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Dieser Band enthält folgende SF-Romane: Galaktische Beute (Alfred Bekker) Der träumende Tod (Manfred Weinland) Die schwarze Flamme (Stanley G. Weinbaum) Am Morgen einer neuen Zeit. Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen. Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung. Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten. Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …
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Seitenzahl: 605
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Science Fiction Dreierband 3066
Copyright
Galaktische Beute: Mega Killer 2
Raumschiff Rubikon 22 Der träumende Tod
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Epilog
Die Schwarze Flamme: Science Fiction Roman
Dieser Band enthält folgende SF-Romane:
Galaktische Beute (Alfred Bekker)
Der träumende Tod (Manfred Weinland)
Die schwarze Flamme (Stanley G. Weinbaum)
Am Morgen einer neuen Zeit.
Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.
Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.
Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.
Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfredbooks und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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© Cover: Nach Motiven von Pixabay, Adelind, Steve Mayer
© dieser Ausgabe 2023by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
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Alfred Bekker
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Alles rund um Belletristik!
von Alfred Bekker
Die Galaxis im vierten Jahrtausend: Dak Morley auf der Flucht vor einem mörderischen Computer-Virus, der ihn bis ans Ende des bekannten Universums hetzt. Eine actiongeladenes Abenteuer. Alfred Bekker wurde 1964 geboren und wurde durch zahlreiche Kriminalromane und Jugendbücher bekannt. Besonderen Erfolg hatte er mit seinen Fantasy-Romanen, darunter die insgesamt zehn Romane um DAS REICH DER ELBEN, DIE DRACHENERDE-SAGA, GORIAN und seine Romane um DIE WILDEN ORKS. Im Bereich der Science Fiction war er Mitauter der Serien STERNENFAUST, REN DHARK und BAD EARTH. Außerdem schrieb er die Romane AVALON SPACE FIGHTER - WELTRAUMKRIEG und den Zukunftsroman DIE HERRSCHAFT DER ALTEN, der ein vergreistes Deutschland im Jahr 2100 schildert, in dem die demografische Bombe geplatzt ist.
In den nächsten Tagen ging ich daran, meine Flucht vorzubereiten. Ich hatte keine Lust darauf zu warten, dass Lugan Caminaro mir in aller Ruhe den Strick drehte. (Haben diese altirdischen Sprachbilder nicht etwas sehr Poetisches an sich?).
Aber noch mehr Sorgen als dieser eifrige Beamte des Barcana Police Departments machte mir jene bislang unbekannte Macht, die mir den MEGA KILLER auf den Hals gehetzt hatte. Wer sich so viel Mühe gab, um mich umzubringen, der würde es wieder versuchen. Davon war ich überzeugt.
Ich musste hier weg, fort von Barcana, eine neue Identität annehmen und ein paar Haken kreuz und quer durch die besiedelte Galaxis schlagen. Vielleicht würde mein Verfolger aufgeben oder mich vergessen. Wieder und wieder ging ich die Liste der Leute durch, denen ich auf die Füße getreten war. Immer wieder blieb ich bei dem Namen BARETTO hängen. Dieser Konzern war ein Gegner, an den ich nicht heran konnte. Also blieb nur die Flucht. Allerdings musste ich dafür einige Vorbereitungen treffen.
Ich konnte mich während meines Hausarrestes zwar im GalaxyNet mehr oder weniger 'frei' bewegen, aber mit Sicherheit würden alle Aktivitäten, die ich dort unternahm, sorgfältig überwacht werden.
Ich musste mir also gut überlegen, mit wem ich überhaupt Kontakt aufnahm.
Andererseits konnte ich darauf setzen, dass die SYSTEM-Überprüfung durch Caminaro und seine Leute nicht so tiefgehend gewesen waren, dass dadurch die verborgenen Sektoren meines Rechners aufgespürt worden wären. Ich kannte die Software, die das Police Department benutzte. Sie taugte nicht viel. In den verborgenen Sektoren meines SYSTEMs schlummerten noch ein paar Anwendungen, mit deren Hilfe ich mir in aller Ruhe ein neues Ich zimmern konnte. Ich dachte bereits über einen Namen nach. Ich dachte an 'Sam Spade', den Helden aus THE MALTESE FALCON. Aber 'Spade Sam' klang auch nicht schlecht.
Ich wählte die verborgenen Sektoren an und erschrak.
>Zugriff verweigert!>, flötete mir die Pseudostimme des SYSTEMS in die Hörnerven.
Ich ballte vor Wut die Hände zu Fäusten.
Caminaro und seine Leute waren besser, als ich gedacht hatte. Trotz schlechter Software.
*
Drei Tage nach Soranas Tod besuchte mich Lugan Caminaro erneut.
"Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass der Staatsanwalt die Verschärfung Ihres Hausarrestes verAnlasst hat", erklärte er mir, während er in einem meiner Ledersessel Platz nahm und die Beine lässig übereinanderschlug.
Ich hob die Augenbrauen. "Heißt das, dass mir jetzt auch der GalaxyNet-Zugang gesperrt wird?"
"So ist es. Die Verdachtsmomente gegen Sie haben sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft verstärkt."
Ich lachte heiser auf. "Ich nehme an, Sie haben Ihr Möglichstes getan, um darauf hinzuarbeiten, dass genau das geschieht!"
"Sie schätzen mich völlig falsch ein, Morley."
"Nein, das glaube ich nicht."
"Ich bin nicht Ihr Feind. Aber die Lage, in der Sie sind, haben Sie sich zum Teil selbst eingebrockt. Schließlich waren Sie alles andere als kooperativ."
Ich schüttelte nur den Kopf und schwieg. Welch einen Sinn hätte es gehabt auszupacken? Ich versprach mir einfach keinen Vorteil davon. Es hatte nicht einmal Sinn, ihm von meinem Verdacht zu erzählen, den ich gegenüber dem BARETTO-Konzern hegte. Lugan Caminaro war sicher ein gründlicher Polizist. Aber er war nicht der Mann, der in eine Konzernzentrale spazierte, um dort eine Verhaftung vorzunehmen.
"Wir haben inzwischen die Überreste des VXR-Gleiters untersucht, mit dem Sie beinahe abgestürzt wären ..."
"Sind dabei neue Erkenntnisse zu Tage getreten?"
"Wie man's nimmt. Das Erkennungsprogramm gibt die Wahrscheinlichkeit, dass der Absturz absichtlich herbeigeführt wurde mit über 60 Prozent an."
"Ah, daher weht der Wind."
"Der Hangar in New Manhattan, aus dem Sie gestartet sind, gehörte einem Mann namens Son Greson."
Ich blickte auf. Palmon Jarvus war noch vorsichtiger gewesen, als ich vermutet hatte. Es musste ihm wirklich äußerst wichtig sein, dass keinerlei Verbindung zwischen ihm und mir nachzuweisen war.
"Ich sehe, dass Ihnen der Name Son Greson etwas sagt!", stellte Lugan Caminaro fest.
Ich zuckte die Achseln.
"Wem nicht? 'Geschäftsmann', so nennt er sich selbst. Wahrscheinlich aber hat er seine Finger in illegalen Technologie-Transfers."
Ein kaltes Lächeln erschien um Caminaros dünne Lippen, als er fortfuhr. "Bringen wir's auf den Punkt: Son Greson ist das, was man eine Unterweltgröße nennen könnte."
"Jeder weiß es, aber niemand kann ihm an den Kragen."
"Richtig, Morley."
"Wahrscheinlich eine Frage der Geschicklichkeit."
"Sie waren bis jetzt auch ganz geschickt, Morley."
"Worauf wollen Sie hinaus?"
Caminaros Stimme hatte den Klang von klirrendem Eis. "Was haben Sie mit Son Greson zu tun?"
"Gar nichts."
"Verkaufen Sie mich nicht für dumm, Morley."
"Sie können Greson ja selbst fragen, Caminaro!"
"Vielleicht wird das schon bald geschehen."
"Ach, ja?"
"Es könnte sein, dass der mächtige Greson bald frei zum Abschuss ist. Es gibt Gerüchte darüber, dass er einigen Leuten im illegalen Techno-Transfer-Syndikat unangenehm in die Quere gekommen ist. Die Diadochen scharren schon mit den Füßen ... Sie sollten nicht auf Gresons Hilfe bauen."
"Das tue ich auch nicht."
Caminaro sah mich einige Augenblicke lang nachdenklich an, dann wandte er den Kopf in Richtung meiner Leinwand. Dort lief gerade die Original-2-D-Fassung von 'Ben Hur'. Das unter Antik-Freaks als legendär geltende Wagenrennen war gerade in vollem Gang. Ich hatte den Ton abgestellt, als Caminaro den Raum betreten hatte. Aber das verzerrte Gesicht von Charlton Heston war auch so ziemlich eindrucksvoll.
"Ein eigenartiges Hobby haben Sie", kommentierte Caminaro, nachdem ihn das erbarmungslose Rennen offensichtlich trotz seiner Geringschätzung einige Momente lang gefangen genommen hatte. "Wie kann man nur so viel Geld in dieses alte Zeug stecken ..."
Ich verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.
"Noch ist das nicht strafbar", gab ich zu bedenken.
"Was sind das für dunkle Streifen da im Hintergrund?"
"Schäden bei der Magnetisierung halte ich für ausgeschlossen. Ich denke, diese Streifen entstanden durch den Verfall des Original-Datenspeichers. Man verwendete damals Celluloid ..."
"Verschonen Sie mich mit diesem Freak-Gerede." Er stand auf, trat nahe an die Leinwand heran und betastete sie dann vorsichtig. Dann lächelte er. "Komisch. Zuerst dachte ich, dass es Fäden wären, an denen Puppen hingen. Ich hab gehört, dass es so etwas damals auch gab ..."
Ich hörte ihm kaum zu.
Statt dessen hämmerte eine Frage in meinem Hirn und verlangte nach Antwort. Was hatte Palmon Jarvus mit Son Greson zu tun? Dass Jarvus derartige Verbindungen besaß, hatte ich nicht gewusst. Aber anders war es nicht erklärlich, dass Son Greson ihm seinen Gleiter-Hangar für ein konspiratives Treffen zur Verfügung gestellt hatte.
Mit einer ruckartigen Bewegung wirbelte Lugan Caminaro herum. Hinter ihm musste Charlton Heston sich gerade eines wütenden Peitschenschlags erwehren.
"Son Greson werden Verbindungen zum BARETTO-Konzern nachgesagt", stellte er fest. "Wir haben in einigen verborgenen Sektoren Ihres Systems Software zum Generieren falscher Identitäten sichergestellt, wie Sie inzwischen gemerkt haben dürften. Ein Teil der Identitäten, die damit generiert wurden, konnten unsere Spezialisten rekonstruieren."
