Segel in Flammen - Frank Adam - E-Book
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Segel in Flammen E-Book

Adam Frank

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Beschreibung

Es ist die letzte Phase des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Nach 1779 wird die Lage der britischen Flotte immer bedrohlicher. David Winter und seine Kameraden müssen viele Bewährungsproben bestehen. Zwischen nächtlichem Kanonenfeuer und Gefechten mit der spanischen Flotte, erweist David sich als schlauer Taktiker und rettet sogar seinem Captain das Leben. Er wird als Held gefeiert und zum Leutnant befördert. Doch auch zurück in England warten Abenteuer auf den jungen Seewolf ...

David Winters Abenteuer sind ein Spiegelbild seiner Zeit, des rauen Lebens in der Royal Navy, aber auch romantischer Gefühle, des heldenhaften Mutes und der Kameradschaft auf See. Vom Eintritt in die Royal Navy über die Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges bis in die napoleonischen Kriege verfolgen wir David Winters Aufstieg vom Seekadetten bis zum Admiral.

Aufregende Abenteuer auf See, eingebettet in die faszinierende Geschichte der Marine.

Für alle Fans von C.S. Forester, Alexander Kent, Patrick O’Brian und Richard Woodman. Weitere Bücher von Frank Adam bei beTHRILLED: die Sven-Larsson-Reihe.

eBooks von beTHRILLED - spannungsgeladene Unterhaltung.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Vorwort

Hinweise für den marinehistorisch interessierten Leser

Verzeichnis von David Winters Schiffen und ihren Offizieren:

Die befreite Stadt

Segel in Flammen

Die Heldenbeförderung

Zwischenspiel in England

Das Flaggschiff

Kutter nach Menorca

Das Kriegsgericht

Expedition zum Kap der Guten Hoffnung

An den Küsten Südamerikas

Die große Schlacht

Nachwort des Autors

Glossar

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

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Über dieses Buch

Es ist die letzte Phase des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Nach 1779 wird die Lage der britischen Flotte immer bedrohlicher. David Winter und seine Kameraden müssen viele Bewährungsproben bestehen. Zwischen nächtlichem Kanonenfeuer und Gefechten mit der spanischen Flotte, erweist David sich als schlauer Taktiker und rettet sogar seinem Captain das Leben. Er wird als Held gefeiert und zum Leutnant befördert. Doch auch zurück in England warten Abenteuer auf den jungen Seewolf ...

Frank Adam

Segel in Flammen

Historischer Abenteuerroman

Vorwort

Der dritte Band über die Seekämpfe David Winters schildert die Zeit von Ende 1779 bis Frühsommer 1782. Es ist die letzte Phase des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Die Lage der britischen Flotte wird immer bedrohlicher, nachdem Frankreich und Spanien in den Krieg eingetreten sind. Zu wenig Schiffe sollen zu viele Aufgaben erfüllen und werden von der politischen und militärischen Führung oft falsch eingesetzt.

David Winter muss mit seinen Kameraden harte Bewährungsproben bestehen. Er hat das Glück des Tüchtigen, überlebt und zeichnet sich aus.

Ich habe seine Erlebnisse historisch so getreu nacherzählt, wie es jemandem möglich ist, der zwei Jahrhunderte später lebt und sich nur noch aus schriftlichen Quellen, Gemälden und Gebäuden ein Bild machen kann. Die Ereignisse, die David Winter miterlebte, finden sich heute in Geschichtsbüchern, z. B. der Gordon-Aufruhr in London, Commodore Johnstones schlecht geführte Expedition zum Kap der Guten Hoffnung, Suffrens Angriff auf die Bucht von Porto Praya (mit dem Detail zum Schiff schwimmender Kapitäne), die Aufstände in den spanischen Vizekönigreichen Südamerikas, die Schlacht bei den Saints, um nur die herausragendsten zu nennen.

Damals spielten Krieg und Abenteuer eine andere Rolle im Leben der Menschen als heute. Ich habe versucht, nicht die Maßstäbe unserer Zeit anzulegen, sondern die Menschen so zu zeigen, wie sie aus den Erinnerungen David Winters und seiner Zeitgenossen in der Flotte und im täglichen Leben zu erkennen sind.

Ich wünsche dem Leser viel Freude und Unterhaltung beim Miterleben der Abenteuer einer vergangenen Zeit.

Frank Adam

Menorca, August 1994

Hinweise für den marinehistorisch interessierten Leser

Wer sich über die geschichtlichen Hintergründe, die Schiffe dieser Zeit, das Leben der Besatzungen, die Waffen und vieles andere mehr orientieren will, kann das am einfachsten in dem Taschenbuch:

Adam, F.: Hornblower, Bolitho und Co., Krieg unter Segeln in Roman und Geschichte. Frankfurt: Ullstein 1992

Ausführlicher und reichhaltiger illustriert ist das Standardwerk Lavery, B.: Nelson’s Navy. The Ships, Men and Organisation 1793 – 1815. London: Conway 1989

Über die Seemannschaft dieser Zeit orientiert am besten: Harland, J.: Seamanship in the Age of Sail. London: Conway 1984

Viele Informationen kann man auch alten nautischen Wörterbüchern entnehmen. Ich habe mich bei der Übersetzung nautischer Begriffe meist an folgendem Werk orientiert:

Bobrik, E.: Allgemeines nautisches Wörterbuch mit Sacherklärungen. Leipzig: Hoffmann 2. Aufl. 1858

London und das Treiben der englischen Gesellschaft werden lebendig in:

Lichtenberg in England. Herausgegeben und erläutert von H.L. Gumbert. Wiesbaden: Harassowitz 1977

Die rechtlichen Grundlagen für Strafen und Kriegsgerichte in der Flotte findet man in:

Rodger, N.: Articles of War. Hampshire: Kenneth Mason 1982

Von den Biographien der Seeleute habe ich besonders herangezogen:

Childers, Sp. (Hrsg.): A Mariner of England. London: Conway Nachdruck 1970

Choyce, J.: The Log of a Jack Tar. Maidstone: Mann Nachdruck 1973

Dann, J. C.: The Nagle Journal. New York: Weidenfeld and Nicolson 1988

Parkinson, C. N. (Hrsg.) Samuel Walters. Liverpool: University Press 1949

Parsons, G. S.: Nelsonian Reminiscences. Maidstone: Mann Nachdruck 1973

Verzeichnis von David Winters Schiffen und ihren Offizieren:

Schiff

Anson

Surprise

Ariadne

Zeit

Oktober 79

Juli 80

Mai 81

Kapitän

Grant, Thomas

Lord Kinsale

Haddington, Charles

1. Leutnant

Bates, Robert

Braham, Sir Joseph

Morgan, Thomas

2. Leutnant

Murray, Joseph

Lord Lyttelman Winter, David

3. Leutnant

Purget, Philemon

Hamilton, John

Hansen, William

4. Leutnant

O’Byrne, Paul

Balcor, Martin

5. Leutnant

Stanhope, Martin

Winter, David

Master

Hope, Josuah

Clarke, William

Blane, John

Schiffsarzt

Lenthall, Richard

Darby, Henry

Rodger, George

Midshipmen

Harland, Andrew Palmer, Matthew Cole, Hugh Winter, David McGaw, Barry u. a.

Ferguson, Bill Lord Howson Hervey, James u. a.

Young, Bill Allen, Henry u. a.

Die befreite Stadt

Oktober 1779

Zwei schwarze Schatten, in der Dunkelheit kaum sichtbar, lehnten an der Reling und starrten durch die Nachtgläser.

»Was erkennen Sie?«, flüsterte der größere Mann.

»Drei Masten, gekürzte Segel, mindestens zwei Decks, Sir, wahrscheinlich Vierundsiebziger. Halt! Dahinter ist noch ein Schatten.« Die kleinere Gestalt schob sich fast über die Reling, um mehr zu sehen.

Der Größere wandte sich um, griff nach einem Schatten, der hinter ihm stand, zog ihn zu sich heran und sagte leise: »Mr. Bates, Mr. Winter soll mit der Sprechtrompete horchen. Sie gehen noch einmal über Deck und stellen sicher, dass alles gefechtsbereit ist, Trauben über der Kugel bei jedem Geschütz, kein Laut und kein Licht!«

Der Schatten huschte davon, und ein dritter Mann trat zu den beiden, hob eine Sprechtrompete verkehrt herum ans Ohr und richtete den Trichter auf den Schatten aus. Er schien die Luft anzuhalten, so regungslos stand er dort. Dann beugte er sich zu seinem Nachbarn. »Sir, leise Unterhaltung, ein bisschen Pfeifen, ein lauterer Ruf, der wie ›Parbleu‹ klang, aber nicht genau zu bestimmen.«

»Lauschen Sie weiter!«, flüsterte der Schatten zurück.

Regungslose Stille an Bord des Segelschiffes! Hin und wieder ein Knarren der Segel, ein Quietschen der Taue, ein Plätschern der Bugwelle, aber kein Laut und kein Licht, nichts konnte die Anwesenheit eines britischen Kriegsschiffes verraten.

Von drüben hörte man jetzt Stimmen, eine Schiffsglocke wurde dreimal angeschlagen, aus einer geöffneten Tür drang Licht. Ungeduldig wandte sich der größere Mann zu seinem Nachbarn, aber der neigte sich schon zu ihm. »Französische Befehle, Sir, ganz eindeutig. Sie sollen die Segel festzurren.«

Noch während er flüsterte, hörten sie auch vom zweiten Schatten die Schiffsglocke. Der dritte Mann flüsterte: »Zwei französische Linienschiffe, Sir, mindestens Vierundsiebziger. Da sollten wir uns heimlich davonmachen.«

Der größere Mann knurrte: »Ich denke nicht daran, Mr. Hope. Wir haben den Windvorteil. Wir setzen jetzt alle Segel, kreuzen hinter ihren Hecks vorbei und jagen jedem eine Salve hinein. Bevor die wach werden, sind wir davon, und vielleicht fliegt einer in die Luft, weil sie die Feuer nicht gelöscht haben. Geben Sie die Befehle weiter. Aber kein Laut! Alles durch Melder, bis ich den Feuerbefehl gebe!«

Ein gemurmeltes »Aye, aye, Sir«, und einer der Schatten huschte davon.

