Sein heißes Lied schreit donnernd der Motor - Peter Salomon - E-Book

Sein heißes Lied schreit donnernd der Motor E-Book

Peter Salomon

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Beschreibung

Die Assoziationen, die sich beim Thema Auto einstellen, sind so vielfältig wie das Leben selbst. Autos werden geliebt und gehasst, sie sind Rückzugsort, bieten uns Freiheit und sind Ausdruck eines ganz bestimmten Lebensgefühls. Sie dienen als Liebeshotel und als mobiler Beobachtungsplatz für das Leben um uns herum. All das, was die Autos für uns bedeuten und ausmachen, spiegelt sich auch in den hier versammelten 100 Gedichten wider. Ein Blick in die Zeitgeschichte aus den Fensterscheiben der Autos, unserer mobilen Lebensbegleiter.

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Seitenzahl: 79

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Ford hat ein Auto gebaut

Das fährt ein wenig laut.

Es ist nicht wasserdicht

Und fährt auch manchmal nicht.

Bertolt Brecht

Inhalt

Reimar Banis:

Januar

Kurt Bartsch:

Autowäsche

Uli Becker:

Wham Bam Thank You Mam

Reinhard Bernhof:

Homo automobilis

Ted Berrigan:

Nach Southampton

Nicolas Born:

Landschaft mit großem Auto

Richard Brautigan:

Der Galiläa-Tramper

Beat Brechbühl:

In meinem Wagen lieben sich unbekannte Geschwister

Bertolt Brecht

: Singende Steyrwägen

Theo Breuer:

wozu ist die Straße da

Rolf-Dieter Brinkmann:

Auto

Charles Bukowski:

Das qualmende Auto

Charles Bukowski:

Unterwegs mit Ludwig

Charles Bukowski:

Warm ums Herz

Charles Bukowski:

2-3-1

Markus Bundi:

Zurechtgestutzt

Jörg Burkhard:

Birken an der B 3

Hellmuth Carsch:

Berlin

Raymond Carver:

Trinken beim Autofahren

Wanda Coleman:

ich lebe für mein auto

Heinrich Dachs:

Der Dieselmotor

F. C. Delius:

Lieder eines fahrenden Gesellen

Hugo Dittberner:

Ode an vorbeifahrende Frauen

Beat Eberle:

Sonntagabendsonnenuntergangsautofahrt

Serge Ehrensperger:

Der Jaguar

Lion Feuchtwanger:

Ein älterer Mann im Ford-Wagen spricht

Lion Feuchtwanger:

Der jüngere Mann im Ford-Wagen antwortet

Wolfgang Fienhold:

kompression

Michael Fruth:

An dich zu Hause

Michael Fruth:

Asphaltflucht

Michael Fruth:

Inselschiff (vor Bangalore/Karnataka)

Robert Gernhardt:

Auto und Baum

Allen Ginsberg:

Das grüne Automobil

Jürgen Glocker:

Die Zeiten ändern sich?

George A. Goldschlag:

City

Iwan Goll:

Die Automammuts

Michael Gorlin:

Der rasende Schofför

Dieter M. Gräff:

Autotod

Ferdinand Hardekopf:

Rapidität

Harald Hartung:

Dem schnelleren Fahrer

Raoul Hausmann:

Seelen-Automobil

Seamus Heaney:

Nachtfahrt

Hermann Hesse:

Im Auto über den Julier

Dieter Hoffmann:

In Oberhessen

Otto Jägersberg:

Nach Karlsruhe nur ein Katzensprung

Otto Jägersberg:

Mädchen meiner Jugend

Otto Jägersberg:

Mädchen aus Lörrach

Hanns Johst:

Motor

Hanns Johst:

Heiße Fahrt

Hanns Johst:

Anfahrt

Yaak Karsunke:

Matti wechselt das rad

Martin Kessel:

Rennfahrt im Taunus

Sarah Kirsch:

Schwarzer Tag

Karin Kiwus:

Kurze Versuchsanordnung

Walter Kordt:

Die Ballade von der Autorennbahn

Hannes Küpper:

327 Stundenkilometer

Axel Kutsch:

Ein Hirsch läuft Amok

Stan Laffleur:

In Muttis Fuszraum

Lola Landau:

Autolied

Reiner Lenz:

Mercedes

Alfred Lichtenstein:

Schwärmerei

F. T. Marinetti:

An das Rennautomobil

Paul Mayer:

Nächtliche Autofahrt

Steffen Mensching:

Vollgas

Kurt Erich Meurer:

Autofahrt

Alfred Richard Meyer:

Der Automobilist Adolf Keßler

Christian Morgenstern:

Die unmögliche Tatsache

Andreas Noga:

Gerecht

Jürgen O. Olbrich:

Autopoem

Ron Padgett:

Fiat!

