Science Fiction Dreierband 3029 - Drei Romane in einem Band - Alfred Bekker - E-Book

Science Fiction Dreierband 3029 - Drei Romane in einem Band E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: Lennox beim Volk der 13 Inseln (Jo Zybell) Galaxienwanderer - Die abgelegene Sternenstadt (Alfred Bekker) Die Ausgeburt des Kometen (Otis A. Kline) Ein Raumschiff mit extraterrestrischer Technologie und eine zusammengewürfelte Crew auf einer kosmischen Odyssee durch die Unendlichkeit des Alls... Menschen, Androiden und Extraterrestrier müssen sich zusammenraufen, wenn sie den namenlosen Gefahren zwischen den Sternen standhalten und das Erbe einer uralten kosmischen Zivilisation antreten wollen. Die Große Magellansche Wolke ist das Ziel. Aber der Weg dorthin wird unterbrochen, weil der Leerraum zwischen den Galaxien nicht einmal mehr Dunkle Energie und Materie enthält, wodurch der Überlichtflug unmöglich wird. Sind die spinnenartigen Wesen auf den Trümmern eines zerstörten Planeten dafür verantwortlich? Der Leerraum scheint doch nicht ganz so leer zu sein, müssen auch die Menschen an Bord des Fernraumschiffs CAESAR II/ALGO-DATA lernen.

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Jo Zybell, Alfred Bekker, Otis A. Kline

Science Fiction Dreierband 3029 - 3 Romane in einem Band

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Inhaltsverzeichnis

Science Fiction Dreierband 3029 - Drei Romane in einem Band

Copyright

Lennox beim Volk der 13 Inseln: Das Zeitalter des Kometen #10

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​Galaxienwanderer – Die abgelegene Sternenstadt

Die Ausgeburt des Kometen

Science Fiction Dreierband 3029 - Drei Romane in einem Band

Jo Zybell, Alfred Bekker, Otis A. Kline

Dieser Band enthält folgende Romane:

Lennox beim Volk der 13 Inseln (Jo Zybell)

Galaxienwanderer - Die abgelegene Sternenstadt (Alfred Bekker)

Die Ausgeburt des Kometen (Otis A. Kline)

Ein Raumschiff mit extraterrestrischer Technologie und eine zusammengewürfelte Crew auf einer kosmischen Odyssee durch die Unendlichkeit des Alls... Menschen, Androiden und Extraterrestrier müssen sich zusammenraufen, wenn sie den namenlosen Gefahren zwischen den Sternen standhalten und das Erbe einer uralten kosmischen Zivilisation antreten wollen.
Die Große Magellansche Wolke ist das Ziel. Aber der Weg dorthin wird unterbrochen, weil der Leerraum zwischen den Galaxien nicht einmal mehr Dunkle Energie und Materie enthält, wodurch der Überlichtflug unmöglich wird. Sind die spinnenartigen Wesen auf den Trümmern eines zerstörten Planeten dafür verantwortlich? Der Leerraum scheint doch nicht ganz so leer zu sein, müssen auch die Menschen an Bord des Fernraumschiffs CAESAR II/ALGO-DATA lernen.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

/COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Lennox beim Volk der 13 Inseln: Das Zeitalter des Kometen #10

von Jo Zybell

Der Umfang dieses Buchs entspricht 134 Taschenbuchseiten.

Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen und das dunkle Zeitalter hat begonnen.

In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf …

Marrela ist wild entschlossen, sich an Emroc, dem Sklavenhändler zu rächen und dann ihren geliebten Lennox zu suchen. Rasch findet sie heraus, dass Emroc schon getötet wurde und Tim Lennox als Sklave auf dem Weg nach Amerika ist. Aber Jacob Blythe, der verrückte Wissenschaftler, ist ebenfalls hinter Lennox her und bekommt Marrela in die Finger. Es gelingt ihm, sie zu einer Aussage zu zwingen. Sie will sich angeblich mit Lennox auf den 13 Inseln treffen.

1

Rauschen, Heulen und Zischen überall. Der Sturm fuhr mit tausend Peitschenhieben in die schäumende Brandung. Wieder und wieder. Seit Tagen schon. Eine Woge jagte die nächste gegen die Klippen und auf den schmalen Strand. Wasserzungen leckten über den Kies, versickerten darin und hinterließen Schaumfetzen. Die nächsten Ausläufer der Brandung wischten sie weg.

Von Zeit zu Zeit riss eine Sturmböe Wolken aus Laub über den Klippenrand auf den Strand hinunter. Gelb und braun wirbelten die Blätter durch die feuchte Luft und segelten ins Wasser, in den Steilhang und auf den Kies vor Marrelas Unterschlupf. Und manchmal, wenn die tausendschwänzige Peitsche des Sturms ihre Zuflucht unter der überhängenden Klippenwand traf, klatschte ihr das nasse Haar in Mund und Augen.

Marrela hatte sich den Fellmantel, den sie über der silbernen Kleidung der Technos trug, eng um ihren Körper gezogen. Es war so kalt. Der Winter hatte an der Küste Britanas Einzug gehalten. Nicht mehr lange, und er würde das Land mit Schnee zudecken.

„Wo bist du, Tinnox, wo bist du?“

Sie blickte aufs Meer hinaus. Eine schwarzgraue Decke, unter der Heerscharen von Dämonen miteinander zu ringen schienen. Kaum war die Grenze zwischen Wasser und Himmel zu erkennen. Schwarze Wolkenfetzen jagten landeinwärts.

„Wo bist du? Wohin hat dich das Schiff getragen?“

Die Küstenlinie verschwamm im Dunst. Graue Schleier lagen auch über dem Hafen von Plymeth. Nur einzelne Gebäude des Stadtrandes waren undeutlich auszumachen. Vielleicht sechs oder sieben Speerwürfe entfernt.

Marrela wusste, dass sie zurück in die Stadt musste. Und zurück wollte. Um den Mann zu finden, dessen Tod sie beschlossen hatte. Und weil sie nur dort erfahren konnte, mit welchem Ziel das Schiff in See gestochen war. Das Schiff, auf das man Tinnox als Sklaven verschleppt hatte.

Eine schwarze Wand schob sich von Südosten aus dem Horizont. Die Nacht. Marrela hob die Schultern und schüttelte sich. Die Kälte kroch ihr in die Knochen. Hier draußen am Meer konnte sie nicht bleiben. Sie stand auf und schnallte sich ihr Schwert auf den Rücken. An der Felswand entlang tastete sie sich zu der Spalte, durch die sie hinunter zum Strand geklettert war.

Der Sturm packte sie, als sie sich später aus der Felsspalte stemmte. Sie blickte nicht zurück über die Steilklippe. Sie wickelte sich in ihren Fellmantel und lief zum nahen Wald. Er umgab den Standrand und wucherte bis in die zerfallenen Außenbezirke von Plymeth hinein. Der Sturm trieb sie voran.

So kann ich nicht zurück in die Stadt … der Silberanzug ist zu auffällig. Ich brauch andere Kleider!