»Gehen Sie wieder auf Ihre Gefechtsstation, Mr. Winter«, sagte der große Mann und blieb allein an der Reling stehen.

Die Segel füllten sich zu seinen Köpfen, das Schiff legte sich etwas über und nahm dann Kurs auf. Das Plätschern wurde lauter, und hin und wieder klang ein unterdrückter Laut aus der Takelage. Der einsame Beobachter starrte weiter durch sein Nachtglas und beobachtete die Annäherung an den Feind.

Zweihundert Meter noch, dann würden sie das erste Schiff mit fünfzig Meter Abstand passieren. Er setzte das Nachtglas ab. Man konnte das Schiff jetzt auch mit bloßem Auge sehen. An der Stellung der beiden letzten Geschützluken erkannte er die französische Bauart.

Er hob die Sprechtrompete. »Ziel auffassen!«, klang es auf einmal laut durch die Nacht. Aber bevor er die überraschten Stimmen vom feindlichen Schiff richtig wahrnahm, rief er: »Feuer!«

32 Kanonen donnerten auf einen Schlag ihre eiserne Fracht hinaus, und er sah sie in das Heck des Gegners einschlagen, die Holzschnitzereien und Fenster zerschlagend. Nur einen Sekundenbruchteil zuckte der Gedanke durch den Kopf, dass sich jetzt Kugeln und Traubengeschosse eine blutige Bahn durch die zusammengepferchten Menschen brachen, dann hob er wieder die Sprechtrompete und feuerte die Kanoniere zum Nachladen an.

Vorbei war die atemlose Stille. Maate brüllten und trieben die Leute an. Musketenschützen suchten Ziele auf dem feindlichen Schiff, auf dem Flammen aufflackerten. Aber dann ebbte das Geschrei ab. Sie näherten sich dem Heck des zweiten Gegners. Man sah, wie sie dort drüben das Ruder herumrissen, um dem Gegner die Breitseite bieten zu können. Aber sie hatten zu wenig Wind in den wenigen Segeln.

»Ziel auffassen«, erklang es fast unbeteiligt, und dann nach einigen Sekunden: »Feuer!«

Ein oder zwei Kanonen stotterten hinterher. Einige Geschosse verfehlten ihr Ziel und ließen Fontänen im Wasser aufsteigen. Der Kommandant fluchte leise, ließ den Blick aber nicht von den feindlichen Schiffen abschweifen. Beim ersten Gegner flackerten an Deck Feuerzungen auf. Beim zweiten gab es eine Explosion.

»Schwere Treffer, schwere Verluste wahrscheinlich auch, aber kein Schiff ist gefechtsunfähig. Während sie ihre Wunden lecken, sind wir davon. Lassen Sie mit allen Segeln Kurs Nordost zu Ost nehmen, Mr. Bates! Die Mannschaften bleiben auf Gefechtsstation!«

»Aber Sir, wir könnten wenden und einem vielleicht den Fangschuss geben.«

»Ich bin kein Hasardeur, Mr. Bates, der Schiff, Mannschaft und Auftrag für eine Drittelchance aufs Spiel setzt. Ein unglücklicher Treffer, und die schießen uns mit ihren überlegenen Batterien zusammen. Führen Sie meinen Befehl aus!«

Die Dämmerung kroch über die Kimm. Das Schiff lag wieder auf Kurs Südwest. Offiziere und Mannschaften starrten übermüdet in alle Richtungen. War eine feindliche Flotte hinter der Kimm?

Blöcke und Stengen quietschten, ein kühler Wind staute sich an den Segeln und drängte mit einem seufzenden Fauchen an den Seiten vorbei. Schritte hallten auf dem nassen Deck. Die Seeleute und Seesoldaten, die gefechtsbereit an den Kanonen hockten, murmelten leise.

»Ruhe an Deck!« Die barsche Stimme des Kapitäns ließ sie erstarren. »Ausguck! Wann kommt endlich eine Meldung?«

Von oben schallte es herab: »Deck! Segel auf Gegenkurs. Zwei Meilen voraus!«

Ungeduldig rief der Kapitän zurück: »Was für ein Segel, verdammt noch mal!« Die Mannschaften an den Geschützen horchten gespannt.

»Deck! Kutter oder Toppsegelschoner. Noch nicht genau zu erkennen.«

Die Geschützbedienungen sahen sich enttäuscht an. Das hörte sich weder nach Beute noch nach einem Kampf an, in dem man Ruhm gewinnen konnte.

Der Kapitän, ein hagerer Mann, beherrschte nur mühsam seine Ungeduld. »Mr. Winter, entern Sie mit dem Teleskop auf! Mr. McGaw, bereiten Sie die Signale zum Beidrehen, unsere Nummer und das geheime Erkennungssignal vor!« Zwei Midshipmen riefen: »Aye, aye, Sir!«, und hasteten davon.

Der ältere der beiden, ein etwa ein Meter fünfundsiebzig großer und breitschultriger junger Mann, griff sich das Teleskop, hängte es sich am Riemen über die Schulter und enterte mit flinken und geschickten Bewegungen gleichmäßig die Wanten empor. Der andere, kleiner und schmaler, lief zur Kiste mit den Signalflaggen und suchte verschiedene Wimpel und Flaggen heraus, die er an die Signalgasten übergab. Dann überwachte er das Anstecken der Signale und meldete: »Signale bereit, Sir!«

Von oben schallte die Stimme des anderen: »Deck! Kutter eine Meile voraus auf Gegenkurs. Wahrscheinlich britisch.«

Der Kapitän wandte sich einem schlanken, blonden Offizier zu, der schweigend neben ihm stand. »Mr. Bates, ich will kein Risiko eingehen. Veranlassen Sie bitte, dass ihm eines der Buggeschütze eine Kugel nicht zu weit querab feuert, damit er nicht auf dumme Gedanken kommt.«

Der Erste Leutnant bestätigte mit dem üblichen »Aye, aye, Sir!«, und instruierte einen Melder.

»Deck! Kutter will abdrehen!«

Der Kapitän befahl sofort. »Signal hissen. Buggeschütz Feuer!«

Einige Männer an den Geschützen zuckten beim Krachen der Kanone unwillkürlich zusammen. Ihr Batterieoffizier schimpfte mit unterdrückter Stimme: »Werdet ihr euch nun endlich an das Krachen gewöhnen, ihr verdammten Landeier.« Dann brach er ab und lauschte der hellen Stimme vom Mast.

»Deck! Kutter heißt das geheime Erkennungssignal und die Nummer 269. Er dreht bei.«

McGaw, der Signal-Midshipman, schlug schon in der Kladde nach: »Nr. 269, Sir, Kutter Nonsuch, Kommandant Leutnant Alden, Sir.«

Der Kapitän dankte mit ruhiger Stimme und ordnete an: »Signalisieren Sie ›Kommandant an Bord melden‹, Mr. McGaw. Mr. Bates, lassen Sie bitte Klarschiff aufheben. Dienst nach Vorschrift.« Er nickte zu ihren Bestätigungen und ging in seine Kajüte.

Als der Kapitän das Achterdeck verlassen hatte, lockerte sich die Haltung der Offiziere. Der mittelgroße, untersetzte Mann in der Uniform des Masters nahm seinen Dreispitz ab und fuhr sich über die Glatze: »Hoffentlich bringt er uns Neuigkeiten, Mr. Bates. Wenn so vieles ungewiss ist, muss man sich ja unwohl fühlen.«

»Sie sagen es, Mr. Hope«, bestätigte der Erste Leutnant. »Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man nicht weiß, ob eine spanische oder französische Flotte plötzlich am Horizont auftaucht, denn wo die zwei 74er von heute Nacht waren, sind sicher noch mehr. Und die gute alte Anson ist ganz allein auf weiter See.«

Die Anson gehörte mit ihren vierundsechzig Kanonen noch zur dritten Klasse der Kriegsschiffe, war also ein Linienschiff, aber sie würde den Kampf in der Schlachtlinie wohl den neueren Schiffen mit vierundsiebzig und mehr Kanonen überlassen müssen. Ihre Aufgabe war mehr der Einsatz zu besonderen Aufgaben, allein oder als Flaggschiff einer kleineren Schwadron. Auch jetzt, im Oktober des Jahres 1779, war sie allein an der nordamerikanischen Küste unterwegs. Sie sollte die britischen Landoperationen in Georgia unterstützen.

Der Kutter hatte sich der Anson genähert, die ihre Segel backbrasste und das Beiboot des Kutters mit seinem Kommandanten erwartete. Ein korpulenter Leutnant, etwa 35 Jahre alt, stieg die Strickleiter empor. Als sein Dreispitz die Höhe des Decks erreicht hatte, zwitscherten die Pfeifen der Bootsmänner, der Trommlerjunge ließ die Schlegel rattern, und die Seesoldaten präsentierten. Der Kommandant des Kutters stieg schwerfällig durch die Pforte des Schanzkleides, grüßte in Richtung Achterdeck und ergriff die Hand des Ersten Leutnants zur Begrüßung.

Kapitän Grant hatte in seiner Kajüte das Pfeifen und Trommeln gehört und wartete auf den Eintritt des Kommandanten. Seine Finger trommelten auf der Platte seines Schreibtisches, und seine Augen wanderten immer wieder zur Kajütentür. Endlich hörte er den Posten vor der Tür mit dem Fuß aufstampfen, ein Zeichen, dass er Habachtstellung einnahm, dann öffnete Mr. Bates die Tür: »Der Kommandant der Nonsuch, Sir.«

»Kommen Sie herein, Kapitän Alden, nehmen Sie Platz! Ein Glas Wein?«

»Gern, Sir, Leutnant Brain, zu Diensten, Sir.«

Kapitän Grants Hand mit der Weinflasche hielt inne, und er sah den Leutnant fragend an.

