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Grumpy x Sunshine: Ausgerechnet mit seiner streitlustigen Chefin Vienna soll der friedliebende Emilian eine Dating-App vermarkten!
Emilian ist ein echt netter Kerl, das finden alle. Nur bei seiner Vorgesetzten Vienna zieht sein Charme leider gar nicht, regelmäßig straft sie ihn mit einem spitzen Kommentar ab. Ausgerechnet mit ihr muss Emilian nun eine Dating-App testen und vermarkten! Doch je enger die beiden zusammenarbeiten, desto heißer, aber auch vertrauensvoller werden die Chats. Zum ersten Mal kann sich Emilian einem anderen Menschen öffnen und seine schmerzvolle Kindheit offenbaren. Und auch Vienna erfährt nach langer Zeit, wie schön es ist, sich bei einem Mann vorbehaltlos fallen zu lassen. Aber gerade als aus der heimlichen Büroaffäre mehr werden könnte, bricht die Vergangenheit wieder in Emilians Leben. Er muss eine folgenschwere Entscheidung fällen, die nicht nur ihn und Vienna betrifft ...
Tropes: Grumpy x Sunshine, Office Romance, Found Family
{heartlines} = True Story + New Adult: Inspiriert von den echten Geschichten und Persönlichkeiten der Storygeber*innen schreiben die Autor*innen Romane zum Eintauchen und Mitfühlen. Mit Charakteren, die Mut machen, und unvergesslichen Lovestorys, die unsere Herzen erobern.
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Seitenzahl: 603
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über den Roman
Emilian ist ein echt netter Kerl, das finden alle. Nur bei seiner Vorgesetzten Vienna zieht sein Charme leider gar nicht, regelmäßig straft sie ihn mit einem spitzen Kommentar ab. Ausgerechnet mit ihr muss Emilian nun eine Dating-App testen und vermarkten! Doch je enger die beiden zusammenarbeiten, desto heißer, aber auch vertrauensvoller werden die Chats. Zum ersten Mal kann sich Emilian einem anderen Menschen öffnen und seine schmerzvolle Kindheit offenbaren. Und auch Vienna erfährt nach langer Zeit, wie schön es ist, sich bei einem Mann vorbehaltlos fallen zu lassen. Gerade als aus der heimlichen Büroaffäre mehr werden könnte, bricht die Vergangenheit wieder in Emilians Leben. Er muss eine folgenschwere Entscheidung treffen, die nicht nur ihn und Vienna betrifft …
Über die Autorin
Cassidy Cane, 1993 in Wuppertal geboren, begann mit Fanfiction und hat seitdem nicht mehr aufgehört zu schreiben. Mittlerweile führt sie als Autorin eigener Romane ihre Protagonisten durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Cassidys Interessen sind »selektiv, aber intensiv«, wie sie mit einem Augenzwinkern betont: Sie fiebert leidenschaftlich bei der Formel 1 mit, trägt jeden Tag eine andere ihrer – mindestens! – zwanzig Basecaps, liebt das Kino und taucht an Lesetagen mit Herz und Seele in romantische und fantastische Buchwelten ab – es sei denn, Katze Coco oder Bichon-Frisé-Pudel Poet funken dazwischen.
Über den Storygeber
Kevin, geboren 1992, ist Marketingmanager und lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Süddeutschland. Von seinem eigenen Elternhaus hat sich Kevin schon früh losgesagt, doch das Thema Familie blieb stets ein Triggerpunkt – bis er einen Schlussstrich zog. Ein neuer Anfang kam, als er sich in seiner Firma verliebte … Schon immer übten das Schreiben und die Bühne eine große Faszination auf Kevin aus: Heute verarbeitet er seine Lebenserfahrungen in seinen Texten als Poetry-Slammer. »Das Leben ist gut, wenn du es bist«, davon ist Kevin überzeugt.
{heartlines} – based on a true story
Weil das Leben die besten Geschichten schreibt.
Jede Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Wir schaffen einen Safe Space für die Begegnung von Autor*innen mit jungen Menschen, die ihre Erlebnisse teilen möchten. Inspiriert von den echten Geschichten und Persönlichkeiten der Storygeber*innen schreiben die Autor*innen Romane zum Eintauchen und Mitfühlen. Mit Charakteren, die Mut machen, und unvergesslichen Lovestorys, die unsere Herzen erobern.
Wenn auch du als Storygeber*in dabei sein möchtest, dann schicke uns eine E-Mail an
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mit folgendem Inhalt: eine kurze Schilderung deiner wahren Erlebnisse und deine Motivation, aus deiner Geschichte einen Roman zu machen.
Die Länge sollte maximal 2-3 Seiten sein.
Wir freuen uns, von dir zu hören!
www.penguin.de/verlage/heartlines
@penguinlovestories
CASSIDY CANE
BASED ON KEVIN’S TRUE STORY
Roman
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Dieses Buch basiert zwar zum Teil auf wahren Begebenheiten und behandelt typisierte Personen, die es so oder so ähnlich gegeben haben könnte, einen Anspruch auf Faktizität erhebt es aber nicht. Diese Urbilder wurden jedoch durch künstlerische Gestaltung des Stoffes und dessen Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus dieses Kunstwerkes gegenüber den im Text beschriebenen Abbildern so stark verselbstständigt, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figuren objektiviert ist. Für alle Leser und Leserinnen erkennbar, erschöpft sich der Text nicht in einer reportagehaften Schilderung von realen Personen und Ereignissen, sondern besitzt eine zweite Ebene hinter der realistischen Ebene. Es findet ein Spiel mit der Verschränkung von Wahrheit und Fiktion statt, wodurch Grenzen bewusst verschwimmen.
Originalausgabe 3/2025
Copyright © 2025 by {heartlines}, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)
Redaktion: Stephanie Röder
Umschlaggestaltung: Favoritbuero, München
Umschlagmotiv: © DASILLUSTRAT, München
Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-641-32057-7V001
www.penguin-verlag.de
@penguinlovestories
Für alle, die sich vom Leben verarscht fühlen.Ihr habt mehr verdient.
Good Charlotte ∙ »Emotionless«
Charles Leclerc, Sofiane Pamart ∙ »Heartbeat«
Taylor Swift ∙ »The Man«
Casper ∙ »Ganz schön okay (feat. Kraftklub)«
Casper ∙ »Das Grizzly Lied«
Marianas Trench ∙ »Good to You«
Panic! At The Disco ∙ »Don’t Let the Light Go Out«
Simple Plan ∙ »Untitled (How Could This Happen to Me)«
George Michael ∙ »Careless Whisper«
Bastille ∙ »Poet«
Es geht nicht darum zu lernen, dass man nach dem Hinfallen immer wieder aufsteht. Es geht darum zu lernen, wie man fällt. Damit das nicht ganz so wehtut.K.R.
Liebe Leser*innen,ich freue mich, dass ihr euch mit Emilian auf die Suche nach Sonnenschein begeben wollt. Um euch das schönste Lesevergnügen bereiten zu können, ist es mir jedoch wichtig, euch auch auf einige Inhalte hinzuweisen, die teils schwer zu verdauen sein könnten. Sollte es daher Themen geben, die ihr vermeiden oder nur vorbereitet lesen möchtet, dann werft gerne einen Blick auf S. 484, wo die sensibleren Themen des Romans aufgelistet sind. Bitte denkt jedoch daran, dass die Liste euch potenziell für das Buch spoilern könnte. Ansonsten wünsche ich euch sehr viel Spaß mit Em und Vi!Eure Cassie
Emilian
Wie viel kann man auf den Tequila schieben, wenn das Leben – mal wieder – den Bach runtergeht? Vierzig Prozent, wie es auf dem Etikett der Flasche steht? Neunzig, weil Alkohol für fast alles Böse auf der Welt der Auslöser ist? Oder trägt er diesmal überhaupt keine Schuld? Wobei, das ist Schwachsinn. Ohne den beschissenen Billig-Tequila mit dem bescheuerten Sombrero als Deckel säße ich jetzt nicht in dieser Situation.
»Wow.«
Es ist Antonias erstes Wort, nachdem die Frage ihrer besten Freundin Vanessa das gesamte Wohnzimmer in neugierige Stille gehüllt hat. Alle im Raum hatten auf eine filmreife Vorführung gehofft, in der ich mich endlich vollkommen zu Toni bekenne, womöglich ein großes Liebesgeständnis, untermalt mit kitschiger Musik von Ed Sheeran und roten, herzförmigen Luftballons. Irgendetwas in die Richtung hatten sie … hatte Toni erwartet. Und geliefert habe ich ihnen die schweigende Emilian Sanders Show. Kein Wort hab ich rausgebracht. Und das, obwohl ich doch eigentlich so viel sagen möchte. Zum Beispiel, dass es mir leidtut, ihr nicht mehr bieten zu können. Oder, dass es nicht an ihr liegt, sondern an mir, so klischeehaft das auch klingt. Scheiße, ich fühle mich echt mies. Dafür gebe ich aber definitiv dem Alkohol die Schuld.
Toni reißt mir die Flasche aus der Hand. Kurz darauf breitet sich deren lauwarmer Inhalt auf meinem Kopf aus. Instinktiv springe ich von meinem Platz auf der Couch auf. Der Tequila bahnt sich in rasanter Geschwindigkeit seinen Weg über meinen Körper, rinnt zuerst mein Gesicht entlang und anschließend über meinen Rücken. Das sandfarbene Knopfhemd, das ich trage, ist nach wenigen Momenten komplett durchnässt und saugt sich unangenehm an meiner Haut fest.
