Jeden Morgen ruft sie. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er überhaupt aufstehen muss.

»Ja ja ja, gleich.«

»Das sagst du jedes Mal!«

Das war sein Vater. Können sie ihn nicht einfach in Ruhe seine Antworten schreiben beziehungsweise seine neuen Nachrichten lesen lassen? Zwei hat er schon.

Laura schreibt: »Hallo zusammen. Schule megakacke. Simon auch. Und Frau Schmidt, die Heulsuse, voll peinlich.«

Dazu Bülent:

»Frau Schmidt ist doch eigentlich nett. Herr Schmidt wirkt wie programmiert. Für alles gibt er eine Note.«

Zack! Die nächste Nachricht. Johanna an die Klasse:

»Warum hat Herr Schmidt Frau Schmidt geheiratet?«

Zack! Jonas nur an ihn:

»Mir geht das Gelaber auf den Nerv. Und so schlimm ist Simon doch gar nicht.«

Kai an Jonas: »Ich finde Simon echt krass.«

Und an die Klasse: »Herr Schmidt ist wesentlich cooler als Frau Schmidt. Frau Schmidt macht Unterricht wie vor 100 Jahren.«

Wieder ein Ruf:

»KAI!«

Seine Mutter. Dabei hat er noch nicht mal geguckt, was es auf Facebook alles Neues gibt. Aber eigentlich will er auch nicht gucken, denn Luisa, die er ziemlich geil findet und die in die Parallelklasse geht, hat seine Nachricht, die er ihr am Tag zuvor um 20:43 Uhr geschrieben hat, bereits um 20:47 Uhr gelesen, und sie hat noch immer nicht geantwortet. Und wenn sie auch jetzt, inzwischen müsste sie ja aufgestanden sein, immer noch nicht geantwortet hat … dann … dann … dann wird er frühestens in der ersten Pause das nächste Mal nachschauen, ob sie endlich reagiert hat. Er guckt. Mist. Sie hat sich nicht gemeldet. Kein gutes Zeichen. Stattdessen hat sie auf ihrem Profil drei Freunde geaddet und ein neues Foto gepostet. Im Bikini. Kai hat das Gefühl, heulen zu müssen. Warum antwortet sie nicht? Findet sie sein Profil etwa zu langweilig?

Plötzlich wird die Tür aufgerissen. Gerade will er protestieren, doch dann lacht er. Eva kommt nämlich reingerannt und ruft.

»So, jetzt ziehe ich dir die Decke weg!«

Und das tut sie auch. Dafür kitzelt Kai sie kurz durch.

»Lass das!«, schreit Eva, aber sie meint natürlich, dass er wie eigentlich jeden Morgen unbedingt weitermachen soll.

Also macht er weiter. Irgendwann sagt sie, während sie seine Kleidungsstücke, die auf dem Boden herumliegen, aufsammelt:

»Hier ist deine Hose, hier sind deine Socken … hier … dein T-Shirt!« Fünf Minuten später sitzen Kai und Eva am Tisch. Die Eltern nicken ihm zu, sein Vater schüttelt den Kopf, weil Kai das Handy neben seinen Teller legt, auf dem zwei geschmierte Brote liegen. Er führt sie zum Mund, während er die neuen Nachrichten auf WhatsApp liest. Es geht um die Schmidts, um Simon und um die Frage, ob es schon Kliniken gebe, in denen solche Leute wie er behandelt werden. Jonas schreibt an Kai persönlich, dass die anderen Simon doch einfach in Ruhe lassen sollten. Johanna fragt, wer ihr helfen könne, sie müsse noch ein Referat in Geschichte für die erste Stunde vorbereiten. Bülent antwortet wenige Sekunden später, dass er sich um das Referat kümmern werde.

»Kai – leg’ das Ding weg.«

Sein Vater! Und er ist noch nicht fertig, an ihm herumzukritisieren:

»Kai … kannst du mich jetzt einfach mal angucken?«

Wenn es sein muss, denkt Kai.

»Hast du schon die Deutscharbeit zurückbekommen?«

»Nein.«

Die Wahrheit ist, dass er sie schon am Donnerstag zurückbekommen hat. Note: fünf minus! Die Unterschrift hat er gefälscht und Freitag das Arbeitsheft gleich wieder zurückgegeben. Er hofft, dass sein Vater irgendwann aufhört nach der Arbeit zu fragen.

