Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben - Torsten Sträter - E-Book

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben E-Book

Torsten Sträter

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Beschreibung

Wenn Gott gewollt hätte, dass man im Ruhrgebiet Fisch isst, hätte er »Sushi Schranke« erfunden. Und wenn er gewollt hätte, dass man im Revier die zarte Poesie pflegt, hätte er eine sensible Dichterin hingeschickt. So aber entsandte er Torsten Sträter. Und der sagt, was Sache ist – ganz unsentimental, immer voll auf die Zwölf. Und unglaublich komisch.

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Das Buch

Wenn Gott gewollt hätte, dass man im Ruhrgebiet Fisch isst, hätte er »Sushi Schranke« erfunden. Und wenn er gewollt hätte, dass man im Revier die zarte Poesie pflegt, hätte er eine sensible Dichterin hingeschickt. So aber entsandte er Torsten Sträter. Und der sagt, was Sache ist – ganz unsentimental, immer voll auf die Zwölf. Und unglaublich komisch.   Zwanzig Geschichten aus dem Herzen des Ruhrpotts: Über späte Rache und armselige Konzertbesuche, über den verblassten Charme der Achtziger und elektronisch unterstützte Partnervermittlung, über heikle Bahnfahrten und unangebrachte Heimatgefühle, über den Wandel der Geschlechterbilder und den Wahnsinn jugendlicher Urlaube. Über ein Leben im Hier und Jetzt. Über ein Leben im Dreck, der glänzt.

Der Autor

Torsten Sträter, Jahrgang 1966, wohnhaft in Waltrop bei Dortmund, arbeitet in einer Möbelspedition, hilft in einer Buchhandlung aus und trägt seit 2008 auf Poetry Slams und in Solo-Shows selbstgeschriebene Texte vor. Geringste Zuschauerzahl: 9. Höchste Zuschauerzahl: über 4000.

Torsten Sträter

Selbstbeherrschungumständehalber abzugeben

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-0815-9

Lizenzausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage August 2014

© by Torsten Sträter/CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2012

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Titelabbildung: © Guido Schröder (www.guidoschroeder.com)

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzung wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

eBook: CPI books GmbH, Leck

Inhalt

Vorwort: Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Buch!

FUMP

Fachterminus

Warum die Achtziger ganz allgemein nicht schön waren

Entsetzliche Klischees mit Häschen

Mein erstes Bier

EBAY-EULE

Mein Urlaubsaufsatz

Ohne Kinder ist Weihnachten ja nix

Paulo Coelho

Gudrun

Frauenfußball

Postamt

Deutsche Bahn, kein einziges Klischee drin, glaub ich

Heimat

Warum ich auf Poetry Slams immer so schlecht vorbereitet bin

Triple-X

Warum nicht gleich so?

Steh auf, wenn du ein Dümpelfelder bist

Die drei Prüfungen

Fredo

Herzlichen Glückwunsch,es ist ein Buch!

Man kann so viel mit seiner Zeit anfangen.

Der Durchschnittsmensch sieht ja viel fern – oft im Jogginganzug mit KIK-T-Shirt drunter, auf dem Fantasieslogans stehen wie: SPECIAL NATURE FORCE BEST MAN CLEVER DICK MOISTURE SPORTY BOY HOLLA DI BOLLA, daneben aufgedruckte Sterne oder ein skelettierter Hund oder eine abgeworfene Munitionskiste, eben diese Shirt-Motive eines KIK-Designers, der einen Tacken zu lange neben einer Klebstofffabrik gelebt hat, was nicht das Problem ist, denn das Problem ist, dass dieser Satz grade arg unübersichtlich wird, und das ist für ein Buch keine gute Visitenkarte. Wo waren wir?

Genau. Sie haben bestimmt ein tolles Fernsehgerät.