»Leutnant Alden starb in Jamaika an Gelbfieber, Sir. Der Admiral hat mir das Kommando des Kutters übertragen.«

»Ach so. Das kann natürlich noch nicht in unserer Liste stehen. Ich wünsche Ihnen viel Glück im neuen Kommando.« Und Grant schenkte die Gläser voll, hob sein Glas: »Auf Seine Majestät, unseren König.«

Der Leutnant wiederholte: »Auf unseren König und Herrn.« Sie tranken schweigend.

Kapitän Grant wollte nicht länger warten. »Was haben Sie für Nachrichten vom Krieg?«

»Sie werden schon wissen, dass wir mit Spanien im Krieg sind, Sir?« Grant nickte, und der Leutnant fuhr fort. »Bis jetzt ist noch keine spanische Flotte aus Europa in Westindien gesichtet worden, aber die französische Flotte liegt vor Savannah.«

Kapitän Grant hob den Kopf. »Verdammt! Zwei haben wir heute Nacht beharkt. Ohne Ihre Warnung wären wir der Hauptflotte aber womöglich in die Arme gesegelt. Wer kommandiert in der Stadt?«

»General Prevost, Sir. Die Franzosen unter D’Estaing und die Kolonisten unter General Lincoln belagern seit dem neunten September die Stadt. Die Franzosen sind mit zweiundzwanzig Linienschiffen sowie zehn Fregatten in der Bucht und haben viertausend Soldaten gelandet. Die Kolonisten sollen anderthalbtausend Mann haben. General Prevost verfügt über etwa zweitausenddreihundert Soldaten und Seeleute zur Verteidigung, Sir.«

Kapitän Grant zog eine Karte zu sich heran und betrachtete sie nachdenklich. »Woher haben Sie die Informationen, Kapitän Brain? Wenn die französische Flotte in der Bucht liegt, gibt es für uns doch keinen Zugang zur Stadt.«

Der Leutnant, dem als Kommandanten eines Schiffes die Höflichkeitsanrede »Kapitän« gewährt wurde, nickte. »Wir wurden gewarnt, Sir, als wir einer Fregatte der Froschfresser nur knapp entkamen. Wir haben uns dann an der Küste entlanggetastet, bis uns ein kleiner britischer Schoner vor dem Port Royal Sound anrief. Oberstleutnant Maitland hatte mit neunhundert Schotten und Hessen Beaufort besetzt, bis ihn General Prevost nach Savannah zurückrief. Aber er ließ eine kleine Garnison auf der Pritchard-Insel, damit sie Verbindung mit unseren Schiffen aufnehmen kann.«

»Ausgezeichnet«, lobte Grant. »Zeigen Sie mir doch bitte auf der Karte, wo sich die Garnison befindet.« Er ließ sich dann noch durch Brain über die Lage in Jamaika unterrichten und gab ihm Post für New York mit.

Auf der Anson schwirrten die Gerüchte. Die Ruderer vom Beiboot der Nonsuch hatten den Seeleuten der Anson von der Belagerung Savannahs erzählt, und die Größe der französischen Flotte und Armee wuchs mit jeder Station der Wiedergabe.

Hugh Cole, ein junger Midshipman, sauste als Melder zu den Offizieren an Deck und informierte: »Der Kapitän bittet um zwei Glasen der Vormittagswache zur Besprechung, Sir.« Dann sprang er die Stufen des Niedergangs hinab zur Offiziersmesse und gab es jenen weiter, die frühstückten. »Gott sei Dank, dann können wir dem Geschwätz hoffentlich ein Ende bereiten.« Der Sprecher war ein ungewöhnlich athletischer Offizier, Paul O’Byrne, Vierter Leutnant auf der Anson.

Mit dem Schlag der Schiffsglocke traten sie in die Kajüte des Kapitäns ein: Mr. Bates, der schlanke, blonde Erste Leutnant, Mr. Murray, Zweiter Leutnant, seit fast einem Jahr auf der Anson, Paul O’Byrne, Vierter Leutnant, der gleichzeitig mit Mr. Murray auf die Anson kommandiert worden war, und Martin Stanhope, ein schmächtiger Krauskopf mit braunem Haar, der vor wenigen Wochen als Ersatz für den unglücklichen Mr. Black als Fünfter Leutnant zu ihnen gestoßen war.

Hauptmann Barnes und Leutnant Bondy von den Seesoldaten brachten mit ihren roten Röcken Farbtupfer in das Marineblau, aber der Mann mit der unscheinbarsten Kleidung, einem einfachen dunkelblauen Jackett, nahm den Ehrenplatz ein, direkt dem Kapitän gegenüber. Es war der untersetzte Mr. Hope, gut vierzig Jahre alt, glatzköpfig, mit weißem Haarkranz und hellblauen Augen, als Master der Anson verantwortlich für die Navigation und Trimmung des Schiffes.

Der Kapitän trat ein, winkte ihnen, Platz zu behalten, sah mit einem Blick, dass alle anwesend waren, denn er wusste natürlich, dass der Dritte Leutnant, der lange, hagere Philemon Purget, die Wache an Deck hatte. Auf Wink des Kapitäns schenkte der Steward den Anwesenden Wein ein.

Kapitän Grant hielt sich nicht lange auf, hob sein Glas, sagte »Auf den Erfolg unserer Mission!«, und begann seinen Vortrag. Er informierte, dass die französische Flotte Savannah belagere, und beschrieb die Stärke der Flotte und der Armee, wie er es vom Kommandanten des Kutters erfahren hatte. »Damit hat sich unsere Aufgabe natürlich verändert. Wir können nicht mehr Savannah anlaufen und mit dem Flotten- und Armeebefehlshaber in direkten Kontakt treten. Wir müssen mit der kleinen Garnison auf Pritchard Island Fühlung aufnehmen und versuchen, den Nachschub für die Belagerungsarmee zu stören. Ich muss nicht betonen, dass angesichts der feindlichen Übermacht allerhöchste Wachsamkeit erforderlich ist. Ab sofort werden alle Ausgucke doppelt besetzt.«

Als der Kapitän eine Pause einlegte, hob der Erste Offizier leicht die Hand.

»Mr. Bates, Sie möchten etwas sagen?«

»Sir, seit wann wird Savannah belagert? Müssen wir damit rechnen, dass es schon erobert ist?«

»Ich weiß nur, dass Admiral D’Estaing mit seiner Flotte am neunten September in der Bucht ankerte. Erfahrungsgemäß dauert es mindestens zehn Tage, bis eine effektive Belagerung beginnen kann. Über die Stärke der Befestigungen weiß ich nichts. Aber General Prevost hat zweitausenddreihundert Mann und gilt als erfahrener und resoluter Soldat. Ich könnte mir vorstellen, dass er es noch eine Weile aushält. Wir haben heute den zehnten Oktober, also wahrscheinlich drei Wochen Belagerung, da dürfte noch kein Mangel herrschen.«

Sie sprachen über die Einfahrt zur Stadt, über die Lage der Garnison auf Pritchard Island, und der Kapitän wollte gerade seine Entscheidung über den künftigen Kurs bekanntgeben, als es an der Tür klopfte, der Midshipman der Wache seinen Kopf hereinsteckte und meldete: »Sir, Mr. Purgets Kompliment, und er informiert, dass ein Segel gut zwei Meilen backbord voraus gesichtet wurde.«

»Danke, Mr. Cole, ich bin in zwei Minuten an Deck. Meine Herren, den Kurs gebe ich an, sobald ich weiß, was das für ein Segel ist. Vielen Dank.«

Kapitän Grant erhob sich und schritt schnell zum Achterdeck. Die anderen folgten, ob sie nun dienstlich dort zu tun hatten oder nicht. Neugier war auch unter Seeoffizieren recht ausgeprägt.

An Deck trat der lange, hagere Wachhabende auf den Kapitän zu, neigte seinen Kopf etwas hinunter und meldete: »Keine Änderung bis jetzt, Sir. Segel scheint in etwa gleichen Kurs wie wir zu haben.«

»Wen haben Sie auf den Mast geschickt, Mr. Purget?«

»Mr. Harland, Sir. Ich erwarte seine Meldung jeden Augenblick.«

Als ob der Midshipman Harland aufs Stichwort gewartet hätte, erscholl seine Stimme: »Deck! Großes Schiff mit drei Masten, Kurs etwa drei Striche westlicher als unser. Eher Handels- als Kriegsschiff.«

Der Kapitän entschied: »Mr. Bates, lassen Sie bitte die Royals setzen. Alle Segel gut trimmen, danach Klarschiff.«

»Aye, aye, Sir, Royals und Klarschiff.« Mr. Bates hob die Sprechtrompete und brüllte seine Befehle.

»Noch eins, Mr. Bates. Lassen Sie bitte die französische Flagge hissen und die britische anstecken, so dass sie gleich gezeigt werden kann, wenn wir dem Schiff signalisieren.«

Mr. Bates’ »Aye, aye, Sir!«, ließ keine Überraschung erkennen. Es war eine erlaubte Kriegslist, unter falscher Flagge zu segeln, sofern nur vor der ersten kriegerischen Handlung die eigene Flagge gezeigt wurde.

Sie näherten sich dem fremden Schiff langsam, denn auch dieses hatte alle Segel gesetzt. Die Mannschaften kauerten an den Kanonen. Die meisten hatten sich Tücher um den Kopf gebunden, um die Ohren gegen den Kanonendonner zu schützen, der schon nach einigen Salven dazu führte, dass man für längere Zeit nichts hören konnte.

John, Isaak und Ricardo, erfahrene Seeleute, die viele gemeinsame Abenteuer auf der Anson verbanden, hockten am Backbord-Buggeschütz, einem langen Neunpfünder. John war Schotte, Isaak ein freigelassener Farbiger aus Florida und Ricardo Italiener. Sie repräsentierten auch in ihrer kleinen Gruppe die Völkervielfalt an Bord britischer Kriegsschiffe.

