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**Lass dich von der Magie deines Herzens leiten …** Endlich beginnt Jay ihre Ausbildung zur Agentin der Anderswelt. Noch nie hat sie etwas so sehr gewollt, geschweige denn sich derart für etwas ins Zeug gelegt. Doch die Zeit drängt und sie muss noch so viel lernen, bevor sie den Kampf gegen die Dunkelheit antritt. Dass ausgerechnet Lee einer ihrer Ausbilder ist, begeistert Jay aber wenig, denn der scheint sie trotz allem, was sie gemeinsam erlebt haben, nicht einmal wahrzunehmen. Das verletzt sie mehr, als sie zugeben würde – und es macht sie so wütend! Eine Wut, die Gefahr bedeuten kann, schließlich ist es ihr Herz, das die Magie der Elemente leitet… //Alle Bände der »Secret Elements«-Reihe: -- Secret Elements 0: Secret Darkness: Im Spiegel der Schatten (Die Vorgeschichte) -- Secret Elements 1: Im Dunkel der See -- Secret Elements 2: Im Bann der Erde -- Secret Elements 3: Im Auge des Orkans -- Secret Elements 4: Im Spiel der Flammen -- Secret Elements 5: Im Schatten endloser Welten -- Secret Elements 6: Im Hunger der Zerstörung -- Secret Elements 7: Im Rätsel vergangener Zeiten -- Secret Elements 8: Im Zeichen des Zorns -- Secret Elements 9: Im Licht göttlicher Mächte -- Die E-Box mit den Bänden 0-4 der magischen Bestseller-Reihe -- Die E-Box mit den Bänden 5-9 der magischen Bestseller-Reihe//
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Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Johanna Danninger
Secret Elements 3: Im Auge des Orkans
**Lass dich von der Magie deines Herzens leiten …**Endlich beginnt Jay ihre Ausbildung zur Agentin der Anderswelt. Noch nie hat sie etwas so sehr gewollt, geschweige denn sich derart für etwas ins Zeug gelegt. Doch die Zeit drängt und sie muss noch so viel lernen, bevor sie den Kampf gegen die Dunkelheit antritt. Dass ausgerechnet Lee einer ihrer Ausbilder ist, begeistert Jay aber wenig, denn der scheint sie trotz allem, was sie gemeinsam erlebt haben, nicht einmal wahrzunehmen. Das verletzt sie mehr, als sie zugeben würde – und es macht sie so wütend! Eine Wut, die Gefahr bedeuten kann, schließlich ist es ihr Herz, das die Magie der Elemente leitet …
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Vita
© privat
Johanna Danninger, geboren 1985, lebt als Krankenschwester mit ihrem Mann, einem Hund und zwei Katzen umringt von Wiesen und Feldern im schönen Niederbayern. Schon als Kind dachte sie sich in ihre eigenen Geschichten hinein. Seit sie 2013 den Schritt in das Autorenleben wagte, kann sie sich ein Leben ohne Tastatur und Textprogramm gar nicht mehr vorstellen. Und in ihrem Kopf schwirren noch zahlreiche weitere Ideen, die nur darauf warten endlich aufgeschrieben zu werden!
Meine Finger fuhren langsam über das seidige schwarze Fell. Es glänzte herrlich im Schein der Nachmittagssonne. Meine Hand erreichte das Gefieder der mächtigen Schwingen. Ehrfürchtig strich ich darüber und freute mich über das samtige Gefühl, das ich an meiner Haut spürte.
»Bist du sicher?«, hauchte ich.
Ein Schnauben antwortete mir. Kaleidos wandte seinen Kopf und blickte mich abwartend an. Inzwischen wirkte der geflügelte Hengst ein wenig genervt, was ich gut verstehen konnte. Immerhin hatte ich ihn gerade zum zehnten Mal das Gleiche gefragt.
Kaleidos und ich hatten in den letzten zwei Wochen viel Zeit miteinander verbracht. Ich hatte den Rat des Erdgeistes befolgt und neben meinem Training mit Colin in der Holografie-Halle zusätzliche Übungsstunden am Waldsee eingelegt, um den Umgang mit den Elementen zu vertiefen.
Der Zugang zur Magie des Orinions fiel mir in der Natur tatsächlich leichter. Kaleidos war immer dabei, doch er hielt sich stets wie ein stummer Wächter im Hintergrund, bis ich fertig war. Nur wenn ich mich ärgerte, weil die Kräfte des Orinions nicht so reagieren wollten wie gewünscht, trat er hinter mich und wuselte mir beruhigend mit seinen Nüstern durchs Haar.
Der Hengst konnte nicht sprechen und war doch zum wichtigsten Gesprächspartner geworden, den ich jemals gehabt hatte. Ich erzählte ihm oft Dinge, die ich sonst keinem anvertraute. Ganz gleich, ob es Erlebnisse aus meiner Kindheit waren oder Fragen, die mich gegenwärtig beschäftigten. Oft sprudelten die Worte ungehindert aus mir heraus und mir wurde erst hinterher bewusst, dass ich sie überhaupt gedacht hatte. Kaleidos hörte mir stets voller Geduld zu, er tröstete mich oder lachte mit mir. Und dazu brauchte er gar keine Stimme.
Ich hatte schnell gelernt, den geflügelten Hengst auch ohne Worte zu verstehen. Manchmal brauchte es vielleicht ein paar Minuten, bis ich kapierte, was er mir sagen wollte. So wie auch an diesem Nachmittag, als er nach meinen Übungen immer wieder um mich herumtänzelte, mit seinen Flügeln wackelte und mich auffordernd anstupste.
»Ich darf also wirklich auf dir reiten?«, flüsterte ich.
Kaleidos rollte hingebungsvoll mit den Augen. Er hob einen seiner riesigen Flügel und ließ sich wie ein Zirkuspferd auf ein Knie sinken, um mir leichteren Zugang zu seinem Rücken zu gewähren.
