Seehaie - Manfred Megerle - E-Book

Seehaie E-Book

Manfred Megerle

4,4

Beschreibung

In einem Wäldchen oberhalb Wallhausen hängt ein Toter an einem Baum. Offenbar ein Selbstmord. Am selben Tag stirbt auf der Fähre nach Konstanz ein Mann an Herzversagen. Zwei scheinbar klare Fälle - doch nicht für Hauptkommissar Wolf von der Kripo Überlingen. Sein Verdacht bestätigt sich bald: Beide Männer wurden auf raffinierte Weise ermordet. Wolf beginnt zu ermitteln und glaubt sich der Lösung oft so nahe, doch stets werden die Verdächtigen rechtzeitig zum Schweigen gebracht. In einem ebenso atemberaubenden wie überraschenden Finale lüftet Wolf das Geheimnis der Täter, die mit ihren ungeheuerlichen Machenschaften Millionen scheffeln und das Wohlergehen der Seeregion aufs Spiel setzen.

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Manfred Megerle, geboren 1937, lebt mit seiner Familie in Flein bei Heilbronn. Bis 2005 leitete er eine Werbeagentur und schrieb Werbetexte. Nach dem beruflichen Ausstieg verlegte er sich auf Kriminalromane. Sein Anspruch: ungewöhnliche Kriminalfälle mit überraschenden Wendungen. Seine Schauplätze: der westliche Bodensee, den er vor Jahren zu seiner zweiten Heimat erkor. Dort lässt er seit 2007 den kantigen Hauptkommissar Leo Wolf ermitteln. Im Emons Verlag erschienen seine Kriminalromane »Seehaie«, »Seefeuer«, »Seeteufel«, »Seepest« und »Seerache«.

Dieses Buch ist ein Roman, alle Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, Firmen und Institutionen sind rein zufällig.

© 2012 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagzeichnung: Heribert Stragholz Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-189-3 Bodensee Krimi Originalausgabe

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»Dieser See, glaube ich, bewirkt nicht dies oder das.

Wenn er etwas einprägt, dann den Wechsel.«

1

Er sah auf die Uhr. Schon halb sieben. Wurde langsam Zeit, die Sache zu Ende zu bringen. Noch einmal zog er an seiner Zigarette, ehe er den Blick auf sein Gegenüber richtete.

»Tja, Freundchen! Das hast du dir nun selbst zuzuschreiben. Niemand beißt ungestraft in die Hand, die ihn füttert.« Mit spitzen Lippen pustete er einige Rauchkringel in die Luft, sah ihnen gedankenverloren nach, bis sie sich im Blätterdach der Bäume verloren. »Was hast du dir nur dabei gedacht?«, begann er aufs Neue. »Du hättest wissen müssen, dass du gegen uns nicht anstinken kannst! Das haben schon ganz andere versucht, und keinem ist es sonderlich bekommen.«

Er machte eine längere Pause, gerade so, als wolle er dem Angesprochenen Gelegenheit geben, sich zu verteidigen. Doch der blieb stumm. »Konntest den Hals nicht voll genug kriegen, stimmt’s? Und jetzt? Jetzt hast du den Boden unter den Füßen verloren.« Als ihm die Doppeldeutigkeit seiner Aussage bewusst wurde, lachte er verhalten.

Er ging ein paar Schritte und sah sich um. Nichts rührte sich. Zwischen den Bäumen, etwas tiefer gelegen und doch gefährlich nahe, die Häuser von Wallhausen, dicht dahinter der blinkende See, dessen jenseitiges Ufer sich im Dunst verlor. Langsam wurde es dort unten lebendig: Einige Wallhausener machten sich bereits auf den Weg zur Arbeit, andere gingen mit ihren Hunden spazieren. Bald würden die ersten Jogger unterwegs sein.

Sorgfältig drückte er auf der Schuhsohle seine Zigarette aus, akribisch darauf bedacht, kein Krümelchen auf den Boden fallen zu lassen. Die Kippe legte er zu den anderen in eine mitgebrachte Plastiktüte.

Ein letzter Blick streifte den Mann, zu dem er gesprochen hatte. Dann gab er sich einen Ruck. »Okay, bringen wir’s hinter uns«, murmelte er, fischte ein Handy aus der Jackentasche und drückte ein paar Tasten.

»Ist dort die Polizei? Sie sollten schnell einen Wagen schicken, hier hängt einer … na hier, im Wald, etwa einen halben Kilometer oberhalb Wallhausen, rechts von der Landstraße nach Dettingen … Wie er heißt? Weiß ich doch nicht, denken Sie, ich fass den an? … Ach so, wie ich heiße, meinen Sie? … Hallo, hallo?« Er drückte die Aus-Taste.

Ein frischer Wind war aufgekommen, der Tote über ihm begann leicht zu schaukeln.

Mit geübten Griffen zog er sich die weißen Latexhandschuhe von den Fingern. Nach einem letzten prüfenden Blick machte er kehrt und lief mit raschen Schritten in den Wald hinein.