Tja, das war’s dann wohl mit meinem Lieblingsteil.
Durch meine runden Brillengläser erkenne ich die Umgebung nur noch verschwommen, weil auch diese nicht vom Tequila verschont geblieben sind. Aber ich kann mir denken, dass jeder im Raum mit Fassungslosigkeit verfolgt, was passiert. Die gleiche Fassungslosigkeit, die ich vor wenigen Momenten noch empfunden habe. Dabei hätte ich nicht überrascht sein sollen. Vermutlich bin ich deswegen auch jetzt schon wieder die Ruhe selbst.
Ich ziehe mein Brillengestell von der Nase und fahre mir mit der Hand durch meine Haare, um die restliche Flüssigkeit, die sich weiterhin ihren Weg nach unten sucht, von meinen Spitzen zu meinem Hinterkopf umzuleiten. In meinen Nacken kann das Zeug meinetwegen abfließen, aber erneut über mein Gesicht? Damit hört der ›Spaß‹ auf. Von meinen Nikes fange ich gar nicht erst an. Ich hab es nur meinen schnellen Reflexen zu verdanken, dass die nichts abbekommen haben.
»Du beziehungsunfähiger Arsch!«
Mit dem bisschen meines Hemdes, das verschont geblieben ist, wische ich die Brillengläser sauber. Nachdem das Gestell wieder auf meiner Nase sitzt, höre ich die Wut meiner Freundin nicht mehr nur in ihrer Stimme, ich kann ihr den Zorn gestochen scharf von ihrem Gesicht ablesen.
Toni wirft mir die leere Flasche mit erstaunlichem Schwung vor die Füße. Diesmal sehe ich, wie einige Tropfen auf meinen weißen Sneakers landen. In Gedanken reibe ich das Material bereits mit einem Mikrofasertuch sauber. In der Realität stehe ich meiner vor Wut bebenden Freundin gegenüber und zwinge mich dazu, ihrem Ausbruch zuzuhören. Damit ihre Stimme tiefer zu mir durchdringt, schließe ich sogar die Augen. Ich habe verdient, was sie mir an den Kopf wirft.
»Zwei verdammte Jahre, Em! Ich habe zwei verdammte Jahre mit dir verbracht, ohne dich zu drängen. Ohne zu jammern, weil ich wusste, dass du Zeit brauchst! Und jetzt hast du mir immer noch nichts zu sagen?« Ihre Schultern zittern, und vor Aufregung hebt und senkt sich ihre Brust zügig. Mit jeder Bewegung tanzt der kleine Anhänger ihrer Kette, die sie erst seit heute trägt, mit. Ein vergoldetes A für ihren Vornamen. Der Schmuck ist ein Geburtstagsgeschenk von mir und war Tipp Nummer einundzwanzig auf einer Website, die nur Männer anklicken, die etwas suchen, das »ich kann dich leiden, aber lass es uns nicht verkomplizieren« schreit.
Tja, im Nachhinein würde ich dieser Internetseite eine negative Bewertung geben. Toni hat die Geste eindeutig falsch interpretiert, sonst hätte sie mich nicht mit erwartungsvollen Augen angesehen, als ihre vorlaute Freundin mich beim Trinkspiel gefragt hat, ob ich plane, mit Toni auch mal eine ernste Beziehung einzugehen.
Bei der Erinnerung an die Frage schweift mein Blick flüchtig zu Antonias schlechterer Hälfte.
Hmm. Womöglich ist sie an der ganzen Sache schuld? Ist ja schließlich ihre Idee gewesen, Wahrheit oder Pflicht zu spielen, als wären wir Teenager auf einer Pyjamaparty und nicht in unseren Zwanzigern. Zumindest denke ich, dass man so was mit dreizehn gemacht hat. Vielleicht war das mit Flaschendrehen und so bloß dahergesagt, um cool zu sein, und in Wirklichkeit wurde Bingo gespielt? Womöglich wollen sie jetzt diesen Kinderkram machen, um eine Erfahrungslücke zu schließen? Da ich selbst nie zu dieser Sorte von Party eingeladen wurde, kann ich nur spekulieren, was dort tatsächlich abgelaufen ist.
Ein weiterer Blick auf Vanessa und ein mentaler Flashback zu vorhin, als das Spiel in der Gruppe vorgeschlagen wurde, und ich muss mir eingestehen, dass weder der Alkohol noch sie für dieses Chaos verantwortlich gemacht werden können. Ich bin das Problem – ich und mein verkorkstes Vertrauen in diese noch verkorkstere Welt.
»Scheiße, verdammt, das geht dir echt total am Arsch vorbei, oder?« Tonis schrille, ungeduldige Stimme lenkt meinen Fokus wieder auf sie. Antonia tut mir leid. So hatte ich mir ihren einundzwanzigsten Geburtstag nicht ausgemalt. Es war nie meine Absicht, sie zu verletzen.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, murmele ich daher. Was in meinem Kopf nach einer legitimen Erklärung für mein Schweigen aussieht, lässt mich laut ausgesprochen eher wie ein kleinlautes Kind dastehen, das zusammengefaltet wird.
Toll gemacht, Emilian.
»Am besten, du sagst gar nichts mehr«, erwidert Toni. In ihrer Stimme schwingt mittlerweile Resignation mit.
»Echt mal. Wie konntest du nur deine Zeit mit dem da verschwenden?«
Vanessa mischt sich in das Desaster ein, legt ihrer besten Freundin den Arm um die Schultern und führt sie zur Balkontür auf der gegenüberliegenden Seite des Wohnzimmers. Toni murmelt zwar noch etwas, was sicher für mich bestimmt ist, doch ihre Stimme ist mit einem Mal leise, und ich verstehe aus der wachsenden Entfernung kein Wort mehr. Die von Nessa sind jedoch wahrscheinlich noch in Potsdam zu hören, so laut ist sie.
»Es ist nicht deine Schuld, dass er ein Arschloch ist, wie man es immer wieder im Internet sieht.«
Ja, damit hat Vanessa ausnahmsweise mal ins Schwarze getroffen.
Ein Teil von mir möchte Toni aufhalten und sich bei ihr entschuldigen. Erklären, warum ich bin, wie ich bin. Doch der viel größere Rest … der findet weiterhin keine Worte. Jedenfalls keine, die gutmachen könnten, was schiefgelaufen ist … damals … und heute.
»Hey, Em. Ich denke, du solltest jetzt gehen.«
Mark, bis dahin ein guter Freund von Toni und mir, klopft mir einmal auf die Schulter und deutet mit der anderen Hand zur Tür, die in den Flur führt. Die restlichen Partygäste, ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt unsere gemeinsamen Freunde, verfolgen die Szene weiterhin in sicheres Schweigen gehüllt. Ironisch, wenn man bedenkt, dass meine Stille doch dieses Fiasko erst ins Rollen gebracht hat.
Ein Teil von ihnen beobachtet mich, der andere schaut mitfühlend rüber zu Toni, die sich gerade bemüht, die Balkontür aufzudrücken.
»Ja, ist wahrscheinlich das Beste«, entgegne ich und zupfe an meinem Hemd, um es von meiner Tequila-klebrigen Haut zu lösen. Auf einmal möchte ich auch nichts anderes, als nicht mehr da zu sein. Das hier ist nicht länger meine Welt. Und offenbar sind das nicht weiterhin meine Freunde.
Ich umschließe bereits die Türklinke, als Toni nochmals ihre Stimme erhebt.
»Ach, und nur damit du’s weißt, Em. Während du dich zu Hause verkrochen und deine bescheuerten Texte geschrieben hast, habe ich gelebt. Ich mein, du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass mir das zwischen uns ausgereicht hat, oder? Eine Beziehung ist mehr als das bisschen, was du mir bietest! Und da draußen sind Männer, die mir genau das geben, womit du so Probleme hast!«
Damit verschwindet Toni mit Nessa auf den Balkon. Wenn die Stille vorher schon unangenehm gewesen ist, dann hat sie nach ihren Worten ein weiteres Tief erreicht.
»Ey, Mann.« Mark legt mir seine Hand auf den Arm und drückt einmal sachte zu. In seinem Blick entdecke ich Mitleid, mir entgeht jedoch nicht, wie er mich zielstrebig Richtung Haustür lotst. »Du weißt, dass es Pillen dafür gibt, oder?«
Stört es mich, dass wahrscheinlich nun alle auf der Party denken, ich hätte Probleme, einen hochzubekommen? Nein, denn so wie es aussieht, werde ich niemanden von ihnen je wiedersehen. Diese Leute, das waren Toni-mit-Emilian-Freunde. Von diesem Abend an gehören sie nur ihr. Das ist okay, ich hatte sowieso mit niemandem von ihnen groß was am Hut, das nicht in irgendeiner Weise mit Antonia zusammenhing. Stört mich das? Nein, auch das kann ich nicht behaupten.
Was mir allerdings gegen den Strich geht, ist die kleine, aber nicht weniger bedeutsame Tatsache, dass ich in diesem Augenblick in dem Spiegelbild der McDonald’s-Glasscheibe des Berliner Hauptbahnhofs nicht mich wiedererkenne. Mich blickt eine Person an, die ich geschworen habe, niemals zu werden.