»Ob es wohl eine Prise ist, Isaak, damit du für dein Fischgeschäft sparen kannst?«, flüsterte Ricardo.

»Spotte nur, du Makkaroni, vielleicht suchst du bei mir noch einmal Arbeit, wenn du alt und abgemustert bist.«

»Reg dich nicht gleich auf. Wir wünschen uns doch alle eine Prise.«

Matthew Palmer, der älteste Midshipman an Bord und verantwortlich für die beiden Jagdgeschütze am Bug, hörte ihr Getuschel, aber er schritt nicht ein. Bei guten und zuverlässigen Seeleuten konnte man ein Auge zudrücken und musste nicht immer auf Disziplin bedacht sein. Aber jetzt zischte er doch »Ruhe da!«, denn der Ausguck hatte das Deck angerufen.

Klar war Andrew Harlands Stimme zu hören: »Segel hat spanische Flagge gehisst. Handelsschiff mit sechs bis acht Geschützen. Entfernung gut eine Meile.«

Matthew Palmer lächelte erfreut, und die Kanoniere stießen sich an und grienten. Eine Prise winkte.

Auf dem Achterdeck zeigte man sich beherrschter, aber die Bewegungen der Offiziere wirkten gelöster.

»Noch eine halbe Stunde, Mr. Winter, dann können wir ihn zum Beidrehen auffordern«, sagte der Master zu David Winter, Midshipman und Steuermannsmaat.

»Aye, Sir, der erste Spanier nach Kriegsausbruch, sofern er nicht unter falscher Flagge segelt.«

Ein Befehl des Kapitäns ließ sie schweigen. Mit lauter Stimme ermahnte er die Ausgucke, sorgfältig auch die anderen Abschnitte des Horizontes zu beobachten. »Das fehlte uns noch«, zog er Mr. Bates in seine Gedanken ein, »dass die Burschen mit wässrigem Maul nur auf die vermeintliche Prise starren, und wir haben auf einmal eine französische Schwadron am Hals.«

»Gott behüte, Sir.«

»Deck, Spanier kürzt Segel!«

»Nun hat er die französische Flagge gesehen und wartet auf seinen Verbündeten.« Die Stimme des Kapitäns hatte einen schadenfrohen Unterton. »Mr. Hope, bringen sie uns fünfzig Meter querab vom Spanier in Luv. Dann werden wir ihm eine kleine Überraschung bereiten.«

Aus der Überraschung wurde nichts. Der Spanier setzte wieder alle Segel und wollte ihnen davonlaufen. Anscheinend traute er der französischen Flagge doch nicht. Der Kapitän gab Befehl, die britische Flagge zu zeigen und dem Spanier einen Schuss querab zu senden.

Mr. Palmer befahl: »Backbordgeschütz. Feuerbereit!«

Ricardo hob die Hand.

»Feuer!« Das Geschütz rollte zurück, und die Mannschaft arbeitete schnell und routiniert, um es wieder zu laden. Mr. Palmer verfolgte den Schuss. Fünfzig Meter zu kurz. Der Spanier zeigte keine Reaktion.

»Noch einen Schuss, aber näher«, kam der Befehl vom Achterdeck.

Mr. Palmer ließ die Höhenrichtung am Steuerbordgeschütz ändern. »Feuer!«

Diesmal stieg die Fontäne zwanzig Meter direkt querab aus dem Meer. Aber der Spanier segelte weiter.

Der Kapitän rief: »Mr. Palmer, zwei Runden Kettenkugeln in die Takelage.«

Die Ladekanoniere stießen die Kugeln in den Lauf, die sich während des Fluges in zwei durch eine Kette verbundene Schalen trennten und dadurch möglichst viel Schaden an Segeln und Tauwerk anrichten sollten. Die Richtkanoniere linsten über den Lauf, hoben die Hand und rissen nach dem Feuerbefehl die Abzugleine zurück. Zwei Schüsse röhrten hinaus.

»Treffer«, stellte Mr. Bates zufrieden auf dem Achterdeck fest.

Der Kapitän war besorgt. »Hoffentlich müssen wir ihn nicht zu sehr beschädigen, denn wir können es uns nicht leisten, hier lange liegenzubleiben und die Taue einer Prise zu spleißen.«

Aber nach zwei weiteren Treffern gab der Spanier auf.

»Deck! Spanier streicht Segel und Flagge und dreht bei.«

»Das seh’ ich auch«, kommentierte Mr. Hope, aber seine Stimme klang zufrieden.

»Mr. O’Byrne, Sie setzen mit dem Kutter über, sobald wir querab liegen. Prüfen Sie genau Papiere und Ladung. Wer spricht Spanisch von unserer Besatzung?« Der Kapitän sah fragend in die Runde.

O’Byrne antwortete zuerst: »Kombüsengehilfe Pedro und Pulverjunge Chris haben sich als Portugiesen gut mit Spaniern verständigen können, Sir.«

Mr. Bates ergänzte: »Wir haben noch einige Spanier und Portugiesen an Bord, Sir, aber ich muss erst klären, wie weit es mit deren Englisch her ist.«

»Tun Sie das, Mr. Bates. Wir werden jetzt wohl häufiger mit Spaniern reden müssen.«

Mr. Hope wandte sich an den Kapitän: »Mit Verlaub, Sir. Kann Mr. Winter mit übersetzen? Ich möchte gern, dass er das Kartenmaterial kontrolliert. Vielleicht haben die Dons Karten von ihren Kolonien, die unseren Karten überlegen sind.«

»Einverstanden, Mr. Hope.«

Der Master gab David Winter, der mitgehört hatte, einen Wink, und dieser eilte davon.

»Riemen ein!«, kommandierte O’Byrne, als sie die Bark erreicht hatten, und griff nach dem Fallreep. »Ist das eine Drecksbande«, schimpfte er, »die haben ihr Fallreep Wochen nicht gereinigt.«

Geschickt schwang er sich empor, gefolgt von David Winter. An Deck erwarteten ihn zwei gut gekleidete Zivilisten und ein französischer Marineoffizier mit finsteren Gesichtern. Die Besatzung stand im Hintergrund.

O’Byrne wartete mit ausdrucksloser Miene, bis sich die Seesoldaten und Matrosen des Entertrupps neben ihm postiert hatten, und sagte dann laut und klar: »Ich bin Leutnant O’Byrne von Seiner Majestät Schiff Anson. Mit wem habe ich die Ehre?«

Pedro übersetzte.

Der eine Zivilist stellte sich als Kapitän der Bark vor, der andere als erster Maat, und der Uniformierte gab an, dass er Leutnant de Marigny sei, ohne sein Schiff zu nennen.

O’Byrne befahl dem Entertrupp, die Mannschaft auf Waffen zu durchsuchen, und forderte den Kapitän auf, ihn in die Kajüte zu führen. »Ihr Maat kann bitte Mr. Winter den Kartenraum zeigen.«

David winkte dem Pulverjungen Chris und folgte dem Maat. Im Kartenraum sah er zunächst auf die Karte, die auf dem Tisch lag, und wunderte sich, dass keine Eintragungen vorgenommen waren. »Wo liegen bitte Ihre Karten von Florida und Westindien?«

Der Maat zeigte schweigend auf zwei Fächer des Kartenregals. David öffnete sie, griff eine Karte von Kuba, rollte sie auf dem Kartentisch aus und prüfte die Angaben bei einigen markanten Punkten. Die Karte war genauer als die britischen Karten von Kuba. Dort am Rand stand, dass sie im Jahre 1777 ausgegeben war.

David prüfte noch zwei Karten von spanischen Besitzungen und gab Chris dann alle Karten aus den beiden Fächern zum Halten. Er zog die anderen Fächer heraus und prüfte einige Karten. Bei denen, die nicht spanisches Gebiet betrafen, konnte er keine Vorzüge erkennen und legte sie zurück. In der untersten Lade sah er eine Karte obenauf, die hastig zusammengerollt und dabei geknickt worden war. Es war eine Karte, die das Seegebiet vor den Küsten von Karolina und Georgia zeigte und Eintragungen bis zum jetzigen Schiffsort aufwies.

Aha, dachte David, die Dons wollten etwas verbergen. Er blickte mit unterdrücktem Triumph zum Maat, der seinen Blick wütend erwiderte. »Nimm die Karten und bring sie vorsichtig in die Pinasse! Komm dann wieder zu mir.«

»Aye, aye, Sir!«, schmetterte der kleine Chris und wetzte davon.

David sah sich weiter um. Einige nautische Handbücher, alle in spanischer Sprache. Aber dort stand ein englisches Buch über neue Sextanten.

»Sprechen Sie Englisch?«, fragte er unvermittelt und blickte den Maat an.

»Ein wenig«, antwortete der überrumpelt.

»Dann bringen Sie mir doch bitte das Logbuch«, forderte ihn David auf.

»Das hat der Kapitän mit dem Signalbuch versenkt.«

»Segelten Sie denn im Regierungsauftrag?«

»Jawohl.« Der Maat presste seine Lippen zusammen und deutete an, dass er zu weiteren Angaben nicht bereit sei.

David ging an Deck und winkte dem Maat, ihm zu folgen.