2

»Verdammte Hitze«, knurrte Hauptkommissar Wolf apathisch und schloss sein Fahrrad ab. Um kurz nach sieben war das Thermometer neben dem Eingang bereits auf satte vierundzwanzig Grad geklettert. Das konnte ja heiter werden. Selbst unten am See, wo meist eine leichte Brise wehte, war diese Hitze mehr als lästig.

Vollends unerträglich fand er sie im Dienstgebäude der Überlinger Kripo. Das für eine Polizeidirektion ungewöhnlich moderne Bauwerk, im Volksmund respektlos »Aquarium« genannt, protzte mit einer spiegelnden Fassade aus Glas und Aluminium. Diese Außenhaut verwandelte die Innenräume schnell in eine finnische Sauna, und entsprechend hitzig war mitunter die Stimmung unter den Kollegen.

Wolf verscheuchte diese Gedanken. Er hatte Wichtigeres zu tun, als sich über das Wetter den Kopf zu zerbrechen. Seit gut drei Wochen hechelten sie hinter einer Gruppe von Rumänen her, die bei nächtlichen Überfällen auf Banken im Bodenseeraum weit über eine Million Euro erbeutet hatte, ohne dass man ihre Spur entdeckt, geschweige denn einen der Täter gefasst hätte. Ihren letzten Coup hatten die Rumänen vor zwei Tagen in Owingen gelandet. Die Täter gingen stets nach dem gleichen Muster vor: Sie klauten ein schweres Fahrzeug, rissen mit dessen Hilfe den Tresor aus der Wand und verschwanden damit in den umliegenden Wäldern. Wolf hätte sonst was drum gegeben, den Fall endlich vom Hals zu haben.

Na ja, neuer Tag, neues Glück – vielleicht war ja ausnahmsweise mal was dran an dem Spruch! Entschlossen machte er sich an den Aufstieg zu seinem Büro. Seine Abteilung, das Erste Kriminaldezernat, kurz: D1, befand sich im zweiten Stock, und auf die paar Treppen kam es nun auch nicht mehr an. Er war bereits verschwitzt, schlimmer konnte es nicht kommen.

Joanna ließ den Arm aus dem Autofenster baumeln und genoss den warmen Fahrtwind. Fast wie in der alten Heimat, dachte sie und ließ die Schranke hoch, die die Einfahrt auf den Parkplatz der Polizeidirektion freigab.

An Tagen wie diesem überkam Joanna Louredo, von ihren Kollegen nur Jo genannt, manchmal so etwas wie Wehmut. Sie war sich sicher, ihre Eltern würden noch immer in Deutschland leben, gäbe es mehr Sommer wie diesen. Ende letzten Jahres hatten sie endgültig vor dem deutschen Wetter kapituliert und waren nach Portugal zurückgekehrt, um sich in Vigo von ihrem Ersparten ein kleines Hotel zu kaufen.

Jo war in Baden-Württemberg geblieben. Sie hatte hart für ihre Laufbahn als Kommissarin bei der Kriminalpolizei gearbeitet. Nach der Landespolizeischule in Freiburg war sie vor etwa einem halben Jahr als frischgebackene Kriminalhauptmeisterin und Kommissarsanwärterin zur Kripo Überlingen gekommen. Die Arbeit hier machte ihr Spaß, auch wenn sie nicht mit allen Kollegen auf Anhieb klarkam. Aber das war ein anderes Thema. Jetzt musste sie erst mal einen freien Parkplatz ergattern.

So spendabel sich das Land beim Neubau des Dienstgebäudes auch gezeigt hatte, die schon immer knappe Parkfläche war seinerzeit nicht erweitert worden. Da vorne, in der zweiten Reihe, war da nicht eine Lücke? Tatsächlich! Jo drückte erleichtert den Fuß aufs Gaspedal und steuerte den freien Platz an, als plötzlich ein roter Flitzer frech an ihr vorbeiröhrte und die Lücke schloss.

Jo bekam einen roten Kopf. »Dieser Arsch!«, entfuhr es ihr. Das war Kalfass! Ludger Kalfass, Jos Kollege und Intimfeind. Vor zwei Jahren hatte ihn das Personalamt als Kriminalobermeister in Überlingen »abgestellt«, seitdem klebte er an diesem Stuhl. Kein noch so übertriebener Eifer hatte daran etwas zu ändern vermocht.

»Liebenswürdig wie immer«, konnte sich Jo einen Kommentar nicht verkneifen. »Wenn Egoismus wehtäte, müsstest du dich vor Schmerzen krümmen.« Am liebsten hätte sie diesen Widerling gesiezt, doch das unter Kollegen übliche »Du« konnte sie schlecht ignorieren. Aus den Augenwinkeln nahm sie im zweiten Stock des Gebäudes eine stämmige weißhaarige Männergestalt wahr. Der Chef war also bereits im Haus.