Vielleicht einen SAMSUNG SD-JHG-42-9877653 P, bei dem es beim Anruf der kostenpflichtigen SAMSUNG-Hotline allein vier Euro kostet, die Typenbezeichnung durchzugeben – Ihr Fernseher hat FULL HD, skaliert alles Mögliche hoch, und für die Handhabung der Fernbedienung haben Sie sich einen Studenten der Technischen Universität Hannover ins Haus geholt, der schläft mit im Zimmer von Gandalf oder wie auch immer Ihr halbwüchsiger Sohn heißt.

Sie nutzen diesen Fernseher ziemlich rege, genau wie unsereins, denn das Fernsehen ist verlockend. Ich persönlich sterbe ja für Serien wie RACH, DER RESTAURANTTESTER. Kennt man. Bemerkenswerter Mann. Was der alles hinkriegt.

In Gelsenkirchen gibt’s eine Garage, in der ein Schreiner frittierte Toblerone verkauft, und irgendwie brummt der Laden nicht. Dann kommt Rach und hilft. Rach ist dufte.

Jeder Zuschauer dieser Sendung denkt stets dasselbe wie ich, wenn wieder ein marodes Restaurant Hilfe von Rach anfordert: Was würdest du selbst tun? Wenn du Rach wärst? Antwort: Verwertbare Möbel auf die Straße, dann kontrolliert sprengen.

Aber Rach hilft. Rach ist süß, sagt man ja. Das stimmt. Und ich bin Rachsüchtig.

Oder nehmen wir DIE AUSWANDERER, wo ein tätowiertes Ehepaar aus Bottrop sich überlegt: Wir machen im Dezember auf Ibiza einen Laden für Einlegesohlen auf, und wenn’s rappelt, nehmen wir noch Wäscheklammern mit rein. Ohne Spanischkenntnisse, aber dafür mit 200 Euro Startkapital und drei Dänischen Doggen. Yippie. Fernsehen ist prima.

Aber Sie halten gerade ein Buch in der Hand.

Natürlich fragen Sie sich oft: Wie entsteht so ein Buch?

Können wir gern drüber reden.

Viele denken ja, am Anfang wäre da die Idee. Diese tritt dann eine Lawine des Schaffens los, eine Woge literarischen Gerölls. Das ist Unfug. Zuerst einmal benötigt man einen Verlag. Hüten Sie sich vor Verlagswohnhäusern, die gerne Geld dafür hätten, Ihr lange fertiges Werk zu verlegen. Machen Sie es andersrum: Sie benötigen einen Verlag, der Ihnen Schotter gibt, ohne dass Sie auch nur eine Silbe in den PC gehackt haben, und wenn Sie gefragt werden, wie weit Ihr Werk bereits gediehen ist – lügen Sie! Krücken Sie denen die Hucke voll, machen Sie den Herrschaften vom Verlag nicht nur ein X für ein U vor, sondern nur ein U. Aber das muss ein schönes U sein. Legen Sie ruhig eine »Treatment« genannte Grobvorschau des Buchinhaltes vor, aber bleiben Sie vage. Beispiel:

»In der ersten Geschichte geht es irgendwie um Butter.«

Schließen Sie Ihr Treatment mit einer Einschätzung des eigenen Werks:

»Das Buch ballert krass, jede Wette« oder: »Dieser Roman wird ein Klumpen.«

Und schon sind Sie im Geschäft.

Ehrlich gesagt mache ich einen Sport daraus, derartigen Kokolores hier hinzuschreiben, ist vielleicht auch nur eine erbärmliche Form der Vergeltung, denn in Wirklichkeit läuft es anders. Man reicht eine Geschichte ein, die schillert wie Konfekt und auf unterhaltsame Weise soziale Missstände anprangert, aber ohne den mahnenden Zeigefinger, und alles, was dem Lektorat einfällt, sind Bemerkungen wie:

»Anmerkung 1: Statt WASCHVOLLAUTOMAT bitte Waschmaschine.«

»Anmerkung 2: Was sucht das Wort Waschmaschine in Text über Nostradamus?«

Ein Buch zu machen ist schon Maloche. Und dann sollte so eine Geschichtensammlung auch noch einen Zusammenhang aufweisen. Da gehen E-Mails hin und her, das ist die wahre Pracht.