»Mr. Winter, sind Sie bereit, zur Anson zurückzukehren?«

»Jawohl, Sir.«

»Dann nehmen Sie die beiden Dons und den Franzosen mit und melden dem Kapitän – seine Stimme nahm einen triumphierenden Ton an, und er strahlte –, dass die Bark zwanzig Vierundzwanzigpfünder, Munition, fünfzig Tonnen erstklassiges Pulver, Infanteriewaffen und Proviant geladen hat.«

»Donnerwetter, das ist aber eine feine Prise.«

O’Byrne nickte zu Davids Feststellung. »Die Bark hat dreißig Mann Besatzung, darunter fünf Nordafrikaner und einen Portugiesen, die angeben, in Cadiz mit Gewalt an Bord gebracht worden zu sein. Der Kapitän macht keine Angaben zum Bestimmungsort, aber der Portugiese behauptet, sie waren zunächst für eine spanische Landung auf den Bermudas bestimmt, seien durch einen Sturm vom Kurs abgekommen, und die Franzosen hätten sie jetzt nach Savannah umgeleitet.«

David berichtete das hastig Kapitän Grant, ehe er ihm die Gefangenen vorstellte. Grant begrüßte die Spanier und den Franzosen und bat sie in seine Kajüte. Zu David flüsterte er: »Prüfen Sie die Karte mit Mr. Hope. Benachrichtigen Sie mich sofort, wenn Sie etwas gefunden haben.«

»Aye, Sir. Ich muss Ihnen noch melden, dass der erste Maat recht gut Englisch spricht.«

Mr. Hope und David fanden durch die Karte die Angaben des Portugiesen bestätigt. David informierte den Kapitän, der seine Gäste um Verständnis bat, dass sie sich die Kammern des Zweiten und Dritten Leutnants teilen mussten. Dann ließ er Mr. Purget rufen und teilte ihm mit, dass er seine Kammer räumen und auf die Bark übersetzen müsse.

»Ich gebe Ihnen zwanzig Seeleute und zehn Seesoldaten. Die Matrosen der Bark, die in unsere Dienste treten wollen, schicken Sie mit der Pinasse zurück. Als Dolmetscher haben Sie die Portugiesen José und Pedro. Wenn ich signalisiere, dass überlegene feindliche Schiffe in Sicht sind, müssen Sie sofort bereit sein, die Bark zu verlassen. Sie müssen die Sprengung des Pulvers mit einer Halbstundenlunte vorbereiten und alle Spanier mit ausbooten und weit genug wegrudern lassen, dass niemand die Lunte löschen kann. Alles andere wie üblich. Haben Sie noch Fragen, Mr. Purget?«

»Nein, Sir.«

Drei Tage später tastete sich die Anson mit gekürzten Segeln in der Abenddämmerung vorsichtig an die Buchten um Morris Island, südöstlich vor Charleston, heran. Die Bark folgte ihr in dreihundert Meter Abstand, etwas leewärts gestaffelt. »Wie gut, dass wir uns hier vor einem Jahr gründlich umgesehen haben«, sagte der Master zu David Winter. Bevor der antworten konnte, sang der Lotgast aus: »Zehn Faden (18,5 m) und kein Grund.«

»Drei Strich backbord«, wies der Master den Rudergänger an.

Der Kapitän ging zum wachhabenden Offizier. »Mr. Murray, lassen Sie bitte die Abblendlaterne am Besan anbringen, damit die Bark besser Kurs halten kann.«

Mr. Murray bestätigte den Befehl und gab dem Bootsmannsmaat die Anweisungen.

»Ob wir Glück haben werden?«, tuschelte Stephen Church zu Hugh Cole. Die beiden Midshipmen wussten, dass der Kapitän die Anson an der Südküste der Bucht vor Charleston verbergen wollte, um im Morgengrauen ein- und auslaufende Schiffe abzufangen. Er war überzeugt, dass Charleston Nachschub für die Belagerungsarmee vor Savannah zu liefern hatte.

Es war fast völlig dunkel, als die Anson die schmale Bucht erreicht hatte, in der sie sich verstecken wollten, und mit der Bark in fünf Faden Tiefe ankerte. Die Kombüsenfeuer blieben gelöscht, da Rauchgeruch Fischer oder Jäger alarmieren konnte. Die Mannschaften hatten verstärkte Wachen an den Geschützen. Die Männer, die wegen ihrer guten Fähigkeit, bei Dunkelheit zu sehen, noch unter dem früheren Kapitän Brisbane ausgewählt worden waren, besetzten Ausgucke in Masten und am Schanzkleid.

Es war eine unruhige Nacht. Vögel, Wild und Fische, die aus dem Wasser sprangen, erschreckten immer wieder die Wachen, die diese Geräusche nicht gewohnt waren. Die Seeleute und Seesoldaten, die beim Handstreich auf Martinique mitgewirkt hatten, gaben sich als erfahrene Waldleute und verspotteten die anderen.

Um zwei Glasen der Morgenwache (5 Uhr) trank David Winter noch einmal Kaffee in der Messe und knabberte an einem Schiffszwieback. Er war müde und schlechter Laune. Der Kapitän hatte ihn beauftragt, die sechs neuen Besatzungsmitglieder von der Bark so zu verteilen, dass sie möglichst bald integriert wären. Er hatte jedem Neuen einen erfahrenen Seemann zugeteilt und Anweisung gegeben, wie sie die Neuen anleiten und ihnen die wichtigsten Befehle beibringen sollten. Nun meckerten die »Alten«, dass die »Neuen« begriffsstutzig und faul seien, und die »Neuen« beklagten sich, dass sie schikaniert würden.

»Dämliche Bande«, knurrte David vor sich hin und ging auf seine Gefechtsstation auf dem Achterdeck. Er grüßte den Master, der schon dort stand und ihm mit einem Murmeln antwortete. Bald darauf kam der Kapitän, und Mr. Bates meldete: »Schiff ist klar zum Gefecht, Sir.«

»Danke. Sind alle Ausgucke doppelt bemannt, Mr. Bates?«

»Jawohl, Sir. Noch eines: Der Kapitän des Spaniers bittet, zum Morgengrauen an Deck kommen zu dürfen, wie er es gewohnt ist.«

Kapitän Grant war erstaunt. »Er muss versprechen, kein Signal zu geben und nicht in die Führung des Schiffes einzugreifen.«

»Aye, Sir.«

Der Spanier machte einen tiefen Bückling vor dem Kapitän, murmelte einen Gruß und stand schweigend mit den anderen an Deck, um die Dämmerung zu erwarten. Ganz allmählich wurde es heller. Die Masten und Geschütze lösten sich aus dem Dunkel und ließen ihre Formen erkennen. Die dunkle Masse der Bark nahm Strukturen an. Aufbauten und Masten waren zu unterscheiden. Dann trennten sich die Bäume aus dem dunklen Block des Waldes am Rande der Bucht.

Sie schauten gegen die Morgenröte und waren vor dem Hintergrund der Nacht geschützt.

»Deck!«

Alle reckten elektrisiert die Köpfe.

»Fischerboot in der Bucht, sechshundert Meter Nordost.«

Enttäuscht neigten sie die Köpfe. Jetzt war die Bucht vor Charleston schon zur Hälfte zu übersehen.

»Deck! Drei Segel laufen aus.«

Das weckte wieder Hoffnungen.

»Mr. McGaw«, sagte der Kapitän, »sehen Sie zu, ob Sie mit dem Teleskop mehr herausfinden.« Der junge Midshipman bestätigte den Befehl, hängte sich das Teleskop über die Schulter und sauste wie ein kleiner Affe die Wanten empor. Unwillkürlich musste der Kapitän lächeln.

»Deck«, rief der junge Kerl. »Sloop geleitet zwei Briggs aus der Bucht.«

»Ausgezeichnet«, sagte der Kapitän zum Ersten Leutnant.

»So etwas hatte ich erhofft.« Dann wandte er sich zum Master. »Mr. Hope, wir haben jetzt einen leichten Westwind. Was erwarten Sie für die nächsten zwei Stunden?«

Der Master nahm sich Zeit mit der Auskunft und prüfte erst die Wolkenbildung. »Der Wind wird auffrischen, Sir, und etwas nach Nord drehen.«

»Das passt uns gut. Wir warten noch kurze Zeit, ehe wir auslaufen, damit von der Küste nicht zuviel beobachtet werden kann.« Nun sah man schon das andere Ufer der Bucht, und das Geleit schob sich langsam in zwei Meilen Abstand an ihnen vorbei. »Lassen Sie bitte fertigmachen zum Segelsetzen, Mr. Bates.«

Bates gab die Befehle. Seeleute enterten auf. Maate trieben sie an.

»Anker auf!«, befahl der Kapitän, und die Männer am Gangspill begannen, die Trosse aufzuwinden.

»Segel setzen! Kurs Südwest! Mr. Hope, bringen Sie uns steuerbord hinter das Geleit.«

Die Rahen quietschten, die Segel ächzten, als sie sich langsam füllten.

Da durchbrach plötzlich eine erregte Stimme das Durcheinander: »Sie geben Befehl, Charleston anlaufen, sonst Kapitän toter Mann!«

Alle auf dem Achterdeck drehten sich der Stimme zu und sahen den spanischen Kapitän, wie er Mr. Grant mit dem linken Arm umfasste und mit der rechten Hand ein großes Messer an seinen Hals drückte.

»Sie haben Ihr Ehrenwort gegeben, Sie wortbrüchiger Bandit«, schrie Mr. Bates den Spanier an.

»Meine Ehre gehört der Jungfrau Maria und nicht einem Ketzer.« Fanatisch leuchteten die Augen in dem hageren Gesicht. »Stehenbleiben! Keins näher!«, radebrechte er.

David war etwa drei Meter entfernt und sah, wie ihr Kapitän durch den Druck des Messers nicht sprechen konnte. Langsam hob er die Hände hinter den Kopf und sagte ruhig zum Spanier. »Wenn Sie so drücken, kann der Kapitän keinen Befehl geben.«

»Bueno«, rief der Spanier. »Alle Arme an Kopf!«

David tastete mit der rechten Hand zu seiner Ledermanschette im linken Rockärmel, in der zwei Wurfmesser steckten. Vorsichtig fasste er eines mit Daumen und Zeigefinger und zog es etwas heraus.

»Jetzt Befehl, Charleston einlaufen, Kapitän sonst tot!«

David sah aus den Augenwinkeln, dass der Master ihn beobachtete.

»Befehl jetzt«, schrie der Spanier wieder.