Der Sturm schüttelte die Baumwipfel. Die Umrisse des Waldes zerflossen schon in Dunst und Dämmerung. Marrela tauchte darin unter. Schmerz drängte sich in ihr Bewusstsein. Er bohrte in ihren Eingeweiden – Hunger.

Kleider und Nahrung und ein Dach über dem Kopf für diese Nacht.

Der Waldstreifen lichtete sich. Die ersten Behausungen von Plymeth wurden sichtbar. Hütten aus Holz in Abständen von je kaum einem Speerwurf, nicht mehr als kastenartige Schatten in der zunehmenden Dunkelheit. In einer schien Licht zu brennen. Marrela ging darauf zu.

Sie kam zu einem von blattlosem Buschwerk und aufeinander geschichteten Feldsteinen eingefriedeten Grundstück. Darin befanden sich ein marodes Ruderboot, aufgebockt auf ein Holzgestell, und zwischen Hüttenwand und Baumstamm ausgespannt ein Netz. Es flatterte im Sturm. Ein Fischer schien die Hütte zu bewohnen.

Marrela durchquerte eine Lücke in der Steinmauer. Hinter einem der kleinen Fenster flackerte eine Lampe. Sie ging zur Tür und klopfte. Ein bärtiger Mann öffnete – einen halben Kopf größer als Marrela, ziemlich stämmig, das verfilzte Grauhaar zu Zöpfen geflochten und in einen dunklen Fellmantel gehüllt. Vielleicht fünfundvierzig Winter alt, vielleicht auch fünfzig.

„Ich habe Hunger“, sagte Marrela. „Und ich brauche einen Schlafplatz.“ Sie benutzte die Sprache der Wandernden Völker. Er schien zu verstehen. Jedenfalls blitzte da etwas auf in seinen grünen Augen, während er Marrela von oben bis unten betrachtete. Vielleicht war es auch nur die Überraschung, eine junge Frau vor seiner Tür zu entdecken. Sein von der Seeluft gegerbtes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Kein besonders freundliches Grinsen.

„Hunger also? Schlafen?“ Seine Zunge tat sich schwer mit der fremden Sprache. Mit einer Kopfbewegung winkte er sie herein.

Die Hütte bestand aus einem einzigen Raum. Der Lampendocht unter dem Glaszylinder erhellte nur den vorderen Bereich. Marrela sah ein breites Brett auf zwei Holzböcken, davor einen Holzpflock als Sitzgelegenheit und dahinter einen gemauerten Herd. Das Wirrwarr aus Werkzeugen, Baumaterial, Paddeln, Spießen und Netzen jenseits davon ahnte sie mehr, als dass sie es sah. Es stank nach Fisch, Teer und Urin.

Der Mann grinste noch immer. Er wies auf den Holzpflock und Marrela nahm Platz. „Name?“ Rückwärts und grinsend schlich er in den dunklen Teil des Raumes.

„Lu“, sagte Marrela. Es widerstrebte ihr, dem Kerl ihren Namen preiszugeben, unter dem sie als geflohene Sklavin bekannt war. Die Frage, warum er sie ohne Wenn und Aber in seine Hütte gelassen hatte, stellte sich ihr nicht. Sein gieriger Blick sprach Bände.

„Dschonn!“ Er deutete auf seine Brust und entblößte sein lückenhaftes bräunliches Gebiss. Dann verschwand er im hinteren Bereich seiner Hütte. Marrela hörte ihn zwischen dem Hausrat herumkramen. Mit einem flachen Tongefäß und einem Brotfladen kehrt er zurück. Er setzte das Gefäß vor Marrela auf dem Tisch ab und reichte ihr den Fladen. Die Tonschüssel enthielt geräucherten Fisch.

„Danke.“ Marrela schnallte ihr Schwert ab und lehnte es gegen das Tischbrett. Dann griff sie in das Gefäß und stopfte sich den fettigen Fisch in den Mund. Der Mann namens Dschonn warf einen misstrauischen Blick auf die große Waffe. Die ganze Zeit blieb er neben dem Tisch stehen, während sie ihren Hunger stillte. Stand da, beobachtete sie und grinste. Sie sprachen kein Wort. Irgendwann verließ er die Hütte und brachte kurze Zeit später einen Krug Wasser hinein. Regenwasser, vermutete Marrela.

Unter einem der Fenster hatte Marrela einen zerwühlten Haufen von Decken und Fellen entdeckt, die Schlafstelle des Mannes. Nach dem Essen stand sie auf, griff sich ihr Schwert und zog sich hinter den Herd zurück, an den Ort, der ihr am weitesten vom Nachtlager des Hausherrn entfernt schien. Sie legte sich auf den Holzboden, rollte sich in ihren Fellmantel, zog die Beine an und schloss die Augen.

Doch der Fischer ging davon aus, dass nun die Rechnung beglichen werden müsste. „No, no, no!“ Schon stand er bei Marrela, beugte sich über sie und packte ihr Handgelenk. „Dschonn brauch was Warmes …“ Sein Grinsen war nun unverhohlen lüstern. Es widerte Marrela an. Er zog sie hoch und zerrte sie hinter sich her zu seiner Schlafstatt. „Hinlegen, ausziehen!“ Er hörte nicht auf zu grinsen. Vielleicht angeboren, dieses Grinsen, vielleicht eine Behinderung, vielleicht fand er auch alles ganz spaßig und völlig normal.

Nur einen Atemzug lang zögerte Marrela. Das Heulen des Sturms und das Getrommel des Regens auf dem Hüttendach überzeugten sie schließlich – sie konnte die Nacht nicht im Freien verbringen. Und sie brauchte irgendeine Verkleidung, um sich unerkannt in Plymeth bewegen zu können.

Langsam schob sie sich an den Kerl heran, bis ihr Körper seinen berührte. Seine verwitterten Gesichtszüge wurden weich. Er stank aus dem Mund, als würde er sich von Aas ernähren.

Marrela riss ihr rechtes Knie hoch, wuchtig und blitzschnell. Der Mann krümmte sich und schrie, ließ sich auf den Boden fallen und schrie immer weiter. Marrela hatte Zeit genug, um gut zu zielen. Ihr Fausthieb landete auf seiner Schläfe. Er verstummte.

Sie griff sich die Lampe und suchte den hinteren Hüttenteil nach Stricken und Gurten ab. Anschließend fesselte sie ihm Hände und Füße. Sie schleifte ihn zu einem der beiden Mittelbalken, die das Querholz des Daches trugen. Dort band sie ihn fest.

Langsam kam er wieder zu sich. Und begann erneut zu schreien. Regen, der Sturm und das Rauschen der Baumwipfel erfüllten die Nacht außerhalb der Hütte. Und die nächste Behausung stand fast einen Speerwurf weit entfernt. Niemand würde ihn hören.

Marrela wollte unter seine Decken kriechen, doch das Zeug stank nach Taratzen und Fisch. Lediglich ein Fell nahm sie mit hinter den Herd. Irgendwann hörte der Fischer namens Dschonn auf zu schreien. Stattdessen fluchte er grummelnd vor sich hin. Marrela kümmerte sich nicht darum. Sie kuschelte sich in ihren Mantel und schlief ein.

