Sehnsucht in meinem Herzen - Rike Thome - E-Book

Sehnsucht in meinem Herzen E-Book

Rike Thome

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Beschreibung

Eine süße Geschichte über die erste Liebe.

Das unscheinbare Mäuschen Myra glaubt, dass Armin, den sie schon lange anhimmelt, sie nicht wahrnimmt. Als sie der Einladung der Eltern zum Silvesterabend mit einigen Freunden nachgeht, bekommt sie genau ihn zum Tischnachbarn und braucht nicht lange, um dahinter zu kommen, dass ihre Freundin und die Eltern im Hintergrund hierfür die Fäden ziehen.

Ob es nur an ihrem neuen Styling liegt, dass Armin sie plötzlich wahrnimmt? Oder kann sie darauf hoffen, dass seine Gefühle tiefer gehen und er sie wirklich irgendwann genauso liebt, wie sie ihn?

Dabei spürt sie immer wieder ihr fehlendes Selbstbewusstsein im Umgang mit ihren eigenen Gefühlen.

Armin Webster verspürt an jenem Silvesterabend eine enorm erotische Anziehung von Myra, die er bisher nur wenig wahrnahm. Sie weckt auf eine rätselhafte Weise eine Sehnsucht nach einer Frau und einer Familie in ihm, obwohl er diesen Quatsch als überzeugter Junggeselle bisher nie verspürt hat. 

Wie kann es ihm gelingen, aus einer schüchternen Frau einen Menschen zu machen, der an sich und seine Ausstrahlung glaubt?

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Rike Thome

Sehnsucht in meinem Herzen

Liebesroman

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

1. Kapitel

 

Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte Myra aus dem Schlaf. Sie tastete mit geschlossenen Augen nach dem Hörer und hielt es sich ans Ohr, als daraus auch schon die Stimme ihrer Mutter erklang. „Guten Morgen, mein Schatz!“

„Guten Morgen Mama!“, nuschelte sie in den Hörer.

Nun erst öffnete sie die Augen und sah auf die große Wanduhr. Was sie sogleich aufstöhnen ließ. „Oh Mama! Es ist gerade einmal acht Uhr früh und noch dazu Sonntag. Ist etwas passiert, oder warum wirfst du mich heute so früh aus dem Bett?“

„Tut mir leid Liebes! Ich wusste nicht, dass du noch geschlafen hast.“

Von wegen, dachte Myra mürrisch. Ihre Mutter wusste genau, dass sie nicht zu den Frühaufstehern gehörte. Darin war sie ihr eben nicht nachgeschlagen. Ihrem Vater allerdings auch nicht. Sie wusste, dass ihre Mutter das nicht absichtlich tat. Diese hatte nur noch ihre beiden jüngeren Brüder bei sich wohnen und sehnte sich einmal mehr nach einem Frauengespräch. Doch der Sonntag war der einzige Tag, an dem sie sich ausschlafen konnte.

Ihrer Mutter brannte sicher wieder vor Neugierde.

 

„Aber wie auch immer, jetzt bist du ja wach. Hattest du gestern eine lange Nacht?“

Myra grinste und gleichzeitig verdrehte sie die Augen. Wusste sie es doch. Ihr Pech! Hätte sie nicht mit der Flunkerei über ihre angeblichen Ausgänge angefangen, nur damit ihre Mutter Ruhe gab, müsste sie sich nicht ständig etwas aus der Nase ziehen, um sie beruhigt zu wissen. So langsam wurde ihr das zu anstrengend.

„Wie du weißt, habe ich einen Vollzeitjob, Mama. Da bin ich froh, mal das Wochenende frei zu haben. Sofern Daniela mich nicht zum Babysitten verdonnert. Somit habe ich mir doch einen Sonntag zum Ausschlafen verdient. Oder etwa nicht?“

„Dann sage deiner Schwester, dass du auch ein Privatleben hast und gib nicht immer klein bei“, schimpfte ihre Mutter nun auch noch in den Hörer.

„Das sagt ja die Richtige! Du lässt dich doch selbst von ihr ausnutzen. Aber sei beruhigt, ich habe gestern nicht gesittet, sondern mal Hausputz gemacht“, konterte Myra zurück.