Ich legte beide Hände auf seinen Widerrist und konnte mein Glück kaum fassen. Er hatte mir zwar schon vor Längerem angeboten, auf ihm zu reiten, doch ich hatte mich bisher nicht getraut, darauf zurück zu kommen. Irgendwie schien es mir unangebracht, ein geflügeltes Pferd um einen Ausritt zu bitten.
Aufgeregt strich ich mir die Haare aus der Stirn. Obwohl Kaleidos kniete, war er noch ganz schön groß. Ich überlegte fieberhaft, wie ich seinen Rücken erklimmen konnte.
»Wenn ich dir wehtue, gibst du Bescheid, okay?«
Er zuckte mit seinen Ohren und nickte aufmunternd. Ich sammelte mich kurz und machte schließlich einen beherzten Sprung, so dass ich bäuchlings auf ihm landete. Ungelenk robbte ich noch ein wenig nach vorn, bis ich ein Bein über seinen Rücken schwingen konnte. Ich stützte mich auf seinen Widerrist, um nicht vornüberzukippen.
»Alles klar. Ich denke – ahh!«
Kaleidos war aufgestanden und gab ein glucksendes Geräusch von sich. Offenbar amüsierte er sich über meinen ungeschickten Versuch, das Gleichgewicht zu halten.
»Hey, hab ein wenig Nachsicht! Ich habe noch nie auf einem Pferd gesessen! Passt das überhaupt so? Oder soll ich noch ein Stück zurück?«
Der Hengst schüttelte den Kopf, was mich sofort wieder zum Wackeln brachte. Reiten sah bei anderen immer so einfach aus, doch ich stellte schnell fest, dass es ganz schön schwierig war. Vor allem gab es offenbar einen guten Grund dafür, dass die meisten Reiter Sättel benutzten. Kaleidos war wirklich nicht dick, aber seine Rundungen machten es mir nicht gerade leicht, Halt zu finden. Auch weil ich penibel darauf achtete, ihn möglichst nicht zu fest zu umklammern.
Der Hengst schlug leicht mit den Flügeln und stampfte immer wieder mit dem Vorderhuf auf.
»Tut mir leid, ich weiß nicht, was du mir sagen willst«, sagte ich unglücklich.
Er brummte und sprang plötzlich rückwärts. Ich rutschte durch den Schwung nach vorn und presste unwillkürlich meine Beine an seinen Bauch. Meine Hände erwischten einen Schopf seiner Mähne und klammerten sich daran fest.
»Was sollte das denn?«, schnaufte ich. Ich richtete mich auf, ließ die Mähne aber nicht los. Meine Knie lagen nun hinter den Schultern des Hengstes, wo die großen Flügel aus seinem Rumpf wuchsen. Auf einmal verstand ich, was er mir sagen wollte. »Ah! Jetzt sitze ich richtig? Okay. Drücken meine Knie dich nicht?«
Statt einer Antwort setzte der Hengst sich in Bewegung und wanderte langsam am Ufer des Waldsees entlang. Obwohl Kaleidos ganz bestimmt auf seine Schritte achtete, hatte ich Schwierigkeiten damit, das Gleichgewicht zu halten. Es fühlte sich an, als würden sich seine Bewegungen aus kleinen Bocksprüngen zusammensetzen. Völlig verkrampft krallte ich mich an seine Mähne und kam mir vor wie eine Rettungsboje auf stürmischer See.
Doch Kaleidos ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er marschierte in gleichmäßigem Tempo dahin und bog auf den breiten Weg des Smaragdwaldes ein, der zur Agency führte.
Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, dass ich Kaleidos´ Bewegungen nicht ausgleichen, sondern mich ihnen anpassen musste. Ich lockerte meine Hüften und versuchte mich in seinen Rhythmus einzufinden. Sofort fiel es mir viel leichter, mit dem Auf und Ab seines Rückens mitzugehen, und ich wackelte nicht mehr hilflos hin und her. Davon ermutigt, richtete ich mich ganz gerade auf und wagte es sogar, eine Hand von der Mähne zu lösen. Mit der anderen hielt ich mich vorsichtshalber weiter fest.
Ich entspannte mich mit jedem Schritt, den der Hengst machte. Unter mir spürte ich das kraftvolle Spiel seiner Muskeln. Seine Schwingen ruhten zusammengefaltet über meinen Oberschenkeln. Das Gefieder raschelte leise. Das Geräusch seiner Hufe klang gedämpft vom Waldboden zu mir herauf. Der Duft seines Fells vermischte sich mit dem des Waldes.
»Wow«, seufzte ich. »Reiten ist sogar noch wundervoller, als ich es mir vorgestellt hatte.«
Kaleidos beschleunigte seine Schritte und ich passte mich seinen Bewegungen problemlos an. Ich lachte begeistert. »Ich denke, langsam hab ich den Dreh raus!«
Dieser Meinung war wohl auch der Hengst, denn ich merkte deutlich, dass er jetzt in sein normales Schritttempo wechselte und zügig voranmarschierte. Verträumt streichelte ich über seinen gebogenen Flügel, während ich die Atmosphäre des Smaragdwaldes genoss. Ich wusste nicht, wo Kaleidos mit mir hinwollte, aber es war mir auch egal. Von mir aus sollte er mich bis ans Ende der Welt tragen.
Wir passierten den zugewucherten Pfad, der zu dem Häuschen des sprechenden Katers Ivan führte. Kurz darauf erreichten wir das Ende des Waldes und die weitläufige Grasebene dahinter, die sich bis zur Agency erstreckte. Kaleidos hob den Kopf. Seine Ohren drehten sich unablässig vor und zurück. Mir war klar, dass er irgendetwas vorhatte, doch bevor ich ihn danach fragen konnte, gab er auch schon Gas.