Ich war froh, das Gesicht nicht sehen zu müssen, dass ich in diesem Augenblick machte. Offenbar hatte ich mein Gegenüber tatsächlich unterschätzt.
Caminaro fuhr fort: "Wir haben versucht ein Bewegungsraster von Ihnen zu erstellen, Morley. Es ergeben sich interessante Überschneidungen mit Standorten des BARETTO-Konzerns."
"Ich werde das nicht kommentieren", erklärte ich.
"Wussten Sie, dass ein Mann namens Palmon Jarvus genau wie Sie unter Hausarrest gestellt worden ist?"
"Nein ...", flüsterte ich.
Caminaro genoss meine Verblüffung und kostete das einige Augenblicke lang aus.
"Sie haben sich mit Jarvus in New Manhattan getroffen", sagt er dann. Es war eine Feststellung, keine Frage. "Interessiert Sie gar nicht, warum Jarvus verhaftet wurde?"
"Sie brennen doch darauf, es mir unter die Nase zu reiben!"
"Jarvus steht unter dem Verdacht, Industriespionage zu Ungunsten des GADRAM-Konzerns unternommen zu haben."
"Was Sie nicht sagen."
"Als Auftraggeber steht natürlich die direkte Konkurrenz in Verdacht."
"Also BARETTO."
"Sie sagen es. Es ist Zeit auszupacken, Morley!"
"Ach, kommen Sie!"
"Beispielsweise möchte ich gerne wissen, wofür Sie die 200 000 Galax bekommen, die jüngst auf einem Ihrer getarnten Konten eingegangen sind."
Ich machte eine wegwerfende Geste.
"Geben Sie sich keine Mühe, Caminaro."
*
Als Caminaro mich allein ließ, fühlte ich mich wie betäubt.
Ich dachte über Palmon Jarvus nach.
Was für ein gerissener Hund! Wenn er wirklich ein BARETTO-Man war, dann hatte er mich möglicherweise erst für seine persönlichen Zwecke ausgenutzt, um seinen Sohn aus den Fängen der Lichtjünger zu befreien, und mich dann eiskalt ans Messer geliefert.
Jarvus, BARETTO ...
Die Spur verdichtete sich.
Und mir blieb nichts anderes übrig, als die Flucht nach vorn.
Ich sah mir den Abspann von 'Ben Hur' an.
Es sollte lange dauern, bis ich so etwas wieder zu sehen bekam. Weder meine Leinwand noch die umfangreiche Sammlung an 2-D-Filmen konnte ich mitnehmen. Auch wenn die Überspielung der entprechenden Datenspeicher nur eines Mentalimpulses über meinen CyberSensor bedurft hätte – für etwaige Verfolger wäre diese Datenspur kaum zu übersehen gewesen.
Ich verließ mein Büro, ging in den benachbarten Aufenthaltsraum und blickte durch die Verglasung hinaus auf das Meer. Nebel hing über den Ruinen von Alt-B.
Du hast Wurzeln in Barcana geschlagen, dachte ich. Für einen wie dich ist das immer gefährlich!
Mit Hilfe eines Mentalimpulses teilte ich die transparente Wand.
Der kühle Meerwind blies in meine Wohnung.
Der Geruch von Salz und Seetang wirkte erfrischend. Die Meeresoberfläche befand sich zirka hundert Meter unter mir.
Die Höhe war schwindelerregend.
Einmal drehte ich mich noch um, bevor ich sprang.
Alles wirst du hier zurücklassen!, ging es mir durch den Kopf. Nichts wirst du mitnehmen, nicht einmal deinen Namen. Ich machte einen Schritt nach vorn und und trat ins Nichts. Buchstäblich verlor ich den festen Boden unter den Füßen, stürzte in rasendem Tempo der aus dieser Höhe betonharten Wasseroberfläche entgegen. Ich wusste genau, was in dieser Sekunde in Lugan Caminaros Dienststelle passierte. Zumindest konnte ich es mir ausmalen. Sobald mein CyberSensor die Wohnung verließ, schrillten dort die Alarmsignale. Ein unter Hausarrest stehender Verdächtiger auf der Flucht, das war ich jetzt. Während ich stürzte, betätigte ich einen winzigen Signalgeber unter dem Daumennagel meiner linken Hand. Die Anzeige im Gesichtsfeld meines linken Auges zeigte mir an, wie viele Meter mich jetzt noch von den sanften Wellen des Mittelmeeres trennten.
Ich aktivierte das Antigravaggregat unter meinen Schuhen, um den Aufprall so abzubremsen, dass ich ihn körperlich unversehrt überleben konnte. Das Aggregat war eine Spezialanfertigung, die die Möglichkeiten der im militärischen Bereich eingesetzten Typen erheblich überschritt. Aber selbst mit diesem Gerät waren Absprünge von über 50 Meter Höhe bei Erdgravitation kritisch, sofern man auf festem Grund aufkam. Eine Wasserlandung hatte ich noch nicht ausgetestet, aber ich nahm an, dass die Sache glimpflich über die Bühne ging. Wahrscheinlichkeitsrechnungen durch das SYSTEM hatte ich nicht anstellen können, denn mein Rechner wurde überwacht. Und wenn ich Caminaro, diesem schlauen Fuchs, entkommen wollte, musste ich auf den Überraschungseffekt setzen.
Auch wenn es für Caminaro und seine Leute an ihren Kontrollen jetzt vielleicht nicht so aussah – ich hatte mir alles sehr gründlich überlegt.
Das Agggregat hatte seine liebe Mühe, die mörderische Beschleunigung abzubremsen.
Der Aufprall war heftiger, als ich gedacht hatte. Ich tauchte tief in das blaugrüne Salzwasser hinein und deaktivierte sofort das Antigravaggregat. Schließlich wollte ich nicht Sekunden später förmlich aus dem Wasser herausgeschossen werden. Langsam stieg ich wieder an die Oberfläche, blickte mich um. Hoch ragte die Turmstadt Barcana aus dem Wasser empor. Sie warf eine lange Schattenbahn Richtung Alt-B.
Ich machte ein paar Schwimmzüge.
Dann griff ich mir an den Nacken, riss den CyberSensor heraus und schleuderte ihn von mir.
Leb wohl, Dak Morley!, dachte ich. Möge der Datensatz deiner Identität auf dem Grund dieses Meeres ruhen. (Das Zitat eines antiken Kulturschaffenden fiel mir in dieser Sekunde ein. 'Hasta la vista, Baby!'. Wer hatte das noch gleich gesagt? Schwarzenegger? Günter Grass? Eine deftige Sprache war damals offenbar en vogue gewesen.)
Ich stellte mir vor, wie Caminaro und seine Leute festellten, dass Dak Morley wahrscheinlich Selbstmord begangen hatte.
Aus der Ferne näherte sich pfeilschnell ein Gleiter. Mein Signalgeber unter dem Daumennagel hatte ihn über einen völlig separaten Datenkanal herbeigerufen. Auf dem nahen Mallorca hatte ich einzig und allein zu diesem Zweck einen Hangar angemietet, in dem dieses Gefährt auf seinen Einsatz gewartet hatte.
Der Gleiter bremste ab, senkte die Flugbahn. Es war ein kleines, wendiges Gefährt, nicht zu vergleichen mit dem VXR, der mir am Stahlbetongerippe des World Trade Centers zerschellt war. Es gab nur eine ziemlich enge Fahrerkabine, die für maximal zwei Personen Platz bot.
Der Gleiter begann mit dem Landeanflug.
Sein SYSTEM peilte meinen Signalgeber an.
Punktgenau senkte sich das Gefährt in einer Entfernung von kaum dreißig Metern von mir auf die Wasseroberfläche. Diese Distanz konnte ich leicht schwimmen. Der Autopilot hätte zwar auch eine noch punktgenauere Wasserlandung hinbekommen, aber ich wollte nicht in das Antigravfeld hineingeraten. Und so war ich auf Nummer sicher gegangen und hatte das Gleiter-SYSTEM entsprechend konfiguriert.
Ich kletterte an Bord.
Der Außenschott öffnete sich. Pitschnass ließ ich mich in den Schalensitz fallen, während der Gleiter ohne mein Zutun wieder abhob und mit Höchstgeschwindigkeit davonjagte.
Ich schloss die Augen.
Das Schlimmste hättest du hinter dir!, dachte ich.
Ein Irrtum.
*
In dem Gleiter war alles, was ich brauchte. Unter anderem auch ein nagelneuer CyberSensor, den ich mir sogleich in die kleine Öffnung an meinem Nacken steckte.
>Guten Tag, Greg Tabor>, begrüßte mich das SYSTEM.
Das war jetzt mein Name.
Ich würde mich schnell daran gewöhnen. So war es immer gewesen. Ich zog mir die zu 'Greg Tabor' passenden halborganischen Handschuhe an und setzte mir die Kontaktlinsen ein. Mit Greg Tabor hatte ich mir viel Mühe gegegen. Ich hatte ihn vor Jahren erfunden und ihm eine richtige Legende gegeben. Er wohnte nicht auf Mallorca, wo ich den Gleiter deponiert hatte, sondern in der Dar-es-Sahara. Ich hatte Greg Tabor dort eine Scheinidentität gegeben. Er hatte eine Wohnung besessen, ich hatte GalaxyNet- Anwendungen von seiner Residenz aus ebenso simuliert wie den Verbrauch an Wasser und Nahrungsmitteln. Auf die Dauer war das natürlich sehr aufwendig, aber jemand wie ich brauchte einen blitzschnell verfügbaren Rettungsanker. Und genau das war Greg Tabor für mich. Der Gleiter setzte mich in einem öffentlichen Gleiter-Terminal in Algier ab. Er würde zurück nach Mallorca in sein Depot fliegen. Eine reine Sicherheitsmaßnahme. Theoretisch war es ja möglich, dass meine Verfolger diese Flugbewegung registriert hatten und sich an meine Fersen zu heften versuchten. Aber so leicht würde ich es ihnen nicht machen. Ich dachte gar nicht daran. Schon um Soranas Willen, die völlig sinnlos gestorben war. Jedenfalls stellte es sich bislang für mich so dar. Ich wollte, dass ihr Gerechtigkeit widerfuhr. Vielleicht war da auch der Wunsch nach Vergeltung. Ein Wunsch, der etwas anderes beinahe überdeckte. Etwas, das ich mit aller Gewalt unter der Oberfläche zu halten versuchte. Die Ahnung nämlich, dass Sorana tatsächlich an meiner Stelle gestorben war.