»Hoffentlich wird es keine Vier. Du bekommst wegen deiner Drei minus in Englisch schon Englischnachhilfe.«

Kai sagt nichts. Was soll er dazu auch sagen? Wichtiger ist eh, ob Luisa endlich geschrieben hat. Die erste Pause ist erst in zwei Stunden … So lange kann er einfach nicht mehr warten. Ein kurzer Wisch übers Display und ein heftiger Stich in der Magengegend: Sie hat noch immer nicht geantwortet.

»Gib das Ding her!«

»Schon gut. Ich mach es aus!«

Sein Vater nickt. Seine Mutter sagt:

»Kai, meinst du nicht, dass du das Handy einfach mal …«

»Nein, geht nicht, das brauchen wir sogar manchmal im Unterricht.« »Im Unterricht???« »Klar. Manche Lehrer fordern uns auf, auch mal was zu recherchieren.«

Zum Beispiel macht das Herr Schmidt, der ziemlich cool ist. Bei ihm sollen die Schüler hin und wieder etwas auf Wikipedia nachschauen oder etwas googeln. Und mit dem Whiteboard kann er umgehen wie kein anderer Lehrer. Natürlich hat er ein iPad. (Kai hätte auch gern eins, aber er bekommt es erst, wenn er in Deutsch und Englisch wieder auf einer glatten Drei steht.) Frau Schmidt wiederum hat Handys im Unterricht kategorisch verboten. Die dreht immer richtig durch, wenn jemand sein Handy benutzt. Als sie neulich Leyla erwischt hat, die nur eine Nachricht gelesen und beantwortet hat, war sie kurz davor, Leyla zu ohrfeigen. So hat Frau Schmidt jedenfalls ausgesehen, als sie Leyla angeschnauzt hat. Und sie schreibt noch immer viel an die Tafel (mit Kreide!), die sie immer erst in den Raum schieben muss, weil es in allen Räumen nur noch Whiteboards gibt. Eigentlich ja verrückt, dass Frau Schmidt und Herr Schmidt nicht längst geschieden sind, denkt Kai.

Eva sitzt still am Tisch und meldet sich. Das tut sie immer, seitdem sie in die erste Klasse geht. Dabei mampft sie einfach weiter und wartet. Da Kais Mutter gerade eine SMS schreibt und sein Vater auf dem iPad begonnen hat, Zeitung zu lesen, nimmt Kai sie dran:

»Eva, was ist los?«

Eva beginnt zu erzählen, was sie im Gesprächskreis sagen werde und dass sie am Nachmittag Wald-AG habe und … Kai hört nicht mehr hin. Das Handy hat er wieder eingeschaltet, ohne dass seine Eltern es gemerkt haben. Luisa hat noch immer nicht geantwortet. Bülent ist von vier anderen gefragt worden, ob er nicht auch für sie irgendwelche Referate vorbereiten könne, und Bülent hat gefragt, was er dafür bekomme, und der Erste hat schon geantwortet und zehn Euro geboten.

Eva sitzt nicht mehr am Tisch. Kai hatte gar nicht gemerkt, dass sie aufgestanden ist. Sie steht im Flur und hat sich schon den Ranzen aufgesetzt. Sie wird jeden Morgen zur Schule gebracht, weil die Arztpraxis, in der seine Mutter vormittags arbeitet, in der Nähe der Schule liegt. Deshalb ist sie auch nicht in die nächstgelegene Schule gekommen, auf die Kai noch ging. Eva springt noch schnell zu ihm rüber und gibt ihm einen Kuss auf die rechte Wange. Er ruft sie zurück – so viel Zeit muss sein – und fordert noch einen Kuss für seine linke Wange. Eva lacht … und erfüllt Kai seinen Wunsch.

Während Kai pinkelt, putzt er Zähne und überfliegt noch die letzten Nachrichten auf WhatsApp. Nichts Neues. Auf Facebook leider auch nicht. Er schaut sich noch mal das Profil von Luisa an. Ob er noch kurz onanieren soll? Nein, keine Zeit. Er wird also wie immer erst während der Pornokonferenz onanieren, die jeden Abend um zehn Uhr beginnt und an der drei seiner Kumpels teilnehmen.