»Wer zuerst kommt, parkt zuerst, wusstest du das nicht, liebe Kollegin? Oder willst du mich für den knappen Parkraum verantwortlich machen?« Kalfass schloss die Wagentür und rückte seine randlose Brille zurecht, ehe er grinsend in Richtung Hintereingang verschwand.

Zehn Minuten später betrat Jo das Büro.

»Gut, dass du endlich kommst«, bemerkte Kalfass süffisant, ohne den Blick von seinem Bildschirm zu nehmen. »Die Antwort vom LKA ist da. Der Tote bei dem Überfall in Owingen geht eindeutig auf das Konto der Rumänen.«

Noch ehe Jo eine passende Antwort einfiel, öffnete sich die Tür zum Nebenraum. Mit einem übertrieben zackigen »’n Morgen, die Herrschaften!« stürmte Hauptkommissar Wolf in den Raum. Trotz der Hitze trug er in waghalsig schrägem Sitz ein Barett auf dem Kopf. Jo konnte sich nicht erinnern, ihn jemals ohne Kopfbedeckung gesehen zu haben. Angeblich versteckte er darunter eine kahle Stelle, die ihm ein Messerstecher bei der Festnahme zugefügt hatte.

»Jo, nimm deine Tasche und überlass die Rumänen Onkel Lu. Wir müssen weg.«

»Was ist passiert?«, fragte sie.

»Wir fahren nach Wallhausen. Ein Suizid.«

Bei dem spöttisch hingeworfenen »Onkel Lu« hatte Kalfass ruckartig den Kopf gehoben. Jo wusste, dass er diesen Spitznamen auf den Tod nicht ausstehen konnte. Es ärgerte ihn maßlos, dass Wolf ihn immer wieder verwendete. Jo hatte ihm den Namen verpasst, nachdem er auffallend häufig von einer jugendlich klingenden Frau angerufen wurde, die er hartnäckig als seine Nichte ausgab.

»Seit wann kümmern wir uns um Wallhausen?« Die Missbilligung in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Das ist die gegenüberliegende Seeseite, da sind die Kollegen aus Konstanz zuständig.« Abfällig fügte er hinzu: »Und dann noch ein Suizid!«

»Später«, beschied ihn Wolf und war bereits unter der Tür. Jo hatte Mühe, ihm zu folgen.

Zehn Minuten später standen sie am Bug der »Möwe« und ließen sich die frische Seeluft um die Nase wehen. Jo genoss die Überfahrt auf der kleinen Personenfähre, den Blick auf das näher kommende Südufer des Überlinger Sees gerichtet, auf den bunten Mix der im Sonnenglast flirrenden Landschaft, die so wohltuend auf die Seele wirkte. Wolf hingegen schien gegen solcherlei Anwandlungen gefeit. Er hatte sich eine seiner gefürchteten filterlosen Gitanes angesteckt, die er stets nur zur Hälfte rauchte, ganz so, als würde ihm selbst übel davon.

Die Überfahrt nach Wallhausen dauerte etwas mehr als eine Viertelstunde. Während dieser Zeit war die drückende Schwüle wenigstens halbwegs zu ertragen.

»Wo genau ist denn der Fundort der Leiche?«, brach Jo schließlich das Schweigen.

Einige Sekunden verstrichen, ehe Wolf antwortete. »Etwa achthundert Meter oberhalb Wallhausen, in einem Buchenwäldchen unweit der L219.«

»Und wie kommen wir dahin? Doch nicht zu Fuß?« Jo blickte skeptisch auf ihr wenig geländegängiges Schuhwerk.

»Keine Sorge, die Konstanzer Kollegen schicken einen Wagen.«

»Onkel Lu hatte recht: Wieso kümmern eigentlich wir uns um den Fall – vorausgesetzt, es ist einer? Der Fundort liegt auf Konstanzer Gebiet.«

Wolf warf seine Kippe in den See. »Der Tote heißt Stanislaus Ploc, ein Pole, von Beruf Lastwagenfahrer. Wohnte auf unserer Seite des Sees, in Ludwigshafen, deshalb hat man uns verständigt.«

»Gibt es einen Abschiedsbrief?«

»Keine Ahnung. Warten wir’s ab. Und ehe du mich weiter löcherst: Auch ob die Leiche schon untersucht wurde, weiß ich nicht.«

Minuten später legte die »Möwe« an, und sie stiegen in den bereitstehenden Streifenwagen. Das letzte Wegstück durch den Wald hätte bei empfindsamen Gemütern durchaus Kopfschmerzen oder gar Übelkeit auslösen können. Das lag jedoch weniger am Zustand des Weges als an dem draufgängerischen Fahrstil des Konstanzer Kollegen.

Endlich waren sie da. Das Areal war nicht abgesperrt, niemand würde sich um diese Zeit dorthin verirren. Sie gingen das letzte Stück zu Fuß. Nach einer Weile passierten sie einen zweiten Wagen, vermutlich das Dienstfahrzeug der Kripo Konstanz, und erreichten schließlich eine kleine Lichtung. Zwei Uniformierte waren gerade dabei, den Waldboden nach eventuellen Spuren abzusuchen.

