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Ein Mann begegnet dem Satan in Person - und seinem eigenen Schatten.
Und dem Satan persönlich...
Sein Leben gerät aus den Fugen.
Eine phantastische Erzählung von Elben-Autor Alfred Bekker.
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Alfred Bekker
Horror-Erzählung
© 1980 by Alfred Bekker
© 2012 der digitalen Ausgabe AlfredBekker/CassiopeiaPress
Ein CassiopeiaPress E-Book.
All rights reserved.
Www.AlfredBekker.de
***
Die herbstliche Stadt pulsierte wie ein riesiger, sich in regelmäßigen Abständen zusammenziehender und wieder auseinandergehender Herzmuskel.
Viele Menschen bevölkerten die Straßen dieser Stadt, aber das Gewirr ihrer Stimmen war nicht zu hören, denn die rasenden Autos waren lauter.
Mit bleichen und angestrengten Gesichtern liefen sie umher, gehetzt von unsichtbaren Geistern, die es nicht gab.
Ein unbeteiligter Betrachter hätte aus ihren Handlungen keinen Sinn und aus den Richtungen, in die sie sich bewegten, kein Ziel erschließen können.
Die Stadt stellte eine chaotische Ordnung dar, von einer kalten Herbstsonne beschienen, von der man denken konnte, dass sie bald verlöschen würde.
*
Es war noch früh am Nachmittag, als Robert Lato an jener Wand stand, an welcher dieses Plakat hing:
Guru Gandir Bakanura spricht zu dir:
„LÖSE DICH VON DEINEM SCHATTEN UND WERDE REIN!“
Die Teilnahme an einer Gruppensitzung kostet DM 300
Die Teilnahme an einer Einzelsitzung kostet DM 500
Nur eine Sitzung ist notwendig, um dich von allem Übel und allen schlechten Eigenschaften reinzuwaschen!
TRENN DICH VON DEINEM SCHATTEN –
KOMM ZU GURU GANDIR BAKANURA
Tägliche Sitzungen im
Haus der Reinheit
Bergstraße 21
Tel. 56 77 88
Sorgfältig notierte sich Lato die auf dem Plakat angegebene Adresse.
'Haus der Reinheit' - dieser Name und das Angebot, welches er bedeutete, faszinierte ihn.
Aber dieser Name hatte irgendwie auch etwas Verräterisches an sich.
Reinheit war eine Verlockung, der Lato nicht zu widerstehen vermochte. Wer wollte das nicht sein: rein und frei von Makel? Und was taten die Menschen nicht alles, um jene Reinheit zu erreichen!
Nicht selten führten ihre Bemühungen zur Selbstverstümmlung.
Aber dies störte sie nur in den wenigsten Fällen; ja, oft bemerkten sie es nicht einmal oder es wurde ihnen nicht richtig bewusst. Auch Lato wollte diese Reinheit. Er hatte sie schon immer gewollt und alles Mögliche versucht, um sie zu erreichen.
Er hatte versucht, nach den Regeln des Christentums zu leben. Dann hatte er sich zeitweilig dem Buddhismus zugewandt, hatte meditiert, hatte Gras geraucht, hatte in Kommunen mit den verschiedensten politischen religiösen Ausrichtung gelebt...
Aber alles das hatte ihn lediglich frustriert. Es hatte ihn seinem Ziel nicht einen Schritt nähergebracht.
Dann hatte er vorerst aufgegeben, hatte sich mit seiner eigenen Schlechtigkeit abzufinden versucht. Aber das war ihm natürlich nie gelungen.
Der Selbsthass bohrte wie ein immer unerträglicher werdender, reißender Schmerz in ihm.
Und nun stand er vor diesem Plakat mit seinem verheißungsvollem Angebot:
„LÖSE DICH VON DEINEM SCHATTEN UND WERDE REIN!“
Es war eine Weisung, ein Befehl, dem sich Lato nicht zu widersetzen vermochte. Dieser Befehl war vollkommen klar und eindeutig und duldete weder eine Alternative noch einen Widerspruch. Aber dieser Satz war auch gleichzeitig ein Versprechen für Lato.
Ein Versprechen allerdings, das ihm schon viele gegeben hatten, ohne jedoch einlösen zu können. Doch trotz allem war Hoffnung in ihm.
Jemand rempelte den noch immer wie gebannt auf das Plakat starrenden Lato an.
„Heh?! Was stehen Sie hier herum?“, krächzte eine unfreundliche und gereizte Stimme. „Sie stehen im Weg, Mann!“
Und als Lato nicht sofort reagierte: „ Hören Sie mich überhaupt?“
Doch Lato beachtete ihn gar nicht. Langsam gelang es ihm schließlich, sich aus den visuellen Fesseln des Plakats zu befreien.