Secret Woods 2: Die Schleiereule des Prinzen - Jennifer Alice Jager - E-Book

Secret Woods 2: Die Schleiereule des Prinzen E-Book

Jennifer Alice Jager

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Beschreibung

**Freiheit kann trügerisch sein, besonders wenn sie dich fliegen lässt** Noch weiß Nala nicht, wer sich hinter dem wahren Gesicht des attraktiven Jägers verbirgt, der sie um jeden Preis finden will. Sie genießt die Freiheit, die ihr die weiten Wälder der königlichen Jagdgründe bieten, in der Hoffnung, doch noch den Bann von ihrem verwunschenen Bruder lösen zu können. Aber die neu gewonnene Freiheit ist trügerisch. Ihre böse Stiefmutter trachtet nach Nalas Leben – und nach der Liebe des Prinzen, damit ihre eigene Tochter Königin werden kann. Dessen Herz ist jedoch längst vergeben… //Textauszug: Er war nur ein Jäger und Dale nur ein Reh. Nun, wo sie ihm so nahe war und sein Antlitz genauer betrachten konnte, da kam es ihr seltsam vertraut vor... Hatte er nicht eben ihren Namen gesagt? Hatte er das nicht voller Entsetzen, nein, voll unbändiger Freude, gesagt? Aber woher kannte sie ihn? Kam er vielleicht aus Dornwall? Kannte er ihre Stiefmutter? Er würde sie verraten können. Dieser Gedanke überrannte Nala mit einem Mal.// //Alle Bände der Märchenadaption von »Brüderchen und Schwesterchen«: -- Secret Woods 1: Das Reh der Baronesse -- Secret Woods 2: Die Schleiereule des Prinzen -- Secret Woods Sammelband// Diese Reihe ist abgeschlossen. //Weitere märchenhafte Romane der Autorin: -- Sinabell. Zeit der Magie -- Being Beastly. Der Fluch der Schönheit -- Prinzessin Fantaghiro. Im Bann der Weißen Wälder -- Schneeweiße Rose. Der verwunschene Prinz (Rosenmärchen 1) -- Blutrote Dornen. Der verzauberte Kuss (Rosenmärchen 2)//

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2016 Text © Jennifer Alice Jager, 2016 Lektorat: Rebecca Steltner Umschlagbild: shutterstock.com / © Malivan_Iuliia/ © Eric Isselee/ © Checubus/ © PlusONE/ © mythja Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund

Prolog

»Geh zu ihr«, verlangte ihre Mutter mit monotoner Stimme.

Imogen sah zu ihr auf. Tränen ließen die Augen der Frau glitzern, doch ihre Züge waren hart und ungerührt. Sie stand mit den anderen Dorfbewohnern am Flussufer und beobachtete, wie die Scharfrichter ihre älteste Tochter durch das seichte Wasser zerrten.

Imogens Herz war wie verkrampft. Sie wagte es nicht einmal hinzusehen, wo es doch ihre Schuld war, dass Evelyn diese grausame Strafe auf sich nehmen musste.

»Mutter, ich …«, krächzte Imogen mit brüchiger Stimme.

»Geh schon«, wiederholte ihre Mutter mit scharfem Ton.

Sie war wütend auf Imogen, hätte ihr das aber niemals offen gesagt und würde es auch in Zukunft nie zugeben. Sie liebte Evelyn noch immer und trotz allem.

Imogen ging es ja nicht anders. Evelyn war ihre große Schwester, hatte immer ihre schützende Hand über sie gelegt, ihr bei den Schulaufgaben geholfen und die Schuld auf sich genommen, wenn sie gemeinsam Streiche ausgeheckt hatten.

In den letzten Jahren aber hatten sie sich entfremdet. Imogen war erwachsen geworden und aus dem zu klein geratenen, schmächtigen Ding von damals war eine junge Dame geworden. Die Jungen, die sie früher geneckt und an den Haaren gezogen hatten, pfiffen ihr jetzt hinterher, brachten ihr Blumen und sangen Lieder für sie.

Imogen war hübsch und das missfiel Evelyn. Dabei war sie auch nicht gerade schlecht anzusehen.

Woher diese Eifersucht genau kam, wusste Imogen nicht. Sie wusste nur, dass sie die beiden Schwestern hierhergeführt hatte. Genau an diesen Ort, wo der Fluss, an dem sie als Kinder gespielt hatten, in einem tosenden Wasserfall endete.