Über der am Boden liegenden leblosen Gestalt wölbte sich die Krone einer mächtigen Buche. Von einem der Äste baumelte noch das Seil. Die Schlinge fehlte, man hatte den Toten einfach abgeschnitten. Es handelte sich um einen etwa fünfzigjährigen, hager wirkenden Mann mit Dreitagebart, bekleidet nur mit einer reichlich zerschlissenen Arbeitshose und Turnschuhen. Sein stark behaarter Oberkörper war nackt. Neben ihm lag ein ehemals gelbes T-Shirt, auf dem Jo mit Mühe die Aufschrift »HOHBAU« entziffern konnte. Deutlich zu erkennen dagegen waren die rötlich violetten Strangulierungsmale am Hals des Toten. Eine Frau beugte sich über den Leichnam, ihr weißer Overall und der Instrumentenkoffer wiesen sie als Ärztin aus. Sie nickte den Neuankömmlingen kurz zu und setzte dann ihre Untersuchung fort. Ein umgestoßener Campingstuhl, der etwa einen Meter neben dem reglosen Körper lag, rundete das Bild ab.

Ein Kripobeamter in Zivil tauchte neben ihnen auf und grüßte. Wolf hob nur flüchtig die Hand, eine Reaktion, die Jo nicht fremd war. Wahrscheinlich hadert er jetzt wieder mit seinem Namensgedächtnis, dachte sie. Sie kannte seine Schwäche, Namen zu vergessen – ein Manko, das ihn zunehmend belastete, wie er ihr einmal gestanden hatte.

Der Kollege hielt Wolf eine grüne Kunststoffbox hin. Wie die beiden Uniformierten trug auch er die bei der Polizei üblichen weißen Latexhandschuhe. »Da ist alles drin, was wir in den Taschen des Toten gefunden haben: Ausweis, Führerschein, Schlüssel, EC-Karte, eine kleinere Summe Bargeld, ein paar Fotos. Was man eben so bei sich trägt. Ach ja, und dann noch das hier, eine Kunststoffschlaufe. Haben die Kollegen auf dem Boden gefunden, unter dem Laub.«

Wolf nahm das Ding in die Hand und drehte es hin und her. »Was ist das?«

»Wissen wir nicht. Kann sein, es hat gar nichts mit dem hier zu tun.« Mit einer flüchtigen Handbewegung wies der Beamte auf den Toten.

»Kein Abschiedsbrief?«, fragte Jo.

»Wie man’s nimmt. Diese Hülle hier war ebenfalls bei seinen Sachen. Den Zettel, der drinsteckt, könnte man als solchen deuten.« Er zog ein Papier heraus und entfaltete es.

Mit sauberer, schulmäßiger Schrift, die auf keinerlei seelische Erregung schließen ließ, hatte der Schreiber drei kurze Worte auf das Papier gesetzt: »Verzeih mir, Sonja.«

»Nicht gerade viel«, kommentierte Jo. »Könnte Sonja seine Frau sein?«

»Keine Ahnung. Vergesst nicht: Wir sind auch erst seit einer halben Stunde hier.«

»Schon gut, wir recherchieren das«, winkte Wolf ab. »Ich nehme an, wir können seine Sachen mitnehmen, oder? Vermutlich seid ihr froh, wenn die kriminaltechnische Untersuchung bei uns in Überlingen durchgeführt wird.« Mit dem Anflug eines Lächelns versuchte er, der Situation jeden Anschein von Rivalität zu nehmen. »Aber vielleicht können wir uns das ja sogar sparen, je nachdem, was der Doc feststellt.« Damit drehte er sich um und ging auf die Ärztin zu.

»Moment noch«, warf Jo hastig ein und fragte den Konstanzer Kollegen: »Habt ihr sein Fahrzeug gefunden?«

Der schüttelte den Kopf. »Sieht so aus, als wäre der Mann zu Fuß gekommen. Jedenfalls steht weit und breit kein herrenloser Wagen.«

»Irgendwelche Umstände, die aus deiner Sicht auf etwas anderes als Selbstmord hindeuten?«, fragte Wolf.

»Bis jetzt nicht. Alles spricht dafür, dass Ploc allein war, dass er auf den Campinghocker stieg, sich die Schlinge um den Hals legte und danach den Hocker umstieß. Was wir nicht wissen, ist, warum er es tat. Das rauszukriegen ist jetzt eure Sache.«

Inzwischen hatte sich die Ärztin erhoben und war zu ihnen rübergekommen. Sie bestätigte die Einschätzung des Beamten: »Eindeutig Suizid, keinerlei Hinweis auf Fremdeinwirkung, soweit ich das hier feststellen kann.« Sie griff nach einem Formular. »Geht die Leiche nach Konstanz oder nach Überlingen?«

»Überlingen, Pathologie im Kreiskrankenhaus«, antwortete Wolf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie verabschiedeten sich und gingen zu dem Wagen zurück, der sie hergebracht hatte.