Ihre Schwester nutzte darin nämlich alle aus. Als ob das Vergehen von Myra war, dass sie schon mit knappen achtzehn Jahren ein Baby gebären und somit ihre Ausgänge hatte einschränken müssen.

 

„Ach Liebes!Ich will doch nur nicht, dass du dich so abschuftest. Das Leben kann so kurz sein“, hörte sie zu allem Übel auch noch ihre Mutter reden.

Oh je! Das klang gar nicht gut. Myra kannte diesen Ton. Und sie behielt recht.

„Schatz, hast du nicht Lust, an Silvester mit uns zu Waltraud zu gehen? Sie hat Livemusik bestellt und es sind schon etliche Anmeldungen für die Silvesterparty bei ihr eingegangen. Dein Vater würde sich bestimmt freuen, wenn du mit uns kommen würdest.“

Myra schüttelte den Kopf und seufzte ins Kissen. Ihre Mutter wollte sie mal wieder zu irgendeiner Veranstaltung mitschleifen. Ob sie ihr ihre Flunkerei nicht mehr abnahm oder wollte sie nur auf Nummer sicher gehen?

Waltraud war die Wirtin und Freundin ihrer Mutter, die in Siersburg das „Zur Siersburg“, eine gut gehende und gemütliche, große Gaststätte mit Tanzsaal betrieb.

Ihre Eltern gingen fast jeden Samstag hin, weil sie dort sehr viele Leute kannten und es ihnen gefiel, sich mit diesen zu unterhalten. Dabei durfte schon mal das ein oder andere Gläschen Wein getrunken werden. Noch dazu war es nur einen Fußweg von fünf Minuten von ihrem Zuhause entfernt. Myra war einige Male mit ihnen gegangen und hatte dort ihre Freundin Karin kennengelernt, die nur eine Straße entfernt von ihrer jetzigen Wohnung wohnte. Ein Mann war ihr dort ebenfalls aufgefallen, aber das tat nichts zur Sache. Ihm schien sie nicht aufgefallen zu sein. Wie das nervte!

In letzter Zeit versuchte ihre Mutter immer häufiger, sie zum Ausgehen zu drängen, weil sie die Meinung vertrat, dass sie sich mehr unter die Leute mischen sollte, wobei sie dann vielleicht einen netten Mann kennenlernen konnte.

Myra liebte sie ja. Aber ihre Mutter hatte keine Ahnung, worin das Problem ihrer Tochter bestand. Und sie würde es ihr auch ganz bestimmt nicht verraten.

 

„Bis wann musst du Bescheid wissen? Habt ihr euch schon angemeldet?“

„Reichen dir zwei Tage, Liebes? Dann würde ich dich mit auf unsere Anmeldung schreiben.“

„Ich frage mal Karin, was sie an Silvester vorhat. Denn ich habe ihr schon versprochen, mit ihr und Frank gemeinsam ins neue Jahr zu rutschen. Ich gebe dir dann Bescheid“, wand sie sich mit einer Notlüge heraus. Allerdings musste sie jetzt wirklich ihre Freundin darauf ansprechen. Zuhause bleiben und sich einen schönen Abend vor dem Fernseher machen, war jetzt nicht mehr drin.

Myra gähnte und sagte zu ihrer Mutter: „Wenn es sonst nichts Neues gibt, würde ich gerne noch etwas schlafen. Vielleicht komme ich am Nachmittag bei euch vorbei und bringe uns dann etwas Kuchen mit.“

„Ja, mach das, Liebes! Aber Kuchen brauchst du nicht extra zu kaufen. Ich habe ja jetzt Zeit, um selbst einen zu backen. Sehr redselig bist du heute Morgen eh nicht. Bis später. Ich hab' dich lieb!“

Myra zog eine Grimasse auf den Tadel. Aus dem Vielleicht war es jetzt ein Muss geworden. Raffiniert eingefädelt von ihrer Mutter. „Ich dich auch. Bis später!“ Schnell legte sie den Hörer zurück auf die Gabel, kuschelte sich ins Kissen und zog die Bettdecke über den Kopf, in der Hoffnung, noch ein Weilchen schlafen zu können.