2

Schweigend betrachteten sie den Monitor. Dort waren Aufnahmen der Späher aus den vergangenen zehn Tagen zu sehen. Inmitten des Kuppelwandpanoramas – eine irische Flussebene mit sattgrünen Weiden, auf denen Vieh graste – flimmerten erschreckende Szenen: Die Barbarin auf dem Sklavenmarkt, die Barbarin unter dem Einfluss des mentalen Kontrollhelms, die Barbarin im Kampf mit den scheußlichen Taratzen, und die Barbarin mit dem sterbenden Bunkerbewohner.

Genau zehn Aufzeichnungen gab es, manche fast drei Minuten lang.

„Nur ein paar Schlaglichter.“ Der Mann, der das sagte, hatte eine volltönende Stimme und ein hartes ernstes Gesicht. Er trug ein bordeauxrotes weites Jackett und darunter ein schwarzes Hemd. Von seinem Glassessel an der Schmalseite des Konferenztisches aus betrachtete Leonard Gabriel die Bilder. „Die Frau muss Furchtbares mitgemacht haben in den letzten drei Wochen.“ An ihre Zeit davor in der Sklaverei wollte Gabriel gar nicht erst denken.

„Die letzte Aufnahme“, sagte eine Männerstimme, „sie ist erst ein paar Stunden alt.“ Die Stimme klang ein wenig verzerrt. Wie die Bilder selbst wurde auch sie aus der Community London übertragen. Sie gehörte einem glatzköpfigen untersetzten Mann in heller fleckiger Tunika – Sokrates, der E-Butler Jefferson Winters, des Beraters der Queen. Sokrates war auf einem zweiten, größeren Monitor in der Kuppelwand des Konferenzsaales zu sehen. „Ziemlich beschissenes Wetter, um am Strand zu meditieren“, sagte er.

Gabriel, der Prime der Community Salisbury und sein Octaviat sahen die steilen Klippen der Südküste Britanas, wie England von den Oberirdischen genannt wurde, aus der Vogelperspektive, wie schon die Bilder zuvor. Regen peitschte in das aufgewühlte Meer. Manchmal erschienen die schwarzen Flügelspitzen des Spähers am Rand des Monitors. Bald füllte die Steilklippe vor dem Kiesstrand das Bild aus. Ihre Spalten, ihr schroffes Profil, ihre Vorsprünge wurden deutlicher. Der Kolk schien einen ganz bestimmten Punkt anzusteuern.

„Dort unten, am Fuß der Klippe, seht ihr sie?“ Sokrates schüttelte sich. „Wie ein streunender Lupa. Man sollte ihr wenigstens ein paar warme Sachen zukommen lassen, wenn ihr mich fragt.“

Unter einem Felsvorsprung entdeckte Gabriel die Barbarin. Zusammengekauert hatte sie dort Schutz vor Sturm und Regen gesucht. Die Frau tat ihm Leid.

„Niemand fragt dich“, schnarrte eine tiefe Frauenstimme, auch sie blechern und leicht verzerrt. Die CF-Strahlung aus dem Londoner Krater beeinträchtigte die Verbindung zwischen den beiden Communities erheblich. „Gibt es neue Informationen über die Wilde?“, wollte die Frau mit der tiefen ruppigen Stimme wissen – Josephine Warrington, die Prime der Community London.

„Ja.“ Der E-Butler verschränkte die Arme hinter dem Rücken und machte eine beleidigte Miene. Demonstrativ blickte er schräg nach oben.

„Was heißt hier, Ja?“, blaffte die Londoner Prime. „Ich höre!“

„Gegen Abend hat sie die Küste verlassen und ist Richtung Plymouth in den Wald marschiert.“ Sokrates bohrte Daumen und Zeigefinger in das rechte seiner großen Nasenlöcher. „War’s das endlich? Hab eigentlich Wichtigeres zu tun als euch hier mit Filmchen zu unterhalten.“ Konzentriert betrachtete er seinen Fund zwischen den Fingerkuppen.

„Sokrates!“ Die scharfe Stimme Jefferson Winters hallte durch den Kuppelsaal. „Es reicht jetzt!“

Sokrates schnippte den Popel in die Luft und verfolgte interessiert dessen Flugbahn. „Du stehst uns zur Verfügung, so lange du gebraucht wirst!“

Gabriel grinste und sah sich unter seinen eigenen Octaviatsmitgliedern um. Überall amüsierte Gesichter. Man hatte sich hier in Salisbury an die skurrilen Geschöpfe der Londoner Informatiker gewöhnt. Ihr Unterhaltungswert war nicht zu verachten. Ihre überragenden intellektuellen Leistungen auch nicht. Trotzdem fragte Gabriel sich, warum Jefferson Winter seinen arroganten E-Butler nicht längst gelöscht und durch einen kooperativeren ersetzt hatte. Immerhin war er königlicher Berater und Octavian für Kultur und Unterhaltung. Und ein anerkannter Dichter dazu. Ein Mann also, der sich eine derart peinliche Erscheinung wie Sokrates eigentlich nicht leisten konnte. Jedenfalls nach Gabriels persönlicher Meinung nicht.

Die Außenaufnahmen der Späher verblassten. Stattdessen wurde der Londoner Kuppelsaal auf dem Monitor sichtbar – neun Männer und Frauen saßen um einen runden blauen Glastisch in blauen Glassesseln. Das Octaviat der Community London und Queen Victoria II. Die Strandidylle einer Südseeinsel umgab den Konferenztisch.

„Sie wird doch nicht freiwillig in die Stadt zurückgehen?“ Josephine Warrington runzelte die Stirn. Wie meistens während der Octaviats-Sitzungen trug sie schwarzes Langhaar und einen weißen Mantel. Ein unwilliger Zug lag um ihre dunklen Augen. Das Thema war ihr sichtlich unangenehm.

„Natürlich wird sie in die Stadt zurückgehen, Lady Warrington“, sagte Gabriel. „Ich schätze die Barbarin so ein, dass sie nicht ruhen wird, bis sie herausfindet, wohin man Commander Lennox verschleppt hat.“

„Das ist ihre Sache“, meldete sich ein asiatisch aussehender Mann mit blauer Perücke zu Wort. „Einzig und allein ihre Verantwortung!“ General Charles Draken Yoshiro, der Militär-Octavian und leitende Kommandant der Londoner Community-Force stach mit ausgestrecktem Zeigefinger gegen die Tischplatte. „Wenn sie erneut in die Hände dieser Sklavenhändler fällt, können wir nichts für sie tun!“

„Sie entschuldigen, wenn ich anderer Ansicht bin, General.“ Leonard Gabriel erhob sich und stellte sich vor dem Monitor auf. „Commander Lennox und seine Gefährtin sind in unserem Auftrag unterwegs. Wir haben ihnen Schutz zugesagt. Unsere Möglichkeiten sind begrenzt – aber was wir tun können, sollten wir tun!“

„Und was sollten wir Ihrer Meinung nach tun, Sir Gabriel?“ Die Londoner Prime verschränkte ihre Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Ihre Mimik, ihre scharfe Stimme, ihre ganze Körperhaltung ließen nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig: Das Schicksal einer Barbarin interessierte sie noch weniger als die Wetterlage außerhalb des Bunkers.