In Algier benutzte ich ein öffentliches Transmitter-Terminal und hüpfte dann nach Dar-es-Sahara weiter. Ich hatte zunächst eine gewisse Scheu, wieder in das Flimmerlicht eines Transmitters zu treten. Schließlich hatte ich beim letzten Sprung dieser Art beinahe das Leben verloren. Aber diesmal ging alles glatt. Meine falschen Handlinien, Fingerabdrücke und Iris-Muster wurden von den Scannern an den Kontrollen anstandslos akzeptiert. Es gab keine Probleme.
Sei dir nicht zu sicher!, meldete sich eine skeptische Stimme in meinem Inneren. Deine Verfolger werden nicht so schnell aufgeben.
Vermutlich galt das sowohl für die Leute, deren Unwillen ich mir zugezogen hatte, als auch für Lugan Caminaro und seine Fahnder. Aber vielleicht hatte ich wenigstens einen Vorsprung. Mit etwas Glück hielt man mich sogar eine ganze Weile lang nach meinem Sprung aus dem Barcana-Turm für tot.
Dar-es-Sahara war eine Stadt, wie ich sie sonst kaum gefunden habe. Weder auf der Erde, noch im Iplan-Gebiet oder darüber hinaus. Und ich bin relativ viel herumgekommen. Daher kann ich es beurteilen.
Die Stadt bestand aus einer Reihe untereinander verbundener wabenförmiger Bauten, die von zahllosen Gleitern umschwirrt wurden. Die meisten dieser Gleiter gehörten zum öffentlichen Gleiter-Service. Sie wurden ferngesteuert, bewegten sich wie an unsichtbaren Fäden gezogen.
Um die eigentliche Stadt gab es ausgedehnte Grünanlagen. Auch hier dominierte die sechseckige Form. Jenseits dieser Parkanlagen lag der Strand des großen Sahara-Binnenmeeres, dessen blaugrünes Wasser aus dem Weltraum wie die Iris eines großen Auges aussah. (Ich hatte einmal die Gelegenheit dazu gehabt, das zu sehen. Im Transmitterzeitalter ist Raumfahrt eigentlich mehr etwas für die technologisch zurückgebliebenen Gebiete der Galaxis, etwa die Rand-Föderation oder die Äußeren Kolonien.)
Über meinen CyberSensor wählte ich den Rechner der Verwaltung von Dar-es-Sahara an und mietete mir ein Appartment. Ein öffentlicher Gleiter brachte mich zu der entsprechenden Wabe. Ich hatte den Gleiterflug einem Transmittersprung vorgezogen. Irgendwie saß mir der Schrecken noch immer in den Knochen, den ich empfunden hatte, nachdem ich nur durch Caminaros Eingreifen den Sprung vom World Trade Center in meine Barcana-Residenz überlebt hatte.
Ich wusste, dass es dafür jetzt keinen rationalen Grund mehr gab. Schließlich hatte ich alles getan, um wirklich jede Verbindung zu meinem vorherigen Leben zu kappen. Dak Morley war tot. Nicht mehr als ein paar Datensätze in einer Fahndungsdatei und ein Konglomerat von Erinnerungen in meinem Kopf würden von ihm bleiben.
Ich war jetzt Greg Tabor.
Mir war klar, dass ich mir die erfundenen Details seines Lebenslaufs noch genau einprägen musste. Zwar konnte ich sie mir jederzeit über meinen CyberSensor anzeigen lassen, aber der konnte während eines Verhörs natürlich angezapft werden. Und ich musste für jede nur denkbares Situation gerüstet sein. Früher hatte ich verschiedentlich die Identität von Toten benutzt. Das war noch etwas sicherer, als wenn man eine vollkommen fiktive Persönlichkeit aufbaute. Es existierte einfach mehr Datenmaterial und es wurde nicht so schnell angezweifelt, ob man wirklich der Betreffende war oder gewissermaßen unter falscher Flagge segelte. (Wer hatte dieses Sprachbild als erster benutzt? Errol Flynn oder Friedrich Schiller? Um die Frage zu beantworten, hätte ich wohl erstmal wissen müssen ob man unter dem Begriff 'Räuber' damals auch 'Piraten' fasste.)
Ich ließ den Gleiter eine große Runde über das ausgedehnte Sahara-Binnenmeer machen.
Ich dachte an Sorana.
Von ihr hatte ich ebenfalls nichts mitnehmen können. Nicht einmal ein Hologramm.
Du wirst dich damit abfinden müssen!, dachte ich. Die Vergangenheit existiert nicht. Nur die Gegenwart. Es gab keinen Sinn zurückzublicken, ja, es ist sogar lebensgefährlich.
Erinnerungen stiegen in mir auf, vermischten sich vor meinem inneren Auge. Ich sah Soranas Gesicht, ihr Lachen, den Glanz ihrer Augen. Ich sah andere Gesichter, Landschaften, Städte ...
Ein Chaos aus Bildern, Farben, Worten, Geräuschen.
Wer war ich?
Dieses Konglomerat aus Erinnerungsresten verschiedener Leben, die ich immer genau bis zu jenem Punkt geführt hatte, an dem ich mich nun auch wieder befand? Dem Punkt, an dem ich alle Verbindungen zurück in die Vergangenheit zu kappen gezwungen war?
Ein Rest blieb immer zurück.
Datenmüll. Wie die Mitochondrien im Erbmaterial.
Der Gleiter dockte schließlich an meinem Appartment an. Ich stieg aus und betrat mein neues Zuhause. Lange würde ich hier nicht bleiben, das stand für mich schon jetzt fest. Aber lange würde ich auch nicht den Namen Greg Tabor tragen.
Das Appartment wirkte unpersönlich. Es entsprach der gehobenen Norm und man vermisste keines jener Features, die dafür sorgen, dass man ein rundum angenehmes Leben führen kann.
Ich ließ mir vom Nahrungsmittelspender eine Mahlzeit zubereiten und stellte fest, dass ich an dem SYSTEM noch etwas nachjustieren musste, um es auf die speziellen Bedürfnisse meiner Geschmacksnerven auszurichten. Die Wände ließen sich größtenteils transparent machen, genau wie ich es auch aus Barcana gewohnt war. Bei der Anmietung des Appartments hatte ich darauf geachtet, einen offenen Blick auf den Sahara-See zu haben. Ich mochte diese Aussicht einfach. Und ich fand, dass eine Drei-D-Projektion kein Ersatz für die Wirklichkeit war. Für die corporale Variante der Wirklichkeit, um genau zu sein.
Ein paar Stunden lang schlief ich wie ein Stein.
Als ich erwachte, war es Nacht. Die Sterne funkelten über der fruchtbaren Naturlandschaft, die vor 2000 Jahren noch eine Wüste gewesen sein soll. Der Mond stand als großes Oval am Himmel. Sein Licht spiegelte sich im Binnenmeer. Bei sehr klarer Sicht konnte man die Energiekuppel von Luna City sehen, zumal dann, wenn Meteoriten auftrafen und dadurch Effekte hervorgerufen wurden, die von der Erde aus wie Funkenflug aussahen.
Ich aktivierte meinen Zugang zum GalaxyNet über den CyberSensor. Anstelle der Anzeige im Gesichtsfeld meines linken Auges wählte ich allerdings ein großes Holodisplay.
Ich suchte nach dem MEGA KILLER – jenem Cyperspiel, mit dessen Anwendung das Verhängnis vermutlich begonnen hatte.
Lange hatte ich damit gezögert.
Schließlich hätte ich schon längst nach dem MEGA KILLER fahnden können. Aber die Erinnerung an das, was geschehen war, hatte mich davor zurückschrecken lassen, Ich musste vorsichtig sein. Es war nicht gesagt, dass die Hersteller oder Vertreiber des Spiels überhaupt etwas mit dem Virus zu tun gehabt hatten, der das SYSTEM meiner Residenz in Barcana so manipuliert hatte, dass daraufhin Sorana Opfer einer tödlichen Falle geworden war. Möglicherweise hatte der eigentliche Urheber des Virus dieses Spiel einfach nur als eine Art Transportmittel benutzt. Ein geschickter Programmierer konnte so etwas hinbekommen.
Meine Chancen, über dieses Spiel etwas mehr über die Hintergründe des Mordanschlags zu erfahren, der eigentlich mir gegolten hatte, waren also denkbar gering. Andererseits stellte der MEGA KILLER eine der wenigen Spuren da, die ich in diesem Fall überhaupt hatte.
Schon deswegen musste ich ihr nachgehen.
Die GalaxyNet-Recherche des SYSTEMS dauerte verdächtig lange. Ich wartete die ganze Zeit über auf den Klang der Pseudostimme.
Als sie sich schließlich meldete, verkündete sie eine Überraschung.
"Eine interaktive Anwendung mit der Bezeichnung MEGA KILLER ist nicht verfügbar."
Error! (So hätten antike Programmiersprachen die Angelegenheit auf den Punkt gebracht.)
"Ergebnis bitte überprüfen!", forderte ich ungläubig.
Aber auch eine mehrmalige Überprüfung ergab kein anderes Suchergebnis. Nicht der geringste Hinweis war noch im GalaxyNet auf ein Spiel mit der Bezeichnung MEGA KILLER zu finden. Hersteller und Vertreiber schien es nie gegeben zu haben.
Ich ließ einen der Schalensitze aus dem Fußboden herausklappen und ließ mich dort hineinsinken.
Das kann nicht sein!, durchzuckte es mich.
>Wünschen Sie weitere Recherchen, Benutzer Greg Tabor?"
Ich schüttelte den Kopf, ohne daran zu denken, dass dieses SYSTEM noch nicht so konfiguriert war, dass es auch derartige Äußerungen richtig interpretieren konnte. Also setzte ich ein leises "Nein!" hinzu.
Die Darstellung des Holodisplays verschwand.
Ich ließ den Schalensitz herumschwenken und blickte hinaus auf das Sahara-Meer.
Und dabei dachte ich darüber nach, ob das, was ich gerade erfahren hatte, nun eine gute oder eine schlechte Nachricht war.
Ich schlief in dem Schalensitz ein. Die ersten Strahlen der Sonne, die über den blauen Horizont des Sahara-Sees krochen, weckten mich. Ich blinzelte und genoss den Sonnenaufgang. Ein einzigartiges Farbensapiel, das mir half, die Gedanken einfach mal etwas treiben zu lassen.
Etwas tauchte aus einem der gewaltigen Schatten heraus, die die riesigen, sich in kleinste Wabeneinheiten gliedernden Gebäudekomplexe von Dar-es-Sahara warfen. Zunächst beachtete ich es gar nicht weiter. Es schien sich um einen der unzähligen Gleiter zu handeln, die die Stadt umschwirrten.
Als das Ding von den Sonnenstrahlen erfasst wurde, bestätigte sich meine Vermutung.
Der Gleiter flog einen Bogen. Noch war er ziemlich allein am Morgenhimmel von Dar-es-Sahara. Eine erste Biene, die sich aus ihrem Stock heraustraute.