Lektorat: »Wo ist roter Faden?«

Sträter: »Tippe auf Winterpulli.«

Lektorat: »Wir haben uns schon verstanden, nicht wahr?«

Sträter: »Waschvollautomat.«

Lektorat: »Bitte?«

Sträter: »Kuckuck.«

So gewinnt man immerhin etwas Zeit, bis es wirklich konkret wird.

Lektorat: »Bitte Text über die Deutsche Bahn, aber ohne Klischees!«

Sträter: »Puh. Darf ich bitte stattdessen einen Minnegesang in Sanskrit schreiben?«

Zum Schluss dann: die Gliederung. Beim letzten Buch hab ich mich, und mit ich meine ich wir, entschlossen, als Gliederung DAMALS und JETZT zu nehmen, um die eher zusammenhanglosen Geschichten zu verbinden. Kracher. Damit bin ich diesmal nicht durchgekommen. Also habe ich verschiedene Vorschläge eingereicht:

»Gliederung nach heimischen Vogelarten. Teil eins: DER BAUMPIEPER. Darunter dann eine Geschichte über meinen Bruder, der in Monaco einen Kugelschreiber kauft.«

Wolltensenich.

Eine andere Variante wäre gewesen, das Buch so zu gliedern, dass die Einteilungen völlig unverständlich sind:

»1. DER FÖTENSCHLUMPF FÄNGT AN!«

»2. DIE GÖTTLICHE KOMMODE.«

»3. Zicke-zacke-zicke-zacke-HEUHEUHEU!«

Und so fort.

War auch unerwünscht.

Spielt jetzt aber auch keine Rolle.

Buch ist fertig, und Sie gucken grade nicht etwa Fernsehen – Sie lesen. Das ist wunderbar. Sie halten sozusagen Teil zwei meiner Memoiren in der Hand, und nein: Ich war nicht auf dem Jakobsweg, konnte aufgrund meiner straff organisierten Jugend auch nicht als Wanderhure arbeiten und bin kein Lehrerkind. Als ich Kind war, fuhr meine Mutter einen Kleinbus.

Ich kam immer pünktlich zur Schule, mehr ist da nicht rauszuholen.

Entschuldigung.

Natürlich musste auch ich im Sportunterricht so Kunstledertopflappen als Schuhe tragen, diese Dinger mit durchlaufendem Gummizug in iPod-Weiß, aber was soll’s? Vielleicht dachte meine Mutter, ich hätte Sport im Shaolin-Kloster. Ist jetzt egal. Hauptsache, Sie lesen. HARRY POTTER hat eine ganze Generation zum Buch gebracht, was leider den unangenehmen Nebeneffekt hatte, dass seit einiger Zeit viele Grundschullehrer nicht mehr zum Friseur gehen und sich auch sonst wie Professor Snape aufführen. Unterm Strich aber trotzdem toll. Hätte dieses Buch ein geheimes Motto, also den geforderten roten Faden, wäre dies ein altbekanntes:

Lieber einen guten Freund verlieren als eine Pointe auslassen.

Nochmal zum Thema TV: Das Fernsehen bietet so ziemlich alles, ich weiß, stellenweise gar in 3-D. Aber noch mehr 3-D als die Welt, die beim Lesen im Kopf entsteht, geht nicht. Wenn Sie das trotzdem denken sollten, also »Fernseher in 3-D, nice, muss ich haben!« – dann tasten Sie mal ganz langsam mit der Hand Ihr eigenes Gesicht ab.

Sehen Sie?

So toll ist es nun auch wieder nicht.

FUMP

Es war Anfang der Siebziger. Ich war etwa sieben und wollte raus, um mit meinen Freunden zum ersten Mal Fußball zu spielen.

Dementsprechend hatte meine Mutter mich angezogen: Draußen 18Grad plus, also wurde ich eingepackt wie ein Astronaut der Apollo-Mission. Das lag bei uns in der Familie. Wegen meinem Opa und dem Krieg.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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