Das Universum muss ein Fan von Ironie sein. Obwohl wir nicht blutsverwandt sind, sehen mein norditalienischer Stiefvater und ich uns verdammt ähnlich. Blass, groß und schlank. Hätte meine jüngere Schwester Gianna mir beim Tönen ihrer Haare nicht etwas von der restlichen Farbe abgedrückt, würden wir uns sogar das gleiche Blond teilen. Doch wenn man die reinen Äußerlichkeiten ignoriert, die mich zum perfekten Schein-Sohn gemacht haben, sieht man das, was mich seit meinem achten Lebensjahr verfolgt wie ein penetranter Albtraum: Einen Mann, der mehr als auf nur eine Art verloren ist.
Ich trete einen Schritt näher an die Scheibe und bemerke, wie meine Nasenflügel wackeln und mein linkes Auge zuckt. Erst durch den Schmerz in meinen Handflächen nehme ich wahr, dass ich mich in meiner Verteidigungshaltung befinde. Beide Hände zu Fäusten geballt, die Fingernägel tief in meine Haut bohrend, sodass sie höchstwahrscheinlich leichte Mondsichelabdrücke auf ihr hinterlassen.
Okay, wie war das? Fakten. Ich brauche Wahrheiten.
»Mein Name ist Emilian Sanders. Ich bin einundzwanzig Jahre alt. Die Queen ist tot, der BVB könnte besser dran sein und …«
Wow, wie deprimierend.
»Gut, noch mal von vorne. Ich bin Emilian Sanders, einundzwanzig Jahre alt, und ich besitze siebenundvierzig Fußballtrikots. Auf Regen folgt Sonnenschein, Affen sind die coolsten Tiere der Welt und … und mir geht es gut. Ja, ich mag heute Menschen verletzt haben, aber das ist nie meine Absicht gewesen. Und ja, ich trage dafür die volle Verantwortung, doch ich bin nicht schuld an damals. Die Vergangenheit hat mich geprägt, aber sie ist nicht meine Zukunft.«
Den letzten Satz sage ich dreimal hintereinander auf, so wie es dieser eine Möchtegern-Therapeut in seinem Youtube-Video empfohlen hat, auf das ich vor Jahren gestoßen bin. Damals, als ich es kaum ausgehalten und mir tagtäglich eingeredet habe, an allem schuld zu sein.
Ob die Sache mit dem Mantra legitim ist, weiß ich nicht. Aber es hilft, damit die Person in der Scheibe wieder zu der wird, die wirklich vor ihr steht – auch wenn es eigentlich keine großen Unterschiede zwischen ihm und mir gibt.
Er hat’s vermasselt. Ich hab’s vermasselt. Er hat Menschen wehgetan. Ich hab Menschen wehgetan.
Das Einzige, was mich davon abhält, mit voller Kraft gegen die Scheibe zu schlagen, ist die Zuversicht, mit der ich mich seit mehr als zehn Jahren über Wasser halte: Niemals.
Ich werde mich niemals in dieser Situation wiederfinden. Niemals werde ich mich derart verlieren, dass ich andere mit in die Scheiße ziehe.
Ich straffe meine Schultern, richte die Cappy, die meine in Tequila getränkten Haare verdeckt, und blicke ein letztes Mal zurück zu meinem Spiegelbild.
»Niemals, Em«, murmele ich, und als ich realisiere, dass Toni heute Abend zumindest nur mit einem blauen Auge davongekommen ist, schüttele ich ungläubig den Kopf.
Wie konnte ich nicht schon früher sehen, dass mein egoistisches Handeln sie verletzt hat?
Fassungslos denke ich an all die Situationen, in denen sie von einer Beziehung gesprochen hat. An die Momente, in denen ich sie vertröstet und mit schnellem Sex und Geschenken abgelenkt habe. Augenblicke, in denen ich ihr in Wirklichkeit immer wieder wehgetan habe.
Wow.
Um ein Haar hätte ich mich sehr wohl verloren. Ja, ich bin nicht wie er. Doch ein Schritt zu viel in die falsche Richtung, und ich könnte genauso enden.
Brief 33 an den Vater, den ich niemandem wünsche
Heute habe ich einen neuen Tiefpunkt in meinem Leben erreicht. Wer hätte gedacht, dass ich das mal behaupten würde? Man sollte doch meinen, dass es nach dir, nach den alltäglichen Respektschellen, blauen Flecken am Arm und Narben auf und in mir eigentlich nicht mehr schlimmer werden könnte. Doch es stimmt. Ich bin auf dem besten Wege so zu werden wie du, und das ist mein schrecklichster Albtraum. Am Ende könnte ich dich sogar übertrumpfen. Das macht mir verdammt Angst, und ich hasse dich dafür noch ein Stück weit mehr, auch wenn ich echt nicht geglaubt habe, dass das möglich ist.
Hat es bei dir auch so angefangen?
Antonia hat sich von mir getrennt. Das ist insofern witzig, weil ich selbst bis heute gar nicht richtig gerafft habe, dass wir in einer Beziehung gewesen sind. Eigentlich bin ich den Gesprächen, die in diese Richtung liefen, immer aus dem Weg gegangen, weil ich niemals auch nur annähernd riskieren wollte, jemanden in meiner Nähe zu haben, wenn der Mr Hyde in mir ausbricht. Was passiert, wenn ich mich nicht unter Kontrolle habe? Ich will nicht zu dem gleichen Monster werden wie du. Und doch habe ich es mit Toni dermaßen verkackt, dass sie mich mit dem Hass im Blick angestarrt hat, den ich von mir kenne, wann immer ich es wage, einen Gedanken an dich zu vergeuden.
Wird das für immer mein Leben sein? Unfähig zu lieben, aber gierig danach, geliebt zu werden, auch wenn es für andere den Untergang bedeutet? Und Antonia hat mich geliebt, sonst hätte sie es nicht so lange mit mir ausgehalten. So wie Mama dich geliebt hat. Was mir übrigens immer noch ein verdammtes Rätsel ist. Wie hast du das trotz deines Lotterlebens nur geschafft? Trotz der nächtlichen Bordellbesuche und Spielschulden, hast du sie nicht vertrieben. Sie hat dich nie mit Hass in den Augen angesehen. Vielleicht hätte sie es, wenn sie geahnt hätte, dass nicht nur sie mit Mr Hyde Bekanntschaft gemacht hat, sondern auch ihr eigenes Kind. Schon ironisch, oder? Wenn man bedenkt, dass sie, als ich klein gewesen bin, immer unter mein Bett gekrabbelt ist, um nach Monstern Ausschau zu halten, und nicht die geringste Ahnung hatte, dass sie sich mit dem wahren Ungeheuer das Bett geteilt hat …
Weißt du, wenn ich darüber nachdenke, dann bin ich sogar froh darüber, dass ich Toni das verkorkste Monster gezeigt habe, das unter dem Namen Emilian die Welt mit seiner Existenz beschmutzt. Willst du wissen, wieso? Weil sie sich nicht noch mal einen Emilian suchen wird. Kaputt und beziehungsgestört. Diese Lehre hat sie zwar ein gebrochenes Herz gekostet, doch sie wird Gold wert sein. Kannst du dir denken, warum?
Weil ich sie damit vor Menschen wie mir und dir bewahrt habe. Denn nach heute bin ich endgültig überzeugt davon, dass ich mir von dir eine ordentliche Scheibe abgeschnitten hab.
Nicht freiwillig.
Aber nach der Scheiße, die du mir angetan hast, war es irgendwie abzusehen, dass der widerliche Dreckskerl in dir auf mich abgefärbt hat.
Vienna
Warum ist es in der Gesellschaft verpönt, das Dessert am Anfang zu bestellen? Jetzt bin ich pappsatt, weshalb ich ein ganzes Stück Kuchen nicht mehr schaffe. Aber das Date läuft so gut. Ich möchte nicht, dass es vorbei ist. Verstohlen blicke ich daher zu meinem unglaublich attraktiven Gegenüber.
»Möchtest du dir mit mir noch einen Nachtisch teilen?«
»Sehr gerne. Unter einer Bedingung. Wir bestellen ihn zum Mitnehmen.«
Über diese Aussage überrascht, blicke ich von der Dessertkarte in meiner Hand auf und geradewegs in die frech glänzenden grauen Augen meiner Verabredung.
»Das heißt … falls du noch mit zu mir möchtest?« Timo, der wohl charmanteste Fitness-Coach in ganz Köln, grinst spitzbübisch. Dabei kommen beide Grübchen zum Vorschein, die ihn schon auf dem Anzeigebild seines Online-Dating-Profils nahezu unwiderstehlich gemacht haben. Jetzt, in echt, und mit nur einem winzigen Tisch zwischen uns, kann ich sagen, dass mir kein einziger Grund einfallen würde, wieso wir unsere Verabredung nicht bei ihm fortsetzen könnten. Da ich dieses Gespräch schon einige Male geführt habe, rüste ich mich für eine weitere Enttäuschung, setze mich aufrecht hin und schiebe die Speisekarte von mir. »Bevor wir diesen nächsten Schritt wagen, solltest du etwas über mich wissen.«
Timo beugt sich nach vorne und ergreift meine Hände. Erst da bemerke ich, dass ich sie in einem Schub von Nervosität knete.
»Meine Aufmerksamkeit liegt vollkommen auf dir, Vi.« Er lächelt und drückt ermutigend meine Finger.