 

So lag sie lange da und kam nicht in den Schlaf. Gedanken bemächtigten sich ihrer, wie so oft. Gedanken, die aus inneren Konflikten und ihrem verkorksten Leben entstanden waren.

Noch heute fragte Myra sich, ob sie nicht bei der Geburt in der Klinik vertauscht worden war. Sie ähnelte ihren Geschwistern, so wie sich Äpfel und Birnen ähnelten. Auch charakterlich unterschieden sie sich wie Tag und Nacht.

Daniela hatte nicht einmal einen Schulabschluss und war sich zudem auch zu fein, um arbeiten zu gehen. Lieber ließ sie sich schwängern und hatte noch das Glück, einen netten und verantwortungsvollen Mann kennenzulernen, mit dem sie seit Kurzem verheiratet war.

Dieser arme Kerl, hatte sich Myra noch gedacht. Denn sie wusste, dass Daniela sich nur ins gemachte Nest setzen wollte. Aber wie es aussah, hatte ihre Schwester wirklich Glück. Denn Michael war total vernarrt in sie und hatte sie kurz darauf standesamtlich geheiratet.

Ihre Schwester sah aber zugegebenermaßen nicht schlecht aus mit ihrem kurzen, schwarzen Haar und den dunkelbraunen Augen. Sie war zwar nicht allzu groß, wusste sich dafür aber aufreizend zu kleiden.

Was Myra heute immer noch nicht verstehen konnte. Wenn sie doch nur ein wenig mehr Selbstbewusstsein und von dem Glück ihrer Schwester abbekommen hätte. Immerhin war sie doch die Älteste der Geschwister. Aber nein! Ihr liefen keine Männer nach, so wie es bei Daniela zuvor gewesen war. Vielleicht hatte es doch an dem wilden Charakter ihrer Schwester gelegen, die somit ganz anders als sie selbst war?

 

Ihr Bruder Sascha, dunkelblond, blauäugig und schlank, befand sich in der Lehre als Schreiner und hatte zumindest einen Hauptschulabschluss. Außer dass er oftmals eine andere Freundin hatte, fiel er nicht negativ auf. Er meinte einmal zu ihr, dass er sich erst die Richtige suchen müsse und das gehe eben nicht, ohne dass er die Mädels miteinander vergleichen würde. Myra fand, dass die Mädchen selbst schuld waren. Denn sie himmelten ihren Bruder geradezu an.

Und da war noch ihr kleiner Bruder Mike, das Nesthäkchen. Ein hellblonder Engel mit dunkelblauen Augen, der noch brav zur Schule ging. Er fand die Mädchen noch doof und wollte lieber gute Noten, damit er später einmal einen gut bezahlten Job bekam, um sich all seine Wünsche erfüllen zu können. Und davon gab es einige! Sein größter Wunsch war es, einmal einen Ferrari zu fahren.

Nur sie, Myra, die zwar einen Schulabschluss und eine abgeschlossene Lehre als Verkäuferin hatte, konnte in keinster Weise mit ihren Geschwistern mithalten. Sie war eben nicht so zugänglich, eher zu vorsichtig eingestellt. Oder sollte sie es beim Namen nennen und zugeben, dass sie zu schüchtern und verklemmt war? Was der Grund ihrer Vermutung war, als Babys im Krankenhaus vertauscht worden zu sein. Irgendwo da draußen in der Welt lief womöglich die richtige Myra Carpenter herum.

 

Myra stöhnte genervt auf und rappelte sich aus dem warmen Bett. Aus war der Wunsch weiterzuschlafen, stattdessen trottete sie ins Badezimmer. Was brachten ihr all diese Rückblicke? Nichts, rein gar nichts. Es lag einzig und allein an ihr, was sie aus ihrem Leben machte und bereit war, daran etwas zu ändern.