Er machte einen Satz nach vorn, trabte kurz und galoppierte dann los. Erschrocken krallte ich mich wieder in seine Mähne und hatte alle Hände voll damit zu tun, mich von den holprigen Bewegungen nicht abschütteln zu lassen. Ich beugte mich über seinen Hals und presste meine Beine fest an seinen Bauch.
»Kaleidos!«, rief ich. »Waah …!«
Wir stoben aus dem Wald und der Hengst breitete seine Schwingen aus. Ich hatte ihm oft genug dabei zugesehen und wusste, was das bedeutete. Allerdings kam ich nicht mehr dazu, mich dagegen zu wehren.
Kaleidos duckte sich kurz und stieß sich dann kraftvoll vom Boden ab. Ich wurde nach unten gedrückt und mein Gesicht auf seinen Hals gepresst. Ein Rauschen erfüllte die Luft. Die lange Mähne peitschte mir über die Wange. Ich wagte es nicht, meine Augen zu öffnen.
»O Mann … o je … oh …!«
Ich jammerte noch ein paar Mal vor mich hin, bis ich endlich ruhige und gleichmäßige Bewegungen unter mir wahrnahm. Nur ein mäßiges Schaukeln war zu spüren. Ich blinzelte, schaute mich um und erkannte voller Entsetzen, wie weit der Boden sich inzwischen entfernt hatte. Meine Augen tränten von der peitschenden Mähne, darum konnte ich keine Einzelheiten erkennen. Was vermutlich auch besser war.
»Ooooh«, stöhnte ich, als Kaleidos sich in eine sanfte Kurve legte. Mit ausgebreiteten Flügeln segelte er über die Wipfel des Smaragdwaldes. Er sah zu mir nach hinten und zwinkerte mir amüsiert zu. Ich antwortete mit einer Grimasse.
»Ich glaub, ich hab Höhenangst«, presste ich hervor.
Kaleidos gluckste nur und schlug kräftig mit den Flügeln, bevor er sich wieder vom Aufwind treiben ließ. Ganz langsam löste ich meine Arme von seinem Hals und richtete mich auf. Ich rieb mir hastig die Augen. Da unser Flug nun so ruhig verlief, fasste ich allmählich neuen Mut. Mein anfängliches Entsetzen verwandelte sich mehr und mehr in absolutes Erstaunen.
Unter uns glitzerte der Waldsee. Von hier oben konnte ich erkennen, wie riesig er eigentlich war. Seine Oberfläche war so still und glatt, dass sich die umgebenden Bäume und die Wolken darin spiegelten. Kaleidos flog eine weitere Kurve und ließ sich tiefer herabsinken, bis wir dicht über der Wasseroberfläche segelten. Ich beugte mich wieder ein Stück vor, um über seine Schulter nach unten zu blicken. Er streckte neckisch seine Vorderbeine aus, so dass seine Hufe eine Schneise durch den See zogen. Das Wasser spritzte bis zu mir herauf und ich wischte lachend meine Wangen trocken.
Wir gewannen wieder an Höhe und flogen über den Wald. Er präsentierte sich in dem wundervollen Grünton der Smaragde, denen er seinen Namen zu verdanken hatte. Kräftig und undurchdringlich wirkten seine Wipfel von hier oben. Wir erreichten das Felsbruchtal, wo sich das geschlossene Grün der Bäume mit einem Mal öffnete. Die schmale Felsschlucht sah so aus, als hätte tatsächlich jemand mit einer gewaltigen Axt einst dort den Boden gespalten. Tief unter uns erkannte ich den steinernen Kreis der Zwergenhäuser. Dünne Rauchsäulen stiegen aus manchen davon empor. Ich glaubte, ein paar Bewohner dazwischen zu sehen, doch wir waren zu weit oben, als dass ich Einzelheiten hätte erkennen können.
Kaleidos flog noch eine Spur schneller. Der Wind zerrte an meinen Haaren. Die mächtigen Schwingen neben mir rauschten. Ich stieß einen übermütigen Schrei aus.
Ich konnte nicht sagen, wie lange wir ziellos durch die Lüfte glitten. Vielleicht waren es nur Minuten, vielleicht auch Stunden. Wäre es nach mir gegangen, wären wir wohl bis in die Ewigkeit weitergeflogen.
Irgendwann erkannte ich jedoch zwei Gestalten, die auf einer Wiese unten am Waldrand standen und zu uns heraufblickten. Ein blonder Mann und ein beigefarbener Kater.
»Das sind Colin und Ivan«, rief ich Kaleidos zu. »Die suchen vermutlich nach mir.«
Der Hengst ging in den Sinkflug und setzte ein Stück von unseren Beobachtern entfernt zur Landung an. Ich klammerte mich fest, wurde aber trotzdem kräftig durchgeschüttelt, als Kaleidos den Boden berührte. Er galoppierte noch einige Schritte und spreizte die Flügel, um abzubremsen. Als er mit einem Mal abrupt stehen blieb, verlor ich endgültig den Halt und rutschte seitlich an seinem Bauch hinunter. Um den drohenden Sturz irgendwie abzufangen, schwang ich hastig mein Bein von seinem Rücken. Ich stolperte mit ein paar Ausfallschritten rückwärts, bis ich schließlich direkt vor Kaleidos auf meinem Hintern auf dem Boden saß.
Er brummelte besorgt und stupste mich mit seinen weichen Nüstern an. Ich lachte lauthals über mein Missgeschick.
»Nein, mir ist nichts passiert«, kicherte ich. »Aber die Landung sollten wir noch ein wenig üben!«
Ich rappelte mich auf und schlang meine Arme um Kaleidos’ Hals.