„Wir sorgen dafür, dass sie Gewissheit über Commander Lennox Schicksal erhält, wir kümmern uns um ihre Sicherheit, und wir denken darüber nach, ob es eine Möglichkeit gibt, sie ebenfalls auf einem Schiff nach Nordamerika unterzubringen.“

„Ausgeschlossen!“ Charles Draken Yoshiro schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Entrüstetes Kopfschütteln in der Londoner Octaviatsrunde. Auch hinter sich, unter seinen eigenen Octavianen hörte Gabriel empörtes Getuschel.

„Ihre humanitären Prinzipien in allen Ehren, Sir Gabriel“, donnerte der Londoner Militär-Octavian, „aber hier hat die Verantwortung für unsere Communities oberste Priorität! Lennox befindet sich auf einem Schiff in die ehemaligen Vereinigten Staaten!“

„Als Sklave!“, schnaubte Gabriel.

„ … aber auf dem Weg in die Vereinigten Staaten!“ Eine Zornesader schwoll an Yoshiros weißen Schläfen. „Ein unglaublicher Schritt auf dem Weg zum Ziel, wenn man bedenkt, wie niedrig wir alle die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Unternehmens einschätzten …“

„Wir alle und die Zentral-Helix“, mischte Sokrates sich ein. „Zweiundsechzig Prozent Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg hat sie ausgerechnet.“

„Zweiundsechzig Prozent Erfolgsaussichten für das Paar – für Commander Lennox und die Barbarin!“, beharrte Gabriel.

„Sie wollen doch nicht allen Ernstes behauptet, ein Mann wie Commander Lennox sei auf die Hilfe einer Wilden angewiesen?“ Zum ersten Mal mischte die Queen sich in die hitzige Debatte ein. „Bei allem Respekt – Ihre Leidenschaft scheint ausnahmsweise einmal Ihrem Scharfsinn vorauszueilen.“ Victoria II. lächelte herablassend. Sie trug eine gelbe Tunika, deren Säume mit blauen Rüschen besetzt waren. Wie immer hatte sie auch heute auf eine Perücke verzichtet. Die Schönheit ihres samtbraunen Gesichtes mit den großen grünen Augen ließ den Betrachter ihren kahlen Schädel vergessen. „Ich bin dafür, diese Debatte zu beenden. Wir haben einen verlustreichen Krieg hinter uns, die Wiederaufstockung unserer EWAT-Flotte und die Friedensverhandlungen mit den Socks binden alle verfügbaren Kräfte. Wir können uns nicht um eine Barbarin kümmern.“

Gabriel bemerkte das zustimmende Nicken der Prime. Die Regierungsarbeit fiel ihr leichter, seit Victoria II. ihrem gefallenen Vater, Roger III. auf den Thron gefolgt war. Die Queen und Josephine Warrington waren meistens einer Meinung. Mit Roger III. hatte die Prime regelmäßig Ärger gehabt. Jeder in Salisbury wusste das.

„Eine Expedition nach Plymouth zu schicken wäre viel zu gefährlich“, fuhr die Queen fort. „Commander Lennox ist auf dem Weg nach Amerika – was wollen wir mehr? Sein weiteres Schicksal entzieht sich unserem Einfluss. Und das Schicksal der Wilden ebenfalls …“

„Sie erlauben, dass ich anderer Ansicht bin, Eure Majestät!“ Gabriel wusste, dass die Queen ein sehr persönliches Interesse verfolgte. Der Mann aus der Vergangenheit hatte es ihr angetan. Die Trennung des Paares war ihr nicht eben unsympathisch.

„Nein, Sir Gabriel, das erlaube ich nicht.“ Sie sprach ohne sichtbare Erregung. Nur das Lächeln auf ihrem schönen Gesicht wurde eine Spur kälter.

„Ich beantrage, ein Kommando nach Plymouth zu schicken!“ Gabriels rauer Bass übertönte die Queen. „Das sind wir ihr einfach schuldig!“

Eisiges Schweigen ein paar Sekunden lang. Die Züge der Queen verhärteten sich. „Gut“, sagte sie schließlich, „stimmen wir ab.“ Auffordernd sah sie sich unter den Londoner Octavianen um. „Wer für Sir Gabriels Antrag ist, möge die Hand heben.“

Nur Jefferson Winter, der Berater der Queen, folgte der Aufforderung. „Und wie sieht es bei Ihnen in Salisbury aus, Sir Gabriel?“

Leonard Gabriel hob die Hand und drehte sich zu seinem Octaviat um. Der Zorn schoss ihm in die Eingeweide – einzig seine Militär-Octavian General Emily Priden stimmte für seinen Antrag. Die Gegenprobe wurde gemacht – es gab keine einzige Enthaltung.

„Nun, Sir Gabriel – damit wäre das leidige Thema endlich vom Tisch, und wir können uns Wichtigerem zuwenden.“ Die Queen lächelte voller Genugtuung.

*

Später stand der Prime von Salisbury unter der Glaskuppel seines Privatgemachs. Ein blauer Himmel, vorbeiziehende Wolken, Konturen einer tief unter ihnen gelegenen Landschaft und Vogelschwärme hin und wieder vermittelten den Eindruck des Fliegens. In einem grünlichen Rechteck, einem Monitor, stand ein Mann in blauer Uniform: Gabriels E-Butler.

„Verschaffen Sie mir eine Verbindung mit meinem Sohn, Lieutenant.“ Anders als in London duldete man in der Community Salisbury den ausufernden Individualismus der E-Butler nicht. Alle E-Butler von Salisbury waren entweder Marinesoldaten aus dem 21. Jahrhundert oder Butler in schwarzen Fräcken, die James, John oder Henry hießen.

„Selbstverständlich, Sir!“ Der E-Lieutenant nahm Haltung an. „Nur wird das nicht ganz einfach sein. Seit seiner Genesung vertritt Ihr Sohn die Community London bei den Verhandlungen mit den Socks. Wie Sie wissen, gestalten sich die Friedensverhandlungen zäher als …“

„Ich will keinen Bericht über die Verhandlungen mit den Socks, ich will eine Verbindung mit meinem Sohn!“

3

Wie ein Blatt im Wintersturm tanzte der Bug zwischen Himmel und Wasser. Die See tobte. Baumhohe Wellen türmten sich vor der Reling auf und brachen über dem Deck zusammen.

Marrela kauerte zwischen der Treppe zur Kommandobrücke und dem Mittelmast. Der Mann in ihren Armen stöhnte laut. Ein Riss klaffte in seinem Schutzanzug. Schmerzverzerrt war sein Gesicht. Und trotzdem lächelte es. Es war Tinnox Gesicht!

