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Die Assoziationen, die sich beim Thema Auto einstellen, sind so vielfältig wie das Leben selbst. Autos werden geliebt und gehasst, sie sind Rückzugsort, bieten uns Freiheit und sind Ausdruck eines ganz bestimmten Lebensgefühls. Sie dienen als Liebeshotel und als mobiler Beobachtungsplatz für das Leben um uns herum. All das, was die Autos für uns bedeuten und ausmachen, spiegelt sich auch in den hier versammelten 100 Gedichten wider. Ein Blick in die Zeitgeschichte aus den Fensterscheiben der Autos, unserer mobilen Lebensbegleiter.
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Seitenzahl: 79
Ford hat ein Auto gebaut
Das fährt ein wenig laut.
Es ist nicht wasserdicht
Und fährt auch manchmal nicht.
Bertolt Brecht
Reimar Banis:
Januar
Kurt Bartsch:
Autowäsche
Uli Becker:
Wham Bam Thank You Mam
Reinhard Bernhof:
Homo automobilis
Ted Berrigan:
Nach Southampton
Nicolas Born:
Landschaft mit großem Auto
Richard Brautigan:
Der Galiläa-Tramper
Beat Brechbühl:
In meinem Wagen lieben sich unbekannte Geschwister
Bertolt Brecht
: Singende Steyrwägen
Theo Breuer:
wozu ist die Straße da
Rolf-Dieter Brinkmann:
Auto
Charles Bukowski:
Das qualmende Auto
Charles Bukowski:
Unterwegs mit Ludwig
Charles Bukowski:
Warm ums Herz
Charles Bukowski:
2-3-1
Markus Bundi:
Zurechtgestutzt
Jörg Burkhard:
Birken an der B 3
Hellmuth Carsch:
Berlin
Raymond Carver:
Trinken beim Autofahren
Wanda Coleman:
ich lebe für mein auto
Heinrich Dachs:
Der Dieselmotor
F. C. Delius:
Lieder eines fahrenden Gesellen
Hugo Dittberner:
Ode an vorbeifahrende Frauen
Beat Eberle:
Sonntagabendsonnenuntergangsautofahrt
Serge Ehrensperger:
Der Jaguar
Lion Feuchtwanger:
Ein älterer Mann im Ford-Wagen spricht
Lion Feuchtwanger:
Der jüngere Mann im Ford-Wagen antwortet
Wolfgang Fienhold:
kompression
Michael Fruth:
An dich zu Hause
Michael Fruth:
Asphaltflucht
Michael Fruth:
Inselschiff (vor Bangalore/Karnataka)
Robert Gernhardt:
Auto und Baum
Allen Ginsberg:
Das grüne Automobil
Jürgen Glocker:
Die Zeiten ändern sich?
George A. Goldschlag:
City
Iwan Goll:
Die Automammuts
Michael Gorlin:
Der rasende Schofför
Dieter M. Gräff:
Autotod
Ferdinand Hardekopf:
Rapidität
Harald Hartung:
Dem schnelleren Fahrer
Raoul Hausmann:
Seelen-Automobil
Seamus Heaney:
Nachtfahrt
Hermann Hesse:
Im Auto über den Julier
Dieter Hoffmann:
In Oberhessen
Otto Jägersberg:
Nach Karlsruhe nur ein Katzensprung
Otto Jägersberg:
Mädchen meiner Jugend
Otto Jägersberg:
Mädchen aus Lörrach
Hanns Johst:
Motor
Hanns Johst:
Heiße Fahrt
Hanns Johst:
Anfahrt
Yaak Karsunke:
Matti wechselt das rad
Martin Kessel:
Rennfahrt im Taunus
Sarah Kirsch:
Schwarzer Tag
Karin Kiwus:
Kurze Versuchsanordnung
Walter Kordt:
Die Ballade von der Autorennbahn
Hannes Küpper:
327 Stundenkilometer
Axel Kutsch:
Ein Hirsch läuft Amok
Stan Laffleur:
In Muttis Fuszraum
Lola Landau:
Autolied
Reiner Lenz:
Mercedes
Alfred Lichtenstein:
Schwärmerei
F. T. Marinetti:
An das Rennautomobil
Paul Mayer:
Nächtliche Autofahrt
Steffen Mensching:
Vollgas
Kurt Erich Meurer:
Autofahrt
Alfred Richard Meyer:
Der Automobilist Adolf Keßler
Christian Morgenstern:
Die unmögliche Tatsache
Andreas Noga:
Gerecht
Jürgen O. Olbrich:
Autopoem
Ron Padgett:
Fiat!
