Sieg und Frieden - Frank Adam - E-Book
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Sieg und Frieden E-Book

Adam Frank

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Beschreibung

Durch eine Intrige seiner Feinde wird Admiral Sir David Winter trotz seines Sieges in der Adria 1814 seines Kommandos enthoben. Er kann zwar seine Unschuld beweisen, nimmt aber dennoch enttäuscht seinen Abschied. Schließlich ist Napoleon besiegt und David will seinen Lebensabend in Ruhe mit seiner Familie genießen. Doch sein Ruhestand wird bald unterbrochen, als Napoleon zurückkehrt und die Generäle Europas nach Sir David Winter verlangen.

David Winters Abenteuer sind ein Spiegelbild seiner Zeit, des rauen Lebens in der Royal Navy, aber auch romantischer Gefühle, des heldenhaften Mutes und der Kameradschaft auf See. Vom Eintritt in die Royal Navy über die Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges bis in die napoleonischen Kriege verfolgen wir David Winters Aufstieg vom Seekadetten bis zum Admiral.

Aufregende Abenteuer auf See, eingebettet in die faszinierende Geschichte der Marine.

Für alle Fans von C.S. Forester, Alexander Kent, Patrick O’Brian und Richard Woodman. Weitere Bücher von Frank Adam bei beTHRILLED: die Sven-Larsson-Reihe.

eBooks von beTHRILLED - spannungsgeladene Unterhaltung.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Verzeichnis der Abbildungen

Vorwort

Hinweise für historisch interessierte Leser

Personenverzeichnis

Ehrenvoller Abschied

Der Beginn des Friedens

Doppelter Anfang

Eine Reise in den Frieden

Ein Zwischenspiel

Rückkehr und Wiederkehr

Die Entscheidung

Im Abendlicht

Glossar

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

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Über dieses Buch

Durch eine Intrige seiner Feinde wird Admiral Sir David Winter trotz seines Sieges in der Adria 1814 seines Kommandos enthoben. Er kann zwar seine Unschuld beweisen, nimmt aber dennoch enttäuscht seinen Abschied. Schließlich ist Napoleon besiegt und David will seinen Lebensabend in Ruhe mit seiner Familie genießen. Doch sein Ruhestand wird bald unterbrochen, als Napoleon zurückkehrt und die Generäle Europas nach Sir David Winter verlangen.

Frank Adam

Sieg und Frieden

Historischer Abenteuerroman

Verzeichnis der Abbildungen

Der Britische Kanal

Weser- und Elbmündung

Übersichtskarte Belgien

Die Schlacht von Belle-Alliance oder Waterloo

Vorwort

Dies ist der vierzehnte und letzte Band der David-Winter-Serie. Als ich vor anderthalb Jahrzehnten am ersten Band schrieb, habe ich nie erwartet, dass die Serie einen derartigen Erfolg haben würde. Es ist bei dem Überangebot von Übersetzungen und ›Prominenten‹-Beichten für einen namenlosen Schreiber sehr schwer, sein Manuskript bei einem großen Verlag unterzubringen. Und nun hat nicht nur Bastei-Lübbe Jahr für Jahr alle Taschenbücher übernommen, auch Bertelsmann hat für seine Postbesteller alle Bände mit festem Einband gedruckt.

Dieser letzte Band spielt nicht auf See. Das mag für manche Leser eine Enttäuschung sein. Aber das ergab sich aus dem Verlauf der Geschichte und der Biografie der handelnden Personen. Nach dem Zusammenbruch Frankreichs 1814 fand bis zur Schlacht von Algier 1816 keine Flottenoperation von Bedeutung statt. Aber die Schlacht von Belle-Alliance oder Waterloo 1815 schloss eine Epoche ab, die David Winter geprägt hatte.

Ohne dass ich es geplant hätte, lernte David Winter im Laufe seines Lebens Personen kennen, die 1815 Geschichte gestalteten. Als ich ihn 1776 mit Abercrombie und 1807 mit Gneisenau in Berührung brachte, ahnte ich nicht, wie diese Linien zu Blücher und Wellington führten, wenn man dem Lauf der Geschichte folgte. Natürlich hätte ich David Winter auch undatiert weiter über die Meere kreuzen oder Söhne oder Neffen die Kämpfe weiter fortsetzen lassen können, aber mit dem Erzählen der Geschichte hätte das wenig zu tun gehabt. Ich wollte aber immer historisch so genau wie möglich erzählen.

So erlebt David Winter diese trügerische Friedensperiode an Land und greift dann auf Bitten seiner Freunde in das Geschehen der entscheidenden Schlacht ein. Ich habe versucht zu zeigen, von welchen persönlichen Differenzen oder Sympathien, von welchen Zufällen mitunter entscheidende Ereignisse abhängen.

Nach dieser Schlacht, die Napoleon in die Verbannung trieb, blieb für David Winter der Ausklang eines reichen Lebens. Es brachte ihn zurück in die Heimat.

Vielen habe ich zu danken, weil sie mich bei der Recherche nach Details der Ereignisse unterstützten. Hilfreich waren wieder Frau Susanne Winkler und ihre Kolleginnen von der Landauer Universitätsbibliothek. Sehr geholfen haben mir Herr Professor Dr. W. Weiß, Stadtrat in Bremerhaven, sowie Herr Dr. Bickelmann und Herr Hüttis vom Stadtarchiv. Wichtige Informationen lieferten Frau Petra Schütz und Dr. A. Sauer vom Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Und vor allem danke ich den Lesern, die mich mit ihrem Interesse all die Jahre hindurch so treu begleitet haben.

September 2004

Frank Adam

Hinweise für historisch interessierte Leser

Zur Information über Schiffe, Waffen und Besatzungen der britischen Flotte verweise ich auf mein Buch mit zahlreichen Abbildungen und Literaturangaben:

Adam, F.: Herrscherin der Meere. Die britische Flotte zur Zeit Nelsons. Hamburg: Koehler 1998

Zur Geschichte der Jahre 1814/15 kann man die neuere Darstellung von Hofschröer heranziehen:

Hofschröer, Peter: 1815. The Waterloo Campaign. London: Greenhill 1998

In Details ist noch immer lesenswert:

Von Lettow-Vorbeck: Napoleons Untergang 1815. Berlin: Mittler 1904

Zeitkolorit kann man entnehmen aus:

Kröger, Alfred (Hrsg.): Napoleon kam bis Waterloo: Die 100 Tage im Spiegel der zeitgenössischen Presse. München: Deutscher Taschenbuch Verlag

Zur Situation im Bremischen nenne ich aus der umfangreichen Literatur nur:

Hagenah, Ulrich: Ländliche Gesellschaft im Wandel zwischen 1750 und 1850 – das Beispiel Hannover. In: Niedersächsisches Jahrbuch, Bd. 57, 1985, S. 161 – 206

Herfurth, Helmuth: Die französische Fremdherrschaft und die Volksaufstände vom Frühjahr 1813 in Nordhannover. Hildesheim/Leipzig: Lax 1936

Stubbe da Luz, Helmut: ›Franzosenzeit‹ in Norddeutschland (1803 – 1814). Napoleons Hanseatische Departements. Bremen: Ed. Temmen 2003

Wiebalck, Robert: Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes Wursten im 19. Jahrhundert. In: Jahrbuch der Männer vom Morgenstern, Bd. 31, 1948, S. 1 – 35

Personenverzeichnis

Die Familie:

Sir David Winter, Konteradmiral der roten Flagge

Lady Britta Winter, geb. Baronesse von Jensen

Christina Margreta Benson, geb. Winter, Tochter

Albert Benson, ihr Mann

Alexandra Britta Benson, beider Tochter

Charles William Winter, Sohn

Margarete Sophie Winter, geb. Hutchins, seine Frau

David William, beider Sohn

Edward Martin Winter, Sohn

Luise Winter, geb. Baronesse von Griesen, seine Frau

Britta Katharina, beider Tochter

Nicole Maria Watson, als verwitwete Lady Bentrow Schwiegertochter von David Winter

James Watson, Nicoles zweiter Mann, Mitglied des Parlaments

John David, Lord Bentrow, Nicoles Sohn aus erster Ehe

Adam Watson, Sohn

Anne Watson, Tochter

Julie Hansen, David Winters Cousine

William Hansen, ihr Mann, Reeder

George Hansen, beider Sohn

Anne Hansen, beider Tochter

Henry Barwell, Davids Cousin, Schiffsbaumeister

Claire Barwell, seine Frau

Personal in Whitechurch Hill:

Ernest Wilmerton, Verwalter der Stiftung

Alberto Rosso, Sir Davids Begleiter

Lisbeth (Lissy) Rosso, seine Frau

Baptiste Herrod, Sir Davids Begleiter

Freundeskreis in England:

Joseph Benson, Christinas Schwiegervater

Sir William Hutchins, Charles’ Schwiegervater

Lady Anne Hutchins, seine Frau

Dr. Cotton, Davids früherer Schiffsarzt

Sir Hugh Kelly, Vizeadmiral und Erster Seelord

Lady Charlotta Kelly, seine Frau

Sir George Abercrombie, General

Lady Ardine Abercrombie, seine Frau

Personal in Kampenholt:

Gesine von Rostow, Verwalterin

Niels Wenneberg, Großknecht aus der Franzosenzeit

Johann Hansen, Wächter

Jonas Welms, Tierpfleger

Henry Berring, Landwirt, Großknecht

William Oslow, Möbeltischler

Mr Sanbos, Baumeister

Freundeskreis im Bremischen:

Lars Wilkens, Davids Jugendfreund in Stade

Baron Karl von Griesen und seine Frau Herta, Charles’ Schwiegereltern

Ehepaar Welterbrugg

Ehepaar Hanefeld

Ehepaar Friederich

Freunde in Frankreich:

Graf Jacques Lejeune

Gräfin Janine Lejeune, seine Frau

Alexandre Lafour, Schwiegersohn der Lejeunes

Madeleine Lafour, geb. Lejeune, seine Frau

Nadine und Henri Lafour, beider Kinder

Ehrenvoller Abschied

April und Mai 1814

Der alte Admiralitätsdiener hastete vor David den Flur entlang, klopfte an eine Tür, riss den Hut vom Kopf, öffnete die Tür und sagte laut: »Sir David Winter, Sir!«

David ging durch die Tür und blickte zum Schreibtisch. Was er sah, erschreckte ihn. Sein Freund, Vizeadmiral Sir Hugh Kelly, war ein alter Mann geworden. Gewiss, er war zehn Jahre älter als David, aber immer hatte er straff und lebendig gewirkt. Jetzt aber quälte er sich mühsam mit einer in die Armhöhle geklemmten Stütze am Schreibtisch hoch. Der linke Arm schien steif, und das Gesicht war grau und voller Falten.