Immerhin hatte sie aber ihre eigene Wohnung. Von Siersburg gedachte sie allerdings nicht wegzuziehen. Es gefiel ihr, in diesem schönen Örtchen zu wohnen. Siersburg lud gerade im Sommer viele Touristen zum Campen, Wandern und zu Besichtigungen ein. Zumal es da auch die schöne, alte Burg gab, wo Wanderer sich immer wieder gerne aufhielten. Auch das alte Rathaus mit seinen Säulen und etlichen Verzierungen an seiner Front, die alte Kirche im Ortskern, zogen die Touristen regelrecht an. Dieser Ort hatte trotz seiner geringen Größe viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Außerdem liebte sie ihre Familie trotz allem viel zu sehr.

 

Nach einem späten Frühstück, ging Myra ins Wohnzimmer, griff zum Telefon und rief ihre Freundin an.

„Hallo?“, meldete Karin sich nach dem dritten Klingelton.

„Hallo Karin! Myra hier. Was hast du heute Nachmittag vor?“, fragte sie. Sie würde Karin gerne mit zu ihren Eltern nehmen, die sie ja schon kannten.

„Oh, hallo Myra. Bis jetzt noch nichts. Warum? Hast du etwas vor?“, kam die neugierige Frage aus dem Hörer.

Myra schmunzelte. „Hättest du Lust, mit mir wieder einmal zu meinen Eltern zu gehen? Mutter hat mich geschickt dazu gebracht, ihr heute Nachmittag einen Besuch abzustatten. Sie backt auch einen Kuchen“, lockte sie ihre Freundin, die geradezu süchtig danach war. „Du kennst sie ja. Es wird bestimmt Abend, bis sie mich wieder gehen lässt. Mit dir an meiner Seite, schaffe ich es vielleicht, früher wegzukommen. Ich möchte mir heute Abend unbedingt den Film mit Mel Gibson ansehen“, ließ sie Karin an ihrem Plan teilhaben.

„Einverstanden! Ich mag deine Mutter und mir macht ihre Redseligkeit nichts aus. Und für Kuchen bin ich immer zu haben. Das weißt du doch“, meinte ihre Freundin auch schon und lachte gutmütig.

Darin waren sie eben verschiedener Meinung. Die ganzen Gespräche drehten sich ja auch nicht um Karin, sondern um Myra und ihr Liebesleben.

Dafür von ihrer Freundin gut gemeinte Ratschläge zu bekommen, die sie sich selbst schon zur Brust genommen hatte, war aber was anderes, als von ihrer Mutter.

 

Nachdem das geklärt war, ging Myra in ihr Schlafzimmer, um sich für ihren Fünfkilometerlauf, den sie jeden Sonntag machte, umzuziehen. Dort betrachtete sie sich mal wieder in ihrem großen Schrankspiegel von Kopf bis Fuß. Dabei rümpfte sie die Nase. Ihr schulterlanges, braunes Haar, das sich durch die Naturlocken leicht wellte, benötigte wirklich einmal einen Schnitt. Mit ihren bernsteinfarbenen Augen und den langen Wimpern, der kleinen Nase und dem fein geschnittenen Gesicht, war sie aber einigermaßen zufrieden. Ihre Lippen fand sie jedoch zu voll, ihren Busen zu klein und ihre Beine zu lang. Aber die Figur war okay.

Dass Karin, die bei Weitem mehr aß als sie, so schlank war, konnte Myra einfach nicht verstehen. Das Leben konnte ja so ungerecht sein.

„Wie machst du das nur? Du stopfst Mengen in dich hinein und nimmst einfach nicht zu. Wohingegen ich aufpassen muss, was ich esse. Das ist einfach nicht gerecht“, hatte Myra einmal neidvoll gesagt.

„Nun ja, Myra. Ich weiß, du willst es nicht hören. Aber es stimmt nun einmal. Keine Sportart verbraucht mehr Kalorien wie Sex. Damit halte ich auch Frank fit“, war Karins freche Antwort darauf gewesen.

Den Tag würde Myra nicht vergessen. Denn sie war dadurch fast an einem Stück Kuchen, den sie gerade geschluckt hatte, erstickt. Karin musste dann Erste Hilfe leisten, indem sie ihr so fest auf den Rücken schlug, dass das Stück auf dem Boden landete.

„Ja ja, ich weiß! Mir entgeht etwas“, hatte sie ihr zur Antwort gegeben, als es ihr wieder möglich war.