»Es … es gibt da … okay, ich mache es kurz und schmerzlos. Ich hab einen Sohn. Sein Name ist Benji. Eigentlich heißt er Benjamin, aber er ist noch ein Baby, deswegen nennen meine Eltern und ich ihn Benji. Er … er ist zehn Monate alt und … ich denke, weil das hier unser sechstes Date ist und es zwischen uns ganz in Ordnung läuft … ist es nur fair, dir von ihm zu erzählen.« Nachdem aus mir herausgesprudelt ist, was gesagt werden musste, atme ich tief durch und warte angespannt auf Timos Reaktion.
Er hält noch immer meine Hände in seinen, was ich als gutes Zeichen interpretiere … oder meine Offenbarung hat ihn so geschockt, dass er in eine Starre verfallen ist. Auch gut möglich.
»Ich verstehe, wenn ich dich damit überrumpelt habe«, füge ich leise hinzu, um eine Regung aus ihm herauszulocken. Mit Erfolg, denn er räuspert sich, zieht unsere Hände zu seinen Lippen und drückt einen Kuss auf meine Fingerknöchel.
»Danke, Vi, dass du dich mir anvertraut hast. Ich kann es kaum abwarten, Benji kennenzulernen. Ist er gerade bei deinen Eltern? Soll ich dich dort nachher absetzen?«
Überrascht und sprachlos über seine Reaktion, nicke ich, woraufhin das freche Grinsen auf sein Gesicht zurückkehrt.
»Dann lass uns noch das Dessert teilen, ja? Bei mir? Und im Anschluss … kannst du mir deinen Benji gern vorstellen. Natürlich nur, wenn du das möchtest.«
Seine Worte sind wie Musik für meine Ohren.
»Ja, das fände ich echt schön.«
Als wäre das nicht schon der Jackpot für mich, beugt sich Timo über den Tisch und legt seine warme Hand an meine Wange.
»Wenn ich so darüber nachdenke … im Grunde brauche ich keinen Nachtisch.« Seine Stimme ist mit einem Mal rau und leise, sein Gesicht meinem so nah, dass sich unsere Nasenspitzen berühren.
»Ach nein?«, erwidere ich und schmunzele nervös.
Timo schüttelt wortlos den Kopf und streicht mit seinem Daumen über meine Haut. Gleichzeitig neigt er meinen Kopf so, dass ich seinen Atem auf meinem Mund spüren kann. Einen Moment später spüre ich seine weichen Lippen auf meinen. Mein Verstand braucht einen Moment, um zu schnallen, was gerade passiert ist, was dieser Wahnsinnstyp mit mir anstellt, doch dann erwidere ich seinen Kuss. Ich bin hungrig nach mehr als der Sanftheit, mit der er mich berührt, doch glücklicherweise scheint es Timo ebenso zu gehen. Sobald ich meinen Mund für ihn öffne, zieht er mich enger an sich und lässt seine Zunge hineingleiten. Ein wohliges Seufzen entweicht mir, als er meine findet. Das tiefe Brummen, das als seine Antwort folgt, weckt etwas in mir auf, das sich lange Zeit im Winterschlaf befunden hat. Wärme breitet sich in meiner Brust und weiter südlich aus. Ich sitze kaum mehr auf meinem Stuhl, sondern lehne mich Timo immer weiter entgegen. Der Tisch zwischen uns stört, hält mich aber davon ab, ihn geradewegs anzuspringen.
Seit ich mit Benji schwanger gewesen bin, hat mich kein Mann mehr so intensiv geküsst, und offenbar möchte mein Körper sicherstellen, dass diese Durststrecke heute zum Ende kommt.
»Nachtisch?«, keucht Timo in einer Atempause. Sein Blick, wild und hungrig, liegt weiterhin auf meinen Lippen. Diesmal bin ich diejenige, die stumm den Kopf schüttelt. Sein Mund soll wieder meinen finden und am besten nie wieder verlassen … außer für gewisse Ausflüge auf meinem Körper, die mich weitaus mehr vergessen lassen würden, als es bei seinen Küssen bereits der Fall ist.
»Vi, möchtest du noch Nachtisch?«
Anstatt seine Lippen erneut auf meine zu pressen, starrt er mich an, als hätte ich ihm soeben keine Antwort gegeben. Abermals schüttele ich den Kopf, gehe diesmal aber auch einen Schritt weiter und ziehe ihn an dem Kragen seines Hemdes zu mir, um ihm zu signalisieren, dass mir Desserts gerade völlig egal sind. Allerdings scheint nichts davon bei Timo anzukommen, denn wieder fragt er mich, ob wir Nachtisch bestellen wollen.
Irritiert löse ich meine Finger von seinem Hemd und sinke zurück auf den Stuhl.
»Timo, ist alles in Ordnung?«, frage ich leise, doch bevor er zu einer Antwort ansetzen kann, scheppert es an der Bar. Der Lärm lässt mich zusammenzucken, und als ich meine Augen wieder öffne, betrachtet Timo mich mit einer beunruhigenden Miene. Er sieht vollkommen ungeküsst aus. Sein Mund ist nicht angeschwollen, und seine Haare sitzen perfekt, als hätte er sich in den letzten Minuten überhaupt nicht großartig gerührt, geschweige denn mich mit seinen Lippen fast um den Verstand gebracht. Auch der hungrige Blick, mit dem er mich praktisch hätte ausziehen können, ist einem Ausdruck von Nachdenklichkeit gewichen.
»Vi, geht es dir gut?«
»Ja, alles bestens«, entgegne ich und fasse mir an die Wange, die soeben noch von seiner Hand umfasst worden ist. Sie ist heiß und bestimmt in ein verräterisches Rot getaucht. »Warum fragst du?«
»Na ja, weil ich dich jetzt schon mehrmals gefragt habe, ob du Nachtisch möchtest. Falls ja, winke ich noch mal die Bedienung zu uns.«
Okay, jetzt checke ich gar nichts mehr. Doch je länger ich Timo ansehe, umso mehr verstehe ich doch.
Ich bin in einen Tagtraum abgedriftet. Das, was zwischen uns geschehen ist, hat überhaupt nicht stattgefunden! Weder der Kuss noch das Gespräch davor.
»Wollen wir uns vielleicht was teilen?«, frage ich zaghaft, ehe ich mein Wasserglas, in dem noch die Hälfte ist, in wenigen Zügen leere. Noch nie in meinem Leben war ich dankbarer dafür, so genügsam mit meinem Getränk umgegangen zu sein.
Die Flüssigkeit hilft zwar, meinem Körper etwas Abkühlung zu verschaffen, das Pochen zwischen meinen Beinen erinnert mich jedoch weiterhin gnadenlos an die Geschehnisse aus meiner Fantasie.
Timo nimmt die Speisekarte in die Hand und blättert zur Dessertseite. Nach kurzer Zeit faltet er sie jedoch vor sich zusammen und schiebt sie mir entgegen.
»Sie bieten leider nur Zuckerbomben an, deshalb bin ich raus.«
»Oh«, sage ich und senke meinen Blick auf die Vorderseite des Menüs. Das läuft nicht ab wie in meinem Kopf. »Ich bin auch satt.«
»Okay, dann ruf ich uns mal die Rechnung. Willst du danach eigentlich noch mit zu mir? Wir könnten uns einiges von der Pasta … abtrainieren.« Er zwinkert, und das spitzbübische Funkeln in seinen Augen, das aus meinem Tagtraum, blitzt auf. Ermutigt davon, dass ich doch kleine Parallelen zu meinem dämlichen Kopfkino finde, greife ich nach seiner Hand. »Vorher möchte ich dir aber noch etwas sagen.«
Timo schaut auf unsere Hände, und als eine Bedienung an unserem Tisch vorbeiläuft, entzieht er sich meinen Fingern und deutet an, dass wir bereit für die Rechnung wären.
»Was gibt’s, Vi?«
»Bevor wir den nächsten Schritt gehen, sollt…«
»Das ist unsere was, fünfte Verabredung?«, unterbricht er mich und lehnt sich lässig gegen seinen Sitz. »Und wir sind beide vernünftige Erwachsene. Erwachsene mit Bedürfnissen. Es wird höchste Zeit, dass wir mehr treiben, als Cafés und Restaurants zu besuchen.«
Je mehr er von sich gibt, umso deutlicher wird mir, dass er seiner fiktiven Version in meiner Vorstellung nicht fremder sein könnte. Allein schon mit seiner Wortwahl, geschweige denn dieser Aussage, kann ich nichts anfangen … normalerweise. Aber hey, diese Frau ist eindeutig verzweifelt. Obwohl ich daher bereits ahne, dass auch der Rest vom Gespräch nicht im Geringsten so ablaufen wird wie das in meinem Traum, fahre ich fort.
Vielleicht irre ich mich.
Hoffentlich irre ich mich.
Ich meine, ich kann mir doch nicht alles rosarot gemalt haben, oder?
»Sechstes Date«, korrigiere ich ihn. »Und ja, ich bin da ganz bei dir, aber bevor sich … irgendwas ergibt und ich mit dir einen Schritt weitergehe, solltest du wissen, dass ich Mama bin. Ich hab einen zehn Monate alten Sohn namens Benji. Es gibt keinen Vater … also … doch, den gibt es, aber der wollte von Anfang an nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben. Deswegen sind da nur Benji und ich.« Wieder einmal ist vor lauter Anspannung und Nervosität alles aus mir herausgesprudelt. Etwas, an dem ich dringend arbeiten muss.