Alle Vorbehalte und Anklagen, die David gegen die Admiralität in sich getragen hatte, waren verflogen. Nur Mitgefühl mit dem alten, treuen Hugh erfüllten ihn.

»Bleib doch sitzen, Hugh!«, sagte er. »Quäl dich doch nicht meinetwegen so unnötig.«

Der Erste Seelord lächelte müde. »Tja, guter Freund, das hättest du nicht gedacht, dass du hier so eine Ruine vorfindest und nun Skrupel hast, diesem Krüppel deine Klagen gegen die Admiralität ins Gesicht zu schleudern.«

Er hob die Hand, als David Einwände äußern wollte.

»Ich kann mir denken, wie dir zu Mute ist. Ich selbst bin voller Ärger und möchte die Hintergründe erkennen. Aber uns verbindet doch viel mehr, als uns je trennen kann. Lass uns erst einmal von Freund zu Freund reden, damit wir die Harmonie finden, um über den Dienst zu sprechen. Warte, ich lasse uns einen Topf Kaffee bringen, und Kekse hast du doch immer gern geknabbert, du Süßmaul.«

Ein Diener brachte ein Tablett mit Kaffee und Keksen und schenkte ein. David konnte Hugh weiter betrachten. Das linke Bein war steif, kein Zweifel. Eine große Armkrücke lehnte am Tisch. Auch der linke Arm schien behindert, und im Gesicht durchzog eine große Narbe die linke Wange.

»Ja, David«, sagte Kelly ein wenig resigniert, »wer uns betrachtet, würde nicht darauf tippen, dass du aus dem Kampfgebiet kommst und ich hier in der Heimat saß. Du siehst aus wie das blühende Leben, und bei mir lebt kaum noch etwas.«

»Nun rede keinen Unsinn, Hugh. Wir beide haben schon schlimmere Blessuren gesehen. Du wirst auch wieder besser auf die Beine kommen. Wie ist denn dieser Unfall geschehen, Hugh?«

Hugh trank einen kräftigen Schluck Kaffee. »Es gab Ärger auf der Werft in Portsmouth. Lord Melville schickte mich hin, um für Ordnung zu sorgen. Kurz vor Portsmouth hatte ich meine Akten zur Seite gelegt und ein wenig gedöst, als es plötzlich Geschrei, Peitschenknallen und einen Riesenkrach gab. Der Wagen neigte sich zur Seite. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich furchtbare Schmerzen, lag auf Stroh in einem Karren, und mein Diener jammerte nur immer wieder ›Oh Gott, oh Gott‹.«

»War das Rad gebrochen?«, fragte David, aber Hugh hob abwehrend die Hand.

»Sie fuhren mich zur Klinik von Dr. Cotton, deinem alten Flottenarzt, der sich meiner sofort annahm und all seine Kunst und Hilfsmittel einsetzte. Das Knie war mehrfach gebrochen, der Knochen ragte durch die Haut. Der Arm hatte komplizierte Brüche. Zwei Rippen waren geprellt, von Kleinigkeiten gar nicht zu reden. Dr. Cotton hat mich mit Laudanum und Rum gefüllt und sofort operiert. Drei Monate war ich in seiner Klinik. Sie haben massiert, Umschläge und Packungen gemacht und mich einigermaßen wieder auf die Beine gestellt. Dann sollte ich noch zwei Monate nach Bath, aber inzwischen war in der Admiralität die Hölle los. Wenn der verdammte Bonaparte weg ist, dann kann ich wieder etwas für meine Gesundheit tun.«

»Aber nun sag doch endlich einmal, wie es zu dem Unfall kam, Hugh.«

»David, da bin ich doch auf die Aussagen anderer angewiesen. Der Kutscher sagt, ihm sei eine Kutsche in voller Fahrt entgegengekommen. Die Pferde seien dem anderen Kutscher durchgegangen. Die fremde Kutsche sei voll in unsere Seite geprallt, habe uns gegen einen Baum geschleudert, der die Wagenseite, in der ich lehnte, völlig zertrümmert hat. Zum Glück war es dicht vor der Stadt, und Helfer seien schnell zur Stelle gewesen. Da ich Admiralsuniform trug, haben sie mich zu Dr. Cotton gebracht, dessen Klinik jetzt in aller Munde ist und der als ehemaliger Flottenarzt bekannt ist. Ohne ihn säße ich jetzt nicht hier.«

»Ja, ich war nicht glücklich, als er den Flottendienst verließ. Aber er wollte eine Klinik für Amputationen, Kriegsverletzungen und Knochenbrüche gründen, und dafür gibt es in Portsmouth ja wirklich Bedarf. Wie hat denn deine Frau das alles durchgestanden?«

»Wann immer es ging, war sie bei mir. Deine Britta und die Hansens in Portsmouth haben sehr geholfen. So etwas kann man ohne gute Freunde und Helfer gar nicht durchstehen. In der Klinik waren auch einfache Seeleute, denen Glieder amputiert oder zertrümmerte Knochen geheilt werden mussten. Wir sind ja auch an Bord in die Lazarette hinuntergekrochen und haben nach den Verwundeten gesehen. Aber wenn du längere Zeit so Tür an Tür mit ihnen leidest, dann merkst du erst wirklich, was das für arme Hunde sind. Viele hatten als Zukunft nur einen Bettelplatz auf der Straße. Ja, ich weiß, in deiner Stiftung kommen viele unter. Aber es müsste mehr davon geben, und ich hab hier ganz schön Wind gemacht, dass uns das eine Greenwich Hospital nicht reicht. Wir müssen mehr für unsere Invaliden tun. Einiges läuft schon an.«

Hugh schwieg erschöpft und trank einen Schluck Kaffee. Er sah David nachdenklich an. »Aber nun zu dir, alter Freund. Immer bist du hier in die Admiralität zurückgekehrt, um dir zu neuen Siegen gratulieren zu lassen. Und diesmal haben die Lords dich geschasst und abberufen. Ich kann aus den Akten gar nicht richtig rekonstruieren, was eigentlich los ist. Die österreichische Regierung verlangte deine Abberufung, weil du dich nicht an Vereinbarungen gehalten und gegen Österreichs Interessen gehandelt haben sollst. Unser Wiener Gesandter, dieser Lord Aberdeen, hetzt unser Außenministerium mit den gleichen Argumenten auf, und dann hat Lord Melville ein Machtwort gesprochen, weil sich in der Beratung der Lords zu viele der Stimme enthalten hatten. Du hast immer deinen eigenen Kopf gehabt, David, aber gegen Beschlüsse der Regierung hast du nie verstoßen. Erzähl du mir, was abgelaufen ist!«

Vizeadmiral Sir Hugh Kelly schwieg erschöpft und bewegt. Er sah auf seinen Schreibtisch.

Dann musste er lächeln. Er fuhr mit dem Finger auf eine Stelle in der Holzplatte. »Siehst du hier die Einkerbung? Da habe ich mit der Faust vor Freude auf den Tisch gehauen, als die Nachricht kam, dass du Santander erobert hast, und ich dachte nicht daran, dass ich noch eine Schere in der Hand hatte. Und diese Kerbe hier ist für deine Eroberung von Rijeka. Und wo soll ich jetzt draufhauen? Alle schauen mich betreten an und fragen sich: Was hat denn sein Freund diesmal gemacht?«

In David stieg der Ärger hoch. »Er hat nichts anderes getan als immer, Hugh. Dein Freund hat seine Kraft zum Wohl des Vaterlandes eingesetzt und die Befehle der Admiralität befolgt. Ich bin meinem König Rechenschaft schuldig, nicht einem österreichischen General oder einem schlecht informierten Gesandten.«

Hugh hob abwehrend die Hand. »Ich will Gerechtigkeit für dich. Das solltest du wissen. Und nun erzähl mal genau von Anfang an. Wer gab dir die ersten Weisungen für die Behandlung der eroberten Gebiete?«

David brauchte nicht lange zu überlegen. Er hatte immer wieder über diese Dinge nachgedacht, als er aus der Adria zurücksegelte. »Zuerst wurde ich im Auswärtigen Amt durch Sir Williamson eingewiesen, der mir auch eine schriftliche Fassung für die Admiralität mitgab. Das muss etwa am zwanzigsten September anno zwölf gewesen sein. Damals hieß es, bei der Befreiung besetzter Gebiete sei die frühere Verwaltung wieder einzusetzen, aber es sei der Bevölkerung Gelegenheit zur Mitwirkung bei der Verwaltung zu geben. Grundlegende Änderungen seien bis zum Friedensschluss zurückzustellen. Dies war dann auch Bestandteil meiner Generalinstruktion durch die Admiralität, die etwa Mitte Dezember datiert war.«