„Warte es ab! Auch dich wird es irgendwann treffen. Dann werde ich darauf bestehen, jedes Detail zu erfahren“, hatte ihre Freundin darauf nur erwidert.

 

Myra zweifelte keine Minute daran, dass ihre Freundin es nur gut mit ihr meinte. Ein wenig neidisch war sie auch auf Karin. Mit Frank war ihre beste Freundin schon einige Zeit zusammen. Er fuhr oft mit seinem schweren LKW, auf dem er Autos transportierte, ins Ausland. Karin erzählte ihr einmal, dass Frank für einen Automobilverkäufer aus Saarlouis oft mehrere Tage unterwegs wäre. Nichtsdestotrotz schien die Beziehung zu funktionieren.

Was jedoch Myras Liebesleben betraf, war da tote Hose. Um Liebe zu machen, müsste sie erst einmal die Liebe finden. Aber aus irgendeinem Grund schenkten Männer ihr keine Beachtung. Obwohl sie sich nicht für so hässlich hielt. Sie war halt nur ein zu stiller Mensch.

Bevor sie aber jetzt in Selbstmitleid verfiel, schüttelte sie die Gedanken ab und zog sich zum Joggen an. Dann nahm sie sich ihren Schlüssel und machte sich auf ihren Laufweg über die Niedbrücke, am Campingplatz entlang, vorbei am Friedhof, bis zu ihrem Lieblingsplatz, wo sie sich im Sommer gerne aufhielt, um sich dort zu sonnen. Denn hier gab es keinen Trubel wie auf dem Campingplatz. Somit keine Schaulustigen. Diese Aussicht auf grüne Wiesen und den Niedarm mit dem kristallklaren Wasser bot kein anderer Platz, wie sie zu behaupten wagte. Dort war sie für sich alleine und fühlte sich wohler, wenn sie in ihrem Bikini unter der Sonne lag.

Als sie später zurück kam, ging sie unter die Dusche und machte sich hinterher für den Nachmittagskaffee fertig. Karin würde auch bald bei ihr eintrudeln.

 

„Hallo, mein Schatz! Hallo Karin! Kommt doch rein“, begrüßte ihre Mutter sie nach dem Öffnen.

Sascha, ihr Bruder, kam aus seinem Zimmer, umarmte sie zur Begrüßung und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Tut mir leid, Myra. Aber ich kann nicht bleiben. Yvonne und ich wollen ins Kino, danach fahre ich mit zu ihr.“

„Schon gut, du Schürzenjäger“, lächelte sie ihn an.

„Ist Yvonne eine frische oder eine ältere Freundin?“, hakte ihre Freundin bei ihm nach.

„Echt komisch, Karin! Wenn ihr es genau wissen wollt, Yvonne und ich sind seit vier Monaten zusammen. Aber mehr sage ich nicht, du neugierige Tante“, konterte Sascha, lachte aber kurz darauf. Auch sie wurde kurz umarmt und schon war er verschwunden.

„Wo ist Vater?“ Myra machte sich schon auf den Weg in den Garten und erwartete ihren Vater in seiner Werkstatt anzutreffen. Er suchte sich immer etwas zu reparieren oder baute etwas aus Holz. Dies war eines seiner Hobbys.

„Er ist nicht da, Myra. Er und Georg sind zu Rainer gefahren, um ein bisschen Musik zu proben. Das hatte ich heute Morgen vergessen.“

Auch ein Hobby ihres Vaters. Mit seinen Musikerfreunden machte er gern zusammen Musik und traten sogar ab und an bei Veranstaltungen auf.

„Dann ist das also wirklich ein Frauentag“, stellte Karin belustigt fest und setzte sich schon mal an den Kaffeetisch. Myra hingegen wäre am liebsten geflüchtet, doch riss sie sich zusammen und tröstete sich mit dem Gedanken, bald wieder zu Hause sein zu können.

 

Nachdem Myra ihren Nachmittagsschmaus beendete, wobei sie sich nur ein kleines Stück von dem Apfelkuchen gegönnt hatte, kam Mike, ihr jüngster Bruder, hereingeschneit, winkte ihnen nur kurz zu und verschwand in seinem Zimmer. Karin vertilgte gerade den letzten Bissen ihres dritten Stückes, von der Menge der Sahne erst gar nicht zu sprechen.