Seinem Vater ruft er ein Tschüss zu, aber der antwortet nicht. Umso besser. Im Bus trifft Kai Alexei, der ihm auf dem Handy eine neue App zeigt, die er kurz zuvor runtergeladen hat. Dann spielt Kai eine Runde Subway Surf. Hannes schreibt gerade an seine Freundin. Er ist, wie er Kai erzählt, wütend auf sie, weil sie am Tag zuvor mit irgendeinem Typen, dessen Facebookprofil sie cool gefunden habe, eine Stunde geskypt hat. Außerdem habe sie seine Nachricht, die er ihr über Facebook vor 46 Minuten geschickt und die sie vor 45 Minuten gelesen habe, noch nicht beantwortet. Und das gehe gar nicht. Jonas steigt eine Station später ein. Er sagt nichts, weil er gerade Musik hört. Er nickt seinen Freunden nur zu und setzt sich hinter den Vierer, auf dem die anderen sitzen. Eine weitere Station später steigt Johanna ein. Sie strahlt. Bülent habe ihr bereits geschrieben, sagt sie. Er bringe einen Stick mit, auf dem das Referat zum Thema »Kaiserproklamation in Versailles« sei.

»Was ist denn eine Kaiserproklamation?«, fragt Kai.

»Interessiert mich doch nicht«, sagt Johanna.

»Na dann.«

Während Kai und Alexei auf ihren Handys Quizduell spielen und ihre erste Dose Monster trinken, sucht Hannes, wie er sagt, »irgendeinen Ersatz« für seine Freundin auf Facebook. Johanna fragt:

»Macht Herr Mohn heute wohl eine Stundenwiederholung?«

Die anderen zucken die Achseln. Kai sagt:

»Macht er immer. Aber dich nimmt er eh nicht dran, du hältst ja das Referat. Was haben wir denn letzte Stunde gemacht?«

»Referate gehört«, sagt Hannes.

»Schon klar, aber worum ging es in den Referaten?«

Statt zu antworten, zeigt Hannes Kai die Facebookseite einer Schülerin, die nur siebenundsechzig Freunde hat, die aber, wie er findet, ganz geil aussehe. Wenn sich seine Freundin bei ihm nicht melde, werde er abends mal fragen, ob sie Lust habe, mit ihm zu skypen, sagt er.

»Hast du letzte Woche nicht selbst ein Referat gehalten?«, fragt Johanna Hannes.

»Ähm …«

»Doch«, sagt Alexei: »Hast du! Ich erinnere mich an das eine Bild … da war so ein Typ drauf, mit Schnauzer, sah aus wie ein Walross, und …«

»Stimmt. Das war … wie hieß er noch gleich … das war … ja …«

»Hitler?«

»Nee … Moment mal … Bismarck … Wilhelm von Bismarck!«

»Und worum ging es?«

»Weiß … weiß ich nicht … doch … wartet … genau: Um den deutschfranzösischen Krieg!«

»Wann war der denn noch mal?«

»Keine Ahnung, habe das Referat runtergeladen, war cool, komplette PowerPoint war dabei, musste alles nur ablesen. Und Mohn war begeistert!«

»Deutsch-französischer Krieg? Das war doch mit Verdun!«

»Genau. Hitler war da schon in Deutschland!«

»Bismarck aber auch!«

»Und worum ging es in den anderen Referaten?«

Daran erinnert sich niemand mehr.

In der Schule begrüßen sie die anderen, die auf dem Gang vor dem Klassenraum stehen. Alle haben ihre Handys in der Hand. Nur Simon nicht, der auf dem Boden sitzt und irgendeinen Wälzer von Stephen King liest. Kai schaut sich um. Vielleicht steht Luisa ja vor einem anderen Klassenraum. Als ihm einfällt, dass ihre Klasse auf Exkursion in irgendeinem Museum ist, freut er sich: Denn während einer Exkursion und erst recht in einem Museum wird sie viel Zeit haben zu antworten.