Sie waren erst wenige Meter gefahren, als ihnen auf dem Waldweg ein marineblauer Sportwagen entgegenkam und sich forsch zwischen ihnen und den Bäumen hindurchzwängte.

»Stopp!«, rief Wolf dem Fahrer zu und bat ihn, zurückzustoßen. Eine nicht mehr ganz junge, aber immer noch attraktive Brünette kletterte eben aus dem Flitzer. Sie trug eine Tasche über der rechten Schulter und versuchte, möglichst unauffällig eine kleine digitale Kamera dahinter zu verstecken. Für Wolf jedoch nicht unauffällig genug.

»Sieh an, die Presse«, rief er durch das offene Fenster. »Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, Frau Winter. Hier gibt’s absolut nichts, was Sie interessieren könnte.«

»Darüber gingen unsere Ansichten schon immer etwas auseinander, Hauptkommissar Wolf.«

»Woher wissen Sie eigentlich, dass wir hier sind?«

»Ein Vöglein hat es mir zugezwitschert«, antwortete die Journalistin augenzwinkernd.

Wolf lag eine scharfe Antwort auf der Zunge, doch er schluckte sie hinunter. »Hat der ›Seekurier‹ es bereits nötig, sich um Familientragödien zu kümmern? Diese Leute haben nicht verdient, dass man ihr Unglück an die Öffentlichkeit zerrt.«

»Könnte es nicht sein, dass Sie den Fall falsch einschätzen, Herr Wolf?«

»Es gibt keinen Fall. Und jetzt muss ich Sie bitten, wieder zurückzufahren.«

»Tut mir leid, aber ich sehe hier keine Absperrung, also kann ich auch weitergehen.«

Wie um ihre Absicht zu unterstreichen, ging sie ein paar Schritte auf den mittlerweile zugedeckten Leichnam zu und brachte ihre Kamera in Schussposition. Plötzlich stand einer der Uniformierten vor ihr. Mit ausgebreiteten Armen drängte er sie zurück.

»Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da tun«, fuhr sie den Beamten an. Im Zurückweichen warf sie noch einmal einen Blick über die Lichtung, als wolle sie sich alle Einzelheiten einprägen.

Wenig später standen Wolf und Jo wieder auf dem Deck der »Möwe«. In Anbetracht der Temperaturen verzichtete Wolf diesmal sogar auf seine Gitanes.

»Sieht so aus, als wäre der Kelch an uns vorübergegangen, Chef. Keine Spuren, kein Kampfgeschehen, keine Fremdeinwirkung am Körper des Toten – klarer kann ein Suizid kaum sein. Fast ein bisschen schade, auch wenn es makaber klingt. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn der Rumänenfall an ein anderes Dezernat gegangen wäre.«

»Gib die Hoffnung nicht auf, Jo. Erst, wenn sich auch bei Plocs Familie und an seinem Arbeitsplatz kein hinreichender Verdacht auf Fremdeinwirkung ergibt, können wir den Todesfall als erledigt betrachten.« Nachdenklich blickte er auf das wie bleiern daliegende Wasser hinunter. »Ich möchte gar zu gerne wissen, wer die Winter informiert hat …«, murmelte er.

3

»Nummer achtundzwanzig … hier ist es … da vorne kannst du den Wagen abstellen.«

Wolf atmete hörbar auf. Er war glücklich, das Gefährt verlassen zu können. Da ihnen die Fahrbereitschaft der Kripo Überlingen auf die Schnelle keinen Wagen stellen konnte, hatten sie Jos Beetle genommen. Wolf wusste, dass der Wagen über den stärksten Motor verfügte, den das Werk herstellte, und, wenn es sein musste, gut und gerne hundertachtzig Stundenkilometer auf die Straße brachte. Damit käme er ja notfalls noch klar, besäße Jo nicht gleichzeitig den Ehrgeiz, ihrem Renn-Ei auf jeder Strecke die maximale Leistung abzufordern – wenn möglich, sogar etwas mehr.

Nun, er hatte es überlebt. Jo hatte den Beetle unweit einer Reihenhauszeile an einem recht steilen Hang oberhalb von Ludwigshafen geparkt. Nach Südosten öffnete sich der Blick weit über den Überlinger See, an klaren Tagen waren von hier aus sogar die schneebedeckten Gipfel der Zentralschweiz zu sehen.

Wolf drehte sich um. Vier der fünf dem See zugewandten Reihenhäuser wirkten wie aus dem Werbespot einer Bausparkasse: Hängegeranien am Balkon, sauber angelegte kleine Vorgärten, auf den Terrassen bunte Sonnenschirme mit Sitzgruppen.

Nur das letzte Haus fiel etwas aus dem Rahmen. Keine Gardinen an den Fenstern, der Aufgang moosbewachsen, der Garten ungepflegt.

»Sieht aus, als wäre den Plocs auf halbem Weg das Geld ausgegangen«, brachte Jo die Sache auf den Punkt.