Der Gleiter flog so weit auf den See hinaus, dass er für einige Augenblicke kaum noch zu sehen war. In einer gebogenen, an eine Sinus-Kurve erinnernden Bahn kehrte er dann zurück, näherte sich unaufhaltsam.
Ich starrte dem Gefährt entgegen, konnte das Kennschild des öffentlichen Gleiterverkehrs von Dar-es-Sahara erkennen.
Das Ding fliegt direkt auf dich zu!, ging es mir durch den Kopf, während ich wie angewurzelt dastand und mich gleichzeitig einen Narren schimpfte. (Du spinnst, Dak! Das ist völlig unmöglich. Vermutlich leidest du schon unter Verfolgungswahn und glaubst, dass jeder Luftzug ein versuchtes Attentat darstellen könnte ...)
Die Distanz verringerte sich zusehends.
Ich zögerte noch einen Augenblick, starrte fassungslos der Vorderfront des Gleiters entgegen.
Er war unbemannt, wurde nur vom Autopiloten seines SYSTEMS gesteuert.
Kurz bevor das Gefährt mit voller Geschwindigkeit auf die transparente Wand aufprallte, floh ich in den kleinen Flur, in dem sich die Zugänge zu Bad, WC und appartmenteigenem Transmitter befanden.
Der Gleiter drückte die transparente Wand aus Mandarium ein. Der ohrenbetäubende Laut einer gewaltigen Detonation war dann zu hören. Ich spürte die Hitzewelle, den Druck, sprang in den Transmitter und ließ mich wegbeamen, während hinter mir die Hölle losbrach.
Ich materialisierte in der öffentlichen Transmitterstation des Raumhafens von Dar-es-Sahara. Die Sichtanzeige in meinem linken Auge meldete den Totalverlust des SYSTEMS meiner neuen Residenz. >Ein Überspielen der von Ihnen vorgenommenen Einstellungen und Konfigurationen auf den Zentralrechner des GalaxyNets war leider nicht möglich>, flötete es in meinen Hörnerven.
Ich hatte großes Glück gehabt.
Sekundenbruchteile später und nicht einmal der Transmitter hätte noch funktioniert.
Ich atmete tief durch. Meine Knie waren weich. Eine verspätete Schreckreaktion. War das Zufall?, fragte ich mich. Sicher, SYSTEM-Fehler traten immer wieder auf. Selbst in so perfekten Einrichtungen wie dem öffentlichen Gleiterverkehr von Dar-es-Sahara. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Mein in vielen Jahren als Privatagent geschulter Instinkt für Gefahr meldete sich.
Sieht so aus, als hätten die Leute, die dir ans Fell wollen, noch nicht aufgegeben!, überlegte ich.
Und gleichzeitig zermarterte ich mir das Hirn darüber, wie meine Gegner es geschafft haben konnten, mich zu finden. Hatte ich nicht alle Verbindungen zu meinem bisherigen Leben gekappt? Ich fand keine Erklärung.
Jetzt zu meinem Appartment zurückzukehren machte wenig Sinn.
Sollten sich die städtischen Einsatzkräfte erstmal darum kümmern, dass dort wieder Ordnung geschaffen wurde. Früher oder später würden die sich ohnehin bei mir melden, um mich zu verhören. Schließlich war ein derartiger Vorfall alles andere als alltäglich. Der Gedanke an Sabotage lag förmlich auf der Hand.
Ich ging in eines der Cafés in der Nähe des Raumhafens. Von den Terrassen aus konnte man auf den See blicken. Ein getöntes Leichtenergiefeld sorgte dafür, dass das Sonnenlicht auf ein erträgliches Maß abgedämpft wurde. Vor allem filterte es schädliche Bestandteile des UV-Lichtes heraus.
Ein Impuls meines CyberSensors übermittelte die Bestellung, die wenige Augenblicke später durch den Robotkellner ausgeführt wurde.
Der entfernt humanoid wirkende Roboter trat an meinen Tisch heran und brachte mir den Milchkaffee, den ich bestellt hatte. Sein mechanischen Sehorgane blickten mich an. "Wenn Sie noch einen Wunsch haben, so melden Sie sich bitte."
"Okay", nickte ich, während auf meiner Sichtanzeige ein Hinweis erschien, der besagte, dass der Preis des Milchkaffees von meinem Konto abgebucht wurde.
Von Greg Tabors Konto.
"Sie können mich Jacques nennen", sagte der Roboter mit wohlmodulierter Stimme.
"In Ordnung, Jacques."
"Sie sind noch nicht lange in Dar-es-Sahara." Es war eine Festellung, keine Frage. Zweifellos war das Programm des Roboters so konfiguriert, dass es das interne SYSTEM meines CyberSensors anzuzapfen versuchte. Das Interesse dahinter lag auf der Hand. Die Inhaber des Cafes wollten wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Möglichst genau. Insbesondere natürlich, ob man als säumiger Schuldner irgendwo im Iplan-Gebiet unangenehm aufgefallen war.
Ich musste lächeln, ließ mich dann sogar ein wenig auf die Konversation mit dem Roboter ein.
"Sie irren sich."
"Ach, ja?"
"Ich bin hier geboren, Jacques."
"Nein, das ist ja interessant."
"Meine ersten Lebenserinnerungen spielten sich auf dem See dort unten ab."
"Das hätte ich nicht gedacht."
"Ich erwachte im Alter von zweieinhalb Jahren auf einem Segelboot. Das erste, was ich sah, war dieser unglaublich blaue Himmel, dann meine Eltern, die Arm in Arm neben der automatischen Ruderpinne saßen ..."
Ein schöner Augenblick, um mit dem Leben zu beginnen, dachte ich. Zumindest mit dem bewussten Teil des Lebens. Den Teil, dessen Spuren sich in Form von Erinnerungen ins Hirn gravierte. (Erinnerst du dich überhaupt noch daran, wie du damals geheißen hast? Du hast so viele Namen getragen seit jener Zeit ...) Ich nippte an meinem Milchkaffee und verstummte. Es war immer dasselbe. Robot-Kellner waren auf Konversation programmiert. Sie erweckten den Anschein, eine Persönlichkeit zu besitzen. In Wahrheit befolgten sie nur Programmdirektiven.
"Ich melde mich wieder, wenn ich etwas brauche", wandte ich mich an Jacques.
"Gut."
Ich ließ den Blick über die anderen Gäste des Cafes schweifen. Es waren nicht viele. Ein junger Mann saß mit völlig entrücktem Blick da, während ab und zu ein leichtes Zucken seinen Körper durchlief. Wahrscheinlich spielte er irgendein Baller-Spiel aus dem GalaxyNet, so wie ich es auch immer gern getan hatte. (Bei einem virtuellen Date mit einer Gleichaltrigen hätte sein Gesicht vermutlich etwas entspannter gewirkt.) Ein paar Frauen saßen um einen anderen Tisch herum und unterhielten sich. An einem weiteren Tisch hatte ein Mann mit grauweißer Kombination platzgenommen. Ihm gegenüber saß ein entfernt humanoid wirkendes Wesen in einem Druckanzug. Es handelte sich um einen methanatmenden Pador aus dem Sadra-Sektor.
Ich nahm an, dass er ein Geschäftspartner des Mannes mit der grauweißen Kombination war.
Mach dir nichts vor, die Jagd auf dich geht weiter!, erkannte ich. Nach der Totalvernichtung des SYSTEMS in meinem Appartment hatte ich natürlich keinerlei Chancen, auf irgendwelche Spuren zu stoßen, die mich den Hintermännern dieser Menschenjagd, deren Zielobjekt ich war, in irgendeiner Weise näher brachten. Andererseits konnte dieser Umstand auch sein Gutes haben. Möglicherweise waren nämlich nun endlich alle Verbindungen zu mir gekappt.
Das hast du schon einmal geglaubt, erinnerte ich mich.
Ich musste auf Nummer sicher gehen.
Die Tage von Greg Tabor waren bereits gezählt, kaum dass seine corporale Existenz begonnen hatte. Ich musste Dar-es-Sahara verlassen.
Ich bemerkte zwei Männer in dunkelblauen Kombinationen, die sich meinem Tisch näherten. Die beiden waren in den mittleren Jahren. Einer war blond, der andere kahlköpfig. Sie trugen Strahler an den Magnethalterungen ihrer Kleidung. Das Emblem der Polizei von Dar-es-Sahara war nicht zu übersehen.
Sie traten an mich heran. Ich bemerkte, dass die rechte Hand des Kahlkopfs sich stets in der Nähe des Strahlergriffs befand, so als wollte er bereit sein, die Waffe jederzeit blitzartig herausreißen zu können.
"Greg Tabor?", fragte mich der Blondschopf, dessen kantiges Gesicht mich an das Abziehbild moderner Holodrama-Helden erinnerte. Eine überflüssige Frage. Die Augenanzeige zeigte mir an, dass mein CyberSensor angepeilt und identifiziert wurde.
Ich lächelte dünn. "Das wissen Sie doch."
"Ihnen gehört das Appartment Nr. BXDR-3456-D?"
"So ist es."
"Wir müssen uns mit Ihnen unterhalten."
"Setzen Sie sich."
Die beiden nahmen Platz, wechselten einen Blick miteinander. Schwer zu sagen, ob sie über die CyberSensoren irgendwelche Informationen austauschten oder Abfragen über das GalaxyNet an die zentralen Datenbanken der Polizei richteten und sich auf ihrer Netzhaut die Ergebnisse anzeigen ließen. Ich hoffte nur, dass sie dort nichts über mich finden würden. Nichts über Greg Tabor, nichts über Dak Morley oder irgendeine der Persönlichkeiten, die ich zuvor angenommen hatte.
Der Blondschopf stellte sich vor. "Ich bin Agent Zef Ahmad von der Kriminalpolizei von Dar-es-Sahara. Dies ist mein Kollege Agent Tel Johnson."
"Angenehm", log ich.
"Sie können unsere ID-Marken oder unser CyberSensoren anpeilen, um sich von der Echtheit unseres Dienstauftrages zu überzeugen", mischte sich Tel Johnson, der Kahlkopf ein.
"Danke", nickte ich.
Zef Ahmad beugte sich etwas vor.
"Ich nehme an, Ihre Anzeige hat Ihnen bereits mitgeteilt, was in Ihrem Appartment geschehen ist."
"Mir wurde der Totalverlust des WohnungsSYSTEMS gemeldet", bestätigte ich.
"Ein Gleiter ist in Ihr Apartment hineingeflogen und hat eine Explosion verursacht, die auch weitere Wohnungen in Mitleidenschaft gezogen hat."
"Ich hoffe, es ist niemand zu Schaden gekommen."