»Danke«, flüsterte ich lächelnd in das seidige Fell. »Vielen Dank. Das war unglaublich.«
Der Hengst hielt einen Moment ganz still, dann erfasste ihn Unruhe. Ich sah auf und erkannte, dass Colin und Ivan auf uns zugingen. Kaleidos war Fremden gegenüber äußerst misstrauisch, darum war er zumindest bei Colins Anblick nervös geworden. Colin schien dies zu bemerken, denn er blieb sofort stehen. Ivan marschierte weiter schnurstracks auf uns zu. Der sprechende Kater war schon lange mit dem Hengst befreundet.
»Starker Auftritt, Jay«, sagte er mit seinem typischen russischen Akzent. »Aber an deiner Körperhaltung musst du noch arbeiten.«
Ich grinste breit. »Sag bloß, du hast Ahnung vom Reiten.«
»Ich bin Russe. Natürlich habe ich das!« Er reckte empört seinen pelzigen Hals. »Der Rücken muss gerade sein und die Oberschenkel sind leicht angewinkelt an den Pferdekörper gepresst, damit die Unterschenkel locker schwingen können. Verstanden?«
»Jawoll!«
Ivan zog missbilligend die Nase kraus. Eigentlich wollte ich ihn nicht verärgern, aber ich war viel zu aufgekratzt, um über die Reittipps eines Katers nicht kichern zu müssen. Er drehte sich beleidigt um und stolzierte erhobenen Hauptes zurück zu Colin.
Ich drückte mein Gesicht zum Abschied an den Hals des Hengstes und sog den Duft seines Fells ein. »Vielen Dank noch mal. Wir sehen uns morgen wieder, in Ordnung?«
Kaleidos schnaubte zustimmend. Nur widerwillig löste ich meine Arme von ihm. Entzückt sah ich ihm zu, wie er leicht in die Knie ging, seine Schwingen ausbreitete und sich wieder kraftvoll vom Boden abstieß. Mit wenigen Flügelschlägen war er bereits hoch oben in der Luft, wo er zu einem dunklen Schemen wurde. Ich schirmte meine Augen ab, doch die Sonne blendete mich schon bald zu sehr, als dass ich seinen Flug noch weiter hätte verfolgen können.
»Du bist auf Kaleidos geritten!«, ertönte plötzlich Colins Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um und fing seinen fassungslosen Blick auf. »Unglaublich, oder?«
»Na, das ist es auf jeden Fall.« Er musterte mich beinahe ehrfürchtig. »Dir ist klar, dass ich niemanden kenne, der ihn auch nur berührt hat?«
»Na ja, er ist ein bisschen scheu.«
»Scheu? Geflügelte Pferde meiden den Umgang mit uns. Wir alle wissen zwar, dass Kaleidos hier im Smaragdwald wohnt, doch so nahe wie heute bin ich ihm noch nie gekommen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Mich hat er auch erst eine Weile beobachtet, bis er sich gezeigt hat. Aber inzwischen sind wir Freunde geworden.«
»Freunde!«, rief Colin und schüttelte ungläubig den Kopf.
Ich zwang mein windzerzaustes Haar notdürftig zurück in meinen Zopfgummi und merkte erst jetzt, dass meine Finger eiskalt waren. Ebenso meine Wangen und meine Nasenspitze. Jetzt, wo die wärmende Sonne darauf traf, begannen die Stellen unangenehm zu kribbeln.
»Was ist eigentlich los?«, fragte ich. »Habt ihr mich gesucht?«
Colin starrte mich immer noch an und gab sich schließlich einen Ruck. »Ähm, ja, eigentlich wollte ich sehen, wie du mit deinen Übungen vorankommst, aber das war jetzt auch ganz interessant.« Er grinste breit.
»Ich bin ganz zufrieden mit mir«, antwortete ich und ging in die Hocke. »Die Erde hatte Recht. In der freien Natur fällt es mir viel leichter. Hier kann ich die Elemente viel besser spüren.«
Ich streckte eine Hand über der Wiese aus und lenkte meine Aufmerksamkeit auf das Orinion. Es reagierte sofort auf mich. Ich fühlte, wie das Metall auf meiner Haut wärmer wurde. Inzwischen brauchte ich keine lange Meditation mehr, um die Energien der Elemente in mir zu finden. Ich spürte sie gleich, vertraut und verlässlich wie eine wiederkehrende Erinnerung. Als wären sie ein Teil meines Körpers und ich lernte mehr und mehr, wie ich diesen Teil bewegen konnte.
Konzentriert nahm ich mental Kontakt zu der Erde unter meiner Hand auf, die sich unverzüglich zu einem lockeren Hügel auftürmte, als würde ein Maulwurf genau in diesem Moment einen Tunnel graben. Gleich darauf ließ ich den Hügel wieder verschwinden und drückte das Gras sorgfältig platt, damit es wieder anwachsen konnte.
»Mehr will ich hier nicht demonstrieren«, erklärte ich und stand auf. »Denn damit würde ich nur der Wiese schaden.«
Colin nickte anerkennend. »Du hast wirklich große Fortschritte gemacht.«
»Der Wiese schaden?« Ivan betrachtete gelangweilt die Unterseite seiner Pfote. »Du klingst ja fast schon wie Lee.«
»Ich denke, du hast den Dreh jetzt raus«, lobte Colin und überging damit Ivans Spruch. »Ich konnte spüren, dass du deinen Verstand überwunden hast und dich endlich vom Gefühl leiten lässt. Das ist klasse. Trotzdem solltest du weiterhin die Konzentrationsübungen machen, die ich dir gezeigt habe.«
Verwundert legte ich den Kopf schräg. »Trainieren wir denn nicht gemeinsam weiter?«
»Morgen beginnt deine Ausbildung, schon vergessen? Da werden deine Kondition und deine Ausdauer mit Sicherheit genug trainiert.«
Sofort stieg Nervosität in mir auf. Wie könnte ich vergessen, was das für ein Tag war? Der Beginn meiner Grundausbildung zu einer Agentin der Agency!