Sir Hugh hatte sich Notizen auf einem Blatt Papier gemacht. »Woher weißt du die Daten so gut, David?«

»Ich bin am dreizehnten September aus Spanien nach London zurückgekehrt und drei Tage nach Weihnachten in die Adria ausgelaufen. Das vergisst man nicht, wenn man so selten daheim ist, Hugh.«

»Hm«, brummte Hugh. »Hattest du nicht einmal von einer Vereinbarung mit dem österreichischen Befehlshaber berichtet, David?«

David nickte. »Wir hatten schon einige Inseln befreit, bevor ich mit General Graf Nugent zusammentraf. Das war vor der Eroberung Istriens. Damals haben wir folgende Vereinbarung schriftlich fixiert: ›In Gebieten, die früher nicht zu Österreich gehörten, werden weder Britannien noch Österreich eine staatliche Zuordnung dulden, sondern zur Ablösung der französischen Verwaltung nur lokale Selbstverwaltungen bis zum Friedensschluss erlauben.‹ Ich habe eine Abschrift der Vereinbarung auch an die Admiralität gesandt. Das war im September dreizehn.«

Hugh notierte wieder. »Aber dann haben unsere Diplomaten mit den Österreichern doch eine neue Vereinbarung ausgeknobelt. Danach konnten die Österreicher alle neuen Gebiete unter ihre Verwaltung stellen.«

David hob den Finger. »Das galt aber erst für die Eroberungen seit Dezember dreizehn. Danach haben die Österreicher auch versucht, an der Bucht von Kotor die Gebiete in ihre Verwaltung einzugliedern. Gelungen ist ihnen das nur zum Teil, denn die Montenegriner haben große Schwierigkeiten gemacht. Aber was vorher schon erobert war, behielt die Verwaltung, die es hatte, bis zum Friedensvertrag, den wir noch nicht haben.«

Wieder machte sich Hugh Notizen. »Und warum hat sich dann unser Gesandter, Lord Aberdeen, so wortreich über dich beklagt? Du hättest den Österreichern mit Waffengewalt gedroht, wenn sie die Vereinbarungen umsetzen.«

»Der Herr hat seine Akten nicht studiert, sondern nur auf das gehört, was der General Milutinovič seiner Regierung vorgejammert hat. Mit Graf Nugent bin ich prächtig ausgekommen, aber dieser Milutinovič als Serbe wollte die Kroaten, Albaner und Montenegriner nur unter seine Knute zwingen, Abmachung hin, Abmachung her. Da habe ich ihm gesagt, er müsse sich eine starke Kriegsflotte zulegen, wenn er die Inseln erobern wolle. Wir würden einmal getroffene Vereinbarungen einhalten.«

Hugh Kelly griente in sich hinein. »Ich glaube, im diplomatischen Dienst hättest du es nicht so weit gebracht, mein Lieber.«

»Da magst du Recht haben, Hugh«, lachte David.

Hugh Kelly lehnte sich zurück. »Ich habe jetzt erst einmal genug Informationen und werde die Depeschen hier in der Admiralität überprüfen lassen. Mach dir schöne Stunden mit deiner Frau, und grüße sie herzlich. Du hörst wieder von mir, wenn ich mehr weiß oder wenn meine Frau den Termin für eure Einladung festgesetzt hat.«

David fasste sich an den Kopf. »Ich werde alt und vergesse alles, Hugh. Britta hat mir ja aufgetragen, euch für morgen Abend zum Dinner einzuladen. Wir wohnen im Haus der Bentrows. Bitte rette meinen Kopf, Hugh.«

Hugh lachte. »Da sieht man mal, was von den so genannten Seehelden wirklich zu halten ist. Na gut! Morgen bei euch. Einen Tag später bei uns. Wir haben ja genug zu erzählen, und schmecken tut es uns doch auch noch.«

Als David gegangen war, stemmte sich Vizeadmiral Kelly mühsam mit seiner Krücke hoch und stapfte zu einem Liegesofa, das an der Wand stand. Er legte sich hin und mühte sich, das steife Bein in eine gerade Position zu betten. Dann nahm er eine kleine Glocke, die auf einem Beistelltisch stand, und schwang sie hin und her.

Ein Schreiber öffnete die Tür, schaute erst zum Schreibtisch, entdeckte Hugh dann auf dem Sofa und sagte: »Ich hätte Ihnen doch gern geholfen, Sir Hugh.«

»Ich kann doch nicht immer nach Hilfe läuten. Ich brauche Sie sowieso für den verdammten Aktenkram. Notieren Sie einmal!«

Und dann sagte er ihm an, nach welchen Abschriften des Außenministeriums, welchen Depeschen von Admiral Winter und welchen Protokollen der Besprechungen in der Admiralität er suchen sollte. »Und vorher bringen Sie mir bitte noch ein Glas von meinem Apfelsaft.«

Er erhielt seinen Saft und döste ein wenig auf dem Sofa, als es wieder klopfte. Der Schreiber sah ein wenig ratlos zu Hugh: »Sir Hugh, die Depeschen aus der Adria hat Sir Walter Osborne entliehen. Soll ich sie von ihm holen?«

Hugh überlegte einen Moment. Osborne war einer der zivilen Lords der Admiralität und Abgeordneter im Unterhaus.

»Nein«, entschied er dann. »Gehen Sie ins Archiv, und lassen Sie sich die Duplikate geben.«

Von jeder Meldung eines Offiziers an die Admiralität wurden ja Kopien angefertigt und auf anderem Wege an die Admiralität geschickt, damit sie auch dann informiert wurde, wenn ein Schiff unterging.

Es dauerte eine Weile, dann kam der Schreiber zurück und trug einen Packen Akten in der Hand. »So, Sir Hugh, jetzt habe ich alles. Hier die Weisungen aus dem Auswärtigen Amt. Hier die Depeschen des Admirals. Und hier die Protokolle der Besprechungen.«

Hugh nickte. »Kommen Sie! Sie können mir hochhelfen. Das geht immer ein wenig schwer. Dann wühle ich mich durch den Papierkram.«

Der Admiral nahm sich Akte für Akte vor und studierte sie. Hin und wieder machte er sich Notizen. Dann griff er nach dem Stapel der Besprechungsprotokolle und ging sie Stück für Stück durch. Schon beim zweiten Protokoll stutzte er und griff zurück zu den Depeschen. Er schüttelte den Kopf und notierte wieder.

Dann fand er noch ein Protokoll, das ihn stutzen ließ. Er griff nach dem Stapel, in dem die Weisungen der Admiralität lagen, und suchte. Er legte den Bogen weg und sah aus dem Fenster. Nach einer Weile nahm er die Glocke und läutete.

Der Schreiber erschien, und Hugh bedeutete ihm, die Tür hinter sich zu schließen. »Gehen Sie zu Mr Croker und fragen Sie ihn, ob es ihm seine Zeit erlaubt, für einen Augenblick zu mir zu kommen und sich etwas anzusehen.«

Der Schreiber antwortete: »Sehr wohl, Sir!«, und verschwand. Croker war seit fünf Jahren Erster Sekretär der Admiralität und wie seine Vorgänger eine eminent wichtige Person in der Leitung der Flotte.

Es dauerte nicht lange, und der Schreiber öffnete ihm die Tür.

»Na, wie geht es Ihnen, Sir Hugh?«

»Wie soll es einem alten Krüppel schon gehen, Sir? Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie zu mir kommen. Ich verspreche Ihnen interessante Neuigkeiten. Aber sagen Sie mir bitte vorher, Sir, ob Sie einen Kaffee, einen Tee oder einen guten Kognak haben wollen.«

»Ein Tee wäre angenehm.«

Kelly gab die Anweisungen an den Schreiber und wandte sich Croker zu.

»Sie wissen ja doch alles, was in der Flotte vorgeht, Mr Croker. Darum wird es Sie nicht erstaunen, dass Sir David Winter in London angekommen ist und dass ich ihn als sein alter Freund heute schon gesprochen habe. Ich brauche Ihnen auch nicht zu sagen, dass ich über seine Abberufung nicht glücklich war, aber als ich als Krüppel aus der Klinik kam, war ja alles schon Vergangenheit.«

Croker unterbrach ihn. »Sie hätten auch nicht anders entscheiden können. Wir haben die großen Verdienste des Admirals nicht übersehen. Aber diesmal war er zu einer Belastung für unsere Allianz geworden, Sir Hugh.«

»So hat man es Ihnen dargestellt, aber die Akten sprechen eine andere Sprache. Sehen Sie bitte hier, Sir, die erste Empfehlung unseres Außenamtes, als Sir David sein Kommando antrat. Wenn Sie hier bitte lesen wollen, Sir. Der Admiral wird angewiesen, befreiten Gebieten unter britischer Aufsicht eine Selbstverwaltung zu ermöglichen, die künftigen Regelungen nicht vorgreift.«

»So hat es Sir Osborne in der Sitzung auch vorgetragen.«

Hugh fiel ein: »So ist es im Protokoll vermerkt. Aber sehen Sie hier. Die schriftliche Vereinbarung zwischen dem österreichischen Befehlshaber General Graf Nugent und Sir David.« Er gab Mr Croker ein Blatt Papier.

»Das kenne ich nicht!«, stellte der nach kurzer Lektüre fest.