»Die wollten hier sicher ihren Traum vom Leben im gelobten Westen verwirklichen. Für Leute von drüben«, er wies mit der Rechten unbestimmt nach Osten, »dauert das eben etwas länger.« Dann seufzte er. »Komm, lass uns Plocs Frau suchen gehen.«

Sie stiegen die Treppe zum Hauseingang hoch. Als auf ihr Klingeln niemand öffnete, klopften sie mehrmals laut an die Haustür. »Frau Ploc! … Hallo … Frau Ploc!« Ihre Rufe lockten jedoch nur die Nachbarin aus dem Haus, eine ältere, grauhaarige Frau mit leicht verkniffenen Gesichtszügen.

»Wenn Sie die Ploc suchen, die ist nicht da.«

»Guten Tag, mein Name ist Louredo, Kripo Überlingen. Das ist Hauptkommissar Wolf. Wissen Sie, wo wir sie finden können?«, fragte Jo.

»Da sind Sie schon die Zweite, die das wissen will.«

»Wer noch?«, gab Jo erstaunt zurück.

»Na, die Frau eben.«

»Welche Frau?«, fragte Jo begriffsstutzig.

»Sie meinen sicher die Frau mit dem blauen Sportwagen?«, fragte Wolf ahnungsvoll.

»Genau. Was wollen Sie denn von der Ploc?«

»Wissen Sie, wo wir sie finden können?«, ignorierte Wolf ihre Neugier.

Die Frau schien enttäuscht. »Gehen Sie hier die Straße weiter, am Ende zweigt rechts ein Feldweg ab, den Berg hinauf. Oben liegt das Erdbeerfeld von Bauer Ostberg, dort wird sie pflücken. Sie pflückt jeden Nachmittag.« Den letzten Satz sprach sie aus, als handle es sich bei dieser Tätigkeit um eine unzüchtige Handlung.

»Na also, geht doch«, murmelte Wolf und wandte sich zur Straße.

»Haben Sie vielen Dank, und schönen Nachmittag noch«, rief Jo über die Schulter zurück.

Wenigstens war die Wegbeschreibung der Nachbarin brauchbar. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie den Acker erreichten. Vorne am Weg stand ein Traktor mit Anhänger, auf dem die vollen Körbe gesammelt wurden. Über das Feld verteilt bückten sich gut und gerne zwanzig Personen, zumeist Frauen, nach den Früchten, deren aromatischer Duft überall in der Luft hing.

Wolf ging auf den Mann am Anhänger zu und stellte sich vor. »Herr Ostberg, nehme ich an?«

»Richtig. Was kann ich für Sie tun?«

»Ist unter Ihren Leuten eine Frau Ploc?«

»Warum wollen Sie das wissen?«, fragte der Bauer misstrauisch zurück.

»Wir müssen uns kurz mit ihr unterhalten. Könnten Sie sie bitte herbeirufen? Das wäre sehr freundlich.«

Ostberg wollte etwas erwidern, lief dann jedoch ein paar Schritte auf den Acker und stieß einen gellenden Pfiff aus. Zwanzig Köpfe fuhren hoch. »Sonja«, brüllte Ostberg und winkte. Eine Frau löste sich aus der Gruppe und kam näher.

Sonja Ploc war etwa so alt wie ihr Mann. Auch bei ihr hatten entbehrungsreiche Jahre ihre Spuren hinterlassen. Trotz der Hitze trug sie ein Kopftuch, auf ihrer Nase saß eine altmodische Hornbrille.

Wolf dankte Ostberg und nahm die Frau etwas zur Seite. »Frau Ploc, mein Name ist Wolf, Kripo Überlingen. Das ist meine Kollegin Frau Louredo. Bitte entschuldigen Sie unseren Überfall …«

Mit hartem slawischem Akzent fuhr sie ihm ins Wort: »Wir haben Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, bei uns ist alles in Ordnung …«

Jo beruhigte sie. »Deshalb sind wir nicht hier, Frau Ploc. Wissen Sie, wo sich ihr Mann aufhält?«

»Bei der Arbeit, wo sonst?«

»Wo arbeitet ihr Mann?«

»Stani ist Lkw-Fahrer bei Hohmann … guter Fahrer.«

Dem Bauunternehmer Karlheinz Hohmann gehörte die Hohbau GmbH, ein Unternehmen, das viele wichtige Bauprojekte am Bodensee durchführte.

Wolf hielt den Moment für gekommen, der offenbar ahnungslosen Frau reinen Wein einzuschenken. »Frau Ploc, wir haben leider eine schlechte Nachricht …«

Plötzlich hing die Frau mit großen Augen an seinen Lippen. »Nachricht? Was für eine Nachricht? Reden Sie schon …«, rief sie schrill. Ostberg schaute aufmerksam zu ihnen herüber.