„Et fa comu fa“, sagte er leise. Und: „Küss mich!“ Sie drückte ihre Lippen auf seinen Mund. Ihre Zungen tanzten umeinander. Ein Woge tobte über die Reling und brach über ihnen zusammen. Der Mann in ihren Armen erschlaffte. Erschrocken fuhr Marrela hoch – und sah in gebrochene Augen. Doch nicht Tinnox Augen waren es, sondern Solans Augen, Solans Gesicht.

Marrela ließ die Leiche von ihren Knien rutschen. An der Treppe zog sie sich hoch. Nass und glitschig war das Holz. Sie torkelte zur Reling. Eine Welle warf sich eben über den zweiten, kleineren Rumpf des Schiffes. Fischhaut bespannte ihn, drei Ruderbarken waren auf ihm befestigt. Starke, miteinander verstrebte Holzbalken verbanden ihn mit dem Hauptrumpf. Das Schiff, an dessen Bord Tinnox Plymeth verlassen hat!

Einen Atemzug lang sah Marrela eine Gestalt im Wasser. Sie klammerte sich an den Streben zwischen den beiden Rümpfen fest, beugte sich über die Reling und kniff die Augenlider zusammen.

„Navok!“, schrie sie. Er war es, Navok der Nosfera, der sie aus der Sklaverei befreit hatte. „Navok!“

Eine schwarze Woge bäumte sich auf und brach über dem Schiff zusammen. Es schoss aus dem Wellental hinauf auf die Gipfel des Wassergebirges. Navok war nirgends mehr zu sehen.

Sie drehte sich um. Eine große massige Gestalt stand hinter ihr, ganz in weißes Tuch gehüllt. Marrela verspürte keine Angst, nur Neugierde. „Wohin segelt das Schiff?“, fragte sie den Vermummten.

„Nach Meeraka“, sagte die Gestalt. Das Tuch hob sich an ihrer linken Seite, als würde sie den Arm ausstrecken und auf etwas deuten.

Marrelas Blick folgte der Geste, und die Gestalt löste sich auf. An der Treppe zur Kommandobrücke wartete eine zweite Gestalt, viel kleiner und schmächtiger, aber ebenfalls verhüllt, in schwarzes Tuch. Mit Eisklauen griff die Angst nach Marrelas Herz. „Wer bist du?“, schrie sie.

Ein meckerndes Lachen schwirrte über dem Tosen der Brandung. Marrela wollte weglaufen, doch wie festgewachsen klebten ihr Rücken an der Reling und ihre Sohlen an den Deckplanken. Der schwarz Vermummte hingegen lief die Treppe hinab, leichtfüßig, fast als könnte er schweben. Wieder ein Wellenberg. Gischt schäumte, Wasser klatschte gegen Deckaufbauten, Treppe und Kommandobrücke. Und plötzlich stand die schwarze Gestalt vor ihr.

Sie entriss Marrela Mantel und Lendenschurz. Nackt und ohnmächtig stand sie vor dem Unheimlichen. Die Panik presste ihr die Lungen zusammen. Sie wollte schreien, doch kein Ton löste sich aus ihrer verkrampften Kehle.

Etwas funkelte – eine feine dünne Klinge schoss aus dem schwarzen Mantel des Verhüllten. Ihre Spitze bohrte sich in Marrelas Bauch. Schmerz brannte in ihrem ganzen Körper. Sie röchelte, wollte schreien, konnte nicht, erstickte schier. Der Unheimliche kicherte. Tiefer und tiefer bohrte sich die Klinge.

Und plötzlich der nächste Wellenberg. Stockdunkel wurde es. Dann rötliches Licht. Das Wasser verlief sich. Statt der Schwarzen stand nun eine Gestalt in Rot vor ihr, größer und kräftiger und ebenfalls vollkommen vermummt.

Die Klinge war nirgends mehr zu sehen. Marrela wusste, dass der Rote den Unheimlichen vertrieben hatten. Und endlich löste sich der Schrei aus ihrer Brust. Sie brüllte wie ein Tier in Todesnot und warf sich dem rot Vermummten entgegen. Der schloss sie in die Arme. „Ruhig“, sagte eine Stimme, „ganz ruhig.“

Marrela schrie noch, als sie den kalten Stein des Herdes an ihrem Rücken spürte. Sie saß auf dem Fell, starrte auf das in rötliches Licht getauchte Chaos aus Hausrat und Werkzeugen und schrie.

„Ruhig“, krächzte eine Stimme irgendwo hinter dem Herd im vorderen Hüttenbereich. „Ganz ruhig.“

Marrela verstummte. Sie wagte nicht zu atmen. Dieses Licht, so unwirklich, so Rot … dieser Traum, diese Stimme …

Sie warf sich auf die rechte Seite und spähte am Herd vorbei in den vorderen Bereich der Hütte. Der gefesselte Dschonn lag zusammengekrümmt neben dem Tragbalken. Seine Augen waren geschlossen, sein Brustkorb hob und senkte sich. Er schlief. Das rätselhafte Licht lag auf seinem bärtigen Gesicht wie ein durchsichtiges rotes Tuch.

Marrela warf sich auf die linke Seite des Herdes und spähte an ihm vorbei zum Tisch. Dort saß sie. Auf dem Holzpflock. Die Ellenbogen auf das Tischbrett, das zerknautschte braune Gesicht in die knochigen Hände gestützt. Ein Ring aus rötlichem Metall schimmerte im rechten Nasenflügel. Ein dunkelroter speckiger Lederumhang hüllte ihren Körper ein. Verfilztes schlohweißes Haar stand von ihrem langen Schädel ab. Das rote Licht – auf unerklärliche Weise ging es von ihr aus. Ein heiserer Schrei entfuhr Marrela, so sehr erschrak sie.

„Komm her, Kleines“, krächzte die Alte. Sie streckte die Rechte aus. „Komm zu mir.“

Wie eine Abgesandte aus den finstersten Tiefen Orguudoos sah die Alte aus. Doch ihre Augen lachten. Gütige Augen, Augen von einem unglaublich klaren Grün. Marrelas Herz tobte gegen Rippen und Brustbein, als suchte es einen Ausgang.

Ein Traum, dachte sie, es ist noch immer ein Traum. Aber warum rieche ich dann den Gestank der Hütte? Warum spüre ich die Kälte des Herdsteins? Also kein Traum … oder doch?

Die Pforten ihrer Erinnerung sprangen auf. Bilder füllten ihren Kopf, Bilder aus längst vergangenen Zeiten – die wildreiche Waldlandschaft südlich der Elb, die Fellhütten der fremden Horde, der rote Lederunterschlupf ihrer Schamanin, und davor Baloor mit der fremden Göttersprecherin …

Sie ist es! Marrela erhob sich, ihr Herzschlag beruhigte sich. Staunen und Ehrfurcht glätteten ihre verschreckten Gesichtszüge. Es ist „Wudans Auge“. Langsam ging sie zu der Erscheinung, denn es war ohne Zweifel eine Erscheinung – kein wirklicher Mensch strahlt rotes Licht aus, oder?

„Hab keine Angst, Marrela, komm zu mir.“ Das zahnlose Lächeln der Alten hatte etwas Vergnügtes.