Dirk von Petersdorff:
An den Autoreifen
Dirk von Petersdorff:
Ford-Transit-Song
Matthias Politycki:
Tankwart, das Lied vom Volltanken singend
Ulrich Pothast:
Plötzlich hörte ich mich selber
Joachim Ringelnatz:
Neujahrsnachfahrt
Roman Ritter:
Einen Fremden im Postamt umarmen
Thomas Rosenlöcher:
Parkplatz
Rüdiger Rosenthal:
Polnische Reise 18
Peter Salomon:
Kl. Geschichte
Peter Salomon:
Im Stau
Peter Salomon:
Das Auto
Walle Sayer:
Lastwagenfahrer
Walle Sayer:
Im Freien
Gisela Schalk:
Aber jetzt geht es endlich aufwärts
Tom Schuz:
Nach Hause zittern
Martin Steiner:
Parkplatz
Jürgen Stelling
: Straßenkampf
Susanne Stephan:
Vierzehn Zeilen näher zum Glück
Niklas Stiller:
Eine Fuhre Sand
Wilhelm Stolzenburg:
Neu York: Cars auf Brooklyn Bridge
Bernd Storz:
Mit Hans-Peter Reuter im Mercedes nach Nuschelberg
Tina Stroheker:
Im Auto durchs Filstal
Rüdiger Stüwe:
Beziehungskiste
Hannelies Taschau:
Tiefgaragen kennen wir schon so lange
Jürgen Theobaldy:
Gelb
Jürgen Theobaldy:
Abenteuer mit Dichtung
Jürgen Theobaldy:
Fernstraße
Tomas Tranströmer:
Einsamkeit
Fritz Werf:
Rückfahrt von Nürnberg
Martina Wied:
Bewegung
Autoren- und Quellenverzeichnis
Es schneit. Der Wagen bullig warm.
Radiomusik, knarrende Geräusche daneben.
Der alte Mann: langsam und hager in schwarzem
Mantel geht langsam durch den Schnee.
Ich beobachte ihn durch die zuschneiende Scheibe.
Wagen fahren vorbei, der alte Mann tritt aus der
Fahrspur, geduldig wartet er weiterzugehen.
Minuten vergehen, ehe er 200 m. entfernt
hinter einer Ecke verschwindet.
Eine dicke alte Frau folgt ihm nach.
Auch sie sehr langsam, läßt sie Wagen um Wagen
vorbei, wie er, auch geduldig im Warten.
Bis sie verschwindet, schneit es noch.
Die Scheiben sind beschlagen, hastig
drehe ich das Radio ab, wische.
Sie ist weg. Spur im Schnee 2 x.
Ich drehe das Radio an. Nichts.
Ab und zu der Pausengong.
Ein Beckettbuch, Seite 56:
Das Lesen ist sinnlos geworden.
Vater, Mutter, Sohn per pedes,
in den Händen Plastikeimer,
Durch den Garten zum Mercedes,
Schreiten sie, zu ihrem Daimler.
Rücken ihm vereint zu Bleche
Mit dem neuen Doppelspüler,
30 Grad, die sanfte Wäsche
Für den taubenblauen Kühler.
Bringen ihn auf Hochglanz wieder
Ihren Stern auf allen Straßen,
Bis er duftet wie der Flieder
Links und rechts vom Kunststoffrasen.
Kölnisch Wasser für die Scheiben,
Reifenspray und Motordeo.
Nicht ein Stäubchen darf verbleiben
Sagt der Vater zu dem Theo.
Mutter, die den Lappen wringt,
Sagt zum Vater: Jetzt erschall es!
Dieser strafft sich, und er singt:
Deutschland, Deutschland über alles.
Im Gegensatz zu Bogart,
der seine Orgasmen fluchend
erlebte und böse plaziert wie
einen Schlag unter die Gürtel
linie, erinnern sie mich
an die Wochenschauaufnahmen
eines geglückten Verkehrs
unfalls: Zwei Wagen rasen
auf eine Kreuzung zu, beide
den Pinn voll durchgetreten,
und als sie merken, was kommt,
ist schon alles zu spät:
Blockierende Bremsen, Schweiß
perlen, ein Quietschen und
Kreischen, das immer schriller
wird, dann einen Sekunden
bruchteil gar nix, kein Laut,
Panik in Zeitlupe – und dann
der Aufprall (»CRASH!«),
und was da fließt ist Blut
und Benzin in Strömen, achte
mal drauf bei Gelegenheit!