Der Hexenfall. Sie hatte sich bei diesem Namen nie etwas gedacht, dabei war er mehr als bezeichnend.

Imogen atmete tief durch. Sich zu drücken nutzte nichts. Als Anklägerin musste sie vortreten, so wie es das Gesetz von Littover forderte und wie es ihre Mutter verlangte.

Sie watete also durch den Fluss. Das Wasser war ruhig und warm, was für einen seichten Sommertag wie heute nicht ungewöhnlich war. Es reichte ihr bald bis zu den Waden, zog sich in den Saum ihres Kleides und zerrte an dem Stoff, wodurch das Vorankommen immer beschwerlicher wurde.

Die beiden Männer, die Evelyn bis in die Mitte des Flusses geführt hatten, flankierten die junge Frau, hielten aber genügend Abstand. Sie hatten Respekt vor ihr, so wie jeder andere im Dorf auch.

Evelyn war mächtig. Das stand außer Frage. Etwas Großes sollte einmal aus ihr werden, bis zum Königshof sollte sie es schaffen. Dieses Ansehen, das sie sich schon als Kind in ihrem Heimatdorf errungen hatte, war nun aber Angst gewichen. Und das hatte Evelyn sich ganz alleine zuzuschreiben.

»Deine letzten Worte?«, fragte Evelyn ihre Schwester spöttisch.

Ihre Stimme kam dabei kaum gegen den tosenden Wasserfall in ihrem Rücken an.

Sie trug ein einfaches weißes Leinenkleid. Kaum mehr als ein Unterhemd. Ihr dunkles, dichtes Haar war offen und wurde vom Wind in Strähnen vor ihr bleiches Gesicht geweht. Dahinter blitzten hasserfüllte Augen wie Smaragde.

Imogen konnte dem Blick ihrer Schwester nicht standhalten. Sie sah zur Wasseroberfläche und auf Evelyns Spiegelbild, das darin waberte.

»So … so ist es Brauch«, antwortete Imogen.

»Komm schon, Schwesterchen, du wirst jetzt doch kein schlechtes Gewissen haben, oder? Ich bin hier die Böse, schon vergessen? Ich bin die Hexe, nicht du!«

»Es geht nicht darum, dass du eine Hexe bist!«, warf Imogen ihr entgegen.

»Nein? Worum dann?«, verlangte Evelyn zu wissen. »Die Leute haben doch nur Angst vor mir! Das haben sie schon immer gehabt. Feige sind sie!« Sie wandte sich den Dorfbewohnern zu. »Hört ihr das? Ihr alle seid feige!«

Imogen schüttelte den Kopf. »Du hast meinen Verlobten verführt.«

Evelyn warf den Kopf in den Nacken und lachte. Es war ein schauriges, durchdringendes Lachen, das einem die Haare zu Berge stehen ließ.

»Gehören dazu nicht immer zwei? Er wollte es doch genauso wie ich.«

In Imogen kochte Wut auf und das Mitleid für ihre Schwester, das ihr bis jetzt das Herz schwer gemacht hatte, verflüchtigte sich langsam.

»Ja, dazu gehören zwei. Nämlich mein Verlobter und ich. Du hast ihn verzaubert, verflucht! Er dachte, dass du ich wärst und dann hast du ihn verführt! Wie konntest du nur?«

Evelyn straffte ihre Haltung. Sie richtete sich auf, schob die Schultern zurück und fixierte Imogen durch kühle, berechnende Augen. Wären ihre Hände nicht gefesselt gewesen, hätte Imogen nicht anders gekonnt, als vor ihr zurückzuweichen. Es fiel Imogen auch so schon schwer genug standhaft zu bleiben.

Evelyn war eine mächtige Hexe. Die mächtigste, die sie je kennengelernt hatte. Imogen selbst hatte die heilenden Hände ihrer Mutter geerbt, mehr aber auch nicht. Sie wäre nie in der Lage gewesen, die Zauber zu wirken, die Evelyn so leicht über die Lippen kamen.

»Ich hätte ihn verdient«, behauptete Evelyn entschlossen.

»Verdient? Seine Liebe? William hat mich erwählt und ich ihn. Wir sind füreinander bestimmt und du, du hättest sicher auch einen guten Mann finden können, wenn du nicht immer so biestig und abweisend wärst!«

»Ach ja? Wen denn? Den Sohn vom Müller? Den Schuster?«, fragte Evelyn abfällig. »Mir steht mehr zu! Ich bin für Größeres bestimmt! Viel Größeres als das!«

Imogen schnaubte verächtlich.