In Marrelas sechzehntem Winter war es gewesen – ihr elfter bei Sorbans Horde. Niemand kannte den wirklichen Namen der greisen Göttersprecherin. Nicht einmal Baloor. Nie hatte Marrela den Augenblick vergessen, als die Göttersprecherin damals ihre uralten Augen auf sie richtete und sie zu sich winkte. Auch nicht ihren Segen, ihre Weissagungen.

Nicht nur in ihrem Herzen, auch an ihrem Körper trug sie seitdem die Spuren dieser Begegnung: Die Greisin hatte damals ihren jungen Körper mit geheimen Zeichen bemalt. An ihnen wird jeder Wissende erkennen, dass du eine Auserwählte Wudans bist. Orguudoos Rotten werden dir nichts anhaben können. So hatte die Alte damals gesprochen.

Langsam ging Marrela zum Tisch. Die Greisin nahm ihre Hände. Marrela spürte den Druck ihrer knochigen Finger. Konnte man die Finger einer Erscheinung auf seiner Haut fühlen?

„Der große Krieger aus dem Himmel – entsinnst du dich?“, krächzte die Göttersprecherin. Marrela nickte. „Ich hab ihn dir angekündigt und du bist ihm begegnet – stimmt es?“

„Ja“, flüsterte Marrela, „ja, es stimmt, ich bin ihm begegnet.“

„Und nun ist er fort.“ Die zerknautschte Miene der Greisin verfinsterte sich. „Und du suchst ihn.“ Wieder nickte Marrela. „Es wird schwer, Marrela von den Dreizehn Inseln, sehr schwer. Du weißt, was ich über dich geweissagt habe – dein Auge wird Dinge sehen, die noch keiner erblickt hat …“ Sie nickte nachdenklich. Ihre grünen Augen musterten Marrelas Gesicht, und Marrela hatte das Gefühl, sie würde ihr bis auf den Grund des Herzens blicken.

„Du hast schon solche Dinge gesehen“, krächzte die Göttersprecherin. „Und wirst noch mehr von ihnen sehen – nicht nur schöne Dinge, auch böse und hässliche Dinge, sehr hässliche Dinge.“ Marrelas Körperhaar sträubte sich. „Aber hab keine Angst, du Auserwählte Wudans – Elisuu, dein Elnak begleitet dich, wohin du gehst.“

Die Göttersprecherin stand auf und griff unter ihren Lederumhang. „Du hast den Namen deines Elnaks doch niemandem verraten?“ Sie zog ein kleines Säckchen heraus.

„Nie habe ich mit jemandem darüber gesprochen“, sagte Marrela.

Die Greisin zog Marrela den Mantel von der Schulter. „Die magischen Zeichen sind ganz verblasst.“ Prüfend musterte sie den Körper der Jüngeren. „Du hast die Farbmischung verloren auf dem schweren Weg, der hinter dir liegt.“ Marrela nickte.

Die Göttersprecherin griff in das Säckchen und holte einen Klumpen weicher violetter Masse heraus. Den legte sie in ihre Handfläche, spuckte darauf und verrieb ihn zu einem feuchten Brei. „Ich lass dir das Säckchen hier.“ Sie tunkte den Zeigefinger in die Masse und begann flammenartige Linien über Marrelas Schultern, Arme, Beine und Gesicht zu ziehen – Rot und Blau. „Einer der drei, die du im Traum gesehen hast, ist von deinem Elnak beseelt. Der Rote. Der Mann weiß es nicht. Aber du wirst es erkennen, wenn du ihm begegnest. Vertraue ihm!“

Aus großen Augen und unfähig, auch nur ein Wort zu sprechen hörte Marrela die Worte der Greisin. Sie kennt meinen Traum?

„Vor dem Schwarzen hüte dich, der Weiße hat eine Botschaft für dich.“

Mehr sprach die Alte nicht. Sorgfältig trug sie die Körperbemalung auf Marrelas Haut auf. Danach verschnürte sie das Ledersäckchen und legte es aufs Tischbrett. Sie nahm Marrela bei den Handgelenken, zog sie zu dem Holzpflock und bedeutete ihr, sich zu setzen. Beide Hände legte sie ihr dann auf den Kopf, schloss die Augen und begann unverständliche Worte zu murmeln.

Wärme strömte aus ihren Händen in Marrelas Kopf und Körper. Die blutleeren Lippen der Alten bewegten sich fast stumm. Nur flüsterndes Gemurmel war zu hören. Marrela wurde leicht zumute; lange nicht empfundene Freude durchströmte sie.

Irgendwann öffnete die Göttersprecherin die Augen. „Es ist ein schwerer Weg – vielleicht führt er ins Nichts. Aber dein Herz kann nicht anders: Du musst versuchen Tinnox zu finden. Wenn Wudan dich auf diesem Weg begleiten soll, kann er nur über deine Heimat führen.“

„Meine … meine Heimat?“ Weiter nichts als ein Flüstern drang aus Marrelas Kehle. „Du meinst …“

Die Alte nickte. „Du weißt, was ich meine. Der Weg zu Tinnox, wenn es ihn denn gibt, führt über die Dreizehn Inseln.“ Ihre roten Augen glühten jetzt ,und das Licht in der Hütte schien sich zu verstärken. „Das ist nicht mein Wort“, krächzte die Göttersprecherin. „Das ist Wudans Wort. Er braucht dich auf den Dreizehn Inseln. Dein Volk braucht dich.“

Sie nahm ihre Hände von Marrelas Kopf. Einige Atemzüge lang blickten sie sich schweigend an. Marrela versuchte den Sinn der Weissagung zu ergründen – Wudans Wort … Er braucht dich auf den Dreizehn Inseln … dein Volk braucht dich! Fremd und rätselhaft klang das in ihren Ohren. Die Dreizehn Inseln – wie weit weg lagen sie? In einem anderen Leben lagen sie, in einer anderen Welt.

„Mehr hab ich dir nicht zu sagen.“ Die Greisin lächelte ihr rätselhaftes Lächeln. „Geh nun, Gesegnete Wudans – geh zu deinem Lager und schlafe. Ein weiter, weiter Weg liegt vor dir.“

Wie willenlos stand Marrela auf und ging zurück hinter den Herd. Sie rollte sich in ihren Mantel und schloss die Augen.

4

Schnee, überall Schnee. Weiß die Ruinen der Stadt, weiß die Baumwipfel, weiß die Hecken, Geröllhalden und das Gras.

Mit einem weiten Sprung setzte er über zugeschneite Mauerreste. Eine Schneewolke hüllte ihn ein, als sein gewaltiger Körper zwischen dem Gestrüpp aufprallte. Er schüttelte sich. Schnee und Wasser spritzten aus seinem Zottelfell. Tief sanken seine Pranken ein.

Er trottete dem Rauschen des Meeres entgegen. Von dort, vom Strand hatte der Wind die Witterung in seine Nase geweht. Ein Geruch nach Feuer und nach Blut.