»Wow.« Timo hat sich mit jedem meiner Worte weiter nach vorn gebeugt und stützt sich jetzt mit beiden Ellbogen auf seinen Beinen ab. Seine Stirn legt sich abwechselnd in Falten und ist dann wieder glatt. »Wow, das ist … eine ziemlich große Sache, Vi. Gut für dich, schätze ich?«
»Benji bedeutet mir die Welt.«
Timo lächelt, und die Last auf meinen Schultern fällt von mir ab. Er mag zwar nicht so reagiert haben wie in meinem Tagtraum, aber offenbar scheint er weiterhin nicht abgeneigt. Das ist mehr, als ich von den wenigen Männern behaupten konnte, die das Glück … oder Pech hatten, es mit mir auf diese Vertrauensebene geschafft zu haben. »Falls dich das nicht stört, dann …«
Noch während ich rede, fängt Timo an zu husten. Ich schiebe ihm sein Wasserglas entgegen, doch auch nachdem er daraus getrunken hat, hört der Husten nicht auf.
»Muss mich an irgendwas in der Luft verschluckt haben, Staubkorn oder so«, teilt er mir mit und steht auf. »Tut mir leid, ich bin gleich zurück.«
Verständnisvoll nicke ich und sehe ihm hinterher, als er zwischen den Gästen abtaucht.
»Bezahlen Sie bar oder mit der Karte?«
Wegen Timo registriere ich unsere Bedienung erst, als mir die Rechnung vorgelegt wird.
Mein Blick fällt noch einmal in die Richtung, in die er verschwunden ist. Normalerweise haben wir unsere Rechnung immer diplomatisch in das unterteilt, was derjenige auch verzehrt hat. Sehr deutsch und sehr fair. Außerdem war es so einfacher und distanzierter. Unverbindlicher. Da die Bedienung allerdings nicht den Eindruck macht, dass sie darauf warten möchte, bis Timo sich von seinem Hustenanfall erholt hat, beschließe ich diesmal, die Kosten zu übernehmen.
»Mit der Karte, bitte«, antworte ich, greife nach meiner Handtasche und bemerke, dass auf dem Stuhl, auf dem bis dahin noch die Sachen von uns beiden lagen, nur noch eine Jacke hängt – meine.
Eine erdrückende Vermutung breitet sich in mir aus.
»Entschuldigen Sie, ich müsste gleich noch die Waschräume aufsuchen und bin das erste Mal hier. Die sind dort drüben, oder?«
»Oh, nein, da geht es nur zu den Parkplätzen raus. Sie müssten einmal die Treppe dort runter.« Sie zeigt dabei in die entgegengesetzte Richtung.
»Und befinden sich dort nur die Waschräume für Frauen? Neulich habe ich mich nämlich in einem Bistro verirrt und war plötzlich bei den Herren. Das Bild werde ich nicht so schnell wieder los.« Um meiner Aussage mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen, lache ich verlegen und komme mir dabei ziemlich lächerlich vor. Ich weiß gar nicht, wieso ich überhaupt weiter nachgehakt habe, wenn doch schon klar ist, dass Timo mich sitzen gelassen hat. Vermutlich habe ich es getan, weil meine hoffnungsvolle Seite sonst nach Ausreden sucht, die sein Verschwinden erklären und womöglich noch romantisieren. Dabei bin ich überzeugt, dass selbst Elle Woods in der berühmten Schlussmachszene am Anfang von Natürlich blond nicht mit der Rechnung zurückgelassen wurde.
Die Bedienung scheint von meinem inneren Dilemma nichts mitzubekommen, denn sie geht weiter munter auf meine Worte ein.
»Wem sagen Sie das? Wann immer wir die Toiletten kontrollieren, bete ich bei den Herren, dass niemand reinkommt und die Hosen voreilig runterlässt.« Die Bedienung erschaudert, bevor sie mich zuversichtlich anlächelt. »Keine Sorge. Zwar sind dort beide Anlagen, aber es ist alles ausgeschildert. Verlaufen unmöglich. Brauchen Sie einen Zahlungsbeleg?«
»Ah, dann bin ich ja beruhigt. Vielen Dank und ja, den nehme ich gern mit.« Ich hole noch fünf Euro als Trinkgeld aus meinem Portemonnaie, während sie die Quittung von ihrem Kartenlesegerät abreißt. Der Schein in meiner Hand wirkt für mich mit einem Mal als zu wenig, immerhin hatten wir für etwa siebzig Euro bestellt. Deshalb fische ich aus meiner Kleingeldbörse zusätzlich noch ein paar lose Münzen. »Es war sehr lecker«, füge ich hinzu und drücke ihr das Geld in die Hand.
»Danke, das freut mich. Kommen Sie gerne wieder.« Sie steckt das Trinkgeld ein und verabschiedet sich. Zurück an ihrem Posten wirft sie das Geld in ein gelbes Sparschweinchen und kehrt dann nochmals zurück, um meinen Tisch abzuräumen.
Sobald ich endlich für mich bin und mein aufgesetztes Dauerlächeln fallen lassen kann, schnappe ich mir mein Handy und wähle die Nummer meiner besten Freundin. Mit dem Hörer am Ohr schäle ich mich irgendwie in meinen Anorak und schultere meine Handtasche.
Es piept zwei-, dreimal, ehe das Freizeichen erlischt und die Stimme von Sandy ertönt.
»Code Rot?«
»Code Rot.«
Emilian
Egal, was für ortsspezifische Unterschiede es in den verschiedenen Teilen von Deutschland gibt, eins bleibt immer gleich: Gebrochene Seelen findet man überall.
Das ist der erste Gedanke, der mir gekommen ist, als ich um fünf Uhr morgens nach einer ordentlichen Verspätung in der Domstadt aus dem ICE ausgestiegen bin. Wie sich herausgestellt hat, waren die Stunden im Zug die angenehmsten des ganzen Tages. Die meiste Zeit habe ich geschrieben und war froh, mit meinen Worten etwas Dampf abzulassen. So konnte ich mich für den Großteil meiner Reise von dem Drama ablenken, das ich in Berlin zurückgelassen habe.
Wer einen Kampf mit seinen Gedanken führt, der braucht nicht noch zusätzliche Störfaktoren im wahren Leben. Ein Ratschlag, den ich am liebsten auch den Menschen mitgegeben hätte, die sich am Bahnhofsvorplatz versammelt und jeden – mich eingeschlossen – angepöbelt haben, bis man ein bisschen Kleingeld an sie abgetreten hat. Meine letzten Euros im Portemonnaie habe ich bereitwillig Jimini Crackhead – den Namen hat er nicht von mir – überlassen. Als Dank für meine Spende hat der mir bis zur Rolltreppe, die zu den U- und Straßenbahnen führt, seine Lebensgeschichte erzählt. Ich mag in einer Scheißsituation gesteckt haben, die noch immer droht mich nach unten zu reißen, aber hier draußen gibt es viele, die es noch einen Ticken schlimmer getroffen hat. Doch selbst wenn wir ähnliche Geschichten in uns tragen, im Gegensatz zu Jimini Crackhead und den anderen bin ich nie allein gewesen. Zumindest nicht wirklich.
Ich hatte immer Gianna und Ricky an meiner Seite. Zugegeben, meine Geschwister haben damals nicht viel mitbekommen, weil ich mir Mühe gegeben habe, ihnen eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Doch zu wissen, dass ich auf beide zählen konnte, wenn ich nicht dazu in der Lage gewesen bin, in meinem eigenen Leben auf heile Welt zu machen hat mich wahrscheinlich davor bewahrt, wegen des Aschenputtelregimes komplett durchzudrehen.
Eigentlich romantisiert diese Bezeichnung meine Vergangenheit, und ich sollte mir einen gnadenloseren Begriff ausdenken, allerdings trägt mein erster offizieller Text diesen Titel, und irgendwie passt es. Eine wunderschöne Witwe, ein kleiner Sohn, eine neue Liebe an ihrer Seite, danach das kleine Wunder – Zwillinge –, gefolgt von dem Albtraum, den Charles Perrault lange vor den Gebrüdern Grimm schon niedergeschrieben hat.
»Wird’s heute noch was? Das hier ist die Endstation!«
Die Erinnerung an meine Mutter, an Schläuchen hängend und nicht mehr in der Lage, selbstständig zu atmen, verpufft, und meine Augen fokussieren sich auf einen korpulenten Schaffner, der genervt auf mich zustapft.
Hastig packe ich meine Reisetasche, stehe vom Platz auf und werfe einen Blick auf den flackernden Monitor.
Shit, ich hab meine Haltestelle verpasst.
Bevor der Fahrer mich erreichen kann, flüchte ich aus der Straßenbahn und schaue mich auf dem verlassenen Gleis um.
Mittlerweile spüre ich die Müdigkeit von der langen Nacht und die Kälte des frühen Tages. Als ich einen Automaten entdecke, der Heißgetränke und Suppe für einen Euro anbietet, bereue ich es, Jimini Crackhead mein einziges Kleingeld gegeben zu haben.
Die Anzeige für die Bahn in die entgegengesetzte Richtung verspricht eine Ankunft in knackigen dreißig Minuten, weshalb ich beschließe, mich auf die Drahtbank zu setzen und meine Taschen nach einem lausigen Euro abzusuchen.
Ich will einen Kaffee. Als ich an mir rieche, setze ich eine lange Dusche ebenfalls auf meine Wunschliste. Vor Ironie und Erschöpfung lache ich auf.