»Davon werden Sie auch nichts im Protokoll finden, Mr Croker. Dort ist nur die lokale Selbstverwaltung erwähnt. Aber kein Wort ist zu lesen, dass in Gebieten, die früher nicht zu Österreich gehörten, weder Britannien noch Österreich eine staatliche Zuordnung dulden werden. Nach dieser Vereinbarung hatte Österreich kein Recht, in Gebieten, die zu Dubrovnik gehörten, seine Verwaltung einzurichten.«

Mr Croker hob die Hand. »Aber dann wurde unter den Diplomaten eine Vereinbarung ausgehandelt, die den Österreichern eben dieses Recht ausdrücklich zusprach.«

Hugh nickte. »Das ist diese Abmachung, Sir.« Er reichte Mr Croker einen anderen Bogen. »Wenn Sie bitte auf die Formulierung achten wollen, Sir: ›... in den künftig zu erobernden Gebieten‹. Die Abmachung bezieht sich also nicht auf bereits befreites Gebiet. Und nun schauen Sie bitte in dieses Sitzungsprotokoll. Die Abmachung wird zitiert, aber ohne den Passus ›... in den künftig zu erobernden Gebieten‹. Sir Osborne als Berichterstatter hat die Lords der Admiralität falsch informiert. Er hat verschwiegen, dass der britische Admiral das Recht hatte, in früher befreiten Gebieten die bisherigen Regelungen beizubehalten.«

»Geben Sie her«, sagte Croker etwas brüsk, riss die Papiere an sich und las immer wieder die Stelle in dem einen und dem anderen Papier.

»Verdammt!«, sagte er schließlich. »Jetzt kann ich den Kognak gebrauchen.«

Hugh griff hinter sich, stellte zwei Gläser auf den Tisch, nahm die Flasche aus dem Schreibtisch und schenkte ein. »Auf Seine Majestät!«, sagte er und hob sein Glas.

Croker trank schweigend, ließ die Zunge über die Lippen gleiten und sagte: »Was hat sich dieser Bursche nur gedacht, uns so hinters Licht zu führen?«

Hugh schwieg eine Weile und sagte dann: »Es könnte gewisse familiäre Motive geben.«

Croker sah ihn starr an. »Sie meinen die Heirat mit der Enkeltochter Lord Lyttelmans?«

Hugh nickte. »Wissen Sie, dass Lord Lyttelman nach der Zeugenaussage Sir Davids aus der Flotte entlassen wurde? Er ist sein Todfeind.«

»Jetzt kann ich mich auf meine Jugend berufen, Sir Hugh. Das muss ich nicht wissen.«

»Es war einundachtzig auf dem Flaggschiff, das Lord Kinsale kommandierte. Lyttelman war Zweiter und hatte nachts Wache. Er hat gegen den Einspruch des Masters die Eintragungen in der Karte geändert und das Schiff auf den Sand gesetzt, weil er fälschlich glaubte, er habe gesehen, dass Ramsgate bereits passiert wurde. Kinsale hat versucht, die Zeugen zu manipulieren und den Master als Sündenbock hinzustellen, aber Sir David hat sich nicht beeinflussen lassen und wahrheitsgemäß ausgesagt. Beide wurden schuldig gesprochen und mussten ihren Dienst quittieren.«

Mr Croker spitzte den Mund und dachte nach. »Nun ja«, sagte er schließlich. »Was man von Lyttelman hört, stellt ihn nicht gerade als Ehrenmann dar, aber geht das nicht ein bisschen weit?«

Hugh schüttelte den Kopf. »Kinsale hat schon Mörder auf Sir David gehetzt. Die beiden hassen ihn wie die Pest. Osborne hat sich die Depeschen ausgeliehen, und niemand konnte sie einsehen. Das hier sind die Duplikate.«

Croker nickte. »Ich werde Seine Lordschaft informieren und mich noch weiter umhören. Die Papiere werde ich mitnehmen. Ich sage dem Vorsteher des Schreibbüros Bescheid.«

Am nächsten Morgen saßen die Diener der Admiralität noch müde in der Eingangshalle, als Sir Walter Osborne eilig die Halle betrat, dem Diener abwinkte, der zu ihm eilen wollte, und schnell die Treppe emporhastete.

»Nanu«, sagte einer der Diener. »Den habe ich ja noch nie so früh hier gesehen.«

»Ich habe gehört, er soll zu Seiner Lordschaft beordert worden sein.«

Die anderen sahen sich bedeutungsvoll an.

Robert Dundas, Lord Melville, war seit gut zwei Jahren Erster Lord der Admiralität. Er war am gestrigen Abend vom Ersten Sekretär über den Fall unterrichtet worden, hatte geflucht, denn Sir Walter Osborne war Abgeordneter der Regierungspartei, und niemand würde es ihm danken, wenn er einen Anhänger der Regierung aus dem Amt warf.

Er blickte auch jetzt am Morgen missmutig auf Mr Croker, der schweigend am Tisch saß und die Papiere durchsah.

»Warum hat er das nur getan?«, knurrte Melville. »Haben Sie früher etwas bemerkt, dass da eine Feindschaft zwischen Osborne und Winter war?«

»Nein, Mylord. Aber gestern hörte ich zufällig, dass Lord Lyttelman erst entschieden gegen eine Verbindung seiner Enkeltochter mit Sir Walter war. Vielleicht war die Intrige die Vorbedingung für seine Einwilligung.«

»Die Eltern der Enkelin sind tot?«

»Ja, Mylord. Ertrunken bei der Überfahrt nach Irland.«

Lord Melville strich sich über das Kinn. »Ich habe mir gestern noch den damaligen Kriegsgerichtsfall vortragen lassen. Das war wirklich kein Ruhmesblatt für Kinsale und Lyttelman. Auch die Sache mit dem Mordanschlag stimmt. So ein Pack!«

Der Diener meldete Sir Walter Osborne. Melville bot ihm Platz, aber kein Getränk an.

»Wir haben ein Problem, Osborne«, sagte er. »Mr Croker wird es anhand der Akten erläutern. Hören Sie erst einmal nur zu.«

Sir Walter Osborne war ein junger Mann um die dreißig, schmal und eher zierlich. Er hörte schweigend Crokers Vortrag zu, warf keinen Blick in die Papiere, die Mr Croker hochhielt, und wurde immer blasser.

Als Croker seine Ausführung abschloss, wartete Lord Melville einen Moment und sagte dann schroff: »Was haben Sie dazu zu sagen, Osborne?«

»Ich möchte es Ihnen gern unter vier Augen sagen, Mylord.«

Mr Croker stand auf, verbeugte sich vor Melville und verließ den Raum.

Osborne schluckte und sagte dann: »Die Vorwürfe stimmen, Mylord. Ich bitte um meinen Abschied als Lord der Admiralität. Bitte, Mylord.«

Melville schien angerührt von diesem Geständnis. »Aber warum bloß, Osborne? Was haben Sie gegen Admiral Winter?«

»Gar nichts, Mylord. Er ist ein guter und umsichtiger Flottenführer. Ich sprach nur bei zwei Gelegenheiten kurz mit ihm. Belanglose Worte, Mylord.«

»Aber warum dann?«, wiederholte Melville ratlos.

»Lord Lyttelman hätte mir sonst nicht die Hand seiner Enkeltochter gewährt, die ich über alles liebe und deren verstorbenen Vater er vertritt. Er hasst Sir David mit jeder Faser seines Herzens. Als ich zum Lord der Admiralität berufen wurde, war er von der Idee besessen, seinem Todfeind durch eine Intrige zu schaden.«

»Und was nun, Osborne? Wir werden Winter rehabilitieren.«

»Ich habe die Liebe meiner Frau errungen, Mylord. Sie erwartet ein Kind, und wir leben glücklich auf meinem Gut. Lord Lyttelman ist nur noch ein alter, verbitterter Mann für sie. Er kann uns nicht mehr trennen.«

Melville atmete tief und überlegte. Wenn Osborne seinen Abschied nahm, wenn der Grund unter der Decke blieb und er sein Abgeordnetenmandat behielt, würde es für die Regierung keinen Anlass geben, Melville Vorwürfe zu machen.

»Ich erwarte Ihr Abschiedsgesuch innerhalb der nächsten Stunde, Osborne. Schreiben Sie nur ›aus persönlichen Gründen‹ und verlieren Sie nie ein Wort über das, was heute offenbar wurde. Sonst verlieren Sie Ihr Mandat und ernten Schimpf und Schande.«

»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Mylord, und bereue, was ich getan habe.«

Melville nickte nur und läutete nach seinem Diener.

»Bitten Sie Sir Hugh und Mr Croker zu mir.«

Melville bot Croker und Sir Hugh Platz an, erkundigte sich nach Sir Hughs Beschwerden, ließ Wein einschenken und sagte dann erleichtert: »Er hat alles zugegeben und um seinen Abschied aus persönlichen Gründen gebeten. Er wird über die Angelegenheit schweigen. Lord Lyttelman hat ihn quasi dazu erpresst, aber jetzt soll er Osborne nicht mehr in der Hand haben. So weit, so gut. Aber nun ist da noch die andere Seite. Wie können wir Admiral Winter rehabilitieren, ohne Osbornes Verfehlung an die große Glocke zu hängen, was dem Ruf der Admiralität schädlich wäre? Wir haben doch jetzt kein neues Kommando, wo die Abrüstung bevorsteht.«

Sir Hugh schaltete sich ein. »Er will seinen Abschied nehmen, Mylord, und ich weiß nicht, ob ich ihn davon abbringen kann. Er will keinen Abschied in Streit und Zorn, sondern nur aus privaten Gründen, weil er bei seiner Familie sein will. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass Sir David reich ist und mehrere Firmen besitzt, die seine Frau leitet.«