»Darum geht es dir also? Um Williams Titel? Dein Leben lang haben die Menschen dir gesagt, dass du einmal viel erreichen wirst, aber dafür musst du auch etwas tun!« Ja, so kannte sie Evelyn. Sie war weder fleißig noch freundlich zu ihren Mitmenschen. Sie hasste es, sich die Finger schmutzig zu machen und nicht einmal der Magie schenkte sie besonders viel Aufmerksamkeit. »Dir ist doch immer alles nur zugeflogen. Etwas Besonderes sein, etwas Großes erreichen, das heißt für dich, sich zurückzulehnen und das Schicksal walten lassen. Aber weißt du was? So einfach ist das nun mal nicht. Natürlich hast du das Potenzial, etwas ganz Besonderes zu werden, aber dafür musst du dich auch anstrengen. Stattdessen bist du eifersüchtig auf mein Glück und willst mir alles zerstören. Ich hasse dich dafür!«

Evelyn rührte das nicht. Ein breites Grinsen huschte ihr über die Lippen und in ihren Augen blitzte es bedrohlich auf.

»Du glaubst, mir ist immer alles zugeflogen?«, hakte Evelyn nach. »Du bist doch diejenige, der die Männer scharenweise hinterherlaufen. Was nutzt es, wenn alle mir sagen, dass ich etwas Besonderes bin, wo du es doch bist, die Baronin von Dornwall wird?«

»Das ist doch nur ein Titel! Ich liebe William, darauf kommt es an! Aber du wirst das nie verstehen, weil du gar nicht weißt, was Liebe bedeutet!«

»Oh, glaub mir, Schwesterherz, das hat sich schon verdammt nach Liebe angefühlt, als dein ach so perfekter William die Nacht mit mir verbracht hat.« Evelyn lachte.

»Das … das ist keine Liebe gewesen …«, murmelte Imogen betroffen.

Sie wollte immer noch nicht wahrhaben, dass Evelyn so weit mit ihm gegangen war. Auch wenn Evelyn darauf geschworen hatte, ihn nicht durch einen Liebeszauber benebelt zu haben, war sie doch zumindest in Imogens Gestalt zu ihm gekommen. Dennoch fiel es Imogen schwer zu verzeihen, dass William den Unterschied nicht bemerkt hatte.

»Erzähl das deinem William. Er hat mir etwas Anderes ins Ohr geflüstert. Und bei der Gelegenheit solltest du ihn mal fragen, wie viel Ehre tatsächlich in ihm steckt, mit seiner Braut vor der Hochzeit eine Nacht zu verbringen.«

Imogen presste die Lippen fest zusammen. Diese Worte trafen sie wie Messerstiche ins Herz. Sie liebte William und das nach Evelyns Schandtat nicht weniger, aber ihm zu verzeihen würde seine Zeit brauchen. Diese eine Nacht hätte ihnen beiden gehören sollen. Und das auch erst nach ihrer Hochzeit, auf die er scheinbar nicht hatte warten können. Doch sie waren verlobt und so hatte er kein Verbrechen begangen. Evelyn hingegen sehr wohl.

Jemanden durch Magie so hinterlistig zu betrügen, sich für jemand anderen auszugeben und einen Adligen zu belügen, das waren schwerwiegende Verbrechen, die nur eine Strafe nach sich ziehen konnten. Und genau deswegen standen sie jetzt hier.

»Was … was hast du dir davon erhofft?«, hauchte Imogen.

Sie konnte ihrer Schwester nicht in die Augen schauen. Nicht das geringste Anzeichen von Reue sah man darin.

»Was glaubst du?«, fragte Evelyn und legte sich die Hand auf den Unterleib.

Das war also ihr Plan. Sie hatte sich von ihm schwängern lassen wollen, um ihn dann dazu zu zwingen, sie statt Imogen als Braut zu nehmen.

»Das hättest du mir angetan?«, fragte Imogen ungläubig.

Sie konnte es nicht glauben. Ja, sie waren lange nicht mehr die Schwestern, die sie einmal gewesen waren, aber wann war aus Evelyn so eine herzlose Frau geworden, warum war sie so verbittert und voller Eifersucht?