Seine Pranken traten mannshohe Brabeelenhecken nieder, als wären sie Grasbüschel. Sein buschiger Schweif peitschte um die eisenharten Muskelstränge seiner Hinterläufe. Schleim tropfte ihm aus dem Rachen. Dampfwolken schossen zwischen seinen Reißzähnen hindurch in die kalte Luft – sein Atem klang wie heftige kurze Sturmböen: Fauchend, brüllend, stoßartig. Er brach durch dichtes Buschwerk, trat junge Birken und Kiefern nieder, versank manchmal bis zum Bauchfell in Schneeverwehungen.

Die Witterung nach Blut und Feuer verstärkte sich. Er richtete sich auf die Hinterläufe auf, reckte den massigen Schädel in die Winterluft und schnüffelte. Blut, Feuer und Fleisch …

Eine Schleimfontäne schoss aus seinem Rachen. Hunger, Hunger, Hunger! Er ließ sich wieder auf die Vorderläufe fallen. Weiter, schneller, dem Geruch entgegen. In langen Sätzen pflügte er durch den Schnee. Das Rumoren in seinem Bauch trieb ihn voran, die Gier in seinem kleinen Raubtierhirn, die Witterung im feuchten Seewind.

Endlich der Strand. Er sprang den Dünenwall hinunter; eine Schneewolke stäubte hinter ihm her. Im schmalen Sandstreifen, von dem die Brandung den Schnee gespült hatte, blieb er stehen. Abermals richtete er sich auf und schnüffelte. Brandgeruch, Fleischduft, Blutdunst – die Seeluft schien geschwängert davon. Er stieß ein grollendes Knurren aus. Hunger!

Lauernd spähte er zu der Inselgruppe hinüber – dreizehn Inseln waren es, aber das wusste er nicht. Sein dumpfes Hirn war nicht in der Lage in Zahlen zu denken, konnte gerade mal eine oder zwei Taratzen voneinander unterscheiden. Oder eine oder zwei von sehr vielen. Er dachte nicht, er empfand – Hunger, Gier, Sättigung. Unerreichbare Beute, schutzlos ausgelieferte Beute, verschlungene Beute und praller Bauch, leerer Bauch.

Etwas Schwarzes stieg von einigen Inseln auf – Rauch. Über der Inselgruppe sammelte er sich zu einer dunklen Wolke. Und unter den Rauchpilzen glühte es rötlich – Feuer. Eine Kette von kastenartigen Gebilden trieb auf dem Meer zwischen den Inseln. Holzkästen, mit denen sie über die Wasser zu fahren pflegten, jene zweibeinigen pelzlosen Tierchen mit dem weichen Fleisch auf den Knochen. Blutfraß nannte etwas in seinem Hirn diese leckeren Tierchen, oder Nacktfleische. Und sie nannten ihn Izeekepir. Ihn kümmerte nicht, mit welchen Namen seine Beute ihn belegte. Der Schreckensruf Izeekepir! allerdings, der war ihm vertraut. O ja, so schrien sie, die kleinen nackten Tierchen, wenn sie sich hilflos fühlten und davon rannten. Izeekepir – das signalisierte seinem kleinen Hirn die Nähe jagdbarer Beute.

Er trottete am Ufer entlang. Das Wasser umspülte seine Pranken. Er richtete sich auf, schnüffelte, knurrte und trottete zurück zu seinem Ausgangspunkt. Hin und her – durch Wasser und Schnee stapfen, sich aufrichten und schnüffeln, knurren und weitertrotten. Hin und her. Bis zum Abend ging das so.

Die Dämmerung fiel über das Meer und über die schneebedeckte Küste. Deutlicher nahm er jetzt den Glutstreifen über den vorderen Inseln wahr, intensiver den Geruch nach Blut und Fleisch. Er brüllte vor Gier, stapfte ins Meer, bis ihm das Wasser über dem Nackenhöcker zusammenschlug, kehrte um, blieb knurrend am Strand stehen, schüttelte das Wasser aus dem langen Pelz.

Die Erste der Inseln war nicht sehr weit entfernt. So weit wie die Ruinenstadt vom Strand vielleicht. In seinem Raubtierhirn formte sich eine vage Vorstellung: Er sah sich ins Wasser steigen, sah Rücken, Schädelkamm und Schnauze seines riesigen Körpers durchs Wasser pflügen. Hatte er nicht schon breite Flüsse und Eisspalten durchschwommen, um seine Beute zu jagen? Er wiegte den klobigen Schädel hin und her – und zögerte. Abwarten.

Die Dunkelheit brachte unerträglich süßen Geruch nach Blut und Fleisch mit. Knurrend die Schnauze gegen die Brandung gereckt tänzelte er im seichten Uferwasser. Der Dampf seines heißen Atems hüllte seinen pelzigen Schädel ein. Wie der Hunger brannte, wie die Gier schmerzte – eine Peitsche in seinem riesigen Leib.

Da! Ein Schatten im Wasser – vier, fünf Sprünge entfernt schwankte er zwischen den Wellenfurchen. Und noch einer, und noch einer! Er stieß sich ab, rauschte zehn, zwölf Schritte weit durch die Nachtluft. Das Wasser teilte sich bis zum Grund, wo sein Körper aufschlug. Unter den Vorderpranken spürte er ihn, den weichen Leib eines dieser Nacktfleische. Es war tot, schade. Er zerrte es an Land. Es war nicht in eine dieser Felle gehüllt, mit denen sie sich sonst gegen die Kälte schützten.

Wieder setzte er ins Wasser, wieder bohrten sich seine Krallen in weiches Fleisch. Nacheinander zog er drei Leichen ans Land. Nicht besonders groß, mehr Knochen als sonst was, aber er knurrte vor Behagen und Lust. Zwei waren unverhüllt, eine in Fell gewickelt, der fehlte der Kopf.

Er schlug seine dolchartigen Reißzähne in die weichen Flanken des ersten toten Nacktfleischs und riss einen Rachen voll Fleisch aus ihm heraus. Das Blut war kalt, schade, aber das Fleisch stillte seine Gier.

Er vergaß die Zeit, fraß, schlang, schmatzte. Der Mond ging auf, das Schneetreiben setzte wieder ein. Nur das Fell des kopflosen toten Nacktfleischs war übrig.

Sein Bauch war voll, aber er war nicht zufrieden. Nein, nein, nicht zufrieden. Das bisschen Fleisch hatte seinen Hunger zu einem schmerzhaften Brand angefacht. Mehr wollte er, mehr, mehr …

Die Eisbestie richtete sich auf, ließ ihren gigantischen Körper hin und her wanken, brüllte angriffslustig und spähte über das nächtliche Meer. Die Umrisse der vorderen Inseln verschwammen längst mit Dunkelheit und Schneetreiben. Nur ein Glimmen des Feuers spiegelte sich undeutlich am Himmel wider. Morgen würde er hinüber schwimmen, gleich morgen früh.