Der Kapitän gurgelte: »Nie!«

Bevor der Spanier eine Reaktion zeigte, rief der Master: »Halt! Ich tue es.«

Der Spanier wandte sich ihm zu und lockerte seinen Griff etwas, da warf David das Messer mit all der Kraft und Genauigkeit, zu der er fähig war.

Das Messer bohrte sich dem Spanier seitlich in den Hals. Er griff sich mit beiden Händen an den Hals und gurgelte. David hechtete vorwärts und riss den Spanier zu Boden. Dessen Blut spritzte aus der Halsschlagader und lief über Davids Gesicht. Dann wurde der Körper reglos und schwer. David löste sich von ihm und stand auf.

Kapitän Grant hatte die Hand am Hals und atmete tief. Er sah David an. »Sie mit Ihrer verdammten Messerwerferei! Das war gewagt, aber Sie haben mein Leben gerettet. Danke! Und nun säubern Sie sich, und nehmen Sie dann wieder Ihre Station ein. Wir haben noch etwas vor uns. An die Arbeit, meine Herren!«

David ging zum Niedergang, und der Master bellte den Rudergänger an, der in den letzten Minuten nicht auf den Kurs geachtet hatte.

Offiziere und Mannschaften auf dem Achterdeck hatten sich noch nicht gefangen. »Aber, Sir«, stammelte Mr. Stanhope, »Mr. Hope wollte mit dem Feind zusammenarbeiten. Da muss doch ...«

»Martin, machen Sie sich nicht zum Narren. Mr. Hope hat gesehen, wie Mr. Winter sein Wurfmesser zog, und wollte den Spanier ablenken«, fiel ihm Mr. Bates ins Wort.

»So war es«, bestätigte der Kapitän, »aber kümmern Sie sich jetzt gefälligst um die Verfolgung des Feindes, meine Herren. Erzählen können Sie später immer noch.«

»Der steckt das weg wie nichts, und mir flattern immer noch die Hände«, flüsterte der Richtkanonier des zweiten Achterdeckgeschützes seinem Kumpel zu.

»Eiskalt, aber der junge Winter auch. Wenn dessen Hand gezittert hätte!«, tuschelte der zurück.

»Ihr beiden da!«, rief sie der Erste an. »Werft den Kadaver hier über Bord.«

Der Kapitän schien etwas sagen zu wollen, aber dann wandte er sich ab und sah durch das Teleskop auf die drei Schiffe in der Bucht.

Sie hatten diesmal die spanische Flagge gehisst und liefen mit der Bark in Kiellinie in spitzem Winkel hinter dem kleinen Geleit her. Mit dem Sprachrohr hatten sie Mr. Purget vor Sabotageakten seiner Gefangenen gewarnt und zur strengsten Wachsamkeit ermahnt. David hatte sich das Gesicht gesäubert, einen neuen Rock angezogen und stand jetzt wieder auf seiner Gefechtsstation neben dem Master.

»Ich möchte, dass wir steuerbord von achtern aufkommen«, sagte der Kapitän. »Haben wir genügend Wassertiefe, Mr. Hope?«

»Wenn wir nicht näher als vierhundert Meter ans Ufer gelangen, haben wir hier immer genug Tiefe, Sir.«

David flüsterte dem Master zu: »Die Kiawah-Untiefe, Sir.«

Der Kapitän sah fragend zu ihnen.

»Mr. Winter macht mich pflichtgemäß auf die Kiawah-Untiefe aufmerksam, Sir, aber die ist zehn Seemeilen vor uns, und dort werden wir wohl schon gut klar vom Land sein.«

Der Wind frischte langsam auf, und sie näherten sich allmählich dem Geleit bis auf eine Meile. Die Royals waren noch nicht gesetzt, um kein Misstrauen zu erregen.

»Mr. Bates, ich möchte verhindern, dass die Sloop davonläuft, wenn wir die Briggs anrufen. Andererseits können wir uns nicht weiter so langsam nähern, da wir nicht wissen, was uns auf See entgegenkommt. Lassen Sie also bitte die Royals setzen und bereiten Sie eine Reihe beliebiger Flaggensignale vor. Wenn die Sloop Erkennungszeichen fordert, wollen wir sie noch ein Weilchen irritieren.«

Mit vollen Segeln kamen sie schneller auf und waren nun schon fast querab von der letzten Brigg. Der Kapitän hatte den Mannschaften befohlen, entweder flach neben den Geschützen zu liegen oder zurückzutreten und den Seeleuten der Brigg zuzuwinken. Der französische Kommandant war vertrauensselig, denn noch immer kam kein Signal von der Sloop.

Als sie querab etwas vor der zweiten Brigg lagen und die Sloop 300 Meter vier Strich backbord vor sich hatten, befahl Kapitän Grant: »Geschütze feuerbereit! Heißt die britische Flagge! Signal zum Beidrehen. Backbord-Jagdgeschütz Warnschuss für die Sloop, Backbord-Sterngeschütz Warnschuss für die letzte Brigg!«

Die Flaggen kletterten empor, die Schüsse donnerten, auf den feindlichen Schiffen rannten alle durcheinander.

»Deck! Sloop bemannt Geschütze.«

»Vier Strich steuerbord abfallen! Nach Zielauffassung eine Salve!«

»O Gott«, stöhnte Leutnant Stanhope, »was soll von denen übrigbleiben?«

Den Kapitän mochten ähnliche Gedanken bewegen, denn er fügte hinzu: »Nicht auf den Rumpf zielen!«

Die Salve dröhnte hinaus, und die Sloop legte sich fast über unter dem Geschossgewicht. Zwei Masten waren über Bord gegangen, und an Deck schien kaum etwas an seinem Platz zu sein.

»Deck! Sloop schwenkt weiße Flagge. Französische Flagge abgeschossen.«

Da krachte es hinter ihnen. David drehte sich um. »Spanische Bark feuert auf die letzte Brigg. Die erste Brigg hat die Segel gestrichen.«

Kapitän Grant befahl: »Mr. O’Byrne, nehmen Sie mit zwei Kuttern die Sloop in Besitz, aber schnell bitte. Wir wollen der letzten Brigg das Aufmucken austreiben.«

Die Kutter klatschten auf das Wasser, Matrosen und Seesoldaten hangelten an Tauen herunter, stießen sich, fluchten und suchten ihre Plätze und Riemen.

»Kutter legen ab«, rief David.

Die Anson drehte schwerfällig nach backbord. Die Maate schrien und trieben Seeleute an die Brassen. Der Kapitän hob die Sprechtrompete: »Mr. Murray, lassen Sie zwei Oberdeckgeschütze auf das Achterdeck der Brigg feuern.«

Kurze Zeit später krachte es.

»Deck! Zweite Brigg streicht Flagge.«

Der Kapitän befahl: »Feuer stoppen! Zurück auf alten Kurs! Mr. Palmer die letzte Brigg, Mr. Winter die erste. Jeder ein Boot. Sie wissen schon.«

»Aye, aye, Sir.«

Sie wussten in der Tat, was sie zu tun hatten. Allzu oft hatten sie schon Enterkommandos kommandiert. Hastig musterte David seine Crew. Hatten alle Entermesser, waren eine Blunderbüchse und einige Musketen dabei? Er rückte seine Pistole im Gurt zurecht und gab den Befehl zum Einbooten.

Die Riemen peitschten das Wasser. Eine Prise wollte keiner warten lassen. Die Haken griffen zum Schanzkleid der großen Brigg, und David kletterte als Erster an Bord. Es war wie immer. Mannschaften standen deprimiert beisammen, suchten die Nähe der Kumpel. Die Mienen waren mürrisch und ängstlich, die Blicke unsicher oder feindlich.

»Wer ist der Kapitän?«, fragte David, als seine Crew neben ihm stand.

Ein rundlicher, untersetzter Mann mit rosigem Gesicht trat vor.

»Midshipman Winter von Seiner Majestät Schiff Anson«, stellte sich David vor.

»Merton Coulter, Brigg Aurora aus Charleston.«

»Was haben Sie geladen, Herr Kapitän?«

»Waffen, Munition und Verpflegung.«

Die Entermannschaft zeigte Zeichen der Freude. David wollte die Inbesitznahme beschleunigen. »Lassen Sie bitte die Maate auf dem Achterdeck, die Mannschaften auf dem Vordeck antreten, Herr Kapitän.« Er wandte sich an seine Männer: »Ricardo, du untersuchst mit fünf Mann die Mannschaft auf Waffen und bewachst sie dann. Kanadier, nimm dir zwei Mann und begleite die Maate und den Kapitän, damit sie etwas zusammenpacken können, bevor sie auf die Anson übersetzen. Bill, untersuch die Laderäume. Isaak, finde einen sicheren Raum, in dem wir die Mannschaft einsperren können.«

Sie hatten kaum Zeit, ihre Aufträge auszuführen, da signalisierte schon die Anson. »Prisen zur Anson aufschließen. Bestand an Ersatzmasten und -rahen melden. Bark zum Abschleppen der Sloop vorbereiten.«

David ließ die Mannschaft der Brigg bis auf fünf Toppgasten in einem sicheren Raum einschließen und gab Befehle, genug Segel zu setzen, damit sie sich der Anson nähern konnten.

Mit eingeholten Segeln dümpelten die spanische Bark, die zerschossene Sloop und die beiden amerikanischen Briggs in der Nähe der Anson und immer noch in Sichtweite der Küste. Boote pullten zwischen den Schiffen hin und her. An Bord herrschte hektische Betriebsamkeit. Die Zimmerleute der Anson wurden auf die Sloop übergesetzt, um sie während des Schleppens zu reparieren. Segelmacher begleiteten sie.

David trieb mit Barry McGaw, der ihm als Vertreter zugeordnet war, die Mannschaften an. Alle Prisen waren zur Versenkung und zur Sprengung der Ladung vorzubereiten. Die Mannschaften und ihr Gefängnisraum mussten auf Waffen untersucht werden. Die eigenen Matrosen sollten von allem Alkohol ferngehalten werden. Die Papiere waren durchzusehen.