„Der Junge macht mich noch fertig. Kaum, dass er von seinem Freund kommt, setzt er sich an seinen Computer und spielt seine Spiele, wenn er nicht gerade am Chatten ist“, erzählte ihre Mutter vorwurfsvoll.

„So ist die Jugend heute nun einmal, Mutter. Aber beschweren kannst du dich nicht. Er ist Klassenbester und wird seinen Weg gehen.“ Myra sah ihre Mutter an und legte ihr einen Arm um die Schulter.

Die drei Frauen alberten herum, zogen sich gegenseitig auf, bis das Lieblingsthema ihrer Mutter wiederkam. „Ach Karin! Hat Myra dich schon gefragt, was Silvester angeht?“

„Nein, was ist denn da?“ Ihre Freundin sah zu ihr rüber.

„Sorry, das habe ich vergessen!“ Myra erzählte es ihr schnell und als Karin zustimmte, fragte sie, was denn mit Frank sei. Aber Karin meinte nur, dass er entweder mit seinen Kumpels etwas unternehmen oder mitkommen würde.

„Das ist ja prima! Dann schreibe ich euch gleich auf die Anmeldung dazu. Mike und Sascha haben ihre eigene Party irgendwo. Oh das wird bestimmt toll, Myra! Ach, eh ich es vergesse. Waltraud erzählte mir heute, dass die Party ganz formell gestaltet wird. Mit schönen Kleidern und die Männer in Anzügen. Darin sehen sie immer so gut aus!“, schwärmte ihre Mutter.

 

Myra sah zuerst ihre Mutter, dann Karin mit großen Augen an. Wenn sie das vorher gewusst hätte, wäre sie nie auf die Idee gekommen, zuzusagen. Sie fühlte sich in Hosen sehr viel wohler, weshalb sie, außer bei Danielas Hochzeit, keine Kleider anzog. Deutlich fühlte sie Karins Blick auf sich ruhen, denn ihre Freundin wusste von ihrer Abneigung gegen Kleider. Nichtsdestotrotz schien die Ulknudel sich auf ihre Kosten zu freuen und legte ihr einen Arm um die Schulter.

„Mach' doch nicht so ein Gesicht!“ Leise sprach sie ihr ins Ohr. „Wolltest du dich nicht ändern, indem du nun an die Zukunft denkst?“

„Aber doch nicht so!“, fauchte sie mit zusammengebissenen Zähnen.

„Komm schon, Myra. Trau' dich! Wir haben zwei Wochen Zeit. Wir werden uns einen Tag frei nehmen, zum Friseur gehen und danach so richtig Schoppen. Bitte, bitte! Ich wollte das schon so lange mit dir machen. Lass mich jetzt nicht hängen.“

Na, das war ja allerhand. Wann bitteschön hatte sie Karin mal sitzen gelassen? Doch noch nie! Sie befand sich nun trotzdem in einer misslichen Situation, weil es stimmte. Karin bettelte schon lange an ihr herum, ihr dabei helfen zu wollen, sich weiblicher zu fühlen. Denn ihre Freundin war überzeugt, dass sie dadurch mehr Selbstbewusstsein bekommen würde. Womit sie womöglich recht hatte.

Da Myra schon immer ein Problem damit hatte, ihrer Familie oder Karin eine Bitte abzuschlagen, fügte sie sich in ihr Schicksal und gab dieses Mal nach. Überschwänglich bedankte sich ihre Freundin, zwinkerte ihr zu und meinte: „Ich kann es kaum erwarten. Niemand wird dich wiedererkennen. So umwerfend wirst du aussehen. Jungs, haltet euch die Hosen fest!“, rief Karin übermütig aus. Wie sollte es anders sein, mussten sie und ihre Mutter bei dieser Bemerkung mit lachen.

 

 

 

2. Kapitel

 

Armin Webster saß hinter seinem Schreibtisch, als sein Freund Frank in sein Büro hereinplatzte und die Tür mit seinem Fuß zustieß. Nach dessen Miene zu urteilen, hatte er heute auch nicht gerade einen guten Tag gehabt. In letzter Zeit kamen immer mehr Aufträge, und mit diesen auch Reklamationen auf seinen Schreibtisch herein. Daher erging es ihm selbst nicht anders. Er seufzte und sah erwartungsvoll seinen Freund an.