Würde mich jetzt jemand sehen, er könnte keinen Unterschied zu den anderen gebrochenen Menschen finden. Zugegeben, ich gebe sicherlich auch das passende Bild zu meiner Verfassung ab: verzweifelt nach einem Euro suchend. Außerdem stinke ich bestimmt noch Meter von mir entfernt nach dem billigen Tequila. Da ich Hals über Kopf aus Berlin aufgebrochen bin und nur schnell das Nötigste eingepackt habe, bestand keine Chance, unter die Dusche zu springen.
Alle Taschen abgetastet und die Reisetasche bis auf das letzte Kleidungsstück ausgeleert, muss ich mich der Erkenntnis ergeben, dass ich nicht einmal in ihren Tiefen einen verdammten Euro ausgraben konnte. Nun, das hab ich jetzt von meiner oberschlauen Einstellung. Von wegen, die Zukunft wird bargeldlos sein. Genervt von mir selbst, stopfe ich mein Zeug wieder zurück. Aber hey, immerhin sollte ich mit der ertraglosen Suchaktion zehn Minuten oder sogar mehr totgeschlagen haben. Doch zwei einfache Worte auf der Anzeigetafel reichen, damit meine Laune tief in den Keller sinkt: Zug entfällt.
Wahrscheinlich hätte ich von Berlin aus schneller London als Köln erreicht. Vielleicht sollte ich mir lieber ein Flugticket kaufen und rüberfliegen. Ich weiß schließlich aus eigener Erfahrung, dass ein Besuch der Harry-Potter-Studios weitaus magischer und zufriedenstellender ist, als mit gepackter Reisetasche vor der Wohnung von Jamil Shiva zu stehen und übermüdet darauf zu warten, von meinem ehemaligen Erzfeind aufgenommen zu werden.
Allerdings habe ich längst geklingelt, und deshalb wird mein Gedanke, der einen verlockenderen Plan B unterhält, jäh von einem statischen Knistern unterbrochen.
»Emmentaler, bist du das?«
Ich sollte definitiv in den nächsten Flieger steigen.
»Lass mich rein, ist kalt.«
Jamil lacht. Wie damals. Nur klingt sein Lachen mittlerweile tiefer, kehliger und weitaus weniger gehässig.
»Okay, Sonnenschein. Meine Casa ist im vierten Stockwerk. Im Treppenhaus ist ein Aufzug, aber ich garantiere für nichts. Er bleibt gerne mal stecken.«
Mit diesen Worten erklingt ein lautes Summen, und die Haustür lässt sich nach innen öffnen.
Da ich erschöpft von einer Reise bin, die bisher nicht unter einem glücklichen Stern steht, laufe ich an dem erwähnten Fahrstuhl vorbei und nehme die Stufen. Halbwegs die Etagen abgearbeitet, höre ich das Knarzen einer Tür, und wenig später lehnt sich Jamil über die Balustrade.
»Scheiße siehst du aus«, ruft er durch den Hausflur, als hätten wir Nachmittag und kein Nachbar die 110 parat, um eine Ruhestörung zu melden, wie es in meiner Gegend der Fall gewesen wäre.
Ich beschließe, nichts zu erwidern, bis ich die letzte Treppenstufe erklommen habe, aber als ich vor Jamil stehe, fehlt es mir an Luft, um seinen Spruch zu kommentieren.
»Yeah, vier Stockwerke in einem Altbau. Nicht easy, muss man sich dran gewöhnen. Dusche findest du geradeaus und dann die letzte Tür links. Du kannst benutzen, was du willst, nur bitte«, Jamil faltet die Hände zusammen und macht einen Schritt nach hinten, zurück in seine Wohnung, »bitte, mach, dass du nicht mehr miefst.«
Da ich mir das ebenso sehr ersehne wie er, nicke ich und folge ihm in seine Wohnung.
»Nett.« Es ist die einzige Bemerkung, die ich zu seiner Inneneinrichtung abgebe, die einem Designer-Möbelkatalog für Minimalismus entsprungen sein muss, bevor ich im Bad verschwinde und Antonia, den getrockneten Tequila auf meiner Haut, die Nacht und Berlin von mir abwasche.
»He, Emmentaler, trinkst du Kaffee?«
Drei Worte, die mich beinahe den Stress der letzten Stunden vergessen lassen, bahnen sich ihren Weg durch den Lärm der Regendusche. Drei Wörter, die mir genug Kraft geben, um die nächsten zu überstehen.
»Himmel, ja.«
»Ich muss gestehen, dass ich dich nicht als meinen Hausgast gesehen habe, bevor du angerufen hast. Nichts gegen dich, aber wäre ich in deiner Situation … deine Couch wäre nicht meine erste Wahl.«
Jamil lehnt lässig gegen die Rückenlehne seines Küchenstuhls, und ich fühle mich, als wäre ich zwei Jahrzehnte zurück in die Vergangenheit katapultiert worden. Er kippelt noch immer herum. Nur mittlerweile gibt es niemanden mehr, der ihn warnt, dass er sich dabei das Genick brechen könnte.
Auch optisch hat Jamil sich kaum verändert, was mich nicht wundern sollte, immerhin postet er Tag für Tag Fotos von sich auf Instagram. Wobei ich zugeben muss, dass ich mir seine Sachen dort gerne anschaue, denn er kombiniert seine Selfies immer mit Texten, die eine verletzliche Seite von ihm zeigen. Das scheint sein Konzept zu sein, und ich bin der lebende Beweis, dass es aufgeht.
Jamil Shiva war zu Schulzeiten einer meiner größten Albträume. In den Jahren, in denen wir erst die Schule und dann auch noch die Klasse miteinander geteilt haben, gab es keinen Tag, an dem er mir das Leben nicht zur Hölle gemacht hatte. Wir sind auch im Laufe der Zeit nicht zu Freunden geworden. Manchmal würde ich nicht einmal jetzt so weit gehen und uns als so was bezeichnen. Aber wir teilen eine Leidenschaft und einen Schmerz, der uns im Erwachsenenalter irgendwie doch zusammengeführt hat. Wir schreiben. Schlachten unsere Gefühle auf Papier aus und erzählen Wahrheiten, die wir damals mit Lügen versucht haben zu überdecken. Ich weiß nicht einmal mehr, wie es zu dem erneuten Kontakt gekommen ist, oder wie wir in der Lage dazu sind, ihn trotz unserer Vergangenheit aufrechtzuerhalten. Womöglich, weil wir nicht mehr die Personen sind, die sich damals tagtäglich mit Magengeschwüren und Frustration oder Wut im Bauch zur Schule gekämpft haben.
Nein, heute sind wir zwei erwachsene Männer, die zwar von Ereignissen geprägt sind, aber gelernt haben, ihre Dämonen anderweitig zum Schweigen zu bringen … oder besser gesagt zum Singen. Und ich schätze, das reicht, um … auszublenden.
Jamil wäre als Zuflucht auch nicht meine erste Wahl. Doch er ist der Einzige aus meinem Kreis, der versteht – so traurig das auch klingt.
»Ich musste mal raus«, murmele ich und umfasse mit beiden Händen die heiße Kaffeetasse. Eigentlich hätte ich Berlin schon viel früher verlassen müssen. Nicht erst, nachdem meine Ex mich – zu Recht – abserviert hat. Die Stadt hat mir nie gutgetan. Vor allem nicht nach dem Tod meiner Mutter. Geblieben bin ich nur für Gianna und Ricky, denen es das Herz brechen wird, sobald sie erfahren, dass ich nicht mehr nur einen Sprung in die Straßenbahn von ihnen entfernt bin.
»Na, dann. Willkommen in Köln. Ist im Grunde genauso scheiße wie überall anders. Hätte man sich bei dem Bier denken können, aber na ja. Die Stadt ist offen für Kunst.« Jamil blickt auf seine Armbanduhr, zuckt gleichgültig mit den Schultern und leert seinen Kaffee. »Leider hat Künstler sein seinen Preis. Ich muss zur Arbeit. Mach’s dir gemütlich, im Tiefkühlfach ist noch Pizza, das WLAN-Passwort lautet BAZINGA! – alles großgeschrieben, mit Ausrufezeichen, und die Kiste empfängt alle möglichen Sender. Ich glaube, wenn du dich beeilst, kannst du sogar noch die letzten Minuten von der Wiederholung des letzten Lakers-Spiels vergangener Saison anschauen.«
Überrascht hebe ich eine Braue.
»Woher weißt du …«
»… dass du Sport magst?« Er schwingt sich von seinem Stuhl und grinst. »Du hast damals immer diese hässlichen Fanklamotten von verschiedenen Mannschaften getragen. Das macht man nur, weil man entweder selbst aktiv ist oder ihn im Fernsehen verfolgt. In Sport warst du eine Niete. Den Rest kannst du dir daher selbst zusammenreimen, oder?« Er verschwindet in einem der Zimmer, und wenige Minuten später kommt er als neuer Mensch zurück.
Anstatt seiner schwarzen Trainingsshorts trägt er eine graue Hose, und sein Oberkörper, den er bis dahin stolz ohne Kleidung, dafür aber mit vielen bunten Tattoos präsentiert hat, wird nun von einem gebügelten weißen Hemd bedeckt. Ob es eine Künstlersache ist, sich Zeilen in die Haut zu stechen, weil sie auf dem Papier nahezu bedeutungslos erscheinen? Bei mir ist das so, weshalb auch ich seit meinem achtzehnten Lebensjahr schon mehr als einmal in den Genuss einer Tattoonadel gekommen bin.
Jamils Haar ist ordentlich nach hinten gegelt. Auf den ersten und zweiten Blick nimmt man gar nicht wahr, dass es nicht mehr nur schwarz ist, sondern sich blonde Strähnen dazwischengemogelt haben.