»Ihr Mann … er hat sich heute morgen das Leben genommen.«

Es war, als hätte Sonja Ploc überhaupt nicht zugehört. Sie verzog keine Miene, verharrte starr auf der Stelle. Langsam, ganz langsam versteinerte sich ihre Miene, endlose Sekunden verstrichen. Sie flüsterte kaum hörbar: »Was ist passiert? … Wo ist er?«

Jo sagte es ihr. Dann trat sie auf die mit einem Schlag um Jahre gealtert wirkende Frau zu und strich ihr sanft über den Arm. In solchen Situationen war Wolf dankbar, eine einfühlsame Kollegin bei sich zu haben. Gerade heute war das besonders wichtig, denn für Sonja Ploc war längst nicht alles vorbei, sie würde ihnen noch Rede und Antwort stehen müssen.

Zum wiederholten Mal tupfte sich Wolf den Schweiß von der Stirn, ehe er sich räusperte. »Frau Ploc, fühlen Sie sich in der Lage, uns ein paar kurze Fragen zu beantworten?«

Die Frau wischte sich die Tränen aus den Augen und nickte schwach.

»Haben Sie eine Erklärung für den Freitod Ihres Mannes?«

Sie zögerte mit der Antwort. »Ich weiß nicht … natürlich, es ging uns nicht gut … gar nicht gut … das Geld, wissen Sie …« Sie brach ab und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

»Erkennen Sie diese Schrift?« Er zeigte ihr den Zettel, den sie bei dem Toten gefunden hatten.

»Ist Stanis Schrift«, murmelte sie und brach erneut in Tränen aus.

»Sind Sie sicher? Schauen Sie sich den Zettel genau an.«

»Ja, ist.«

Jo reichte ihr ein Taschentuch. »Besitzen Sie ein Auto? Und wenn ja, wo ist es?«

»Ist in Werkstatt.«

»Noch eine letzte Frage, Frau Ploc: Haben Sie Kinder?«

»Drei. Sind zurzeit in Polen. Ferien, wissen Sie …«

»Danke. Möchten Sie, dass wir Sie nach Hause fahren?«

»Nein, ich habe Fahrrad, ist nicht weit.«

Im Weggehen machte Wolf noch einmal kehrt: »Ach, doch noch eine allerletzte Frage, entschuldigen Sie: Ist Ihnen bekannt, ob Ihr Mann eine Lebensversicherung hatte?«

»Davon weiß ich nichts, hat Stani nie darüber gesprochen.«

***

Plocs Arbeitgeber, die Hohbau GmbH, hatte ihren Firmensitz in Markdorf. Der schnellste Weg dorthin führte über die B31 am See entlang bis Meersburg. Von dort ging es noch etwa zehn Kilometer landeinwärts in Richtung Ravensburg. Alles in allem war die Strecke, freie Straßen vorausgesetzt, in gut vierzig Minuten zu schaffen. Jo brauchte knapp dreißig. Wolf versuchte, sich auf der Fahrt ins Unvermeidliche zu fügen, lenkte sich ab, indem er die Segel auf der schimmernden Seeoberfläche zählte oder die Namen der am gegenüberliegenden Ufer verstreut liegenden malerischen Ortschaften vorwärts und rückwärts aufsagte. Er wusste: Jos Temperament zügeln zu wollen war ein hoffnungsloses Unterfangen, also ließ er sie gewähren. Manchmal hatte ihre Power ja auch Vorteile: Wo Kalfass noch abwog, hatte Jo bereits gehandelt, und das war dem D1 mehr als einmal von Nutzen gewesen.

Kurz hinter Meersburg rief Kalfass auf Wolfs Handy an. Unter Plocs Sachen war auch dessen EC-Karte gewesen, und da Wolf im Moment finanzielle Schwierigkeiten als das wahrscheinlichste Motiv für den Selbstmord annehmen musste, hatte er Kalfass angewiesen, Plocs Bank etwas auf den Zahn zu fühlen.

»Was die Plocs und ihre finanziellen Verhältnisse angeht, Chef, da hatten Sie recht. Der Filialleiter wollte zwar nicht mit konkreten Summen herausrücken, verschanzte sich hinter dem Bankgeheimnis, das kennen wir ja. Aber so viel konnte ich ihm dann doch entlocken: Die Plocs waren für ihre Verhältnisse recht hoch verschuldet. Und jetzt halten Sie sich fest: Kurz vor mir hatte ihm jemand vom ›Seekurier‹ dieselben Fragen gestellt. Eine Frau.« Dann, als Wolf nicht gleich antwortete: »Sind Sie noch dran, Chef?«

»Äh … ja, die Dame ist uns bekannt. Wir fahren jetzt nach Markdorf zu Plocs Arbeitgeber. Sonst was Neues?«

»Wir haben das Fahrzeug sichergestellt, das die Rumänen bei ihrem letzten Raubzug benutzt haben, und zwar in einem aufgelassenen Heuschober, vier Kilometer vom Tatort entfernt.«

Warum nur hörten sich bei Kalfass solche Nachrichten immer an, als sei die Entdeckung sein ganz persönliches Verdienst?