„Mann, Armin! Wenn das so weitergeht, hänge ich mir hinter meinen LKW noch einen Wohnwagen. Seit zwei Wochen fahre ich im ganzen Land herum, bringe Neuwagen in die Autohäuser und beschädigte oder andere Karren mit zurück. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie es ist, fünf, manchmal sogar sechs Tage in der Woche acht bis elf Stunden mit so einem Monster von LKW zu fahren?“

Sogleich stand Armin von seinem Schreibtischstuhl auf, ging in die Ecke hinter einer Trennwand und kam mit zwei Flaschen Bier zurück.

„Hier, trink erst einmal einen Schluck! Und ja, ich kann mir vorstellen, wie öde und anstrengend das ist. Aber Frank, du bist mein bester Mann. Ohne dich wäre ich ganz schön aufgeschmissen. Und dass wir so gut florieren, davon haben hier alle etwas. Keiner hier verdient schlecht!“

Besänftigende Worte, die in der Tat ehrlich gemeint waren.

Er setzte sich neben seinen Freund, klopfte ihm auf die Schulter und genoss mit ihm das kühle Bier. Gleich war sowieso Feierabend für heute und alle hatten das Wochenende zum Verschnaufen. Und schon nächste Woche war Silvester. Das hieß, für alle bis zum fünften Januar Urlaub. Das würde Frank wieder besänftigen.

 

Er sah, dass sein Freund nachdenklich aus dem Bürofenster blickte.

„Was ist los, Frank? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dein Frust nicht allein mit der Arbeit zusammenhängt. Willst du darüber reden? Wie du weißt, bin ich ein guter Zuhörer!“

Frank sah ihn an und schien in Gedanken. Dann sagte er: „Armin! Wie lange kennen wir uns schon? Wir beide sind doch gute Freunde, nicht wahr?“

Das kam überraschend. „Zweifelst du an unserer Freundschaft? Wir kennen uns seit drei Jahren. Habe ich dir irgendetwas getan, dass du dir unsicher bist?“, fragte er seinen Freund sogleich.

Dieser schüttelte seinen Blondschopf. „Nein, nein. So ist das nicht! Ach, ich weiß auch nicht.“ Frank genehmigte sich den nächsten Schluck und wollte hinterher wissen: „Warst du jemals bis in die Haarspitzen verliebt? Ich bin jetzt mit Karin seit sieben Monaten zusammen. Kannst du dir vorstellen, dass ein Kerl wie ich, mit neunundzwanzig Jahren, Angst davor hat, seine Freundin zu verlieren, nur weil er wenig Zeit für sie hat?“

Armin blickte verstehend seinen Freund an. Und ob er es nachvollziehen konnte, was in Frank vorging! Auch er hatte einmal geglaubt, nicht genug Zeit für Melissa aufgebracht zu haben. Was ein tragisches Ende genommen hatte. Heute wusste er, dass es nicht seine Schuld gewesen. Es hatte ihn aber zu dem Schluss gebracht, sich niemals mehr ernsthaft zu binden. Was damals geschehen war, hatte er allerdings noch niemandem erzählt. Das war zu privat.

„Wenn mich nicht alles täuscht, ist sie völlig verschossen in dich. Frank. Und so, wie ich Karin einschätze, würdest du der Beziehung eher schaden, wenn du wie eine Klette an ihr hängst. Ich finde, dass sie eher der Typ ist, der es langsam angehen lassen möchte. Aber wenn du dir unsicher bist, solltest du dich vielleicht mit ihr aussprechen“, versuchte er ihn aufzumuntern.

„Du hast recht! Sie selbst hat es mir ja gesagt, dass sie mit dem zufrieden ist, was ich ihr gebe. Manchmal vermisse ich sie nur einfach. Ich glaube, mich hat es ganz schön erwischt. Ich habe schon einige Male daran gedacht, wie es denn wäre, wenn wir unsere Beziehung vertiefen würden. Du weißt schon ... So mit Verlobung und so.“

 

Seine Augen wurden groß, als Armin seinen Freund anstarrte und zu lachen begann.