»Nach der Arbeit treff ich mich noch mit ein paar Freunden.«
Er scheint noch immer beliebt zu sein – was ich mir bei seiner hohen Followerzahl auch hätte denken können.
»Cool.« Ich sehe ihm dabei zu, wie er sich ein Jackett, passend zu seiner Hose, überzieht. Diese Version von ihm schreit nach einem angesehenen Job und Struktur. Nichts deutet auf den Jamil hin, der im Internet regelmäßig Seelenstripteases hinlegt, die Einblicke in seine dysfunktionale Familie gewähren.
Verglichen mit meiner Kindheit und Jugend, gleicht seine in den Augen Außenstehender einem Paradies: Beide Elternteile im Leben vorhanden, hervorragende Noten in der Schule, stets die aktuellste Spielkonsole und auch sonst gab es keinen Wunsch, der unerfüllt geblieben ist. Doch Eltern, die hohe Erwartungen an ihren Nachwuchs haben … die ihre Liebe als Belohnungssystem nutzen, können ebenso tiefe Narben in ihren Kindern hinterlassen wie Eltern, die ihr Kind vernachlässigen … oder Eltern, die einen mit ihren eigenen Problemen überschütten.
Bevor ich mich zu sehr in Erinnerungen verstricke, über die ich nicht nachdenken möchte, schiebe ich eine Frage hinterher.
»Wann bist du denn wieder zurück?«
Jamil hält darin inne, seine Armbanduhr neu anzulegen, und zwinkert mir zu.
»Die Frage sollte eher lauten: Wann stößt du dazu?«
Vienna
»Kürbis-Karotten-Brei für den kleinen Prinzen, billiges Vanilleeis für dich, und ein Fläschchen Chardonnay für mich.«
Sandy zieht alles nach und nach aus ihrer XXL-Handtasche, mit der sie meiner Meinung nach glatt als Mary Poppins durchgehen könnte.
»Ich versteh zwar immer noch nicht, wie du das einem Ben & Jerry’s vorziehen kannst, aber you do you.« Sobald alles auf dem Couchtisch steht, nimmt sie mir die Paw-Patrol-Schale aus der Hand, in die ich etwas Babybrei schaufeln wollte. »Nix da! Du konzentrierst dich jetzt erst mal schön darauf, dein Körpergewicht in Eiscreme zu verschlingen. Tante Sandy kümmert sich in der Zeit um Benji.«
Sie schüttet den Inhalt des Gläschens in die Schüssel, die mein Sohn so liebt und mit der das Essen zu einem leichteren Ritual wird, und schiebt mir im Anschluss den Kanister an Vanilleeis entgegen.
Anfangs versuche ich noch, mich gegen ihre Hilfe zu wehren, aber sobald sie mir ihren Todesblick zuwirft, lasse ich meine Arme sinken.
»Du hattest auch einen langen Tag«, sage ich kleinlaut, setze mich aber im Schneidersitz auf meine Couch und lege mir meine Kuscheldecke über die Beine. Ein klares Zeichen dafür, dass ich mich geschlagen gebe und ihr den Sieg überlasse.
»Der aber nicht damit geendet hat, dass mich ein Mann im Restaurant sitzen gelassen hat. Mich und die Rechnung.«
»Nein, dafür müsstest du dich nämlich in den Dating-Pool wagen«, merke ich an, während ich nach Löffel und Eis greife.
»Pah, dafür bin ich zu beschäftigt. Allein diese Woche bin ich fünfmal für die lange Schicht eingetragen!«
»Und genau deswegen solltest du mir die Raubtierfütterung überlassen«, erwidere ich sanft und schaue dabei zu, wie Sandy geduldig und liebevoll versucht, Benji zum Essen zu animieren. Glücklicherweise mag mein Sohn seine Patentante sehr. Manchmal habe ich den Eindruck, dass er sie sogar lieber um sich hat als mich. Ich kann es ihm nicht verübeln. Hätte ich an seiner Stelle die Wahl zwischen einer entspannten, coolen und witzigen Person, die mich füttert, und … na ja, mir – ich würde Sandy auch mehr mögen.
»… und dann hab ich gesagt, im Namen des Gesetzes, du bist verhaftet und …«
»Häh?«
»Ah, du bist wieder da. Herzlich willkommen zurück, Vienna. War es schön in deiner Gedankenwelt?« Sandy zwinkert provokativ und türmt den nächsten Löffel mit Babybrei.
Zu meiner laschen Verteidigung strecke ich ihr meine Zunge entgegen und schiebe mir dann einen großzügig gehäuften Löffel Eiscreme in den Mund. Von Kopfkino habe ich fürs Erste die Nase voll.
»Wo war ich stehen geblieben? Ah ja, natürlich habe ich den Kerl nicht selbst verhaftet, wir leben schließlich nicht in den USA, wo man Ladendiebstahl eigenhändig mit einer Knarre klärt. Aber ich hab die Geschäftsleitung informiert, die daraufhin die Polizei gerufen hat. Es mag heute nur ein Energydrink gewesen sein – für die wir übrigens auch mittlerweile den Ausweis verlangen –, aber nächstes Mal landet vielleicht etwas anderes im Rucksack. Da muss man früh handeln.«
Sandy hat im Teenageralter im Supermarkt gejobbt, um ihren Führerschein finanzieren zu können. Unglaublicherweise hat ihr die Arbeit dort derartig gut gefallen, dass sie nach ihrem Realschulabschluss eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau angefangen und mittlerweile erfolgreich abgeschlossen hat. Jetzt führt sie sich auf, als gehörte ihr der Laden, und die gesamte Verantwortung läge auf ihr, auch wenn sie bisher noch immer jemanden hat, der ihr übergeordnet ist. Aber wenn sie so weitermacht, ist auch das nur noch eine Frage der Zeit.
»Super-Sandy rettet wieder den Tag.«
»Aber so was von. Deswegen darf sich Super-Sandy jetzt auch ein Chardonnaychen gönnen. Bist du sicher, dass du nicht auch was davon möchtest?«
Ich stelle den Kanister Eis auf den Couchtisch vor mir hin, lecke meinen Löffel ab und befreie mich von meiner Decke. »Kein Wein neben meinem Sohn, schon vergessen? Das letzte Mal hast du das Zeug vor Erschöpfung beinahe in sein Fläschchen gefüllt!«
»Zu meiner Verteidigung, an dem Abend stand Inventur an, und ich war danach sehr, sehr müde. Es hat auch nicht geholfen, dass wir einer Gutenachtgeschichte gelauscht haben, die du uns im Übrigen angemacht hast. Heute bin ich hellwach. Du weißt ja, bei Date-Fiaskos blühe ich auf! Außerdem, ich hab es ja noch rechtzeitig bemerkt …«
Ich verdrehe meine Augen und klettere vom Sofa.
»Komm, ich lös dich ab. Dann kannst du dir auch dein Chardonnaychen gönnen, und ich brauch keine Angst zu haben, dass wir Benji versehentlich etwas davon unterjubeln. Nach dem Tag heute brauche ich nicht auch noch die Auszeichnung zur Rabenmutter des Jahrhunderts.«
»Keine Sorge, dafür gibt es ganz andere Kandidatinnen. Aber in Ordnung, Mom. Lass uns tauschen.«
Sandy überreicht mir mit einem Seufzen die Schüssel. Der Brei darin ist fast weggeputzt. Abermals empfinde ich Neid darüber, dass sie keine Probleme damit hat, meinem Sohn Essen anzudrehen, während es bei mir so oft zu einem Chaos von frustrierendem Kaliber ausartet. Ein Chaos, bei dem am Ende kaum etwas von dem Brei angerührt wurde.
Niemand sagt einem, dass man als Mutter lernen muss, Niederlagen zu akzeptieren. Nein, das bringt man sich nach Heulkrämpfen und grünen Erbsenbreiflecken an der Decke selbst bei.
Benji schaut gluckernd zu seiner Lieblingsperson, die es sich jetzt auf meinem alten Platz gemütlich macht. Sobald er sieht, dass seine Mama nun mit dem Füttern an der Reihe ist, stellt er sich – wie erwartet – quer. Seine kleinen Händchen klatschen munter auf die Tischplatte des Hochstuhls, und wann immer ich mit dem Löffel in die Nähe seines Mundes komme, zappelt er herum und weigert sich, seine Lippen zu öffnen. Nach drei Versuchen gebe ich es auf, stelle die Schale weg und baue stattdessen mein Handy in seiner babysicheren Hülle vor ihm auf. Für seine Verhältnisse hat er bei Sandy gut gegessen.
»Schätze, du hast dir damit ausnahmsweise eine Belohnung verdient.«
Ich spiele ihm einen Clip seiner geliebten Superhelden-Hunde vor. Er ist zwar kurzgehalten, was Videounterhaltung betrifft, aber Benjis Aufmerksamkeit wird in wenigen Minuten eh wieder auf etwas ganz anderem ruhen.
Als sich sein ganzes Verhalten verändert, weil die bunten Bilder auf meinem Display erscheinen, er quiekt und lacht, schwillt mein Herz auf die doppelte Größe an. Das tut es jedes Mal, wenn ich sehe, was für ein unfassbares Glück ich habe, die Mutter dieses kleinen Rackers sein zu dürfen. Es ist nicht immer alles einfach, aber in Momenten wie diesen weiß ich, dass sich jeder Kampf lohnt und ich für Benji immer wieder von Neuem mein Leben umkrempeln würde. Er ist die einzige Person, für die mein Herz schlägt. Der einzige Mann, der eine Rolle spielen sollte.