Melville schüttelte den Kopf. »Seine Frau leitet die Firmen?«

»Ja, Mylord. Sie ist dänische Baronesse, genial in der Auswahl geeigneter Menschen, extrem geschäftstüchtig, dabei aber reizvoll und liebenswert. Mit ihrem Vermögen und Sir Davids Prisengeldern haben sie Ländereien gekauft und betreiben Landwirtschaft. Sie haben eine Küstenreederei, Textilmanufakturen, Schneiderwerkstätten, eine Schiffsausstatterfirma und fördern immer ihre Stiftung für invalide Seeleute und ihre Hinterbliebenen.«

Melville unterbrach ihn: »Von der Stiftung haben Sie ja schon berichtet, Kelly. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Aber dass sich eine Frau so in Geschäften engagiert, das ist doch ziemlich unpassend, fast vulgär. Und nun will er als Admiral des Königs im Geschäftsleben mitwirken? Ich kann es einfach nicht verstehen.«

Mr Croker mischte sich ein. »Erlauben Sie, Mylord. Wir sind in einer Umbruchzeit. Sie wissen, wie populär die Französische Revolution zunächst bei uns war. Und auch jetzt gibt es Frauenclubs, in denen ganz offen weibliche Abgeordnete im Unterhaus gefordert werden. Frauen, die Firmen leiten, werden dort bewundert.«

Melville hob resigniert die Hand. »Ich werde hoffentlich nicht mehr in einer solchen Zeit leben müssen. Aber zurück zu unserer Aufgabe: Würde Winter zufrieden sein, wenn ich mich im Namen der Admiralität entschuldige und ihm als Zeichen unserer Anerkennung bei Seiner Majestät die Ernennung zum Ehrenoberst der Seesoldaten mit der üblichen Jahrespension von tausenddreihundert Pfund verschaffe? Allerdings erwarte ich, dass er über den Vorfall schweigt.«

Sir Hugh dachte einen Augenblick nach. »Wenn Lyttelman nicht ins Gespräch kommt und ich ihm andeute, dass die Depesche mit der Nugent’schen Abmachung falsch registriert wurde, dann wird er mit einem Abschied in Ehren zufrieden sein. Er ist Großvater geworden und ist viel mehr Familienmensch, als ein Außenstehender glauben würde.«

»Soll er seine Familie haben und uns einen Skandal ersparen. Regeln Sie es so, Kelly. Und nun, meine Herren, wollen wir uns wichtigeren Problemen widmen. Ich habe die Nachricht, dass Bonaparte jetzt ganz offiziell seinem Thron entsagt hat. Die Bourbonen kehren zurück. Die Flotte soll Bonaparte nach Elba bringen, das ihm als Wohnsitz zugewiesen ist. Und die Flotte muss wieder abrüsten. Der Premierminister hat mir als erstes Ziel einen Maximalbestand von siebzigtausend Seeleuten und Seesoldaten bis Ende des Jahres genannt. Das ist nicht viel mehr als die Hälfte unseres Bestandes. Jeder Lord der Admiralität muss für die ihm zugewiesenen Heimathäfen Vorschläge machen, welche Schiffe nicht abgerüstet werden sollen. Die Werften sollen sich auf die Wartung der abgerüsteten Schiffe vorbereiten. Zu unserer turnusmäßigen Sitzung Mitte nächster Woche erwarte ich die Vorschläge.«

»Das wird ein harter Schnitt, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, Mylord«, bemerkte Croker.

»Ach, Croker, so machen sie es doch immer. Die Regierung will und muss sparen, damit sie nicht wegen der hohen Steuern abgewählt wird. Und wir stehen jedes Mal mit heruntergelassenen Hosen da, wenn uns jemand bedroht. Ich kann hier gar nichts ändern, so sehr ich es auch versucht habe.«

Schon als er zu seinem Zimmer zurückstapfte, winkte Sir Hugh einem Diener. »Schicke er einen Boten zu mir aufs Zimmer.«

In seinem Zimmer nahm er sich einen Bogen Papier, schrieb ein paar Zeilen, faltete den Bogen, siegelte und adressierte ihn. Als der Bote erschien, wies er ihn an, die Nachricht sofort an die angegebene Adresse zu befördern. Dann nahm er sich das Verzeichnis der Kriegsschiffe vor, die in Portsmouth als Heimathafen registriert waren.

Etwa eine Stunde, nachdem der Bote gegangen war, meldete ein Diener David bei Sir Hugh an.

»Entschuldige, Hugh, wir hatten gerade Besuch, und ich musste eine gewisse Anstandsfrist wahren, um nicht unhöflich zu wirken. Was gibt es Neues?«

Sir Hugh lächelte ihn an. »Nun bist du doch wieder der siegreiche, gefeierte Heimkehrer. Die Überprüfung hat ergeben, dass du völlig korrekt gehandelt hast. Die Abmachung mit Graf Nugent war falsch abgelegt worden und wurde Sir Osborne nicht vorgelegt. Allerdings hätte er nachforschen müssen, denn die Abmachung war ja in anderen Depeschen erwähnt. Er hat geschlampt und tritt als Lord der Admiralität zurück. Lord Melville wird sich bei dir für den Fehler entschuldigen und dich voll rehabilitieren. Seine Majestät wird dich zum Ehrenoberst der Seesoldaten mit einer Jahrespension von tausenddreihundert Pfund ernennen. Bist du zufrieden, David?«

»Aber ja, Hugh, wenn ich auch irgendwie ein Gefühl habe, dass alles doch nicht so glatt war, wie du es hier schilderst. Aber was soll es? Ich nehme meinen Abschied ohne Zorn und Bitternis und danke dir für deine Hilfe. Du bist immer noch der gute Freund wie in unserer Jugend.«

»Schon gut! Willst du dir das mit dem Abschied nicht noch einmal überlegen? Zwar kann dir Lord Melville kein Kommando anbieten, denn wir müssen radikal abrüsten, aber das kann sich schnell ändern.«

»Nein danke, mein Lieber. Ich werde jetzt Zivilist und muss alles über Geschäfte und Profit lernen.«

»Ach, David, mir kommst du wie ein Masochist vor. Vaterland und Ehre, das hat uns geleitet, und nicht Geschäft und Profit. Ich werde heute Abend noch einmal mit Britta reden, damit sie dich nicht in die Firma aufnimmt.«

David lachte. »Du wirst nicht viel Erfolg haben, Hugh. Und du solltest auch nicht vergessen, dass wir ohne Geschäft und Profit nicht einen Monat hätten Krieg führen können. Also, bis heute Abend. Grüß deine liebe Frau. Ich freue mich auf das Wiedersehen.«

Britta hatte der Köchin die Anweisungen für das Abendessen gegeben, und diese gab sie nun an die drei Hilfen weiter, die ihr zur Verfügung standen. David hatte sich oft gewundert, wie vielköpfig das Personal in den vermögenden britischen Haushalten war. Hier in diesem Stadthaus, in dem selten mehr als zwei Personen wohnten, hätten zwei Küchenangestellte die anfallenden Arbeiten ohne weiteres bewältigt. Aber nein, es mussten vier sein. Die Nachbarn hatten auch so viele.

Nachdem die Anweisungen erteilt waren, sagte Britta zu David: »Aber nun fahren wir zur Bond Street, David. Ich konnte dort so lange nicht mehr mit dir bummeln, und sie sollen aufregende neue Artikel haben.«

David wusste, dass er bei einer Weigerung keine Chance hätte, eine gut gelaunte Ehefrau beim Dinner zu erleben. Bummeln und Kaufen war ihre Leidenschaft. Es war fast die einzige, die sie nach London zog. David gab seinen Bootssteuerleuten Baptiste und Johann Bescheid: »Zivilkleidung, Pistole, Messer und den groben Stock. Es geht in die Bond Street. Warst du dort schon, Johann?«

Johann verneinte. Er war seit Dezember 1813 als Nachfolger des gefallenen Mustafa bei David und hatte sich gut bewährt.

»Es ist eine sehr belebte Einkaufsstraße für die wohlhabenderen Londoner oder solche, die mit ihnen gesehen werden wollen. Taschendiebe sind häufig, sonst sehe ich keine Gefahren.«

Johann, ein Friese, sagte lebhaft: »Aye, Sir, da werden wir aufpassen«, und schaute zu Baptiste, der mit breitem Lächeln nickte.

Es war tatsächlich ein Gedränge und Geschiebe. Jetzt am frühen Nachmittag konnte man sich schon auf der Straße sehen lassen, ohne in den Verdacht zu geraten, man müsse früh aufstehen, um Geld zu verdienen.

David mochte diese Gattung Mensch nicht, die sich hier drängelte und beachtet werden wollte. »Nichtsnutze, Tunichtgute, Angeber, Pack« waren so einige der Wörter, die er bei diesem Anblick in sich hineinmurmelte.

Jetzt erblickte er die Ladendiener eines modernen Modegeschäftes. Sie sollten der weiblichen Kundschaft etwas bieten und sie zum Kauf verleiten. Daher hatte der Inhaber große, gut gewachsene junge Männer ausgewählt und sie in so knappe, eng anliegende Hosen gekleidet, dass nicht viel von ihren Genitalien verborgen blieb. Kurze, straff anliegende Jacken zeigten die Muskeln.

»Im Krieg hat man diese männlichen Huren nicht gesehen. Wir hätten sie auf unseren Schiffen schon zurechtgestutzt!«, murmelte er recht laut.

»Entschuldige, David. Über diese Ladendiener regst du dich jedes Mal auf, wenn wir in der Bond Street sind. Das wird nun ein wenig albern. Schau doch einfach nicht hin. Du kannst es nicht ändern. Ich schimpfe doch auch nicht jedes Mal über die jungen Frauen, die mit fast durchsichtigen Kleidern hier flanieren und mit ihren Reizen kokettieren.«

David konnte nicht ganz hören, was Britta sagte, denn ein Geck hatte ihn grob angerempelt. Er fasste sofort nach seiner Geldtasche und drehte sich um. Aber die Geldtasche war noch da, und der davoneilende Geck sah auf einmal Baptistes Knüppel vor sich. »Sei vorsichtig, du schwule Wachtel, sonst gerbe ich dir das Fell!«

Der Geck blickte auf den riesigen Neger und rannte davon. David nickte und schaute wieder nach vorn.