Imogen hatte immer geglaubt, dass Evelyn gerne die Unnahbare mimte, dass sie es genoss, mit den Männern zu spielen und ihnen Angst einzujagen, statt sich von ihnen umwerben zu lassen. Wieso sonst war sie immer so kühl und abweisend? Dabei war in ihr scheinbar über all die Jahre der Neid gewachsen und die Früchte davon erntete sie nun, wo sie hier stand und die Strafe zu empfangen hatte, die auf ihre Verbrechen stand.

Evelyn sah ihre jüngere Schwester lange und durchdringend an, bevor sie antwortete.

»Weil ich es verdient habe. Ich bin zu Höherem bestimmt als dazu, die Tochter einer Schneiderin zu sein. Du wirst schon sehen.«

Mit diesen Worten ließ sie sich fallen. Die beiden Scharfrichter wirbelten herum und sahen ihr verdutzt nach. Auch Imogen erschrak, als Evelyn sich so wagemutig selbst in den Abgrund stürzte, statt darauf zu warten, dass man sie stieß.

»Halte Abstand!«, gebot ihr einer der Männer, als Imogen näherkommen wollte. »Es ist gefährlich.«

Die Steine unter ihren Füßen waren glitschig und boten ihr kaum Halt. Sie sah hinunter in die tosende Flut, doch von Evelyn war nichts zu sehen. Nur weiße, schäumende Gischt und spitze Steine, die hier und dort aus dem Wasser ragten.

Die Chancen das zu überleben standen denkbar schlecht und wenn es ihr doch gelang, dann war sie verbannt und dazu verdammt, ihr Leben als Ausgestoßene zu führen.

Doch Imogen war sich sicher, dass sie noch lebte, dass sie irgendwo weiter flussabwärts wiederauftauchen und sich an Land retten würde.

Der Schwur

Dale lehnte sich erschöpft an einen der Bäume. Sein Atem ging rasselnd und schnell. In Wolken zeichnete er sich vor seinem Mund ab.

Der Mond stand hoch und sein Licht brach wie fallender Regen durch das Blätterdach über Dales Kopf.

Er wusste nicht, wie er hierhergekommen war, konnte sich nur bruchstückhaft an die letzten Tage erinnern. Es war wie ein sich immer wiederholender, gleicher Albtraum. In tiefdunkler Nacht erwachte er im Wald, es war bitterkalt, mal regnete es, mal lag Schnee oder Nebelschwaden zogen über den laubbedeckten Boden. Er war unbekleidet, zitterte am ganzen Leib, war verdreckt und mit zahllosen Striemen und Schürfwunden überzogen, die von seinen unbeholfenen Streifzügen durch den nächtlichen Wald zeugten.

Wo Nala war, wusste er nicht. Auch nicht, was tagsüber mit ihm geschah und warum sich dieser Albtraum immer wiederholte.

Dennoch fand er jedes Mal seinen Weg zu dieser verlassenen Hütte auf der Lichtung. Irgendwie kam ihm alles hier vertraut vor und doch so fremd.

Er wusch sich, schlang sich seinen Umhang um den geschundenen, bebenden Körper und kauerte sich in eine Ecke. Die Zeit reichte nicht einmal, um ein Feuer zu entzünden und sich zu wärmen, dann begann alles wieder von vorne.

Diesmal aber war es anders. Er war nicht sehr weit von der Lichtung entfernt. Dale stolperte in die Hütte, griff sich seinen Umhang, da hörte er einen lauten, durchdringenden Schrei, der ihn bis ins Mark erschütterte. Ihm war, als habe er Nala schreien gehört, doch es war nur ein Vogel, eine Eule, die über der Lichtung kreiste.

Dale trat ins Freie und legte den Kopf in den Nacken, sah hinauf zum sternenklaren Himmel und dem vollen Mond, der das Gefieder der Schleiereule silbrig glänzen ließ. Wieder schnitt ihr Schrei durch die Stille der Nacht.

Dale schrieb es seiner Erschöpfung zu, dass er Nalas Stimme zu erkennen glaubte. Dennoch hob er seine Hand und reckte sie dem Tier entgegen. Und tatsächlich. Die Eule reagierte darauf. Sie zog ihre Kreise enger, warf ihre Schwingen in die Höhe und stürzte sich, die Fänge voran, hinab.

Kaum hatte sie die fingerlangen Klauen um seinen Arm gelegt, fiel das Federkleid von dem Vogel ab und wirbelte durch die Luft wie ein Schneegestöber. Der Wind um sie herum stob auf, wirbelte Laub in die Höhe und ließ die Blätter an den Bäumen rauschen, singen und flüstern.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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