Meine Güte …
Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob es wirklich eine kluge Idee war, daran teilzunehmen. Immerhin hatten die anderen Anwärter vorher eine ganze Reihe von Eignungstest absolvieren müssen und stammten allesamt aus dem Volk der Tuatha de Dannan. Sie besaßen besondere Begabungen und konnten sich zum Beispiel unsichtbar machen. Ich dagegen war einfach nur ein Mensch, der durch eine gefälschte Tätowierung vorgab ein Tuatha zu sein und vermutlich bei jedem einzelnen Test durchfallen würde. Der Chief hatte ganz nebenbei erwähnt, dass ich der erste Mensch überhaupt war, der eine Ausbildung zum Agenten der Anderswelt absolvieren durfte. Er bezeichnete es als eine »große Ehre«, was nicht unbedingt dazu beitrug, meine Unruhe zu beschwichtigen. Ich hatte keine Ahnung, was während dieser Ausbildung von mir verlangt werden würde und ob ich dem überhaupt gewachsen war. Meine einzige Qualifikation bestand aus dem Amulett, das um meinen Hals baumelte und von dem niemand erfahren durfte.
Wir wanderten zu dritt über die Wiese zurück zur Agency. Dabei bemerkte ich immer wieder, wie Colin mich von der Seite her beobachtete. Vermutlich spürte er meine Nervosität. Er trug die Begabung eines Fínniór, eines Wahrheitsfinders, in sich. Er besaß die Fähigkeit, die Gefühle anderer deutlich wahrzunehmen, was ich prinzipiell nicht gerade prickelnd fand. Ich war nicht der Typ, der seine Gefühle gern mit anderen teilte. Colin ging jedoch sehr rücksichtsvoll mit seiner Begabung um, so dass ich die meiste Zeit nicht viel davon merkte.
Ich sammelte meine Konzentration und errichtete mental einen stählernen Schutzwall um mich herum. Dabei sah ich aus dem Augenwinkel Colin neben mir schmunzeln.
»Schon verstanden«, sagte er. »Trotzdem will ich dir noch sagen, dass deine Sorgen unbegründet sind. Dein Sturkopf wird dir bei deiner Ausbildung mindestens genauso nützlich sein wie jede Begabung eines Tuatha.«
»Ob du ab morgen auch noch so denkst? Immerhin bist du dann einer meiner Ausbilder. Und die sind noch nie mit besagtem Sturkopf zurechtgekommen.« Ich grinste unschuldig.
Colin tat so, als müsste er angestrengt überlegen. »Echt jetzt? Das kann ich mir kaum vorstellen.«
»Sturheit kann einen Agenten weit bringen«, meldete sich nun Ivan zu Wort. »Vorausgesetzt, er setzt sie zum richtigen Zeitpunkt ein. Entscheidend sind jedoch Gehorsam und Disziplin. Dabei muss der Spaß hintenanstehen.«
Er zuckte mit der Schwanzspitze und jagte dann einem leuchtend gelben Falter hinterher.
»Hört, hört!«, feixte Colin.
Wir erreichten das östliche Außentor der Agency-Anlage und betraten den parkähnlichen Innenhof. Das Hauptgebäude, ein riesiger Turm mit insgesamt zwölf würfelförmigen Stockwerken, warf einen langen Schatten über das Gelände. Seine Fassade schimmerte wie reines Elfenbein. Wir gingen durch den Hintereingang hinein und gelangten schließlich über ein Wirrwarr aus Fluren zum Zentralaufzug.
Nachdem ich oft genug mit diesem Höllengerät gefahren war, konnte mich die rasante Geschwindigkeit des Fahrstuhls nicht mehr in die Knie zwingen. Ich brachte es inzwischen sogar fertig, freihändig darin zu stehen, und geriet allenfalls leicht ins Wanken.
Mein Blick fiel auf den roten Knopf für das Untergeschoss. Dort befand sich der Hochsicherheitstrakt der Agency. Der Gedanke daran, wer sich dort unten befand, ließ mich unwillkürlich frösteln.
Die Füchsin.
Sie war der Grund, warum ich überhaupt hier war.
Bei unserer letzten Begegnung hatte ich sie mithilfe des Orinions in einer Sphäre aus Eis eingeschlossen. Seitdem stand sie tiefgefroren, aber lebend in einer Gefängniszelle. In ihr schlummerte nach wie vor die Dunkelheit, die einen Körper brauchte, um auf diesem Planeten existieren zu können.
Und genau das war das Problem. Solange sich die Füchsin in diesem Zustand befand, konnte die gefährliche Präsenz der Dunkelheit nicht aus ihr vertrieben werden. Erst wenn der Agency das gelang, war die Erde wieder in Sicherheit. Wie der Chief und seine Agenten das bewerkstelligen wollten, konnte mir aber niemand wirklich sagen.
General Stanson hatte mir bei unserem letzten Gespräch erklärt, dass ich mich nicht weiter um die Füchsin kümmern solle. Das liege nun völlig im Aufgabenbereich der Agency. Man hatte herausgefunden, dass das Eis von ihr selbst in diesem Zustand gehalten wurde und ich der Agency daher gar nicht mehr helfen konnte. Stattdessen sollte ich mich ganz auf die kommende Ausbildung und auf die restlichen Elemente konzentrieren, die ich gemeinsam mit Team 8 suchen sollte. Der Chief hatte es zwar nicht ausgesprochen, aber ich vermutete, dass er mich in den aktiven Einsatz gegen den roten Orden schicken wollte, der immer noch sein Unwesen trieb. Niemand wusste, wie weit die einzelnen Stränge dieser Organisation sich im Untergrund erstreckten. Inzwischen war jedoch klar, dass der rote Orden um einiges gefährlicher war, als zu Anfang vermutet. Nicht nur, weil sie über die entsprechende Ausrüstung verfügten, um eine globale Bedrohung darzustellen. Weit schlimmer war die Tatsache, dass sie praktisch unsichtbar und kaum aufzuspüren waren. Auch wenn ihre Anführerin tiefgefroren im Keller der Agency saß, waren ihre Anhänger doch überall dort draußen. Und niemand wusste, was sie als Nächstes vorhatten.