Da zog gerade ein Herr den Hut und verbeugte sich vor Britta. »Lady Britta, welche Überraschung, Sie hier zu sehen. Und da ist ja auch der Herr Gemahl, in Zivil diesmal. Wollen Sie etwas für Ihre charmante Gattin kaufen?«

David erinnerte sich noch rechtzeitig an den Namen des Mannes. Richard Monnytree, Besitzer eines großen Fuhrgeschäftes und Ratsherr in Portsmouth. Seine Neider nannten ihn ›Moneytree‹, den Geldbaum.

»Das auch, Mr Monnytree, aber ich glaube, sie will mich verleiten, mir etwas zu kaufen, da ich keine Kleidung à la mode habe. Wenn ich zwei Jahre auf See bin, ist meine Zivilkleidung wieder unmodern.«

Sie waren an die Seite vor die Fenster eines Geschäftes getreten, um den Strom der Fußgänger nicht zu behindern. Aber hier behinderten sie wieder die Leute, die das Schaufenster inspizieren wollten.

»Ich habe hundert Yards in der Richtung gesehen, dass ›Mullers‹ gerade heute mit einer neuen Kollektion aufwartet, Sir David. Das Geschäft hat ja einen guten Ruf.«

»Davon habe ich auch schon gehört«, schaltete sich Britta ein. »Vielen Dank für die Empfehlung. Ich hoffe, wir sehen uns dann in Portsmouth, denn hier hat mein Mann immer wenig Zeit. Heute Abend steht schon wieder ein Essen mit dem Ersten Seelord auf dem Programm.«

»Dann will ich Sie nicht weiter aufhalten und wünsche viel Glück beim Einkauf«, antwortete Mr Monnytree wunschgemäß, zog seinen Hut, murmelte: »Lady Britta, Sir David!«, und ging weiter.

»Den hast du aber schnell weggeschickt, meine Liebe«, sagte David.

»Ich mag ihn nicht sehr. Er ist hinterlistig, und wahrscheinlich werde ich ihm Konkurrenz machen.«

»Worin denn?«, fragte David erstaunt.

»Im Fuhrgeschäft vom Hafen zu den Lagerhäusern. Wir haben genug invalide Seeleute mit Gehbehinderungen in der Stiftung. Wagen können die fahren.«

»Nein, Britta. Lass die lieber in ihrem Element, dem Wasser. Jetzt wäre eine regelmäßige Fährverbindung für Personen und Frachten nach Le Havre wieder erforderlich. Da könnte man investieren. Oder in die Kanalschifffahrt oder die Ausweitung des Küstenverkehrs nach Plymouth. Darin haben wir Erfahrung.«

Britta klatschte in die Hände. »Sieh an, sieh an! Der Herr Admiral zeigt Interesse fürs Geschäft. Wunderbar! Mach so weiter, mein Liebster. Jetzt spendiere ich dir auch einen neuen Anzug.« Und sie zog ihn weiter zu ›Mullers‹.

»Schau doch mal, Hugh, der David ist nach der neuesten Mode gekleidet. Man sollte meinen, er habe die letzten Monate in London verbracht und du wärst in der fernen Adria gewesen. Gut seht ihr beiden aus!«, plapperte Charlotta, Hugh Kellys etwas hausbackene Frau, hinaus, als sie die Winters im Bentrow-Haus begrüßten.

Britta umarmte sie und erwiderte: »Wir haben den Anzug heute gefunden. Er gefiel uns beiden und passte auf Anhieb. So im Kaufrausch werde ich meinen Mann wohl für Jahre nicht mehr erleben. Er ist immer der Meinung, die alten Sachen seien noch gut genug und Mode sei eine Erfindung für eitle Schwachköpfe.«

»Sind die beiden Zwillinge?«, fragte Charlotta lachend. »Das sagt mein Hugh doch ganz genauso.«

Hugh kam mühsam mit seinen Stelzen herein, aber er lächelte und sagte: »Habt ihr eure Männer schon wieder beim Wickel? Wollt ihr lieber Männer haben, die alles für Kleidung, Glücksspiel und leichte Frauenzimmer ausgeben? Wir sind eben natürliche Schönheiten und brauchen nicht viel Firlefanz.«

»Ach ja, und eure Jacketts sind nicht von oben bis unten mit Orden behangen, ganz ohne Eitelkeit«, scherzte Britta.

»Nun hört aber endlich auf, und kommt herein. Ich freue mich schon seit langem auf die Hummervorspeise«, schloss David die Scherze ab.

Während des Essens sprachen sie über Familiendinge. Britta erzählte begeistert von ihrem Enkelkind, und in David wuchs die Sehnsucht, die Kleine endlich zu sehen.

Britta erzählte auch von ihrem Sohn Charles und seiner Neigung zu Margarete Hutchins, der Tochter von Sir William und Anne Hutchins, die in der Nähe von Nicoles Anwesen ein Gut besaßen. »Sie ist ein liebes und kluges Geschöpf. Die Familie ist ehrenhaft und sympathisch. Charles wäre wohl sehr enttäuscht, wenn wir einer Verlobung zu seinem neunzehnten Geburtstag nicht zustimmten. Er ist ja auch als Landwirt schon völlig selbstständig und leitet unseren Gutsbetrieb sehr effektiv.«

»Na, David, was meinst du denn dazu?«, fragte Hugh.

»Ach, weißt du, Hugh, mir hat die Admiralität nie viel Zeit gelassen, mich um meine Familie zu kümmern. Aber nach allem, was ich bei meinem letzten Ausflug ins Familienleben sah, ist Charles ein reifer und verantwortungsbewusst denkender Mensch. Er ist seit langem mit dieser jungen Dame befreundet, liebt sie sehr. In allem anderen verlasse ich mich ganz auf Brittas Urteil. Es wäre schön, wenn ihr zur Verlobung kommen könntet.«

Charlotta nickte. »Es wäre schön, aber ich habe Hugh ja nicht einmal zu der dringend notwendigen Kur in Bath losreißen können. Diese Admiralität ist wie ein Moloch, der seine Mitarbeiter verschlingt.«

David mischte sich ein. »Aber nun soll doch der Friede praktisch vor der Tür stehen. Die Abrüstung werden sie doch auch ohne Hugh schaffen. Was weißt du denn über den Stand der Friedensverhandlungen, Hugh?«

»Ich weiß auch nicht viel mehr als ihr alle. Auch in den Zeitungen steht ja, dass die Bourbonen Napoleon ablösen und wieder über Frankreich herrschen sollen. Sie erhalten auch weitgehend die Grenzen von 1792, sogar das Saargebiet wollen sie behalten. Zwischen Österreich und Preußen gibt es Streit um das Schicksal der deutschen Kleinstaaten, die den Rheinbund bildeten. Preußens Minister vom Stein will sie in einem preußisch-deutschen Staat aufgehen lassen. Metternich und unsere Außenpolitiker sind dagegen.«

»Der neue Bourbone wäre doch dann Ludwig XVIII.«, sagte David sinnend. »Wisst ihr mehr über ihn?«

Hugh hob etwas ratlos beide Hände. »Ludwig lebt ja seit Jahren in England im Exil. Die Diplomaten, die ihn kennen, sagen, er sei dick und leide unter Gicht. Er ist ruhig und würdig, denkt und handelt sehr vernunftgesteuert, ist aber natürlich kein Anhänger des parlamentarischen Systems, das ihm die Verbündeten als Voraussetzung für seine Thronübernahme aufgezwungen haben. Er ist fast sechzig. Sein jüngerer Bruder, der Graf von Artois, ist nach Frankreich vorausgeeilt und verkündet dort, dass sein Bruder dem Land eine Verfassung geben wolle. Der Graf von Artois ist leichtlebig, redegewandt und leutselig. Seinem schwerfälligen Bruder wird es nicht leichtfallen, in der Gunst des Volkes zu bestehen. Er ist jetzt auf dem Wege nach Paris. Aber seine Herrschaft gibt uns eine gewisse Garantie, dass Frankreich in absehbarer Zeit keinen Angriff auf England planen wird.«

»Das wäre doch schon sehr viel, nicht wahr, Britta? Dein Mann bliebe bei dir, und ihr hättet nicht mehr die Sorgen mit der Miliz auf Wight und den Kaperschiffen im Kanal«, betonte Charlotta.

Britta nickte. »Und wir könnten legal Handel mit Frankreich treiben, nicht nur das bisschen Schmuggel, das bisher läuft. In meinen Lagern warten schon die Textilien. Interessierte Händler haben wir angeworben. Wir sind bereit.«

»Du denkst weiter voraus als die Admiralität, liebe Britta«, sagte Hugh. »Lord Melville war etwas konsterniert, als ich ihm neulich sagte, dass du Firmen leitest. Die Frauen in seiner Familie dürften so etwas nicht.«

Brittas Augen funkelten. »Diese Herren brauchen noch mehrere Revolutionen, ehe sie aufwachen. Sich aufputzen, häkeln und klatschen, damit sollen ihre Frauen den Tag verbringen, aber bloß nicht ihren Verstand gebrauchen.«

»Vor allem nicht ihren Männern widersprechen, das hast du vergessen, liebe Britta«, warf David ein, und die anderen lachten.

»Aber, Liebster, ich bin doch eine sehr unterwürfige Ehefrau«, scherzte Britta.