Mit dem Zeige-, Mittelfinger
den Gummistreifen entlangfahren
Chrom beklopfen, das Blech drücken
Türen streicheln
Der Geruch der Plaste
des frischen Lacks, des Polsters
Sitze ausprobiert, die Lehne
das Lenkrad bewegt, die Bespannung des Stoffs
übern Kopf gefühlt
nahtlos
wie Christi Gewand
In schockfarbener Chitinkarosse
Teil deiner selbst
wie das Geschlecht, die Zähne
Nerven
von Scheinwerfern bis zu Schlußlicht
Das Hirn eilt voraus, zerteilt Ströme
Langsamfahrender
Homo automobilis:
vierrädrig
mit zeitweiliger Sucht
zum nomadenhaften Umtrieb
Macht schon
Steigt in den Volkswagen
Fahrt an den Atlantik
Steigt aus
Seht
Eure Schatten
Im Nebel
Beim zweiten Halt
Derselbe Ozean
Wie beim ersten Mal
Zurück in den Volkswagen
Rons oder den von irgend jemand anderes
Springt an
Fuß auf dem Gaspedal
COCA COLA 20 cent
Motorengeräusch
Befriedigung
Zu Haus
Weit weg von zu Haus.
Mit so einem großen Auto müssen wir hindurch
tot oder lebendig
im Nacken eine Musik
die nie aufhört
süße Luft von Montana bittere Luft von Missouri
unsere Mäntel wehen als wären wir auf der Flucht
wir tanken voll
Hundefänger streunen
wir in den Seitenblicken der Cowboys
wir im spendablen Schatten eines Flugzeugs
wir außerhalb des Schußfeldes von Chicago
wir schütteln William Fulbright die Hand
wir geistern durch Arkansas
wir besuchen das Grab eines Dichters zu Lebzeiten
Grün rundum nur mit einem Stich ins Gelbe
die Demonstration rennt in die Flammen von Phoenix
Arizona rotbraun der Weltraum schwarz
wir sind ein Punkt der sich westwärts bewegt
wir sind nicht Amerikaner
gehören aber auch dazu
ein Sheriff zwingt uns zum Anhalten
nein wir haben keinen schwarzen Hitchhiker mitgenommen
wir sind keine Pferdediebe allerdings Deutsche
unsere Höflichkeit ist die Höflichkeit von Ausländern
wir werden schneller
wir meinen wir sausen
eingepackt in süße Luft
und eine Musik die nie aufhört
altern wir ganz langsam
vielen Dank Pentagon
für diesen statistischen Verzögerungseffekt
Teil 1
Baudelaire fuhr
in einem Model A Ford
durch Galiläa.
Er nahm einen
Tramper namens
Jesus mit,
der zwischen einem Schwarm
Fische stand
und Brot
verfütterte.
»Wo fahren Sie
hin?« fragte
Jesus, als er
sich auf den
Beifahrersitze setzte.
»Irgendwo, irgendwohin
raus aus dieser Welt!«
rief
Baudelaire.
»Ich fahr mit
Ihnen bis
Golgatha«,
sagte Jesus.
»Ich hab eine
Konzession
für den Jahrmarkt
dort, und ich
darf mich nicht
verspäten.«
Ich weiß doch es ist ziemlich
eng, hat keine Vorhänge, der Schalthebel
ist immer im Weg leicht reißt man Kabel
aus, zumindest haben die Sitze Abfluß-
rinnen, das Dach ist abwaschbar auch Türen und
Fenster, das Radio funktioniert im
Stehen, der Rückspiegel ist stumm.
Jeden Tag diese straffe
Beanspruchung, ich denke
bald will das Auto gar nicht mehr
fahren.
Wir stammen
Aus einer Waffenfabrik
Unser kleiner Bruder ist
Der Manlicherstutzen.
Unsere Mutter aber
Eine steyrische Erzgrube
Wir haben:
Sechs Zylinder und dreißig Pferdekräfte.
Wir wiegen:
Zweiundzwanzig Zentner.
Unser Radstand beträgt:
Drei Meter.
Jedes Hinterrad schwingt für sich: wir haben
Eine Schwenkachse.
Wir liegen in der Kurve wie Klebestreifen.
Unser Motor ist:
Ein denkendes Erz.
Mensch, fahre uns!!
Wir fahren dich so ohne Erschütterung
Daß du glaubst, du liegst
In einem Wasser.
Wir fahren dich so leicht hin
Daß du glaubst, du mußt uns
Mit deinem Daumen auf den Boden drücken und
So lautlos fahren wir dich
Daß du glaubst, du fährst
Deines Wagens Schatten.
Der Wagen
setzte
noch
einmal zu-
rück, und
die Hin-
terreifen
zerquetsch-
ten endgültig
ihm die
Brust
du lieber Him-
mel, sagten
sie
das
muß schmerz-
haft sein, so
dazu-
liegen
im eigenen Dreck.
Sie halten, direkt vor meinem
Fenster, es sieht aus
als würde das Auto brennen
blauer Qualm aus Motorhaube und Auspuff
Fehlzündungen wie Kanonenschläge
der Wagen bockt wie verrückt
ein Typ steigt aus
O je, sagt er, nimmt einen tiefen