Der Fahrstuhl schoss nach oben und vertrieb die Füchsin aus meinen Gedanken. Die Bereitschaftsräume der Special Forces befanden sich im neunten Stockwerk des Gebäudes. Jedem Einsatzteam stand einer davon zur Verfügung. Wobei es sich eher um luxuriöse Apartments als um einfache Zimmer handelte. Colin öffnete die Tür zu Raum 8 und winkte uns mit einer eleganten Geste hinein.
Der Lärm von quietschenden Reifen und wildes Geballer schallten uns entgegen. Joe fläzte auf der Couch und starrte gebannt auf den riesigen Flachbildfernseher, der irgendeinen übertriebenen Actionfilm zeigte. Ein Auto flog gerade mit einer gewaltigen Explosion in die Luft. Joe sog lautstark den Atem ein und schlug die Hände über seinem kurz geschorenen Kopf zusammen.
»Was ist das denn schon wieder für ein Mist?«, fragte Ivan missmutig.
Colin zog die Nase kraus. »Also, ganz ehrlich, hat schon mal jemand von euch ein Auto explodieren sehen? Was hat der denn getankt? Flüssiges TNT?«
Trotz ihrer Sprüche setzten sich die beiden zu Joe und verfolgten nicht minder gebannt die aufreibenden Szenen.
Wahrscheinlich wurde man über kurz oder lang unweigerlich Fan von derartigen Filmen, wenn man viel Zeit mit Joe verbrachte. Er sah sich ständig solche Sachen an und hielt einen Film erst dann für oscarreif, wenn mindestens zehn Explosionen darin vorkamen.
Joe besaß die Gabe eines Neadóir. Er war ein sogenannter »Glaser«, der sich vollständig der Farbe seiner Umgebung anpassen und somit unsichtbar werden konnte. Neulich hatte er mich damit wieder einmal ärgern wollen und in getarntem Zustand mit einem Tennisball vor mir herumgefuchtelt. Vor Schreck riss ich ihn mit einer Wasserfontäne von den Beinen, wobei sich mein schlechtes Gewissen diesbezüglich wahrlich in Grenzen hielt.
Ich ging hinüber zu der kleinen Küchenzeile im Bereitschaftsraum und holte mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Colin, Joe und Ivan waren vollkommen in ihren Actionfilm vertieft. Auf den ersten Blick wirkte der Alltag von Team 8 beneidenswert entspannt, doch inzwischen hatte ich auch die anderen Seiten ihres Jobs kennengelernt. Das öde Schreiben von ellenlangen Einsatzberichten wechselte sich mit lebensgefährlichen Missionen ab. Dazwischen wühlten sie sich bei ihren Recherchen stundenlang durch geschichtliche Aufzeichnungen und sonstige Informationen, um den Aufenthaltsort der verbliebenen Elemente herauszufinden. Und wie nebenbei erledigten sie beinahe täglich Aufträge im Kampf gegen den roten Orden.
Die Balkontüren waren weit geöffnet. Ich konnte Samira draußen reden hören. Sie lag mit hochgekrempelten Hosenbeinen und einer überdimensionalen Sonnenbrille auf einer Liege. Ihre Arme hatte sie lässig hinter ihrer blonden Mähne verschränkt und sie wandte ihren Kopf träge in meine Richtung, als ich hinaustrat.
Der Balkon war sehr großzügig und führte fast um das gesamte Stockwerk herum. Lee hatte den Bereich von Team 8 mit einem Sammelsurium an Pflanztöpfen zu beiden Seiten abgetrennt, so dass man kaum mehr hindurchblicken konnte. Das Geländer war mit Blumenkästen behängt, die vor lauter Blüten beinahe überquollen. Lee hatte sozusagen einen grünen Daumen, was bei seiner Begabung naheliegend war. Immerhin war er ein Garróiar, ein Gärtner, und konnte mit Pflanzen sprechen. Das tat er wohl auch jetzt, denn er murmelte kaum hörbar vor sich hin, während er verwelkte Blätter von einer buschigen Pflanze abzupfte. Er lauschte kurz auf ihre Antwort und fuhr sich dann lächelnd durch sein rabenschwarzes Haar.
Wie immer war ich fasziniert davon, wie verändert Lee in solchen Momenten wirkte. Seine Gesichtszüge wurden dann weich und er sah irgendwie zufrieden aus. In seine dunkelblauen Augen trat ein Ausdruck liebevoller Zuneigung und die uneingeschränkte Wärme tiefen Vertrauens.
»Jay, was ist passiert?«, fragte Samira und hob ihre Brille an, um mich genauer zu betrachten. »Du siehst irgendwie zerzaust aus.«
»Ach, das war nur der Wind«, tat ich eilig ab, weil ich nicht schon wieder Zentrum der Ehrfurcht sein wollte.
Samy grinste verschmitzt. »Solche Frisuren kenne ich eigentlich aus anderen Situationen, aber gut.«
Lee hob ruckartig den Kopf. Ich glaubte kurz eine Falte auf seiner Stirn zu entdecken, doch da hatte er sich schon wieder abgewandt.
Ich zog gegenüber Samira einen Flunsch, aber sie reckte ihr Gesicht nur schmunzelnd der Sonne entgegen. Von ihren Verletzungen, die sie bei ihrer Entführung durch den roten Orden davongetragen hatte, hatte sie sich längst erholt. Ich konnte kaum in Worte fassen, wie froh ich darüber war. Allein die Erinnerungen an die Sorgen dieser einen Nacht schnürten mir die Kehle zu. Samira war ein Rólechaín, ein Funker, der mit anderen Funkern telepathisch kommunizieren konnte. Doch in jener schrecklichen Nacht hatte man sie betäubt, so dass sie uns ihren geheimen Aufenthaltsort nicht mitteilen konnte. Es war schrecklich gewesen, aber alles hatte sich letztlich zum Guten gewendet.