David rannte nur umher, beantwortete Fragen, gab Befehle und wollte gerade einen Blick in das Logbuch werfen, als McGaw kam. »Anson hat uns angerufen. Wir sollen Segel setzen und die Spitze des Konvois einnehmen.«

»Ist gut, Barry. Hol fünf Rebellen, die beim Segelsetzen helfen sollen. Ich komme gleich an Deck. Sind übrigens alle Geschütze schon geladen, wie der Kapitän angeordnet hat?«

»Schon erledigt.«

David stellte sich in der Nähe des Ruders auf, nahm die Sprechtrompete und gab die Befehle zum Segelsetzen. Es ging langsam mit der kleinen Besatzung, aber sie nahmen Fahrt auf.

David hob die Sprechtrompete zur Anson: »Anfrage Kurs?« Dann hob er das Sprachrohr verkehrt herum ans Ohr.

»Die nächsten zehn Meilen genau Südwest!«, klang die Stimme des Masters dünn über das Wasser.

»Südwest, zwanzig Strich«, sagte David dem Rudergänger an.

Hinter ihnen lief die Anson. Dann folgte die spanische Bark mit der Sloop im Schlepp. Den Schluss bildete die zweite Brigg unter Midshipman Palmer. David überzeugte sich, dass der Ausguck doppelt bemannt war, und rief hinauf: »Gut aufpassen!« Nachdem er gesehen hatte, dass die Segel richtig gebrasst waren, ging er zu den drei Sechspfündern an jeder Seite und teilte drei Mann zum Laden und zwei Mann zum Richten und Abfeuern ein. So hatten sie mit ihren wenigen Leuten die effektivste Chance, möglichst schnell zu feuern.

Langsam spielte sich ihr Dienst auf der Aurora ein. Die Brigg lief gut bei fast achterlichem Wind. Die Räume waren alle untersucht worden. Von daher war keine Überraschung zu erwarten. Das Logbuch hatte nichts Ungewöhnliches offenbart. David hatte nun Zeit, seine Leute auf die Wachen einzuteilen und die Verpflegung zu organisieren. Sie holten den Koch der alten Besatzung, und er begann seine Arbeit für Gefangene und Bewacher gleichermaßen.

Die Schiffsglocke hatte zwei Glasen der Nachmittagswache geläutet, als der Ausguck ein Segel meldete, das, vom Meer kommend, gegen den Wind ankreuzte. David bat Barry, mit dem Teleskop zum Mast aufzuentern. Der Anson signalisierte er: »Segel in Sicht.«

David hatte oft genug fremde Segel identifizieren müssen und sich über drängende Rückfragen vom Deck geärgert. Also hielt er sich zurück und wartete ab, bis Barry von sich aus informierte. Da rief schon die helle Stimme: »Deck, Segel peilt drei Strich backbord. Entfernung gut zwei Meilen. Anscheinend Handelsschiff, drei Masten.«

David lief zum Kasten mit den Signalflaggen und suchte sie selbst heraus. Ricardo half ihm beim Aufstecken, und dann konnten sie der Anson die Nachricht übermitteln.

Die Antwort kam postwendend: »Kurs beibehalten. Klarschiff!«

Wollen die sich vorläufig hinter uns verstecken? dachte David.

Wieder signalisierte die Anson. »Flagge der Kolonisten setzen.«

David bestätigte und ließ die Flagge hissen.

Die Annäherung verlief ganz unspektakulär. Das fremde Schiff erwies sich als Dreimastbark unter französischer Flagge. Von dort sah man zunächst einmal die amerikanische Brigg und dahinter ein größeres, aber nicht näher identifizierbares Schiff. Der Fremde zeigte noch kein Anzeichen eines Verdachtes.

Ricardo meldete David. »Anson signalisiert, Sir.«

David las ab: »Überhole an Steuerbord. Segel kürzen.«

Als sich die Anson im Schutz der Brigg an die Spitze gemogelt hatte, war die fremde Bark nur noch achthundert Meter entfernt. Barry war vom Mast abgeentert und sagte zu David: »Nun werden sie wohl bald Flagge zeigen.«

»Ja«, antwortete David, »und du gehst zu den Geschützen, falls wir schießen müssen.«

Dann hallte der Warnschuss der Anson über die Wellen. Die Signale flatterten, und David beobachtete das fremde Schiff durch das Teleskop. Langsam wurde dort die Flagge eingeholt. Sie kürzten die Segel und erwarteten die Pinasse der Anson. Die Anson zog neue Signale auf: »Geleit Kurs und Fahrt beibehalten!«

Nach einer knappen Stunde lief die Anson wieder an ihnen vorbei. Sie hörten den Kapitän rufen: »In Kiellinie folgen!« Bald darauf änderte die Anson den Kurs in Richtung auf die ferne Küste. David übergab Barry die Wache und lief schnell in die Kajüte, um die Karte einzusehen. Als er wieder an Deck war, flüsterte er Barry zu: »Die wollen sich wahrscheinlich im Port Royal Sound mit seinen vielen Buchten und Inseln verstecken.«

Kein Zweifel! Sie hatten sich der weiten, von bewaldeten Ufern umsäumten Einfahrt auf eine Meile genähert und sahen kein Zeichen von Leben.

»Anson setzt Pinasse aus«, rief der Ausguck.

David nahm sein Teleskop und sah, wie die Pinasse sich nordwärts in Richtung Pritchard Island entfernte. Er wunderte sich, was das bedeuten sollte, aber bald darauf musste er aufpassen, denn die Anson nahm Kurs auf eine Meerenge hinter Capers Island.

»Ricardo, nimm ein Lot. Beginnen nach Ansage.«

»Aye, aye, Sir!«

David gab dem Rudergänger Befehle, und sie änderten den Kurs nach steuerbord. Sie bemühten sich, genau der Anson zu folgen, aber auch Ricardo gab ausreichende Wassertiefen an. Noch eine Meile. Rechts und links lagen die bewaldeten Ufer. Noch eine kleine Biegung des Meeresarmes. »Anson signalisiert: ›Anker werfen.‹«

Sie ankerten etwa hundert Meter von jedem Ufer entfernt und fünfzig Meter hinter der Anson. Neben ihnen warf die spanische Bark Anker, und Leutnant Purget winkte zu ihnen herüber. Das Deck der Sloop sah schon fast wieder normal aus, nur die beiden Maststümpfe waren noch ohne Notsegel.

David sah sich neugierig nach der Bark um, die sie zuletzt gekapert hatten. Zu seiner Überraschung war ihr Deck mit vielen Menschen belebt. Ein Teil der Menschen schien mit der Führung des Schiffes nicht beschäftigt. Sind das Passagiere?, fragte sich David.

Da signalisierte die Anson: »Kommandanten an Bord!« Ach, du lieber Gott, ging es David durch den Kopf. Um die Boote habe ich mich ja überhaupt noch nicht gekümmert. »Ricardo, nimm dir vier Mann als Bootsbesatzung. Barry, ich übergebe das Kommando. Tempo, Leute.«

Davids Boot legte fast gleichzeitig mit denen der anderen Prisenkommandanten am Fallreep der Anson an. Sie stiegen eilends empor, grüßten zum Achterdeck und hasteten zur Kajüte. Der Kapitän schien sie ungeduldig zu erwarten. Kaum nahm er sich Zeit, sie zu begrüßen, und fragte sogleich: »Mr. Stanhope, wie viele Seeleute sind nun unter den Befreiten?«

»Zwanzig Seeleute der Flotte, fünfzehn von Handelsschiffen, zehn Seesoldaten und dreißig Mannschaftsdienstgrade der Armee, Sir.«

Die anderen sahen sich fragend an. Mr. Bates räusperte sich. »Darf ich erklären, Sir?«

Kapitän Grant schien erst nicht zu verstehen, begriff dann und nickte. Bates wandte sich den Prisenkommandanten zu. »Das französische Schiff, das wir zuletzt kaperten, war ein Gefangenentransporter, der Briten von Savannah nach Charleston bringen sollte. Die Stadt hält sich noch.«

Der Kapitän schaltete sich wieder ein. »Die Verstärkung ist mehr als willkommen. Jede Prise übernimmt zusätzlich drei Seeleute und einen Seesoldaten. Der Rest füllt die Lücken auf der Anson. Alle Gefangenen von den Prisen sammeln wir auf dem Gefangenentransporter. Hauptmann Barnes organisiert mit unseren Seesoldaten die Bewachung.«

Er sah seine Offiziere der Reihe nach an. »Nun aber zu unserer Lage. Die Pinasse soll mit der Garnison auf Pritchard Island Kontakt aufnehmen. Sie ankern nach unserer Besprechung Ihre Prisen zu zweit nebeneinander, meine Herren, und riggen zu den Uferseiten Enternetze. Die Geschütze werden mit Traubengeschossen geladen. Die Sloop ankert allein zum Ende der Bucht hin, die Anson an der Mündungsseite.«

An der Tür klopfte es, der Midshipman der Wache steckte den Kopf herein. »Sir, am östlichen Ufer winken und rufen Menschen. Der Bootsführer der Pinasse ist dabei.«

Kapitän Grant wandte sich an Mr. Bates. »Bitte, sehen Sie nach. Wenn es Vertreter der Garnison mit unseren Leuten sind, lassen Sie sie an Bord holen.«

Bates bestätigte und verschwand.

»Nun wieder zu Ihnen, meine Herren. Berichten Sie mir jetzt über Ladung und Zustand der Prisen.«

Am meisten interessierte sie alle der Zustand der Sloop. Sie war in ihren Aufbauten ziemlich schwer beschädigt, aber die Zimmerleute konnten das in zwei Tagen reparieren. Für eine richtige Takelung brauchten sie aber eine Werft. O’Byrne schloss: »Wir sind nicht sehr wendig, Sir, aber wenn unter den Befreiten noch einige Artilleristen sind, die uns überstellt werden könnten, dann bieten wir eine ganz schöne Feuerkraft.«

Es wurde laut vor der Tür. Mr. Bates öffnete und stellte vor: »Leutnant Willcox von den Georgia Loyalists, Sir.«

Der Leutnant, ein pockennarbiger, rothaariger Mann, etwa Mitte zwanzig, salutierte und verharrte in Habachtstellung.