"Nein, das nicht. Nur ein Leichtverletzter, der sich eine Prellung holte, als sein Antigravbett plötzlich ausfiel und er aus einer Höhe von einem halben Meter auf den Boden fiel." Zef Ahmad machte eine Pause. Seine Augen wurde zu schmalen Schlitzen, als er mich musterte. "Im Zentralrechner des öffentlichen Gleiterverkehrs fand sich kein Hinweis darauf, dass Sie einen Gleiter gerufen hatten, Tabor."
"Ich hatte auch keinen gerufen. Ich war im Schalensitz eingeschlafen, wachte durch die aufgehende Sonne auf und sah ihn heranfliegen. Muss eine Fehlfunktion im internen SYSTEM des Gleiters gewesen sein."
"Das lässt sich nun leider nicht mehr überprüfen", bedauerte Zef Ahmad.
Ich hob die Augenbrauen. "Totalverlust?"
"Das überrascht Sie doch nicht wirklich."
Der Robotkellner kam herbei. Einer der beiden Polizisten musste Jacques gerufen haben. Der Roboter brachte einen Zitronentee für Zef Ahmad und einen Espresso für Tel Johnson.
Auf die Konversationsversuche des Robtot-Kellners ließen sich die beiden nicht ein. Als Jacques gegangen war, meldete sich Tel Johnson zu Wort. "Wie haben Sie es geschafft, zu überleben? Den Transmitter benutzt?"
"Genau."
"Wir hätten gerne den internen Speicher Ihres CyberSensors kopiert. Dann könnten wir alles sehen, was Sie gesehen haben, Tabor."
"Haben Sie einen entsprechenden Gerichtsbeschluss?", erkundigte ich mich.
Der etwas hilflose Blick, den Johnson und Ahmad im nächsten Augenblick miteinander wechselten, verriet mir bereits die Antwort, noch ehe einer der beiden sie ausgesprochen hatte.
"Wir haben keinen richterlichen Befehl, der uns dazu autorisieren würde", erklärte Zef Ahmad. "Aber andererseits setzen wir auf Ihre Kooperationsbereitschaft. Schließlich besteht – zumindest unser beider Ansicht nach – der Verdacht, dass wir es nicht nur mit einer einfachen Fehlfunktion in irgendeinem Rechner zu tun haben."
"Sondern?"
"Mit einem Mordanschlag."
"Auf mich?"
"Sie haben es erfasst."
"Aber ..."
Tel Johnson sagte: "Die Frage nach einem Motiv werden Sie wohl am besten beurteilen können. Jedenfalls sprechen für uns einige Indizien für ein Attentat."
"Der Staatsanwalt und das Gericht scheinen nicht dieser Ansicht zu sein, sonst stünden Sie nicht mit leeren Händen vor mir."
"Wollen Sie nicht wissen, ob ein Killer auf Sie angesetzt wurde?", fragte Zef Ahmad eisig. "Wenn dem so ist, wird er es wieder und wieder versuchen."
Ich lehnte mich zurück, trank den Rest meines Milchkaffees aus. Er war kalt geworden und schmeckte irgendwie bitter.
Ich überlegte. Keinesfalls dachte ich daran, ihnen den gesamten Inhalt meines CyberSensor-Speichers zu überlassen Schon deshalb nicht, weil ihnen dann auffallen musste, dass mein Leben als Greg Tabor erst vor wenigen Stunden begonnen hatte.
"Ich werde Ihnen nur bestimmte Sektoren überlassen. Sie brauchen ja nicht mehr als die letzten, sagen wir 12 oder 16 Stunden ..."
Tel Johnson kratzte sich an seinem Kahlschädel.
"Es ist mir neu, dass das technisch möglich ist. Im Programm ist das nicht vorgesehen."
"Ich habe das Programm etwas modifiziert", log ich. Irgendwie musste ich ihm ja erklären, weshalb er nur ein paar Stunden meines Lebens zu Gesicht bekam.
"Überspielen Sie uns die Daten. Ich peile Sie an", sagte Zef Ahmad. Sein Blick wirkte etwas angestrengt. Offenbar wurde gerade eine Anzeige auf seine Netzhaut projiziert. "Aktivieren Sie den Code, der uns den Zugang zu den visuellen und akustischen Aufzeichnungen ermöglicht ..."
"Wer garantiert mir, dass die Daten hernach auf Ihren Speichern gelöscht werden?", fragte ich, vielleicht um Zeit zu gewinnen.
"Wir", war Zef Ahmads knappe Antwort.
Tel Johnson ergänzte: "Wir und das Gesetz."
"Und wann bekomme ich die Ermittlungsergebnisse?", hakte ich nach.
"Kann etwas dauern. Wir nehmen das Material sehr genau unter die Lupe. Sobald wir einen Hinweis bekommen, unterrichten wir Sie."
"CyberSensor-Aufzeichnungen gelten für sich genommen nicht als Beweismittel", gab ich zu bedenken. "Sie gelten als manipulierbar."
Tel Johnson lachte. "Da kennt sich aber einer aus, was?"
"Ich habe mal im Luna City Police Department gearbeitet. Aber das ist schon eine Ewigkeit her."
Das war noch nicht einmal gelogen.
Tel Johnson atmete tief durch. "Hören Sie, wir greifen im Moment nach jedem Strohhalm! Es scheint, als gäbe es in Dar-es-Sahara einen wahnsinnigen Saboteur, der auch schon anderswo zugeschlagen haben könnte ... Helfen Sie uns, Tabor!"
Eine Pause des Schweigens entstand.
Zef Ahmad schlürfte an seinem Zitronentee.
"Okay", sagte ich. Mir war klar, dass ich keine andere Wahl hatte, ohne mich verdächtig zu machen. Aber bis die beiden mit dem Datenmaterial etwas 'angefangen ' hatten, war ich längst über alle Berge. Irgendwo am Ende der Galaxis, auf den Äußeren Kolonien ...
... oder in einem OutlawSector hier auf der Erde! ging es mir durch den Kopf.
Sie würden alles sehen, was ich gesehen hatte, alles hören, was ich gehört hatte.
Auch meine Recherche, den MEGA KILLER betreffend.
Die Aufzeichnungen mussten in dem Moment beginnen, in dem ich den neuen CyberSensor eingesteckt hatte. Kurz nachdem ich aus dem Wasser gestiegen war, um in den Gleiter zu gelangen ...
Wenn jemand wusste, wonach er zu suchen hatte, konnte er eine Verbindung zwischen dem Verschwinden eines gewissen Dak Morley in Barcana und den CyberSensor-Aufzeichnungen eines Mannes namens Greg Tabor ziehen…
Nein, dachte ich, nicht die beiden! Die werden danach gar nicht suchen.
Ich war wieder genau dort, wo ich vor wenigen Stunden schon einmal gewesen war: verzweifelt bemüht, einen kleinen Vorsprung zu erreichen. Eine Atempause, um Luft zu holen.
Ich ließ sie die Daten kopieren.
Die nächste Frage, die Zef Ahmad stellte, gefiel mir nicht.
Ich sah einen triumphierenden Blick, vermischt mit einem kalten Glitzern in seinen Augen.
"Haben Sie sich schon um ein neues Appartment hier in Dar-es-Sahara gekümmert?"
"Nein."
"Dann wollen Sie die Stadt verlassen?"
"Der Schock über das Geschehene sitzt ziemlich tief."
"Bevor Sie sich in die Weite der Galaxis verkrümeln, möchte ich, dass Sie sich mit jemandem unterhalten ..."
"Mit wem?"
"Einem Kollegen. Er müsste eigentlich schon hier sein. Weiß auch nicht, warum er sich verspätet, mit den Transmitterverbindungen nach Barcana ist doch eigentlich alles in Ordnung."
Tel Johnson mischte sich ein. Er sagte grinsend: "Ein paar Minuten haben Sie doch noch Zeit, oder? Der Kollege wird gleich hier sein."
Ein Kollege aus Barcana. Das konnte nur Lugan Caminaro sein. Es lag auf der Hand, dass er sämtliche Datenleitungen hatte heiß laufen lassen, um nach Vorfällen zu fahnden, die mit dem, was in Barcana geschehen war, in Zusammenhang stehen konnten. Ähnliche Attentate, SYSTEME, die plötzlich ohne jeden erkennbaren Grund außer Kontrolle geraten waren.
Ich hätte es wissen müssen!, durchzuckte es mich.
Lugan Caminaro war ein schlauer Fuchs.
Ein paar Sekunden lang dachte ich darüber nach, was ich tun konnte. Ich war unbewaffnet, mir gegenüber zwei Polizisten, deren Strahler mich augenblicklich betäuben konnten, wenn ich eine verdächtige Bewegung machte. Und selbst wenn es mir gelang, die beiden zu überwältigen, blieb die Frage, wie es danach weitergehen würde. Natürlich war ich dann in sämtlichen Datennetzen zur Fahndung ausgeschrieben ...
"Ich bin einverstanden", sagte ich. "Ehrlich gesagt, ich hatte auch noch gar keine konkreten Reisepläne ..." Ich versuchte ein möglichst entspanntes Gesicht zu machen.
"Um so besser", meinte Tel Johnson. Während er grinste, entblößte er zwei Reihen völlig gleichmäßiger Zähne. (Irgendwie war es in den letzten fünfzig Jahren aus der Mode gekommen, an den Seiten etwas spitzer zulaufende Eckzähne zu haben. Sie störten das Ebenmaß, fanden viele.)
Der Puls schlug mir bis zum Hals und mir wurde klar, dass mit jeder Sekunde, die jetzt verrann, meine Chancen weiter schwanden.
Caminaro war auf dem Weg hier her, zweifellos. Jeden Moment mochte er aus dem Gang herauskommen, der zu den zum Raumhafen gehörenden Transmitterterminals gehörten. Der Großteil des Waren- und Personenverkehrs in der Galaxis wurde über Transmitter abgewickelt, zumindest im Iplan-Bereich. Die meisten Raumschiffe waren private Yachten. Wenn ich eine davon kapern konnte, hatte ich vielleicht eine Chance.
Alles auf eine Karte!, dache ich.
Wenn Lugan Caminaro mich erstmal in seinen Fängen hatte, dann war ich verloren. Ich versuchte einen entspannten Eindruck zu machen. Dann nutzte ich einen Augenblick der Unaufmerksamkeit bei den beiden Gesetzeshütern. Blitzschnell ließ ich meine Hand vorschnellen. Ein gezielter Schlag gegen die Schläfe ließ Zef Ahmad aufstöhnen.
Ich riss ihm den Strahler aus der Magnethalterung, schwenkte den Lauf herum und drückte ab. Der grünblaue Betäubungsstrahl erfasste Tel Johnson. Der Kahlkopf hatte seine Waffe gezogen und in Anschlag gebracht. Aber mein Strahl erwischte ihn rechtzeitig, um ihn am Schuss zu hindern. Betäubt sank er in sich zusammen.