»Bleib dran. Ich denke, wir können uns morgen wieder auf diesen Fall konzentrieren«, sagte er und brach das Gespräch ab.

Wolf gab die erhaltenen Informationen an Jo weiter. Sie hatten inzwischen den Ortseingang von Markdorf erreicht, Grund genug, die Geschwindigkeit auf ein nervenschonendes Normalmaß zu drosseln. Kurz darauf tauchte das Verwaltungsgebäude der Hohbau GmbH auf. Jo stellte ihren Wagen auf einem der Besucherparkplätze ab.

Fünf Minuten später saßen sie Karlheinz Hohmann gegenüber. Der hünenhafte Unternehmer, ein Selfmademan, der in nur einem Jahrzehnt ein Unternehmen mit immerhin zweihundertfünfzig Mitarbeitern aus dem Boden gestampft hatte, stand ihnen sofort zur Verfügung, als sie sich am Empfang ausgewiesen und den Grund des Besuches genannt hatten.

»Erhängt, sagen Sie? Ploc? Da bin ich platt. Von dem hätte ich das zuletzt erwartet. Er war immer ein so aktiver, aufgeschlossener Typ.«

»Darf man bei Ihnen rauchen?«, fragte Wolf und fischte bereits nach seinen Gitanes.

»Bedaure, unsere Büroräume sind rauchfrei. Etwas zu trinken kann ich Ihnen anbieten, wenn Sie möchten.«

»Nein danke! Sehen Sie für den Selbstmord irgendeinen Grund, der in Plocs Arbeit oder in Ihrem Unternehmen liegen könnte?«

»Nicht den geringsten!« Dabei reckte Hohmann das Kinn nach vorne, als müsse er sich über diese Frage entrüsten. Sein mächtiger Brustkorb spannte sich, die ärmellose Weste klaffte auf und enthüllte eines der gelben T-Shirts, auf denen der Schriftzug »HOHBAU« prangte. »Ploc war … lassen Sie mich nachrechnen … ja, beinahe zehn Jahre bei uns. Lkw-Fahrer, hat die stärksten Brummer gesteuert – und ganz gut verdient dabei. Okay, manchmal war er etwas schwierig …«

»Wie meinen Sie das?«, hakte Jo nach.

»Nun, er war zuweilen ein bisschen launisch, vorsichtig ausgedrückt. An manchen Tagen musste man ihn wie ein rohes Ei behandeln. Wie die Osteuropäer eben so sind. Gefühlsmenschen halt. Seit heute Morgen fehlt übrigens ein weiterer Fahrer. Unentschuldigt! Yosip, ein Kroate. War mit Ploc befreundet. Ich will nicht hoffen, dass er auch noch ausfällt, wir brauchen jeden Mann. So, kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

Hört sich nach höflichem Rausschmiss an, dachte Wolf und warf Jo einen Blick zu. Sie erhoben sich. Es gab keinen Grund, noch länger zu bleiben, also verabschiedeten sie sich und gingen zurück zum Auto.

Auf der Rückfahrt gerieten sie in ein Gewitter. Den ganzen Tag über hatte sich die Hitze aufgestaut, jetzt entlud sich die Spannung in gewaltigen Explosionen. Ein Regenvorhang, dicht wie ein Wasserfall, rauschte auf das ausgeglühte Land hernieder, die Sicht ging gegen null. Jo musste rechts ranfahren und den Motor abstellen.

»Kann ich davon ausgehen, Chef, dass bei Ploc weder eine Autopsie noch eine kriminaltechnische Untersuchung gemacht wird?«, fragte Jo, als das Prasseln des Regens auf dem Wagendach etwas nachließ.

»Kannst du«, antwortete Wolf – doch so ganz wollte die Skepsis nicht weichen. Er konnte selbst nicht genau sagen, was ihn an der Selbstmordtheorie störte.

4

An Meersburgs Fährhafen herrschte geschäftiges Treiben. Fußgänger, Autos, Busse und Lastwagen quollen in bunter Folge aus dem Bauch des Schiffes, davor stauten sich lange Schlangen wartender Fahrzeuge, die nach Konstanz hinüberwollten. Endlich war der Strom der Ankömmlinge versiegt, der Aufsichtführende gab die Einfahrt frei. Wagen um Wagen rollte unter Deck, gelenkt von den winkenden Armen und scharfen Pfiffen der Fährleute. Kaum waren die Motoren abgestellt, sprangen die meisten Insassen aus ihren Autos und eilten über die enge Treppe aufs Oberdeck – das Spektakel des bevorstehenden Seegewitters übte eine magische Anziehungskraft aus. Und tatsächlich: Über den Himmel rasten Blitze speiende gelb-schwarze Cumulonimbuswolken und inszenierten ein Schauspiel, das sich an Dramatik kaum überbieten ließ. Scharfe Windböen peitschten das Wasser und taten das Ihre, die Szenerie noch ein bisschen wilder erscheinen zu lassen.

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