5

Der Regen trommelte aufs Dach. Durch die Ritzen der Hüttenwände pfiff der Sturm. Eine Männerstimme fluchte vor sich hin. Marrela schlug die Augen auf. Sie fuhr hoch und blinzelte ins Halbdunkel. Ihre Träume schienen ihr so gegenwärtig zu sein, als wäre sie gerade aus ihnen zurückgekehrt wie von tatsächlichen Ereignissen – Tinnox und die drei Vermummten auf dem Schiff, die alte Göttersprecherin und das rote Licht …

Sie stand auf. Frisch und ausgeruht fühlte sie sich. Als hätte sie drei Tage durchgeschlafen. Am Herd entlang tastete sie sich durch das Halbdunkel. Das Gefluche des Fischers wurde lauter. Sein Körper war nur ein undeutlicher Schatten auf dem Boden neben dem mittleren Balken. Marrela ging zum Fenster. Düster lag der Wald vor ihr. Eine große Pfütze hatte sich auf dem Gelände vor dem Haus gebildet. Regentropfen klatschten hinein. Die Bäume schüttelten sich, als wären sie zornig. Oder als wollten sie sich aus dem Erdreich reißen und fliehen.

Am Tisch entzündete Marrela die Öllampe. Das Ledersäckchen! Da stand es! Marrelas Mund wurde trocken. Wie kann das sein? Vorsichtig griff sie danach, halb in Erwartung, es könnte sich in Nichts auflösen, wenn sie es berührte.

Aber es löste sich nicht auf – ein Säckchen aus ehemals rauem Leder. Und es enthielt die Farbmasse, mit der die Alte ihr im Traum den nackten Körper bemalte.

Marrela blickte an sich herunter – die gestern noch undeutlichen Linien auf Oberarmen, Schenkeln und Schultern sahen frisch aus. Die gestern noch blassen Farben leuchteten in kräftigem Rot und Blau. Sie schluckte. Es war kein Traum!

„Orguudoo fresse dich … verfluchtes Weib!“

Marrela kümmerte sich nicht um den schimpfenden Kerl. Sie ließ sich auf dem Holzpflock nieder. Ein Glücksgefühl durchströmte sie. Die durch so viele Qualen und Erschöpfung verschüttete Zuversicht in ihrem Herzen brach auf.

„Alles wird gut“, murmelte sie. Sie presste die gefalteten Hände vor den Mund und legte den Oberkörper auf die Schenkel. „Ich werde dich finden, Tinnox. Vielleicht muss ich bis ans Ende der Welt laufen, vielleicht in Orguudoos finsterste Tiefen hinabsteigen. Aber ich werde dich finden. Ich schwöre es!“

Ein weiter, weiter Weg liegt vor dir … Die Stimme der Alten – als würde sie hinter ihr stehen, so deutlich klang sie. Der Weg zu Tinnox, wenn es ihn denn gibt, führt über die Dreizehn Inseln … Marrela hob den Kopf. Sie lauschte in sich hinein. Wudans Wort … er braucht dich auf den Dreizehn Inseln … dein Volk braucht dich!

Sie sprang auf. Sehr eilig hatte sie es plötzlich. Mit der Öllampe in der Hand durchstöberte sie die Habseligkeiten des Fischers im hinteren Bereich der Hütte. Das Fluchen des Mannes ging allmählich in lästiges Gebrüll über.

Unter Werkzeugen, Netzen und zerbrochenen Ruderstangen fand Marrela zwei Truhen, eine kleine und eine große. Beide waren mit Schnitzereien verziert und wirkten, als wären sie mit viel Sorgfalt hergestellt worden. In der kleineren fand sie mehrere Messer verschiedener Länge, zwei Streitäxte und ein Kurzschwert mit Scheide und Gurt. Eines der Messer nahm sie an sich. Und eine Axt.

Die größere Truhe war mit Fellen, Decken und Stoffen vollgestopft. Marrela fand ein Lederhemd mit langem Arm, eine Schnürweste aus hellgrauem Taratzenfell, Beinkleider aus Wakudapelz und viele Schnürriemen, mit denen man die Kleidungsstücke am Körper befestigen konnte. Auch eine braune Lederkappe mit langem Ohren- und Nackenschutz war unter den Stoffen.

Marrela legte die Beinkleider an, schnürte sie fest, schlüpfte in das Lederhemd und streifte die Taratzenfelljacke darüber. Die Sachen passten einigermaßen. Sie steckte sich das Messer und die Axt in den Gürtel. Zum Schluss warf sie sich ihren eigenen Fellmantel über und stülpte sich den Helm auf den Kopf. Es dauerte seine Zeit, bis sie ihre störrische Haarmatte darunter verborgen hatte.

Hastig verschlang sie ein paar geräucherte Fische und spülte die Bissen mit Wasser hinunter. Das Tongefäß mit dem Räucherfisch stellte sie neben Dschonn, den gefesselten Fischer. Das Wasser leerte sie in eine Schüssel, die sie ebenfalls in seiner Reichweite absetzte. So hatte er Wasser, ohne auf seine Hände angewiesen zu sein. Auch sein Schlaffell warf sie über ihn.

Er fluchte lautstark. Marrela verstand kein Wort. „Spar dir deinen Atem“, sagte sie und schnallte sich ihr Schwert auf den Rücken. „Wenn Regen und Sturm aufgehört haben, wird dich schon jemand hören.“ Grußlos verließ sie das Haus.

Ein großer Kolk schwang sich aus dem Geäst eines Baumes, als sie in den Wald hinein Richtung Plymeth lief.

6

Emily Priden sah ihn an. Schwieg und sah ihn an.

„Was ist los, General Priden?“ Leonard Gabriel musterte die zierliche Frau mit der blauschwarzen Kurzhaarperücke aus schmalen Augen. Sie stand noch immer an der Stelle der Kuppelwand seines Privatraums, in der sich vor wenigen Minuten die Tür geschlossen hatte. „Habe ich mich missverständlich ausgedrückt?“

„Im Gegenteil, Sir Gabriel, sehr deutlich sogar.“ Ihre Stimme klang gepresst.

Der Prime stand aus seinem Glassessel auf und ging zu ihr. „Na also, dann tun Sie, was ich Ihnen sage. Rüsten Sie Scout III für eine etwa zwanzigstündige Expedition aus.“

„Und welchen Kurs soll der EWAT nehmen?“ Etwas Lauerndes trat in Pridens blaue Augen. Schöne Augen übrigens, so schön, dass der Prime von Salisbury jede Gelegenheit begrüßte, die es ihm gestattete, in diese blauen Frauenaugen zu blicken.

„Sie wissen, welchen Kurs Scout III nehmen wird, General.“ Dicht vor ihr blieb er stehen. Er konnte ihre Parfüm riechen – Wildkirsche. „Und seinen Auftrag kennen Sie auch, oder sollte ich mich täuschen?“

Sie nickte langsam. „Ich nehme an, er wird jemanden in die Nähe der Stadt transportieren, der sich der Wilden annehmen soll.“

„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Begriff vermeiden könnten, General Priden.“ Gabriel verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wandte sich ab. „Lady Marrela mag in Tierfelle gehüllt mit einem primitiven Schwert auf dem Rücken durch die Weltgeschichte streifen. Ich gebe sogar zu, dass ihre Tischmanieren zu wünschen übrig lassen. Dennoch hat sie vielleicht mehr Verstand und Intuition als einige der Ladies und Gentlemen in den Octaviaten.“