Zef Ahmed bewegte sich.
Der Schlag gegen die Schläfe hatte nicht ausgereicht, um ihn ins Reich der Träume zu versetzen. Ein Strahlschuss aus nächster Nähe besorgte das. Zef Ahmad rutschte von seinem Stuhl herunter.
Beinahe im selben Moment zischte ein Strahlschuss dicht über mich hinweg.
Lugan Caminaro war aus dem Gang zu den Transmittern gekommen. Der Mann vom Barcana Police Department hatte die Situation sofort erfasst.
"Stehenbleiben, Morley!", rief er und schoss erneut. Ich nahm an, dass es sich um einen Betäubungsstrahl handelte, denn eine Lizenz zum Töten, wie ein gewisser antiker 2-D-Held, hatten die irdischen Polzisten des 35. Jahrhunderts nicht.
Die anderen Café-Gäste, die inzwischen auf das Geschehen aufmerksam geworden waren, duckten sich nieder. Nur der Pador in seinem Druckanzug begriff die Situation nicht.
Ich warf mich zu Boden, rollte mich ab und feuerte dann noch einmal einen Breitbandschuss in Caminaros Richtung. Auf diese Weise war die Chance größer, ihn zu treffen, andererseits musste ich damit rechnen, dass die Strahlendosis nicht groß genug war, um ihn wirksam zu stoppen. Ich sah ihn wanken, sprang auf und lief zum Rand der Terrasse. Eine hüfthohe Mauer grenzte sie von dem Abgrund ab. Unten war das Seeufer. Zwanzig Meter tief. Kein Problem für das Antigravaggregat an meinen Schuhen. Der getönte Schirm aus Leichtenergie ließ sich zwar von Gleitern durchdringen, aber je nach Programmierung würde ich da meine Schwierigkeiten haben.
Ich fürchtete, dass sogar eine Anti-Selbstmord-Konfiguration vorgenommen worden war, die Sprünge in die Tiefe verhinderte. Ich blickte mich um, suchte nach dem Aggregat, das den Schirm aufrecht erhielt. Es war in eine Ausbuchtung der Wand eingelassen. Ich stellte Strahler auf die höchste Energiestufe und feuerte los.
Ein verbrannter Geruch breitete sich aus.
Das Aggregat explodierte.
Der getönte Leichtenergieschirm platzte wie eine Seifenblase. Ich stieg auf die Mauer, blickte hinab. Einer der öffentlichen Gleiter schwebte etwa zehn Meter tiefer daher. Unbemannt. Offenbar war er aus einer der unzähligen wabenförmigen Segmente von Dar-es-Sahara heraus gerufen worden und folgte jetzt dem von der Gleiterzentrale eingegebenen Kurs.
Wenn ich Glück hatte, erwischte ich das Ding.
Es war besser, als sich unten auf dem Boden wiederzufinden, wo es für Lugan Caminaros Leute eine Kleinigkeit war, mich aufzuspüren. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass Caminaro sich von der Wirkung des Breitband-Betäubungsschusses erholte.
Ich sprang.
Das Antigravaggregat sorgte dafür, dass nicht allzu hart auf dem transparenten Dach des Gleiters aufkam. Ich hatte meine liebe Mühe, mich so festzuhalten, dass ich nicht im nächsten Moment Hals über Kopf in die Tiefe stürzte. Der Gleiter flog mit mäßiger Geschwindigkeit dahin, das war mein Glück. Es gab kaum Punkte, an denen ich mich festhalten konnte. Die Oberfläche war glatt und schon von ihrer chemischen Struktur her so konzipiert, dass nichts an ihr haften blieb. Ich griff nach einer Ausbuchtung, von der ich annahm, dass dort Ortungssensoren untergebracht waren.
Ich klammerte mich förmlich daran fest und konnte nur hoffen, dass der Gleiter seinen ruhigen Kurs fortsetzte.
Oben an der Mauer erschien Lugan Caminaro.
Er richtete den Lauf seines Strahlers in meine Richtung, senkte ihn aber dann wieder.
Er schickte mir nicht einmal mehr einen Breitband-Betäubungsschuss hinterher.
Ein triumphierendes Grinsen glaubte ich auf seinem Gesicht zu erkennen, auf die Entfernung war das vielleicht auch nichts weiter als eine psychische Projektion meinerseits. Mir war klar, was Caminaro tun würde, beziehungsweise, was ich an seiner Stelle getan hätte.
Der Gleiter wurde ferngesteuert. Warum sollte man den Kurs nicht einfach ändern und dafür sorgen, dass er mich direkt zu einer Arrestzelle brachte?
*
Ich musste in die Passagierkabine des Gleiters hinein. Nur von dort konnte ich an die elektronischen Systeme heran.
Vergeblich versuchte ich, die Steuerung des Schiebeschotts über meinen CyberSensor anzusteuern.
Aber da biss ich auf Granit.
>Ein Öffnen des Schotts während der Fahrt ist gegen die Sicherheitsbestimmungen, die in der Stadt Dar-es-Sahara, Erde, für den Betrieb öffentlicher Gleiter erlassen wurden, Benutzer Greg Tabor!>, so schrillte die Pseudostimme in meine Hörnerven hinein.
Ich konnte es mir nicht leisten, länger mit dem SYSTEM herumzuargumentieren.
So blieb nur der Weg purer Gewalt. Ich versuchte, mich nur mit einer Hand festzuhalten. Es ging einigermaßen. Mit der freien Hand griff ich zum Strahler. Die Waffe war nach meinem Schuss auf das Aggregat des Leichtenergieschirms genau richtig geschaltet. Höchstes Energie-Level, Thermo-Strahl. Mit dem Strahler, den ich Zef Ahmad abgenommen hatte, brannte ich ein Loch in das transparente Gleiterdach. Die Durchsichtigkeit täuschte stark über die wahre Stabilität und Dicke des Materials hinweg. Es war nicht leicht, ein Loch hineinzubrennen, das groß genug für mich war. Aber schließlch hatte ich es geschafft. Ich kletterte hindurch und landete etwas unsanft auf dem Boden der Gleiterkabine. (Bei einer so vergleichsweise niedrigen Höhe konnte mich auch das Antigravaggregat an meinen Stiefeln nicht retten. Im Gegenteil. Es bestand die Gefahr, beim Aufprall unkontrolliert durch die Gegend geschleudert zu werden.)
Ich rappelte mich rasch auf.
Mit einem Griff hatte ich den Decoder aus der Brusttasche gezogen, während ich den Strahler an den dafür vorgesehenen Magnethalterungen meiner Kombination befestigte.
Mit dem Decoder war es keine größere Schwierigkeit, die Steuerung des Gleiters selbst zu übernehmen – oder zumindest die Kursprogrammierung. Ganz ausschalten ließen sich die Autopilot-Funktionen bei den meisten Fabrikaten nicht. Hersteller und Gesetzeshüter vertrauten den Fähigkeiten der Maschinen einfach etwas weitgehender als denen der Menschen.
Der Gleiter machte eine scharfe Kurve. Ich ließ ihn direkt auf den See zufliegen und programmierte die Höchstgeschwindigkeit ein. Das Gefährt schoss über das leuchtende Blau hinweg, das große Auge Afrikas. Einige Augenblicke lang hielt die Beschleunigung an. Durch das Loch, dass ich in das transparente Dach des Gleiters gebrannt hatte, zog es.
Ich versuchte unterdessen verzweifelt, mit Hilfe meines Decoders das SYSTEM des Gleiters vollkommen unter Kontrolle zu bekommen, um das Gefährt über meinen CyberSensor steuern zu können. Eine entsprechende Anzeige mit dem Emblem der öffentlichen Gleiterbetriebe von Dar-es-Sahara flackerte kurz im Gesichtsfeld meines linken Auges auf, begann dann zu wandern, spiegelte sich und verschwand wieder.
>Keine Systemunterstützung>, war der trockene Kommentar der Pseudostimme. >Benutzer Greg Tabor, wollen Sie einen weiteren Versuch starten, die Kontrolle über den Gleiter Nr. XWMT-4534 im Dienst der öffentlichen Gleiterverkehrsbetriebe von Dar-es-Sahara zu übernehmen?>
"Na klar!", knurrte ich ungeduldig.
Ich registrierte, dass die Beschleunigung nachließ. Da stimmte etwas nicht. Vielleicht drehte man mir aus der Ferne den Energiehahn zu ... Soweit mir bekannt war, verfügten die einzelnen Gleiter zwar über autonome Energiereservoire, aber die ließen sich unter Umständen per Fernsteuerung so manipulieren, dass von deren Inhalt nichts mehr an den Antrieb weitergeleitet wurde.
Die Pseudostimme meldete sich wieder.
>Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie mit der Manipulation des internen SYSTEMS gegen verschiedene Vorschriften der Stadt Dar-es-Sahara, der planetaren Regierung der Erde sowie der Bundesregierung der Inneren Planeten verstoßen. Dies kann schwerwiegende Konsequenzen haben.>
"Ja, ja ..."
Der Gleiter ging jetzt ganz offensichtlich in eine Art Sinkflug über. Die Zeit rann mir zwischen den Fingern davon. Im Gegensatz zum VXR, den ich gegen die Mauern des World Trade Centers gejagt hatte, besaß dieses Modell keine Transmitterstation, die mich innerhalb von Nullzeit irgendwohin springen lassen konnte. Ich blickte durch die Verglasung hinaus. Man brauchte nichteinmal einen Computer, um zu begreifen, dass der wahrscheinliche Landepunkt irgendwo mitten in dem leuchtenden Blau liegen würde.
Ich startete noch einen weiteren, fast schon verzweifelten Versuch, das SYSTEM des Gleiters endlich unter Kontrolle zu bekommen. Den Decoder setzte ich diesmal bei der Klimaanlage an. Geh durch ein wenig gesichertes Nebentor, wenn der Haupteingang versperrt ist. Es war wirklich immer dasselbe Prinzip, das man anwenden musste, um ein SYSTEM zu knacken. Nur war es manchmal nicht so einfach, dieses wenig gesicherte Nebentor zu finden. Und für eine langwierige Suche hatte ich keine Zeit mehr.
Dann schien es endlich zu klappen.
Die Anzeige in meinem Sichtfeld blieb stabil. Ein Menue mit verschiedenen Eingabemöglichkeiten erschien. Ich sorgte mit einem Mentalimpuls dafür, dass der Energietransfer wieder reibungslos funktionierte.