Ich trat an das Balkongeländer und betrachtete die hübschen Blumen. Solche Kästen würden an meinem eigenen Balkon sicher auch gut aussehen.
»Gibt´s in Avalon vielleicht einen Baumarkt oder so was Ähnliches?«, fragte ich Lee, während ich vorsichtig über die zarten Blütenblätter strich.
»Willst du ein Vogelhäuschen bauen?«, entgegnete er verhalten.
Mit hochgezogener Braue drehte ich mich zu ihm, doch als ich seinen Mundwinkel zucken sah, entspannte ich mich gleich wieder. Ich hatte mich noch nicht ganz daran gewöhnt, aber sein Verhalten mir gegenüber hatte sich merklich verändert. Er behandelte mich nicht mehr wie zu Beginn meines Aufenthalts in der Agency, als wäre ich der größte Vollidiot, und er nutzte auch nicht mehr jede Gelegenheit, um mich auf die Palme zu bringen. Von der Offenherzigkeit, die mir der Rest des Teams entgegenbrachte, war er zwar noch weit entfernt, aber ich freute mich über dieses kleine amüsierte Zucken seines Mundwinkels, als hätte er mir kameradschaftlich auf die Schulter geklopft.
Nicht dass ich darauf Wert legen würde …
»Nein«, antwortete ich und deutete auf die Blumenkästen. »Ich dachte eher daran, meinen Balkon auch ein bisschen zu verschönern. Diese Blumen sehen sehr hübsch aus.«
»Und sie brauchen vor allen Dingen Pflege«, sagte er ernst und legte skeptisch die Stirn in Falten. »Kennst du dich damit denn aus?«
»Ähm … ab und zu gießen?«
Samira gab ein unterdrücktes Kichern von sich, während Lee mich anstarrte, als hätte er sich verhört.
Ich verschränkte die Arme. »Ich glaube nicht, dass man ein Botanikstudium absolvieren muss, um ein paar Balkonblumen anständig versorgen zu können.«
Er blickte mich einen Moment abschätzig an. Dann schüttelte er den Kopf und ließ das Thema fallen, was vor ein paar Wochen noch komplett undenkbar gewesen wäre. Wir wären uns mit Sicherheit darüber in die Haare geraten.
»Bist du bereit für morgen?«, fragte Lee stattdessen.
»Ja. Die neuen Uniformen sind heute angekommen.«
Lee seufzte leise. »Na, wenn das so ist …«
Am nächsten Morgen schritt ich energisch durch den Flur der Ausbildungsebene. Ich überflog im Vorbeigehen die zahlreichen Gruppenfotos vergangener Kurse, die an den Wänden hingen, und zupfte nervös an meiner Jacke herum. Die Uniformen der Agentenanwärter waren dunkelrot, was eine maximale Verbesserung zu meiner bisherigen Praktikantenuniform darstellte, die ich immer als kotzgelb bezeichnet hatte. Die neue Farbe harmonierte zwar nicht so ganz mit meinen roten Haaren, aber damit konnte ich leben.
An meiner rechten Brust schimmerte das mattschwarze Emblem der Agency, ein verschnörkeltes A, umgeben von einer Raute. Darunter war Pvt. Winter in den Stoff der Uniform eingestickt. Die Abkürzung stand für Private, was ab sofort mein offizieller Dienstgrad war. Ivan hatte betont, dass es eigentlich nur bedeutete, dass ich noch über keinerlei Ausbildung verfügte. Nach erfolgreichem Grundlehrgang dürfe ich mich dann Corporal nennen. Und eine abgeschlossene Ausbildung zum Special Agent werde mich in den Rang eines Lieutenants erheben.
Mich interessierte es herzlich wenig, welche Abkürzungen vor meinem Nachnamen standen. Der Grund, warum ich diese Grundausbildung überhaupt antrat, war, dass ich mich nie wieder so hilflos fühlen wollte wie bei Samiras Entführung in Catania. Natürlich konnte ich mich selbst inzwischen mit den Kräften des Orinions verteidigen, davon ging ich zumindest aus, doch um Team 8 eine echte Unterstützung zu sein, brauchte es mehr, als mit Wasserfontänen herumschießen zu können. So Kleinigkeiten wie die fachgerechte Benutzung eines Funkgeräts, zum Beispiel.
Wenig später erreichte ich den sogenannten Lehrraum des Ausbildungsbereichs. Die Tür war geöffnet und ich blieb ein paar Schritte davor stehen, um mich noch einmal zu sammeln. Leise Stimmen waren aus dem Raum zu hören. Ich atmete einmal tief durch und zog den Haargummi fester, der den wüsten Knoten in meinem Nacken zusammenhielt. Dann hob ich mein Kinn und trat ein.
Das Stimmengewirr stockte und rund zwanzig Augenpaare richteten sich auf mich. Der Lehrraum wirkte wie ein normales Klassenzimmer und war mit Einzeltischen bestückt, die auf den ersten Blick alle besetzt schienen. Ich war wohl die letzte fehlende Anwärterin, obwohl ich fast eine Viertelstunde zu früh angekommen war.
Ich nickte lässig in die Runde der jungen Leute in Uniform und suchte die Reihen nach einem freien Platz ab. Dabei sondierte ich ganz nebenbei meine zukünftigen Mitstreiter. Es waren deutlich mehr Jungen als Mädchen und allesamt schienen in meinem Alter zu sein, oder ein wenig jünger. Meine Erfahrung ließ mich auf den ersten Blick vier Sparten erkennen.
Da waren die Streber, die kerzengerade auf ihren Holzstühlen hockten, die Hände sorgsam auf den Tisch gelegt und die Augen zur Tür gerichtet, jederzeit bereit aufzuspringen, sobald der Lehrer das Zimmer betrat.