»Um Gottes willen! Nur das nicht. Dann müsste ich mich ja um alles selbst kümmern«, antwortete David. »Entscheide du in deinem Bereich, und lass mir kleine Freiheiten, wann ich neue Anzüge kaufen muss, zum Beispiel.«

»Dann würdest du auf die nächste Uniformregelung der Admiralität warten, nicht wahr, lieber David?«, meldete sich Charlotta.

Die Unterhaltung wandte sich dann wieder ernsteren Themen zu. David ereiferte sich, dass man Napoleon die Insel Elba als Fürstentum übergeben wolle, damit er dort seinen Lebensabend verbringe.

»Die Insel ist nur wenige Kilometer vom Festland entfernt, liegt mitten in Europa. Da kann man dieser Eroberernatur doch gleich ein Billett zur Rückkehr schenken. Und eine kleine Kriegsflotte darf er auch unterhalten! Wenn es nach mir ginge, würde man den Kerl nach Tristan da Cunha schicken.«

»Wo liegt denn das?«, fragte Charlotta.

»Nicht weit vom Südpol, zwischen den Südspitzen Südafrikas und Südamerikas«, erklärte ihr Mann.

»Nun ja, wo der Kerl auch stecken mag. Auf dem Kontinent werden sie sich in den nächsten Jahren um die Eigentumsrückgabe streiten. Du hast doch ein Gut in der Nähe von Bremen geerbt, nicht wahr, David?«, wechselte Hugh das Thema.

»Es gehörte meinem Onkel, und ich war der nächste Erbe, da er selbst kinderlos starb. Das Gut war von den Franzosen beschlagnahmt und verpachtet worden. Das Gebiet um Bremen gehörte ja erst zum Königreich Westfalen, wurde zuletzt aber direkt Frankreich eingegliedert.«

»Da solltest du aber bald deine Ansprüche anmelden, David. Der Pächter ist mit Sicherheit ein Parteigänger der Franzosen und wird dich für tot erklären lassen oder sonstige Märchen verbreiten, um in dem Besitz des Gutes zu bleiben.«

»Wir haben einen Notar, wie es dort heißt, der unsere Ansprüche vertritt«, sagte Britta. »Aber er hat sich seit einem halben Jahr nicht gemeldet.«

»Dann seid man hinterher, ihr Lieben«, riet Hugh. »Es hat dort auch Aufstände und Kämpfe gegeben. In Erinnerung ist mir gerade ein Gefecht an der Leher Brücke. Das Gebiet bis Hamburg wechselte mehrmals den Besitzer.«

»Nun ja, eigentlich brauchen wir das Gut ja nicht«, wiegelte David ab.

»So ist mein lieber Mann. Als armer Midshipman, so hat er mir immer erzählt, war er in Sorge um die mögliche Armut im Alter und hat um jeden Cent gekämpft. Nun da diese Gefahr vorbei ist, will er sogar ein Gut verschenken, das größer ist als unser Whitechurch Hill.«

»Aber Britta, die Güter sind dort alle größer als auf unserer Insel. Nach dortigen Verhältnissen ist es mittelgroß und schließt einige Wälder ein. Ich will es auch nicht verschenken, aber ich muss nicht mehr darum kämpfen wie als kleiner Midshipman um eine Schnitte Brot. Wir haben ja schon daran gedacht, der Frau von Rostow die Verwaltung zu übertragen, der Witwe eines in Spanien gefallenen befreundeten Obersten der Deutschen Legion«, widersprach David.

Und dann wandte sich das Gespräch Spanien und seinen Nachfolgeproblemen zu. Es war ein harmonischer Abend, so stellten alle beim Abschied fest, mit interessanten Gesprächen, »wie man sie heute selten führen kann«, wie Hugh abschließend vermerkte.

Lord Melville empfing David am nächsten Vormittag betont freundlich, bot ihm Platz an, ließ den Diener eine Flasche Wein bringen und schenkte selbst ein.

»Mein lieber Sir David«, begann er, nachdem sie auf den König getrunken hatten. »Ihnen ist Unrecht geschehen. Man hat Sie abberufen und so getan, als hätten Sie die Differenzen mit der Regierung Österreichs verschuldet. Dabei haben Sie sich, wie wir jetzt wissen, nur an die Abmachungen gehalten und sind Übergriffen der Österreicher entgegengetreten. Nun ja, Sie waren ein wenig nachdrücklich in der Wahrung unserer Interessen, aber daraus kann man Ihnen keinen Vorwurf machen. Eine falsche Aktenablage und Schlamperei tragen die Schuld an dieser Fehlinterpretation. Wir haben Konsequenzen gezogen. Sie sind vollständig rehabilitiert, lieber Admiral, und kehren wie immer ruhmbedeckt heim. Ich kann Ihnen angesichts der Kriegslage kein neues Kommando anbieten, aber Seine Majestät wird Sie auf meinen Vorschlag hin zum Obersten der Seesoldaten ernennen mit der Jahrespension von tausenddreihundert Pfund. Sind Sie einverstanden?«

»Ich bedanke mich für die Ehre, Mylord. Ich trage niemandem etwas nach. Meine Bitte um Entlassung aus dem aktiven Dienst ist auch rein familiär bedingt und hat nichts mit den Modalitäten des Rückrufes zu tun.«

Melville räusperte sich. »Das freut mich sehr, Admiral. Sie haben einen ausgezeichneten Ruf als Flottenführer. Wenn der Friede nicht vor der Tür stünde, könnte die Flotte nicht auf Ihre Dienste verzichten. Sollten wir wieder einer solchen Bedrohung ausgesetzt sein, werden Sie sich hoffentlich unserem Wunsch nach Reaktivierung nicht verschließen.«

»Sicher nicht, Mylord, aber ich hoffe, dass England und Europa ein Krieg in absehbarer Zeit erspart bleibt«, antwortete David.

»Das hoffen wir alle, Sir David. Ich wünsche Ihnen viele glückliche Jahre in Ihrem privaten Leben.«

David dankte ergebenst und wünschte dem Lord weiterhin viele erfolgreiche Jahre in seinem hohen Amt. Damit war das Gespräch beendet.

David musste an seine Anfangszeit als Midshipman denken. Damals waren ihm die Leutnants als kleine Halbgötter und Kapitäne als wahre Götter erschienen. Als Leutnant imponierten ihm Admiräle noch gewaltig. Und nun, da er selbst Admiral war, hatten sie alles von ihrem Glanz verloren. Nur der ganz persönliche Respekt zählte noch, und auch ein Erster Lord der Admiralität war nicht mehr unnahbar, sondern ein Mensch, dessen Worten er nicht mehr gläubig lauschte. Waren die Amtsinhaber damals respektabler? Nein, sagte er sich. Im Durchschnitt sicher nicht. Aber wenn man selbst in diese Ränge aufstieg, sah man diese Männer eben aus anderer Perspektive und mit weniger Distanz. Schade eigentlich.

Am Abend fragten ihn die Kellys, wie es bei Lord Melville gewesen sei.

»Sehr freundlich, kurz, wie so etwas eben abläuft. Wenn der Friede nicht vor der Tür stünde, könnte man mich nicht entbehren. Und die Ernennung zum Obersten der Seesoldaten hat er angekündigt.«

»Fühlst du dich rehabilitiert, David?«, fragte Charlotta.

»Aber ja, liebste Charlotta. So sehr bin ich nicht vom Respekt des Ersten Lords abhängig. Da bedeuten mir die Urteile meiner engsten Freunde, der Kellys, der Hansens und der Watsons, schon viel mehr, von meiner Familie ganz abgesehen. Und ich werde den Abschied vom Geschwader nicht vergessen.«

»Ein Essen mit Reden?«, fragte Charlotta.

»Nein, der Salut durch die Mannschaften der Schiffe. Wenn ein Admiral scheidet, entern sie auf, stehen an den Rahen und rufen Hurra. Sie hörten nicht auf, auch als unser Schiff längst ihres passiert hatte. Ihre Hurrarufe sind mir mehr wert als der Dank Melvilles.«

Seine Britta schaute ein wenig skeptisch und prüfend. Charlotta nickte.

Hugh nahm noch einen Löffel der Nachspeise und sagte dann zu David: »Du hast vorhin Watson erwähnt, David. Ich sehe ihn manchmal im Unterhaus. Was ist er für ein Mensch?«

Britta mischte sich ein. »Lasst mich die Frage beantworten, denn eine Frau beurteilt einen Mann mitunter klarer als ein anderer Mann, wie mir Charlotta bestätigen wird. James Watson war ein sehr fähiger und sehr tapferer Fregattenkapitän. Groß, sehr gut aussehend, schneidig, vielleicht ein wenig oberflächlich. Durch seine schweren Amputationen ist er sehr gereift. Er ist nach wie vor absolut vertrauenswürdig, sehr gewissenhaft, aber jetzt auch ein hinter den Schein blickender, abwägender, sich engagierender Mann, der seinen Auftrag als Politiker sehr ernst nimmt. Ich vertraue ihm ohne Wenn und Aber.«

Hugh nickte nachdenklich. »Stimmst du dem zu, David?«

David bejahte. »Er war als Kapitän vielleicht ein wenig zu wagemutig, zu wenig vorausschauend, aber das ist anders geworden. Und er ist absolut ehrlich. Viel zu ehrlich für einen Politiker.«

Sie lachten. Hugh bedankte sich für das Urteil der Winters. Die Admiralität brauche mitunter Politiker, denen sie auch Hintergründe und Details anvertraue, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich seien.

Charlotta bot noch einmal den Nachtisch an. »Ihr redet zu viel und esst zu wenig.«

Die Winters widersprachen. Der Pudding schmecke wunderbar, aber man könne kaum noch gehen, so viel habe man gegessen.