Auf den Gleiter hatte das eine ähnliche Wirkung wie in antiker Zeit ein volles Durchtreten des Gaspedals bei einem Automobil, wie man es in zahllosen 2-D-Klassikern bewundern konnte. Der Gleiter schoss dicht über die Wasseroberfläche hinweg, tuschierte sie sogar und und zog dann wieder hinauf. Wie eine Rakete schnellte er über die Seeoberfläche. Es war eine Art Blindflug und mir war klar, dass so etwas ohnehin nur über der glatten Oberfläche eines relativ großen Gewässers funktionieren konnte, wo man nicht ständig Gefahr lief, mit irgendwelchen Bodenerhebungen zu kollidieren.
Aber nach und nach bekam ich die Steuerung einigermaßen unter Kontrolle.
Wo ich mich genau befand, wusste ich nicht.
Nach meiner Schätzung hatte ich etwa die Hälfte des großen Auges von Afrika hinter mir. Ein weites, strahlend schönes Meer, umgeben von einem breiten Streifen fruchtbaren Landes. Dahinter kam dann die Wüste. Eine Wüste, die sich in den letzten tausend Jahren weiter und weiter hatte zurückziehen müssen.
Eines Tages, so ging es mir ironisch durch den Kopf, würde man sie unter Naturschutz stellen müssen und versuchen, sie künstlich in einem Zustand vollkommener Unfruchtbarkeit zu belassen.
Als in der Ferne das gegenüberliegende Seeufer auftauchte, hatte ich den Gleiter schon ganz gut in der Gewalt.
Schade, dass es sich nicht um ein raumtaugliches Gefährt handelt!, überlegte ich. Ein Raumgleiter, das wäre es gewesen. Im Moment wäre das vielleicht sogar die einzige Möglichkeit für mich gewesen, die Erde unbemerkt zu verlassen – denn Transmitter-Terminals waren für mich tabu. Jedenfalls so lange ich keine neue Identität besaß.
Aber dieser öffentliche Gleiter aus Dar-es-Sahara war natürlich nur für den Atmosphärenflug geeignet – und selbst das nur in eingeschränktem Maße. Den technischen Daten zu Folge tat man gut daran, in der untersten Troposphäre zu bleiben. Und mit dem Loch im Dach war selbst das schon kein Vergnügen mehr.
Ich hatte das Ufer des Sees erreicht, als ein Warnhinweis in meinem Sichtfeld aufflackerte.
Ich drehte mich um und sah es dann mit eigenen Augen.
Drei blitzschnelle Kampfgleiter waren mir gefolgt. Über die Sichtanzeige meines CyberSensors ließ ich mir eine Vergrößerung auf das linke Auge geben. Man konnte deutlich das Emblem der Polizei von Dar-es-Sahara an der kugelförmigen Hauptsektion der Gleiter sehen.
Sie waren mir also auf den Fersen.
Wenn ich sie näher herankommen ließ, konnten sie mit einem gezielten Strahlschuss meinen Gleiter zum Absturz bringen. Ich hingegen hatte keine Verteidigungsmöglichkeit, von dem Handstrahler, den ich Zef Ahmad abgenommen hatte, mal abgesehen.
Eine Warnanzeige in meinem Sichteld machte mich darauf aufmerksam, dass meine Verfolger auch noch eine elegantere Variante auf Lager hatten. Sie peilten das Gleiter-SYSTEM an, um die Kontrolle darüber zu bekommen. Aber das misslang erstmal.
Ich senkte die Flugbahn des Gleiters, zog über das bewaldetete Seeufer hinweg.
Dann folgte Grünland, das langsam in felsige, trockene Gebiete überging. Die Wüste begann. Felsmassive, in Jahrmillionen durch Wind und Sand bearbeitet, bildeten bizarre Skuplturen.
Die Verfolger holten auf.
Über Funk erreichte mich eine Warnung.
Das SYSTEM spielte sie mir über den CyberSensor in die Hörnerven.
>GEBEN SIE AUF, GREG TABOR – ODER DAK MORLEY! – ODER WIE IMMER SIE AUCH IN WAHRHEIT HEISSEN MÖGEN ... SIE HABEN KEINE CHANCE, ZU ENTKOMMEN! WENN SIE DIESE ANORDNUNG MISSACHTEN, SO KANN ...>
Ich sorgte dafür, dass die Pseudostimme verstummte. Die Botschaft meiner Verfolger wollte ich nicht hören.
In meinem Hirn arbeitete es fieberhaft. Der Gleiter schwebte indessen auf die bizarren Felsen zu, diesen eiszeitlichen Skulpturenpark.
Ein Naturdenkmal.
Für mich bedeutete das, dass meine Verfolger sich im Gebrauch von Strahlwaffen zurückhalten mussten. Schließlich war die Strafverfolgung von jemandem wie mir es nicht wert, dass man dafür die Sehenswürdigkeiten dieses alterwürdigen Planeten in Schutt und Asche legte. (Die Erde hatte es ohnehin schon schwer genug, was die Bewahrung ihres historischen Erbes anging. Allein im Iplan-Bereich gab es nämlich inzwischen noch zwei weitere Welten, die von ihren Bewohnern als Ursprungsort der Menschheit angesehen wurden.)
Ich muss aus dieser Metallplastik-Kiste heraus!, ging es mir durch dem Kopf.
Einige Sekunden lang war ich wie gelähmt. Unfähig, etwas zu tun oder auch nur zu denken. Eine Art Agonie der bevorstehenden Niederlage. Welche Optionen hatte ich schon?
Keine!, war die ernüchternde Antwort.
Wenn ich durch den Wald der Felsskulpturen hindurchflitzte, dann würde dahinter die offene Wüste folgen.
Die Verfolger mussten mich früher oder später einholen.
"Unter Beibehaltung der gegenwärtigen Geschwindigkeitsunterschiede in genau 12 Minuten und 24 Sekunden", belehrte mich die Pseudostimme – beinahe so, als ob sie ebenfalls versuchte, mich zum Aufgeben zu überreden.
"Danke", murmelte ich sarkastisch.
>Ich stehe Ihnen jederzeit für statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen aller Art zur Verfügung.>
"Wirklich tröstlich, das zu wissen ..."
Der Gleiter flitzte mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen den Felsen hindurch. Manchmal waren es nur wenige Zentimeter, die zwischen der Außenhaut des Gleiters und dem Gestein lagen. Aber der Autopilot, den man hier eingebaut hatte, taugte offenbar etwas.
Ich versuchte mich in die Haut (oder die Plastikmetallmembran?) meiner Verfolger zu versetzen.
Sie erwarteten nichts anderes, als dass ich einfach weiter kopflos davonflog und sie mich dann nur aufsammeln mussten, sobald sie mich eingeholt hatten.
Du musst etwas Unerwartetes tun. Etwas, womit niemand rechnet.
Ein Mentalbefehl sorgte dafür, dass der Gleiter sehr abrupt abbremste, als ich die Felsen schon beinahe hinter mir hatte.
Ich ließ das Gefährt in der Nähe eines der Felsmassive auf Geschwindigkeit von unter 30 km/h gehen, dann öffnete ich den Außenschott und sprang aus einer Höhe von acht bis zehn Metern hinaus. Der Gleiter beschleunigte dann, setzte seinen Weg auf dem programmierten Kurs fort.
Ich landete unterdessen mit Hilfe der Antigravaggregate unter meinen Schuhsohlen.
An den steilen, rutschigen Hängen war es nicht ganz leicht, Halt zu finden. Kaum hatte ich das einigermaßen geschafft, griff ich mir an den Nacken und riss den CyberSensor aus der dafür vorgesehenen Öffnung. Ich deaktivierte das Gerät, um nicht angepeilt werden zu können.
Ein paar Schritte und ich befand mich in einer Spalte, kauerte mich dort hinein und wartete ab.
Die Verfolger näherten sich. Das sonore Brummen des Antriebs war kaum hörbar. Sie flogen dicht über den Boden. Die Antigravaggregate der Kampfgleiter wirbelten den feinen Wüstensand wie bei einem Sturm auf. Ich schützte die Augen mit den Armen. Innerhalb von Augenblicken war der Sand in jeden Winkel meiner Kleidung gelangt. Ich konnte kaum atmen.
Der Sandsturm dauerte nur einige Augenblicke.
Dann war aus der Ferne das dumpfe Geräusch einer Detonation zu hören. Vermutlich hatte der Gleiter, mit dem ich geflohen war, seinen unkoordinierten Flug mit einer harten Landung abgeschlossen.
Ich ließ den CyberSensor in einer der zahllosen Taschen meiner Kombination verschwinden.
Was bist du ohne dieses Ding?, ging es mir durch den Kopf. Was bist du ohne Zugang zum GalaxyNet, ohne Leuchtanzeige im Gesichtsfeld, ohne die vertraute Pseudostimme irgendeines SYSTEMS in deinen Hörnerven?
Ein Niemand.
Ein Outlaw.
Ausgestoßen aus der galaktischen Gemeinschaft.
Viel Zeit blieb mir in dieser Situation nicht, über diese Dinge nachzudenken. Aber ich registrierte deutlich ein Gefühl des Unvollständigseins. Mensch und Computer waren über Jahrtausende eine Symbiose eingegangen. An ein Datenverarbeitungssystem angeschlossen zu sein erschien mir als natürlich, davon abgeschnitten zu sein als ...
... unmenschlich.
Wenn man die Sache im Licht jenes Menschenbildes betrachtete, das die alten 2-D-Filme so unverwechselbar geprägt hatte, war das paradox.
*
Ich löste den Strahler aus der Magnethalterung und überprüfte die Ladung. Das Energiereservoir war noch einigermaßen gefüllt. Immerhin.
Ich rappelte mich auf und ging in die enger werdende Felsspalte hinein. Hoch über mir befand sich deren Öffnung. Ein breiter Strich aus grellem Tageslicht. Ein ähnlicher Strich befand sich am Ende der Spalte. Dort konnte ich also wieder ins Freie gelangen. Der Untergrund unter meinen Füßen bestand aus pulverigem Sand. Ich sackte bis zu den Knöcheln ein und hoffte inbrünstig, dass mein Antigravaggregat nichts dagegen hatte, wenn ein paar der feinen Körner ins Innere rieselten.
Aber im Augenblick stand mir das Aggregat ohnehin nicht zur Verfügung.
So wie alles, das über den deaktivierten CyberSensor gesteuert wurde. Ich konnte nur von Glück sagen, dass der Strahler in meiner Hand über einen separaten Rechner verfügte. Allerdings stand mir nun auch keine unterstützende Zielerfassung im Sichtfeld meines linken Auges zur Verfügung.
Jahrtausendelang sind respektable Kriege ohne solche Hilfsmittel geführt worden, tröstete ich mich mit einer zynischen Bemerkung. Aber nicht einmal die Pseudostimme irgendeines SYSTEMS würde mir auf diesen Gedanken antworten.