Dirk von Petersdorff:

An den Autoreifen

Dirk von Petersdorff:

Ford-Transit-Song

Matthias Politycki:

Tankwart, das Lied vom Volltanken singend

Ulrich Pothast:

Plötzlich hörte ich mich selber

Joachim Ringelnatz:

Neujahrsnachfahrt

Roman Ritter:

Einen Fremden im Postamt umarmen

Thomas Rosenlöcher:

Parkplatz

Rüdiger Rosenthal:

Polnische Reise 18

Peter Salomon:

Kl. Geschichte

Peter Salomon:

Im Stau

Peter Salomon:

Das Auto

Walle Sayer:

Lastwagenfahrer

Walle Sayer:

Im Freien

Gisela Schalk:

Aber jetzt geht es endlich aufwärts

Tom Schuz:

Nach Hause zittern

Martin Steiner:

Parkplatz

Jürgen Stelling

: Straßenkampf

Susanne Stephan:

Vierzehn Zeilen näher zum Glück

Niklas Stiller:

Eine Fuhre Sand

Wilhelm Stolzenburg:

Neu York: Cars auf Brooklyn Bridge

Bernd Storz:

Mit Hans-Peter Reuter im Mercedes nach Nuschelberg

Tina Stroheker:

Im Auto durchs Filstal

Rüdiger Stüwe:

Beziehungskiste

Hannelies Taschau:

Tiefgaragen kennen wir schon so lange

Jürgen Theobaldy:

Gelb

Jürgen Theobaldy:

Abenteuer mit Dichtung

Jürgen Theobaldy:

Fernstraße

Tomas Tranströmer:

Einsamkeit

Fritz Werf:

Rückfahrt von Nürnberg

Martina Wied:

Bewegung

Autoren- und Quellenverzeichnis

Reimar Banis

Januar

Es schneit. Der Wagen bullig warm.

Radiomusik, knarrende Geräusche daneben.

Der alte Mann: langsam und hager in schwarzem

Mantel geht langsam durch den Schnee.

Ich beobachte ihn durch die zuschneiende Scheibe.

Wagen fahren vorbei, der alte Mann tritt aus der

Fahrspur, geduldig wartet er weiterzugehen.

Minuten vergehen, ehe er 200 m. entfernt

hinter einer Ecke verschwindet.

Eine dicke alte Frau folgt ihm nach.

Auch sie sehr langsam, läßt sie Wagen um Wagen

vorbei, wie er, auch geduldig im Warten.

Bis sie verschwindet, schneit es noch.

Die Scheiben sind beschlagen, hastig

drehe ich das Radio ab, wische.

Sie ist weg. Spur im Schnee 2 x.

Ich drehe das Radio an. Nichts.

Ab und zu der Pausengong.

Ein Beckettbuch, Seite 56:

Das Lesen ist sinnlos geworden.

Kurt Bartsch

Autowäsche

Vater, Mutter, Sohn per pedes,

in den Händen Plastikeimer,

Durch den Garten zum Mercedes,

Schreiten sie, zu ihrem Daimler.

Rücken ihm vereint zu Bleche

Mit dem neuen Doppelspüler,

30 Grad, die sanfte Wäsche

Für den taubenblauen Kühler.

Bringen ihn auf Hochglanz wieder

Ihren Stern auf allen Straßen,

Bis er duftet wie der Flieder

Links und rechts vom Kunststoffrasen.

Kölnisch Wasser für die Scheiben,

Reifenspray und Motordeo.

Nicht ein Stäubchen darf verbleiben

Sagt der Vater zu dem Theo.

Mutter, die den Lappen wringt,

Sagt zum Vater: Jetzt erschall es!

Dieser strafft sich, und er singt:

Deutschland, Deutschland über alles.

Uli Becker

Wham Bam Thank You Mam

Im Gegensatz zu Bogart,

der seine Orgasmen fluchend

erlebte und böse plaziert wie

einen Schlag unter die Gürtel

linie, erinnern sie mich

an die Wochenschauaufnahmen

eines geglückten Verkehrs

unfalls: Zwei Wagen rasen

auf eine Kreuzung zu, beide

den Pinn voll durchgetreten,

und als sie merken, was kommt,

ist schon alles zu spät:

Blockierende Bremsen, Schweiß

perlen, ein Quietschen und

Kreischen, das immer schriller

wird, dann einen Sekunden

bruchteil gar nix, kein Laut,

Panik in Zeitlupe – und dann

der Aufprall (»CRASH!«),

und was da fließt ist Blut

und Benzin in Strömen, achte

mal drauf bei Gelegenheit!