Sorry, Pa, das hast du jetzt nicht gehört.
Aber mit Ausnahme von meinem Vater stimmt es. Warum also gebe ich mir so viel Mühe, verbringe Stunden damit, einen Partner zu finden, wenn das, was zählt, nur Benji ist?
»Weißt du, was, Sandy? Du machst alles richtig.«
»Ich weiß, aber was genau meinst du mit alles?«, entgegnet meine beste Freundin und nippt an ihrem Weißwein.
»Du lebst dein Leben. Stehst morgens auf, machst Sport, fährst zur Arbeit, triffst dich mit Freunden, feierst oder shoppst und dann gehst du als zufriedene Frau wieder schlafen.«
»Hmmm, ja. So ziemlich. Worauf willst du hinaus?«
»Das finde ich toll. Vielleicht hast du das Spiel schon lange verstanden, wer weiß?«
»Vienna? Komm zur Sache.«
»Du kommst ohne Mann zurecht. Also kriege ich das auch hin. Ab sofort schwöre ich dem ganzen Dating-Mist und Männern im Allgemeinen ab.«
Emilian
Lange habe ich überlegt, ob ich meinen Abend tatsächlich mit Jamil und seinen Freunden verbringen möchte. Erfahrungsgemäß sind das nämlich keine guten Menschen. Doch nachdem ich den halben Tag verschlafen und mir um sechzehn Uhr eine noch halb gefrorene Pizza reingepfiffen habe, gab es von mir die Zusage.
Stunden später bereue ich sie allerdings zutiefst.
Jamils Freunde sind keine guten Menschen. Sie behandeln weder die Servicemitarbeiter in dem Schnellimbiss noch die Barkeeperinnen im Pub mit Respekt. Mir graust es, dass Außenstehende den Eindruck erhalten könnten, dass ich zu der Gruppe gehöre. Deshalb klinke ich mich so wenig wie möglich in die Gespräche ein und sage an ihrer Stelle bitte und danke, wenn neue Getränke bestellt und gebracht werden. Mein Bemühen, Jamils Clique davor zu bewahren, zum unverschämtesten Pack in ganz Köln gekürt zu werden, bedeutet jedoch, dass ich keinen Spaß habe und mir wünschte, ich wäre in der Wohnung geblieben. Schlimmer noch, meine Distanz, mein Anderssein, hatte zur Folge, dass ich zu ihrer auserwählten Lachnummer geworden bin. Jamil hat ihnen die Tür dafür geöffnet, indem er mich vor versammelter Mannschaft als Emmentaler vorgestellt hat, ansonsten hält er sich aber zurück. Die ganzen nervigen Sprüche kommen von den anderen. Wobei, es gibt eine Ausnahme. Eine Person hat bisher keinen Witz über mich, meinen Vornamen, meine Harry-Potter-Brille oder mein allgemeines Scheitern im Leben gerissen: Cat.
Gut möglich, dass sie der Grund ist, wieso ich nicht längst Reißaus genommen habe. Schon als ich zu der Truppe gestoßen bin, ist sie mir ins Auge gefallen. Sie scheint ebenfalls nicht festes Mitglied zu sein, sondern wirkt eher wie der emotionale Support ihrer Freundin Lisa, die irgendwann am Abend lauthals verkündet hat, dass sie heute ihren Job gekündigt hat. Vermutlich haben die meisten der Gruppe zu dem Zeitpunkt schon tiefer ins Glas geschaut oder bereits insgeheim darauf gehofft, dass sie hinwirft, denn die kollektive Reaktion zu ihren Neuigkeiten war Applaus. Der war jedoch schnell verstummt, sobald Lisa eine weitere Bombe hinterhergeworfen hat. Vor den Augen aller hat sie sich von ihrem Freund Malte getrennt. Den hatte sie auf der Arbeit nämlich in flagranti mit einer anderen Frau in seinem Büro erwischt. Nachvollziehbar, dass sie nicht mehr in der Firma bleiben wollte. Wobei ich persönlich es fairer gefunden hätte, wenn Malte seine Kündigung eingereicht hätte. Er ist schließlich ihr gegenüber untreu gewesen.
»Interessierst du dich für sie?«
In Gedanken bin ich so in das Drama anderer vertieft gewesen, dass mir nicht aufgefallen ist, dass der Platz neben mir frei geworden ist und Cat sich ihn direkt geschnappt hat.
Bisher saß sie brav an der Seite ihrer Freundin, hat still an ihrem Bier genippt und hin und wieder zu mir rübergeschaut, doch das ist es schon gewesen – bis jetzt.
»Lisa?«, erwidere ich und mustere meine neue Gesellschaft. Cat trägt einen Blazer, der sie ziemlich zierlich und süß wirken lässt und wahrscheinlich in so einigen Männern den Beschützer-Schrägstrich-Machoinstinkt weckt.
Alles an ihr ist in Schwarz gehalten, doch sie selbst ist der Kontrast schlechthin. Ihre Haare sind hellblond und zu einem lockeren Zopf gebunden, und für ihren Teint muss man wahrscheinlich noch Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor zweihundert erfinden. Am faszinierendsten finde ich jedoch ihre Ausstrahlung. Als wüsste sie genau, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnimmt. In der einen Minute habe ich sie nur als die beste Freundin, das offene Ohr, wahrgenommen. Und in der nächsten? Bam! Da könnte sie glatt zur Hauptrolle werden – zumindest, was meinen heutigen Abend angeht.
»Wenn du jetzt behauptest, sie ist nicht dein Typ, schlag ich dich.«
»Musst du das sagen, weil sie deine beste Freundin ist?«
»Und weil sie wirklich die Allerbeste ist. Was Malte getan hat, ist unverzeihlich, und ich bin froh, dass sie ihm endlich den Laufpass gegeben hat. Eigentlich bin ich heute nur mitgekommen, um sicherzustellen, dass sie die Aktion durchzieht und sich nicht wieder von ihm einlullen lässt. Dazu tendiert sie leider. Bisher macht sie ihre Sache aber ziemlich souverän … weshalb ich beschlossen habe, ihr ein wenig Raum zu geben.« Ganz unauffällig schiebt sie ihr fast leeres Glas näher an meins und streift damit meine Hand. »Du scheinst dich von dem Rest ihrer Freunde abzuheben.«
Diese Beobachtung bringt mich zum Lachen.
»Liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht dazugehöre. Ich genieße bei Jamil für ein paar Tage einen Tapetenwechsel.« Kein Grund, ihr zu erzählen, warum es mich nach NRW verschlagen hat. Meine Geschichte mag zwar nicht so schlimm sein wie die von Lisa und Malte, aber ich bin auch nicht gerade stolz auf sie.
»Und wie lange planst du zu bleiben?«
Das ist eine gute Frage. Gepackt habe ich nur für wenige Tage, in Gedanken sehe ich mich jedoch nicht so bald wieder in Berlin.
»Schätze, das kommt … ganz auf Köln an?«
»Köln? Warum das?« Ihre gesamte Aufmerksamkeit ruht nun auf mir. Vielleicht liegt es an ihrem hypnotisierenden Parfüm, aber ich verspüre den Drang, ihr von meinem qualitativ beschissenen Tag zu erzählen.
»Womit soll ich anfangen? Mit der unübertrefflichen Pünktlichkeit der Bahn? Ich hoffe, man hört meinen Sarkasmus raus. Der Tatsache, dass ein Hauptbahnhof-Junkie mehr Bargeld in der Tasche hatte als ich? Oder nein, ich weiß! Wie wäre es mit der gefrorenen Pizza, die ich vorhin zu Mittag hatte?«
Cat lacht leise in sich hinein, leert ihr Glas und rutscht von ihrem Stuhl.
»Das klingt nach einem wirklich furchtbaren ersten Tag. Aber hey, so würde es dir wahrscheinlich in jeder fremden Stadt gehen.« Sie schürzt nachdenklich ihre Lippen. »Hmm, wie wäre es, wenn ich dir zeige, wie toll es hier sein kann?«
»Willst du mit mir etwa alle Stufen des Doms besteigen?«
»Nächstes Mal, vielleicht. Aber wenn du dich unbedingt auspowern möchtest, kannst du mir deine Ausdauer … anderweitig unter Beweis stellen … wenn du verstehst?« Cat grinst breit.
»Oh, ich verstehe.«
Auch wenn ich mir ihr Angebot lieber zweimal durch den Kopf gehen lassen sollte. Vor allem nach dem Fiasko mit Toni sollte ich mich nicht sofort … aber na ja, womöglich ist es genau das, was ich machen sollte. Eine Nacht mit Cat verbringen und mich daran erinnern, wofür ich zu haben bin. Und wofür nicht.
»Also, was sagst du?«
»Da du die Einzige bist, die mich heute bei meinem richtigen Namen genannt hat, darfst du mich hinbringen, wohin du willst.«
Das Onyxgrau ihrer Augen leuchtet auf, und sie beißt sich angetan auf die Unterlippe.
»Perfekt. Dann lass uns abhauen.«
Ich erhebe mich von meinem Platz, und während ich mir meine Jacke überziehe, sehe ich noch mal in die Runde. Allmählich scheint die Luft bei ihnen raus zu sein. Mein Blick bleibt auf Lisa hängen, deren Fokus stur auf ihrem Handy liegt.
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