(Mit Zynismus und Ironie hatten SYSTEME im allgemeinen so ihre Probleme. Ich hatte einige Versuche unternommen, mir entsprechende Konfigurationen einzurichten, aber die Erfolge waren stets bescheiden gewesen. Anscheinend gab es letztlich doch ein paar fundamentale Unterschiede zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz. Silizium und Kohlenstoff. Vielleicht brachte es das auf den Punkt.)
Der Wind heulte zwischen den Felsen hindurch. In der Spalte herrschte ein richtiger Luftzug, der meine Haare durcheinanderwirbelte. Mir wurde kalt, trotz der mörderischen Hitze, die draußen, in der freien Wüste um diese Tageszeit eigentlich herrschte. aber hier in der Felsspalte, ohne jeden Sonnenstrahl, herrschten andere Verhältnisse. Es musste Jahrmillionen Jahre her sein, dass der letzte Sonnenstrahl hier aufgetroffen war. Und seit der Deaktivierung meines CyberSensors war auch die Temperaturregulierung meiner Kleidung nicht mehr aktiv.
Ich hielt inne, nachdem ich etwa ein Dutzend Meter hinter mich gebracht hatte, wandte mich um und blickte zurück. Durch den Eingangsspalt konnte ich nichts weiter als helles, gleißendes Sonnenlicht sehen. Es hatte etwa dieselbe Wirkung, als wenn mich jemand mit einem starken Scheinwerfer direkt angestrahlt hätte.
In das Heulen des Windes mischte sich ein dumpfes Brummen.
Ich lauschte angestrengt.
Das Brummen wurde lauter.
Wann war ich das letzte Mal so sehr auf meine SINNE angewiesen gewesen? Auf meine CORPORALEN Sinne, um genau zu sein. Ich erinnerte mich nicht. Mit dem CyberSensor in meinem Nacken wäre es eine Kleinigkeit gewesen, die Geräusche sauber zu analysieren, die Richtung zu bestimmen ... Selbst begründete Vermutungen zu Typ und Hersteller der anrückenden Gleiter hätte ich mir auf die Sichtanzeige holen oder von einer charmanten Pseudostimme in die Hörnerven hineinflöten lassen können.
Aber ein einziger kurzer Moment nur, in dem ich das Ding aktivierte, konnte für meine Verfolger ausreichen, um mich sicher anzupeilen.
Ich durfte das einfach nicht riskieren.
Das Brummen schwoll immer mehr an. Die Geräusche der Gleitertriebwerke schienen auf ungünstigen Frequenzen zu liegen. Der Fels wirkte wie ein Resonanzkörper für die Geräusche, die im Grenzbereich zum Infraschall liegen mussten. Töne, so tief, dass kein Opernbass sie noch singen oder auch nur hören konnte.
Meine Verfolger waren offenbar misstrauisch geblieben und suchten nach wie vor nach mir. Ich hatte gehofft, dass sie ihre Verfolgung nach der Explosion des Gleiters einstellen würden. Ich fragte mich, wo genau das Gefährt zerschellt war. Die Verfolger waren bei der Untersuchung der Trümmer offenbar zu dem Schluss gekommen, dass ich mich nicht mehr an Bord befunden hatte, als der große Knall vonstatten gegangen war.
Ich lehnte mich gegen den kalten Stein, fragte mich, wie ich die rasche Folge unbestimmter Geräusche DORT DRAUSSEN zu interpretieren hatte ...
Ein Kampfgleiter landete, so vermutete ich.
Ich brauchte nicht einmal eine Sichtanzeige, um mir vorzustellen, was dort vor sich ging. Die Orter der Kampfgleiter mussten meine Position selbst nach einem oberflächlichen Scan längst ermittelt haben. Auch ohne CyberSensor-Anpeilung. Lebewesen meiner Größe und meines Gewichts waren hier selten. Außerdem war mein Körper trotz der ausgefallenen Temperaturkontrolle meiner Kombination ein paar Grad wärmer als die Umgebung, was dafür sorgte, dass er sich auf jedem Infrarotbild gut hervorhob. Besonders, wenn ich mich bewegte.
Meine Verfolger brauchten nur zwei und zwei zusammenzuzählen.
Am Eingang der Felsspalte tat sich etwas. Ein skelettartiger Schatten hob sich gegen das grelle Sonnenlicht ab.
Ein bewaffneter Roboter, wie er von Polizei, Militär und diversen Security Services vorwiegend zur Bewachung sensibler Gebäude verwendet wurde. Ich kannte den Typ, hatte sogar ein paar Begegnungen der unangenehmen Art mit seinesgleichen hinter mir. Aber das war lange her, lag in einem anderen Leben.
Es handelte sich um einen Robot vom Typ TASK FORCE 216, auch kurz TF 216 genannt. Seine Gestalt war etwa so humanoid wie die des Kellners 'Jacques', der mir in Dar-es-Sahara begegnet war. Aber im Gegensatz zu 'Jacques' hatte dieser Vertreter seiner Art einen Nadler im rechten und einen Strahler im linken Arm eingebaut. Die Greifhände ließen sich beim Kampfeinsatz praktischerweise innerhalb von Sekunden vollkommen einklappen, so dass sie nicht störten und womöglich die Zielerfassung durcheinanderbrachten.
Ich presste mich dicht gegen den Stein, wartete ab, starrte dem skelettartigen TF 216 entgegen, der unter unter diesen Lichtverhältnissen wie eine groteske Mischung aus Ameise, Mensch und Konservendose wirkte.
Mein Puls schlug mir bis zum Hals, während sich mein robotischer Gegner langsam vorarbeitete.
Der TF hatte alle Zeit der Welt.
Seine Sehorgane blickten suchend umher. Er hatte drei davon, vermutlich aber höchstens zwei davon für Frequenzbereiche des sichtbaren Lichtes. Das dritte diente wahrscheinlich der Wahrnehmung von Infrarot und Ultraviolett.
Der Roboter näherte sich.
Ich umfasste den Strahler in meiner Hand, bereit, ihn jederzeit hochzureißen und abzufeuern.
Auf der anderen Seite der Spalte tat sich auch etwas. Ich konnte nichts erkennen, hörte nur ein Geräusch.
Eingekreist.
Ich saß in der Falle.
Der Roboter hob den Strahler, dessen Mündung aus dem Ende des linken Arms herausragte.
Wenn er einen BreitbandbetäubungSchuss abfeuerte, bekam ich mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas davon ab. Dann brauchten meine Verfolger mich nur noch einzusammeln. Vielleicht blieb nur die Flucht nach vorn.
Ich riss den Lauf des Strahlers empor, feuerte.
Ehe der Roboter seinerseits feuern konnte, hatte der Strahl seinen Kopf erwischt. Mit einem Zischen zerplatzte er. Der skelettartige Körper des Robots sackte vornüber und rutschte dann in den weichen Sand.
Ich rannte so schnell es ging davon, dem zweiten Ausgang der Spalte entgegen.
Auch dort wartete bereits ein Roboter.
Ich feuerte sofort auf ihn, traf seine Hauptsysteme im Torso. Mit einem dumpfen Geräusch sackte er in den weichen Sand und blieb dort liegen.
Ich erreichte das Freie, ließ den Strahlerlauf herumschwirren und kniff die Augen zusammen. Das Licht erschien mir unwahrscheinlich grell. Ungefähr fünfzig Meter entfernt ragte das nächste Felsmassiv auf, dazwischen gab es nur hin und wieder mehr oder weniger große Blöcke. Manche so groß wie ein Schädel, andere in der Größe eines VXR-Gleiters.
Hinter einem der Felsen blitzte etwas auf.
Ein Breitband-Betäubungsschuss.
Verdammt!, durchzuckte es mich.
Ich hatte den TF 216, der dort zwischen den Felsen gelauert hatte, einfach nicht früh genug gesehen.
Und jetzt war es vermutlich zu spät.
Ich warf mich hin, hechtete zu Boden und rollte mich durch den heißen Sand.
Ein blauer Strahl zuckte in Form eines immer breiter werdenden Fächers über mich hinweg.
Nahezu im selben Moment feuerte ich meinen Strahler ab. Mein Schuss ging knapp daneben. Der Strahl ließ den Fels in einem Kreis von etwa einem Meter Durchmesser rot aufglühen. Ich schwenkte ein paar Grad seitwärts und traf dann den Roboter. Mit einer Detonation flog das Gerät auseinander. Ich sah einen der skelettartigen Waffenarme durch die Luft fliegen und gegen eine Felswand klatschen.
Der Sand, in dem ich lag, war heiß.
Den ganzen Tag hatte die Sonne auf ihn herniedergebrannt. Ich fühlte die Hitze unangenehm durch meine Kombination, wollte mich aufrappeln und fühlte dann eine grausame Benommenheit.
Die Wirkung des Breitbandschusses.
Mit letzter Kraft schaffte ich es, wenigstens eine Drehung des Körpers zu vollenden. Krampfhaft schlossen sich meine Finger um den Griff des Strahlers und zitterten dabei.
Ich spürte, wie die Kraft immer mehr floh.
Mein Körper verweigerte mir den Gehorsam.
>Ein umfassender Fehler im corporalen System>, so hätte das die Pseudostimme vielleicht in einen ihrer unnachahmlich trockenen Kommentare gefasst.
NEIN!
Ich hatte schreien wollen, aber nicht einmal dazu war ich im Moment noch in der Lage. Die Waffe entfiel meiner Hand, rutschte in den Sand. Die Finger waren starr, gehorchten nicht mehr. Ich starrte sie entgeistert an, wie kleine Verräter, die sich auf die andere Seite geschlagen hatten.
Es ist aus!, ging es mir bitter durch den Kopf.
Ganz nebenbei registrierte ich den Summton. Erst als der große Kampfgleiter hinter dem Felsmassiv hervorkam, langsam auf mich zuglitt, da begriff ich.
Der Gleiter landete.
Ich fragte mich, ob Lugan Caminaro aus dem Außenschott treten würde. Aber das tat er nicht. Statt dessen lediglich zwei TASK FORCE 216-Einheiten, deren Bewegungen exakt synchron geschaltet waren.
Das sparte Rechnerleistung.
Die öffentliche Hand war eben in jeder Hinsicht auf Sparsamkeit bedacht.
Die Roboter traten auf mich zu, blieben dann rechts und links von mir stehen.
Lugan Caminaro beobachtete diese Szene vermutlich lediglich über seine Sichtanzeige – oder von einem Holodisplay in seinem Kontrollzentrum aus.
Das Spiel war aus.
Kein Zweifel.
Ich wollte die Augen schließen und stellte fest, dass ich nicht einmal das noch konnte.