»Willkommen, Herr Leutnant, nehmen Sie Platz. Ein Glas Wein? Kommandieren Sie die Einheit auf der Insel?«

»Nein, Sir«, antwortete der Rotschopf abgehackt, »Major Wright kommandiert, ist aber auf Erkundung im Norden der Insel.«

Nur eine kleine Garnison von vierzig Mann war auf der Insel verblieben, als die königlichen Truppen zur Verteidigung nach Savannah gerufen wurden. Zwanzig Freiwillige hätten sie inzwischen eingestellt. Alle weiteren müssten sie abweisen, da sie keine Waffen mehr hätten.

»Wir können Ihnen Gewehre und Munition übergeben, Leutnant Willcox, wenn Sie Chancen sehen, sich gegen die Rebellen zu verteidigen.«

»Das ist zurzeit unsere kleinste Sorge, Sir. Die Rebellen haben alle Milizen zur Belagerung Savannahs zusammengezogen. Um uns kümmert sich keiner. Wir könnten Streifzüge ins Landesinnere unternehmen und Truppen von der Belagerungsarmee binden, wenn wir mehr Gewehre und vielleicht zwei Kanonen hätten.«

»Sie können das mit Hauptmann Barnes besprechen, der mir dann Vorschläge unterbreiten wird. Mich interessiert im Augenblick vor allem, was Sie über die Lage in Savannah wissen.«

Der Leutnant berichtete, dass sie mit schnellen Ruderschiffen über die Binnengewässer bis zur Bucht von Savannah vordrängten und die Belagerung regelmäßig beobachteten. Die Franzosen hätten bis jetzt keinen wesentlichen Erfolg erzielt. Spione berichteten, dass die Franzosen sich mit ihren Schiffen in der Bucht nicht sicher fühlten und ein schnelles Ende der Belagerung wünschten, während die Rebellen auf jeden Fall den Erfolg suchten, auch wenn es länger dauern sollte.

David hatte den Eindruck, dass der Leutnant ein erfahrener und besonnener Offizier war. Dann musste er wieder auf die Anordnungen des Kapitäns achten.

»Gehen Sie jetzt auf Ihre Prisen, meine Herren, und führen Sie die Anordnungen aus. Weitere Befehle werden Sie mit der Sprechtrompete erhalten. Viel Erfolg.«

Sie antworteten fast im Chor: »Vielen Dank, Sir«, und standen stühlescharrend auf.

Auf der Brigg wusste David wieder kaum, was er zuerst tun sollte. Die Gefangenen sollten auf den Transporter. Das bedeutete, dass sie sich Sachen zusammensuchen durften, wieder auf Waffen kontrolliert werden mussten, dass Matrosen zum Übersetzen abzustellen waren. Die anderen sollten die Brigg in die befohlene Position bringen, Enternetze riggen, die Geschütze laden, den befreiten vier Mann vom Gefangenentransporter Aufgaben zuweisen. Dazu reichten die Mannschaften nicht aus.

David war kurz vor einem Wutanfall, als er sah, wie einige Seeleute ihre Aufgaben begannen, ohne daran zu denken, dass bei wenigen Händen eine ganz andere Abfolge sinnvoll wäre. Dann kam noch einer der Befreiten und klagte, dass er ohne Verpflegung nicht arbeiten könne, da sie schon zwei Tage gehungert hätten. David holte schon Luft, um den Burschen anzubrüllen, aber dann bezwang er sich. Es half überhaupt nichts, wenn er die Leute jetzt einschüchterte, und zwei Tage ohne Nahrung waren schon hart.

David rief Pedro, den Kombüsengehilfen, und befahl ihm, sofort Zwieback und Fleisch für eine kalte Mahlzeit zu suchen und dann alles für eine warme Mahlzeit vorzubereiten. »Sieh auch nach, ob Bier da ist oder Rum oder Wein. Aber da dürfen nur Mr. McGaw oder ich ran. Verstanden?«

Pedro schnarrte sein »Aye, aye, Sir!«, und ging unter Deck.

Allmählich spielte sich alles ein. Der erste Hunger war gestillt. Die Bootsbesatzung hatte die Gefangenen weggebracht und konnte wieder mit anpacken. Die andere Brigg unter dem Kommando von Matthew Palmer legte sich an ihre Backbordseite und wurde vertäut. Matthew rief herüber: »Ist es bei dir auch so hektisch, David?«

»Das kannst du glauben, Matthew. Mit den paar Mann kann man das alles kaum bewältigen.«

»Sir«, rief ihn ein Seemann an, »Anson hat Befehle für uns.«

David winkte Matthew und lief zur Reling, sah zur Anson, wo Mr. Bates mit der Sprechtrompete stand, und hielt sich die Hände hinter die Ohrmuscheln. »Mr. Winter, Sie geben zwei Sechspfünder mit Munition an die Truppe von Leutnant Willcox ab. Ich schicke Ihnen den Kutter mit den Lafetten.« David bestätigte den Befehl und dachte, warum ausgerechnet sie nun wieder die schweren Geschütze über Bord hieven müssten und die Munition dazu. Er seufzte und rief die Befehle, dass die Flaschenzüge an der Rah befestigt und zwei Kanonen an der Backbordseite von der Vertäuung gelöst wurden.

Geschrei, Flüche und Befehle begleiteten die harte Arbeit des Kanonentransports, bei der die Matrosen trotz der Abendkühle ins Schwitzen kamen. Matthew Palmer sah herüber und rief David zu: »Die Anson läuft morgen früh zur Patrouille aus. Ich muss mit. Bei der nächsten Fahrt bist du dran. Komm doch heute Abend auf einen Schluck Wein zu mir an Bord.«

»Gern, Matthew, ich muss nur noch einiges organisieren.«

Die Kapitänskajüte der Brigg war gemütlich eingerichtet, und die beiden fühlten sich fast wie richtige Kommandanten, als sie sich mit Kristallgläsern zuprosteten. Matthew bot David Biskuits an, die er im Kapitänsvorrat gefunden hatte. Er druckste noch ein wenig herum und sagte dann: »Ich fand es toll, David, wie du heute früh den Kapitän aus der Gefahr gerettet hast. Aber bist du nicht auch enttäuscht, dass der Alte gar nicht dankbar zu sein schien, sondern dir noch Vorwürfe wegen der Messerwerferei machte?«

»Es hat mich schon ein wenig geärgert, Matthew, aber wir wissen, dass Grant absolut gerecht ist. Wenn er so reagiert, dann war er vielleicht selbst noch zu erregt und überrascht von dem Erpressungsversuch des Spaniers. Und die Messerwerferei liebt er genauso wenig wie Kapitän Brisbane.«

»Ich finde sie auch nicht gerade gentlemanlike, mein Lieber, aber sie hat dir und anderen schon mehrfach aus großer Gefahr geholfen.«

Der Kapitän saß mit Leutnant Bates in der Kajüte der Anson, und sie kamen zum gleichen Thema. Grant ließ den Tag Revue passieren und stellte fest, dass er prall gefüllt mit den unterschiedlichsten Ereignissen gewesen war. »Am meisten bin ich immer noch schockiert von der Wahnsinnstat des spanischen Kapitäns. Haben Sie jemals von einem ähnlichen Angriff gehört, Mr. Bates?«

»Nur in Erzählungen über Piraten sind mir ähnliche Bedrohungen bekanntgeworden, Sir, aber nie bei regulären Offizieren, die ihr Ehrenwort gegeben haben.«

»Der Mann muss ein religiöser Fanatiker gewesen sein, aber wie er das mit der Tatsache vereinbaren konnte, dass nicht nur wir, sondern auch die meisten Rebellen Protestanten sind, kann ich nicht verstehen. Worauf kann man sich in diesem Krieg überhaupt noch verlassen? Auf das Ehrenwort von Kapitänen jedenfalls nicht.«

Bates antwortete: »Sie können sich hoffentlich immer so wie heute auf die Entschlusskraft und die Treue Ihrer Offiziere verlassen, Sir. Darf ich mir in diesem Zusammenhang eine Bemerkung erlauben, Sir?«

Grant sah ihn nachdenklich an. »Sie wollen mir sagen, dass ich Mr. Winter gegenüber nicht fair war, als ich ihm eher Vorwürfe als Dank zukommen ließ.«

Bates nickte. »Ja, Sir.«

»Das hat mich auch schon beschäftigt, Mr. Bates, und ich werde das Mr. Winter gegenüber in Ordnung bringen. Die Tat des spanischen Kapitäns hat mich mehr geschockt, als Sie denken. Ich bin in einer anderen Zeit Offizier geworden, Mr. Bates. Dieser Krieg erschüttert viele meiner Überzeugungen. Wir brandschatzen und plündern zivile Vorratshallen, die Rebellen lassen pulvergefüllte Fässer auf uns zu treiben, einer meiner Offiziere wirft das Messer wie ein italienischer Straßenräuber, ein spanischer Kapitän setzt mir auf meinem Achterdeck das Messer an den Hals wie ein Pirat. Das ist nicht mehr die Welt, in der ich stolz war, Offizier zu sein. Das hat sich in meiner Reaktion auf Mr. Winters entschlossenes Handeln Bahn gebrochen.«

»Ich verstehe Sie, Sir, aber ich glaube, dass unsere Ahnen ähnlich empfanden, als die Feuerwaffen aufkamen und als es erlaubt wurde, dass Schiffe vor Beginn der Feindseligkeiten unter falscher Flagge segelten. Und Mr. Winter hat das Zeug zu einem guten Offizier und ist ein Ehrenmann.«