Am übernächsten Tag saßen Britta und David in der Kutsche, die sie nach Portsmouth bringen sollte. Ein Wagen mit dem Gepäck folgte ihnen.

»Was haben wir es gut, wie wir heute reisen, nicht wahr, Britta? Denkst du noch an das Gerüttele in den vollen Postkutschen?«

»Oh ja, David. Ich bin sehr dankbar für unser Schicksal. Und mir liegt Hugh auf der Seele, der es so viel schwerer hat nach diesem schrecklichen Unfall. Hast du ihn an den letzten beiden Abenden beobachtet?«

»Oh ja. Er verbeißt sich den Schmerz. Die Sehnen an seinem Kinn treten dann hervor, und der linke Mundwinkel zieht sich nach unten. Er müht sich furchtbar ab mit dem linken Arm und kann ihn doch kaum gebrauchen. Die Finger dieser Hand zucken vor Anstrengung ruckartig. Man mag ihm kaum zusehen, diesem grau und blass gewordenen Mann. Wenn man ihm nur helfen könnte.«

»Warum schenken wir ihm nicht einen Aufenthalt in Bath? Du verdankst ihm doch praktisch diese Ehrenrente als Oberst. Wäre es nicht gut, wenn wir eine Jahresrente zu seiner Genesung stiften würden?«

»Aber das würde Hugh nie annehmen, Britta«, wandte David ein.

»Er würde es nicht erfahren. Wir müssten über einen Rechtsanwalt in Bath eine vaterländische Stiftung vorschieben, die ihm einen Genesungsurlaub von einem Monat mit seiner Frau stiftet, selbst aber im Hintergrund bleiben will. Wir müssen in Portsmouth mit unserem Anwalt reden.«

»Das ist ein guter Vorschlag, Britta.«

Und dann schwiegen sie ein Weile und schauten aus dem Fenster, ehe sie über die nächste Zeit sprachen, die vor ihnen lag. David hatte gerade ausgeführt, dass er sich zunächst in die Küstenreederei einarbeiten und mit Gregor Pläne zu ihrer Erweiterung diskutieren wolle, als die Kutsche hielt.

»Nun schau doch, David. Wir sind schon in der Raststation bei Godalming. Lass uns aussteigen, eine Kleinigkeit essen und einen Schluck Wein trinken, während sie die Pferde wechseln.«

Sie saßen in einem abgeteilten Gastzimmer, das für wohlhabendere Gäste reserviert war, hatten eine Suppe zu sich genommen und aßen jetzt eine Doppelschnitte, die zu Ehren des früheren Lords der Admiralität ›Sandwich‹ genannt wurde. In einer anderen Ecke des Raumes speisten zwei Londoner Kaufleute, die sich aber nach freundlichem Gruß nicht weiter um sie kümmerten.

»Es schmeckt recht gut, und auch der Wein ist ganz passabel«, bemerkte David zu Britta.

Sie wollte antworten, aber von draußen erklangen Hilfeschreie. David sprang auf, rief »Bleib hier sitzen!« zu Britta und stürzte hinaus. Nun, sie blieb nicht sitzen, sondern ging zum Fenster, um zu sehen, was dort los war. Etwa zehn bis zwölf Männer rissen Gepäckstücke vom Wagen der Winters und von einer anderen Kutsche. Die Kutscher waren anscheinend niedergeschlagen worden. Hinzulaufende Diener wurden mit Knüppeln und Messern bedroht.

David stürzte mit Baptiste und Johann aus der Tür. Er hatte seine Pistole aus der Rocktasche gezogen. Seine Begleiter hielten die Windbüchsen in der Hand. Als David sah, was geschah, spannte er den Hahn und schoss einen Lauf seiner Pistole in die Luft.

»Zurück!«, brüllte er mit aller Kraft. »Lasst das Gepäck in Ruhe, und schert euch weg, sonst landet ihr im Kerker!«

»Halt die Fresse, du Großmaul!«, antwortete ein grober Geselle. »Wir nehmen nur, was uns zusteht!«

»Schieß ihm ins Bein, Baptiste!«, befahl David und lud den einen Lauf seiner Pistole nach.

Es machte nur leise ›Plopp‹, aber der Schwarzhaarige schrie laut auf und sackte zusammen. Wimmernd hielt er sich seinen linken Oberschenkel.

»Nehmt ihn und haut ab, sonst findet ihr euch in Australien wieder!«, rief David.

Aber ein anderer Dieb brüllte etwas Unverständliches zu seinen Kameraden, und fünf Burschen rannten knüppelschwingend auf David zu.

»In die Beine! Baptiste links, Johann rechts, ich die Mitte! Feuer!« Er schoss mit seiner Pistole. Neben ihm machte es ›Plopp, Plopp‹. Drei Angreifer sanken schreiend zusammen. Die anderen blieben stehen und hoben die Hände. Auch die Diebe an den Wagen traten zurück.

»Nehmt eure Klaubrüder und stellt euch alle an dem Pfahl auf, die Hände erhoben!«, befahl David mit lauter Stimme. »Wirt, schick er schnell nach den Konstablern!«

»Ist schon geschehen, gnädiger Herr. Die Burschen sind nicht von hier«, antwortete der Wirt.

Inzwischen sammelten sich Schaulustige. Auch Britta war vor die Tür getreten. Jetzt rannten auch drei Konstabler herbei.

»Durchsuchen Sie die Burschen nach Waffen!«, ordnete David an.

Ein Konstabler bat: »Passen Sie bitte noch einen Moment auf.« Dann durchsuchten sie die Diebe einzeln, warfen Messer und Knüppel auf die Erde. Die Konstabler hatten Pistolen umgeschnallt. Also waren sie gewarnt worden, dass eine größere Bande aufgetreten war. Im Ort trugen sie sonst nur Knüppel.

Ein Gauner riss plötzlich einem der Konstabler eine Pistole aus dem Gürtel, spannte sie und wollte zielen.

Aber David hatte »Schießt!« befohlen. Sofort erklang wieder das zweimalige Plopp, und der Bursche brach zusammen. Nun war jeder Widerstand gebrochen.

Ein Konstabler trat auf David zu. »Der Mann ist tot. Die anderen haben Durchschüsse im Oberschenkel. Wie machen Sie das, gnädiger Herr? Man hört keine Schüsse.«

Die Zuschauer murmelten. Einige riefen: »Zauberei!«

David antwortete dem Konstabler so laut, dass es die Zuschauer hören konnten: »Das sind so genannte ›Windbüchsen‹, also Druckluftgewehre eines italienischen Büchsenmachers, die ich in Ragusa kaufte. Es gibt davon nur noch wenige Exemplare.«

»Verdammt gefährliche Waffen, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten. Die Diebe sind entlassene Soldaten aus einem spanisch-italienischen Fremdenregiment. Wir bringen sie ins Gefängnis. Der Richter wird sie sicher zur Deportation verurteilen. Würden Sie mir bitte noch Ihren Namen sagen, Sir?«

»Sir David Winter, Konteradmiral der roten Flagge auf dem Weg von der Admiralität nach Portsmouth. Meine beiden Begleiter sind Maate der königlichen Flotte.«

»Gute Reise, Sir David, und vielen Dank für Ihr beherztes Eingreifen.«

Als die Kutsche mit Britta und David wieder rollte, sagte er zu ihr: »So etwas kann einem schon auf das Gewissen gehen. Erst werben wir die Männer überall an, und dann setzen wir sie auf die Straße, wenn wir sie nicht mehr brauchen.«

»Glaubst du nicht, David, dass ihnen Rücktransport in ihre Länder und ein Entlassungsgeld gewährt werden?«, fragte Britta.

»Beim Entlassungsgeld bin ich mir nicht sicher, aber einen Rücktransport erhalten sie bestimmt nicht. Sie sind verroht durch den Krieg und wollen sich auch hier nehmen, was sie brauchen. Was macht der Krieg nur aus den Menschen!«

»Wir sollten das James Watson schreiben oder ihm sogar vortragen, falls er bald kommt. Dann kann er im Parlament der Sache nachgehen. Mit der Entlassung fremder Söldner müssten Entlassungsgeld und Rücktransport verbunden sein. Alles andere ist unmenschlich.«

David stimmte zu und dachte für sich, dass er im Frieden noch viel lernen müsse. Er machte sich Gewissensbisse, aber Britta handelte. Im Frieden war die alte Befehlshierarchie außer Kraft. Hier musste er Politiker oder die Zeitungen einschalten, wenn er etwas ändern wollte.

Whitechurch Hill, ihr Gut, erschien ihm, als ob er es erst gestern verlassen hätte. Na, nicht ganz. Einige Gebäude waren frisch gestrichen. Der Zufahrtsweg zu Scheune und Stallungen war mit großen Steinen gepflastert. Aber sonst atmete alles den gewohnten Frieden.

Charles empfing sie herzlich. Er war erneut männlicher geworden, auch noch ein bisschen gewachsen. Er war jetzt größer als sein Vater. Und Alberto, den David vorausgeschickt hatte, stand beim Personal.

David begrüßte alle freundlich und kündigte an, dass sie sich wohl nun auf seine längere Anwesenheit einrichten müssten, da der Friede vor der Tür stehe. »Möge er uns allen Glück und Segen bringen.«

»Amen«, sagte der alte Butler laut, und David musste innerlich schmunzeln. Wirkte er so pastoral?

Viel Zeit blieb nicht. Sie gingen ins Haus, machten sich frisch, und dann sollte David seinem Sohn erzählen, was es vom jüngeren Bruder Edward und aus London zu berichten gab. Britta, die schon wusste, was es über Edward zu erzählen gab, ging in die Küche, um ihre Wünsche für das Abendessen anzumelden.