„Hey, du verliebter Gockel! Du hast doch nicht ernsthaft vor, dir einen Ehering anzustecken?“

„Ich glaube doch. Hör zu Armin! Ich liebe Karin wirklich sehr. Sag nicht, du hast in deinen zweiunddreißig Jahren nicht einmal daran gedacht. Ich würde es dir nämlich nicht abnehmen. Sicher, du hast ein paar Frauen gehabt, aber als Playboy gehst du damit noch nicht durch. Und versuch' erst gar nicht, mir weiß zu machen, noch keine Frau wirklich geliebt zu haben“, warnte Frank ihn.

Oh doch! Geliebt hatte er schon einmal. Mit bitterem Nachgeschmack. Ein Playboy war er aber noch lange nicht. Nur wollte er keine feste Bindung eingehen und nahm sich manches Mal bei seinen Ausgängen eine Frau mit nach Hause, der es ebenfalls nur um ein bisschen Spaß ging. Irgendwie war es schon komisch. Zwischen Frank und ihm befand sich eine Freundschaft, in der sie beide sich eigentlich über alles unterhalten konnten. Daher fand er es nun an der Zeit, ihn auch noch den letzten Rest wissen zu lassen.

„Du täuschst dich, Frank. Auch ich habe einmal sehr geliebt. Willst du dir meine Geschichte wirklich anhören? Wenn du Lust hast, erzähle ich es dir.“

Sein Freund bejahte begeistert, fand es aber besser, mit ihm nach Hause zu fahren, damit sie sich noch ein Bier dabei genehmigen könnten. Armin hielt es für eine gute Entscheidung, denn angetrunken wollten sie beide die Strecke nicht fahren.

 

Als sie in seiner Wohnung ankamen, checkte Armin erst noch seinen Anrufbeantworter, bevor er sich im Schlafzimmer etwas Legeres anziehen wollte. Nachdem alles erledigt war, nahm er für beide ein Bier aus dem Kühlschrank und machte es sich mit Frank im Wohnzimmer gemütlich. Nach einem großen Schluck aus der Flasche und Franks erwartungsvollen und neugierigen Blick, holte er einmal tief Luft und fing an, ihm seine Geschichte zu erzählen.

Er ließ ihn wissen, dass seine Eltern, als er gerade einmal achtzehn Jahre gewesen war, durch einen Autounfall ums Leben gekommen waren. Dass seine Schwester Annette, die damals zweiundzwanzig gewesen war, bei ihrem Freund und jetzigen Mann in Berlin geblieben und er weggezogen war und sich seitdem ehrgeizig hochgearbeitet hatte.

„Jetzt habe ich es geschafft, Frank. Mit der Firma verdiene ich mehr, als ich ausgeben kann. Und das verdanke ich auch der Kompetenz meiner Mitarbeiter. Auch dir!“, sagte er und lächelte seinem Freund zu. „Du bist der beste Kumpel, den man sich vorstellen kann. Und soll ich dir noch was sagen? Ich fühle mich in Siersburg so wohl, dass ich hier sesshaft werden möchte“, ließ Armin auch noch heraus.

„Das freut mich zu hören, Armin. Danke! Tut mir leid wegen des Verlustes deiner Eltern. Wie ging es dann weiter? Du erwähntest etwas von Liebe.“

Armin fuhr fort, dass er mitten in seiner Aufstiegszeit, Melissa kennengelernt hatte, als er einundzwanzig und sie sechsundzwanzig gewesen war.

„Du hattest eine ältere Freundin?“, platzte Frank überrascht dazwischen.

Armin grinste. „Das hatte auch gewisse Vorteile. Aber du hast recht! Heute weiß ich, dass sie durch ihre Reife eigentlich besser hätte damit fertig werden müssen, oft alleine zu sein. Sie machte mir immer mehr Vorwürfe, indem sie mir sagte, dass meine Arbeit mir mehr bedeuten würde, als sie. Bis ich dann eines Abends nach Hause kam und sie mit meinem früheren Arbeitskollegen im Bett erwischte.“