Pünktlich um acht Uhr klingelt es. Erste Stunde bei Herrn Mohn. Kai denkt an die Stundenwiederholung. Immerhin weiß er Bescheid. Vielleicht sollte er sich sogar einfach melden und von Verdun, Hitler und Wilhelm von Bismarck erzählen. Da wird Herr Mohn, der nach jeder Stundenwiederholung sofort eine Note gibt, staunen. Sorgen macht er sich eher wegen Deutsch. Frau Heise lebt zwar hinter dem Mond, aber die schaut sich tatsächlich immer die Berichtigungen an. Wenn sie gemerkt hat, dass Kai die Unterschrift gefälscht hat … dann könnte es ein Problem geben. Auf den anschließenden Biounterricht bei Herrn Wolter, ihrem Klassenlehrer, freut sich Kai sogar. Wahrscheinlich planen sie den Ausflug, den sie am Donnerstag machen werden. Und wenn nicht, machen sie Gruppenarbeiten. Bei ihm arbeiten sie immer in Gruppen. Genaugenommen arbeiten sie bei fast allen Lehrern in Gruppen. Manche Lehrer erzählen auch hin und wieder, wie die Gruppenarbeit heißt. Das findet Kai immer verwirrend, weil alle Gruppenarbeiten irgendeinen Namen haben – er hat bestimmt schon fünfzehn verschiedene Namen gehört! – aber im Großen und Ganzen unterscheiden sich die Gruppenarbeiten nicht voneinander: Man sitzt zu dritt oder viert und arbeitet halt zusammen beziehungsweise tut so als ob. (Und wenn nicht in Gruppen gearbeitet wird, werden Referate gehalten.) Mit ein wenig Pech will Herr Wolter auch noch alles Mögliche reflektieren. Das Wort »reflektieren« ist sein Lieblingswort. Er benutzt es in vielen Variationen: »Lasst uns noch mal gemeinsam reflektieren. Habt ihr schon reflektiert? Jetzt solltet ihr mit der Reflexionsphase beginnen. Könnt ihr zusammenfassen, was eure Reflexion ergeben hat? Nächste Woche beginne ich mit den Reflexionsgesprächen. Usw.« Aber Herr Wolter … der ist eigentlich in Ordnung. Nach dem Unterricht bei Herrn Wolter wird die Klasse allerdings heftigst leiden müssen: Denn Frau Schmidt wird sie mit Englisch quälen. Genaugenommen ist ihr Unterricht eigentlich okay, aber dass man nicht mal gucken darf, ob man die eine oder andere Nachricht erhalten hat, das ist wirklich kein Spaß. Als Ausgleich direkt im Anschluss der Höhepunkt des Tages: Unterricht bei Herrn Schmidt. Eigentlich ist dem Stundenplanmacher ja etwas Lustiges eingefallen, findet Kai. Erst Unterricht bei einer total hysterischen Frau, dann bei ihrem Mann, der wiederum der lässigste Lehrer ist, den man haben kann. Ach ja … zwischendurch schreiben sie ja Mathe … MIST! Er hat noch immer keinen Durchblick. Nachdem Kai noch mal über alles nachgedacht hat, spricht im Großen und Ganzen eigentlich mehr dafür, dass der Tag besonders beschissen und nicht nur wie vor allem die Freitage nicht ganz so beschissen wird. (Wahrscheinlich kann er auch deshalb den Beginn der Pornokonferenz kaum abwarten. Denn während der Konferenz vergisst er in der Regel alles, was irgendetwas mit Schule zu tun hat.)

Inzwischen ist Herr Mohn aufgetaucht. Die letzte Gnadenfrist ist vorüber. Er schließt bereits den Klassenraum auf und das heißt: Der Ernst des Lebens beginnt.

Wäre Kai doch bloß im Bett geblieben …

___________________

1    Die Kai-Story ist wie die Katie-Story (Teil IV) ein rein fiktiver Text.

Vorworte

Nicht schon wieder

Mit Kais Schultag, zu dem auch der Nachmittag und der Abend inklusive angekündigter Pornokonferenz gehören, verschone ich Sie natürlich nicht. Aber bevor diejenigen, die ein klassisches »Sachbuch« erwartet haben, das Buch schon jetzt wütend an die Wand werfen, unterbreche ich die Kai-Story. Denn obwohl der Beginn dieses Büchleins rein fiktiv ist, handelt es sich natürlich um ein »Sachbuch«. Und ja: Es handelt sich schon wieder um ein Sachbuch, in dem es um Schüler und um Lehrer geht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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