Dann gab es die Proleten, stets darauf bedacht, schon im Sitzen möglichst viele Muskeln zu präsentieren und durch ein überlegenes Lächeln klarzumachen, dass diese Ausbildung sowieso nur eine reine Formalität war, weil ihr Daddy irgendein hohes Tier auf Entscheidungsebene war, der bereits für eine rosige Zukunft seines Zöglings gesorgt hatte.
Ein wenig geduckt saßen außerdem noch ein paar Nerds herum, bei denen ich mich unwillkürlich fragte, ob sie hier überhaupt richtig waren oder die Klasse mit einem IT-Kurs verwechselt hatten.
Und dann, in erschreckend geringer Anzahl und standesgemäß in der letzten Tischreihe angesiedelt, gab es zum Glück noch ein paar erfreulich normal Wirkende. Ein Mädchen mit dunklen Kulleraugen und einem dunkelbraunen Wuschelschopf winkte mir so aufgeregt zu, dass es beinahe vom Stuhl fiel.
Lucy!
Mit einem breiten Grinsen eilte ich zwischen den Tischen hindurch. Lucy sprang auf und umarmte mich so herzlich, dass es beinahe übertrieben war. Schließlich kannten wir uns nur von einer einzigen Begegnung, gleich zu Anfang meiner Zeit in der Agency. Trotzdem freuten wir uns beide über unser Wiedersehen, als hätten wir eine langjährige Freundin wiedergefunden. Wahrscheinlich waren wir einfach nur erleichtert darüber, jemanden im Kurs zu wissen, mit dem es sich aushalten ließ.
»Jay! Wie genial ist das denn?«, jubelte Lucy in mein Ohr, während sie sich von mir löste.
Ich strahlte sie genauso begeistert an. »Das kannst du laut sagen! Ist der Tisch neben dir noch frei?«
Sie nickte eifrig, so dass ihr gesamter Lockenschopf abermals in Bewegung geriet. Ich deutete fragend auf das gläserne Tablet, das ich jetzt erst auf ihrem Nachbartisch liegen sah. »Und wem gehört das?«
»Na, das ist deins.« Sie gluckste. »Auf jedem Tisch lag eins davon. Ich gehe davon aus, dass wir die für die Ausbildung brauchen.«
»Was für eine intelligente Schlussfolgerung«, sagte das Mädchen, das schräg vor uns saß. Sie hatte sich zu uns umgedreht und musterte uns mit überheblichem Blick. Ihre blonden Haare waren zu einem perfekten Dutt hochgesteckt, bei dem nicht ein einziges Härchen es wagte, herauszuschauen. Die Brauen waren penibel zu einem dünnen Bogen gezupft und ihre Augen mit einem perfekten Lidstrich verziert.
Ihre Sitznachbarin wandte sich ebenfalls um und betrachtete uns mit derselben Überheblichkeit. Nicht nur das, sie glich dem anderen Mädchen auch optisch bis ins kleinste Detail. Ohne Zweifel eineiige Zwillinge.
Na prima, es gab also gleich zwei von denen!
Mehr als diesen dummen Kommentar hatten Hanni und Nanni offenbar nicht abzugeben, daher entschloss ich mich, sie einfach zu ignorieren. Ich ließ mich auf meinem neuen Platz nieder und untersuchte das gläserne Tablet.
»Wie schaltet man das Ding an?«, fragte ich Lucy.
»Vermutlich mit der Einschalttaste«, antwortete Zwilling Nummer zwei und gackerte dümmlich mit ihrer Schwester.
Mir schwante Schreckliches. Noch vor einem halben Jahr hätte ich den beiden sofort gezeigt, dass sie sich ihre Sprüche besser für jemand anders aufheben sollten. Jetzt unterdrückte ich jedoch den Drang, ihre sorgfältig hingezwirbelten Frisuren zu zerrupfen. Ich wollte diese Ausbildung erfolgreich bestehen. Nicht nur um meinetwillen, sondern auch, weil ich dem Chief versprochen hatte, ihn nicht zu enttäuschen. Dieses Versprechen stachelte mich zu mehr Disziplin an als jegliche Androhung von Strafe. Der General hatte meine Eignung als Trägerin des Orinions nie angezweifelt. Er respektierte mich trotz meiner menschlichen Abstammung und den Einträgen in meiner Jugendstrafakte, und er brachte mir ein Vertrauen entgegen, das ich in vergleichbarem Ausmaß nie kennengelernt hatte. Inzwischen konnte ich nachvollziehen, weshalb Team 8 dem Chief mit solch unerschütterlicher Loyalität gegenüberstand. Mir ging es genauso und ich wollte unbedingt beweisen, dass er sich nicht in mir getäuscht hatte.
Ich zwang also meine zuckenden Finger zur Ruhe und drehte mich vorsorglich so weit zu Lucy um, dass ich die Zwillinge nur noch im Augenwinkel wahrnehmen konnte. Was schlimm genug war, denn sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und tuschelten hämisch miteinander.
»Wenn ich einer von denen die Nase breche«, überlegte ich laut, zu Lucy gewandt, »haut sich dann die andere auch eine drauf, damit sie wieder gleich aussehen?«
Lucy grinste. »Ich übernehm einfach die andere. Dann kommt sie gar nicht erst in diese verzwickte Situation.«
Innerlich seufzte ich vor Erleichterung. Lucy war klasse. Mir war jetzt schon klar, dass sie mein Rettungsanker für die Zeit der Ausbildung sein würde.
Nachdem ich endlich den Knopf für das Tablet gefunden hatte, kam plötzliche Bewegung in die Reihen. Noch ehe ich den Grund für die Aufregung erkannt hatte, standen bereits alle Anwärter stramm neben ihren Tischen und riefen im Chor: »Guten Morgen, SIR!«
Ach, du Scheiße …