Reinhard Bernhof

Homo automobilis

Mit dem Zeige-, Mittelfinger

den Gummistreifen entlangfahren

Chrom beklopfen, das Blech drücken

Türen streicheln

Der Geruch der Plaste

des frischen Lacks, des Polsters

Sitze ausprobiert, die Lehne

das Lenkrad bewegt, die Bespannung des Stoffs

übern Kopf gefühlt

nahtlos

wie Christi Gewand

In schockfarbener Chitinkarosse

Teil deiner selbst

wie das Geschlecht, die Zähne

Nerven

von Scheinwerfern bis zu Schlußlicht

Das Hirn eilt voraus, zerteilt Ströme

Langsamfahrender

Homo automobilis:

vierrädrig

mit zeitweiliger Sucht

zum nomadenhaften Umtrieb

Ted Berrigan

Nach Southampton

Macht schon

Steigt in den Volkswagen

Fahrt an den Atlantik

Steigt aus

Seht

Eure Schatten

Im Nebel

Beim zweiten Halt

Derselbe Ozean

Wie beim ersten Mal

Zurück in den Volkswagen

Rons oder den von irgend jemand anderes

Springt an

Fuß auf dem Gaspedal

COCA COLA 20 cent

Motorengeräusch

Befriedigung

Zu Haus

Weit weg von zu Haus.

Nicolas Born

Landschaft mit großem Auto

Mit so einem großen Auto müssen wir hindurch

tot oder lebendig

im Nacken eine Musik

die nie aufhört

süße Luft von Montana bittere Luft von Missouri

unsere Mäntel wehen als wären wir auf der Flucht

wir tanken voll

Hundefänger streunen

wir in den Seitenblicken der Cowboys

wir im spendablen Schatten eines Flugzeugs

wir außerhalb des Schußfeldes von Chicago

wir schütteln William Fulbright die Hand

wir geistern durch Arkansas

wir besuchen das Grab eines Dichters zu Lebzeiten

Grün rundum nur mit einem Stich ins Gelbe

die Demonstration rennt in die Flammen von Phoenix

Arizona rotbraun der Weltraum schwarz

wir sind ein Punkt der sich westwärts bewegt

wir sind nicht Amerikaner

gehören aber auch dazu

ein Sheriff zwingt uns zum Anhalten

nein wir haben keinen schwarzen Hitchhiker mitgenommen

wir sind keine Pferdediebe allerdings Deutsche

unsere Höflichkeit ist die Höflichkeit von Ausländern

wir werden schneller

wir meinen wir sausen

eingepackt in süße Luft

und eine Musik die nie aufhört

altern wir ganz langsam

vielen Dank Pentagon

für diesen statistischen Verzögerungseffekt

Richard Brautigan

Der Galiläa-Tramper

Teil 1

Baudelaire fuhr

in einem Model A Ford

durch Galiläa.

Er nahm einen

Tramper namens

Jesus mit,

der zwischen einem Schwarm

Fische stand

und Brot

verfütterte.

»Wo fahren Sie

hin?« fragte

Jesus, als er

sich auf den

Beifahrersitze setzte.

»Irgendwo, irgendwohin

raus aus dieser Welt!«

rief

Baudelaire.

»Ich fahr mit

Ihnen bis

Golgatha«,

sagte Jesus.

»Ich hab eine

Konzession

für den Jahrmarkt

dort, und ich

darf mich nicht

verspäten.«

Beat Brechbühl

In meinem Wagen lieben sich unbekannte Geschwister

Ich weiß doch es ist ziemlich

eng, hat keine Vorhänge, der Schalthebel

ist immer im Weg leicht reißt man Kabel

aus, zumindest haben die Sitze Abfluß-

rinnen, das Dach ist abwaschbar auch Türen und

Fenster, das Radio funktioniert im

Stehen, der Rückspiegel ist stumm.

Jeden Tag diese straffe

Beanspruchung, ich denke

bald will das Auto gar nicht mehr

fahren.

Bertolt Brecht

Singende Steyrwägen

Wir stammen

Aus einer Waffenfabrik

Unser kleiner Bruder ist

Der Manlicherstutzen.

Unsere Mutter aber

Eine steyrische Erzgrube

Wir haben:

Sechs Zylinder und dreißig Pferdekräfte.

Wir wiegen:

Zweiundzwanzig Zentner.

Unser Radstand beträgt:

Drei Meter.

Jedes Hinterrad schwingt für sich: wir haben

Eine Schwenkachse.

Wir liegen in der Kurve wie Klebestreifen.

Unser Motor ist:

Ein denkendes Erz.

Mensch, fahre uns!!

Wir fahren dich so ohne Erschütterung

Daß du glaubst, du liegst

In einem Wasser.

Wir fahren dich so leicht hin

Daß du glaubst, du mußt uns

Mit deinem Daumen auf den Boden drücken und

So lautlos fahren wir dich

Daß du glaubst, du fährst

Deines Wagens Schatten.

Theo Breuer

Rolf-Dieter Brinkmann

Auto

Der Wagen

setzte

noch

einmal zu-

rück, und

die Hin-

terreifen

zerquetsch-

ten endgültig

ihm die

Brust

du lieber Him-

mel, sagten

sie

das

muß schmerz-

haft sein, so

dazu-

liegen

im eigenen Dreck.

Charles Bukowski

Das qualmende Auto

Sie halten, direkt vor meinem

Fenster, es sieht aus

als würde das Auto brennen

blauer Qualm aus Motorhaube und Auspuff

Fehlzündungen wie Kanonenschläge

der Wagen bockt wie verrückt

ein Typ steigt aus

O je, sagt er, nimmt einen tiefen