Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Seltsame ferne Welten: Science Fiction Fantasy Großband 3 Romane 2/2022 von Alfred Bekker, Jo Zybell, W.A.Hary Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Romane: Das Festival von Tasner (Alfred Bekker/W.A.Hary) Der galaktische Faust (Alfred Bekker) Lennox und der Kampf um die Domstadt (Jo Zybell) Fausto Cagliari ist auf der Suche nach absoluter Erkenntnis und gerät an den mephistotelischen Manager eines interstellaren Konzerns. Dieser überredet Fausto dazu, auf einem abgelegegen Wasserplaneten Teil eines gleichermaßen waghalsigen wie größenwahnsinnigen Experiments zu werden. Doch dessen Ausgang ist anders als erwartet und erweckt eine wahrhaft kosmische Macht zum Leben... Alfred Bekker schreibt Fantasy, Bücher für junge Leser, Krimis und Historische Romane. Seine Bücher um "Das Reich der Elben" machten ihn einem großen Publikum bekannt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 433
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Seltsame ferne Welten: Science Fiction Fantasy Großband 3 Romane 2/2022
Alfred Bekker et al.
Published by Alfred Bekker, 2022.
Title Page
Seltsame ferne Welten: Science Fiction Fantasy Großband 3 Romane 2/2022
Seltsame ferne Welten: Science Fiction Fantasy Großband 3 Romane 2/2022 | von Alfred Bekker, Jo Zybell, W.A.Hary
Copyright
Alfred Bekker Science Fiction Abenteuer - Das Festival von Tasner
Das Festival von Tasner
About the Author
About the Publisher
Alfred Bekker Science Fiction - Der galaktische Faust
Alfred Bekker – Der galaktische Faust
CassiopeiaPress
Über das Buch
Der Ertrinkende von Sao Neto
Im Gegensatz
Die Einrichtung
Er war wieder an die Oberfläche getaucht
Natürlich...
Don't miss out!
About the Author
About the Publisher
Das Zeitalter des Kometen #25: Lennox und der Kampf um die Domstadt
Table of Contents
Lennox und der Kampf um die Domstadt
Copyright
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
Über diesen Band:
Dieser Band enthält folgende Romane:
Das Festival von Tasner (Alfred Bekker/W.A.Hary)
Der galaktische Faust (Alfred Bekker)
Lennox und der Kampf um die Domstadt (Jo Zybell)
––––––––
Fausto Cagliari ist auf der Suche nach absoluter Erkenntnis und gerät an den mephistotelischen Manager eines interstellaren Konzerns. Dieser überredet Fausto dazu, auf einem abgelegegen Wasserplaneten Teil eines gleichermaßen waghalsigen wie größenwahnsinnigen Experiments zu werden. Doch dessen Ausgang ist anders als erwartet und erweckt eine wahrhaft kosmische Macht zum Leben...
Alfred Bekker schreibt Fantasy, Bücher für junge Leser, Krimis und Historische Romane. Seine Bücher um “Das Reich der Elben” machten ihn einem großen Publikum bekannt.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)
© Roman by Author / COVERGRAFIK: LUDGER OTTEN
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Zum Blog des Verlags
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!Verlags geht es hier:
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
Alfred Bekker & W.A.Hary
Science Fiction-Roman
––––––––
(c) by Author
Ein Cassioopeia Press Ebook
Alle Rechte vorbehalten.
Ausgabe dieser Edition: 2010
Alfred Bekker & W.A. Hary
Das Festival von Tasner
––––––––
DURCHGESEHENE NEUAUSGABE
Die Originalausgabe erschien unter gleichem Titel 2003 im Mohlberg-Verlag.
© by Alfred Bekker
www.AlfredBekker.de
All rights reserved
Ein CassiopeiaPress Ebook
Ausgabejahr dieser Edition: 2010
http://www.bookrix.de/-cassiopeiapress
http://www.beam-ebooks.de/suchergebnis.php?Type=&sw=CassiopeiaPress&x=0&y=0
*
ISRAT N'GABA BLICKTE über die Skyline von Athen auf Alpha Centauri 2. Vom 156. Stockwerk des SYG-Towers aus hatte man einen prächtigen Blick über die Stadt, eine der bedeutendsten Mega-Metropolen im Bereich der Inneren Planeten.
Athen, dachte Israt. Es hat doch mal eine namensgleiche Stadt auf der Erde gegeben... Oder ist das nur eine Legende?
Die Stadt reichte bis zum Horizont, hinter dem jetzt das Licht von Alpha Centauri langsam versank.
Nein, antwortete Israt mit einem Gedankenimpuls der Pseudostimme, bei der es sich in Wahrheit um eine Impulsfolge handelte, mit der der interne Rechner des CyberSensors seine Hörnerven auf eine bestimmte Weise stimulierte.
„Ich weiß, daß das kein leichter Auftrag ist", meldete sich eine reale Stimme zu Wort.
Israt drehte sich herum, blickte dann in das Gesicht eines großen, kahlköpfigen Mannes in den mittleren Jahren, der hinter seinem Schreibtisch saß und auf Israts Antwort wartete.
"Warum ausgerechnet ich?" fragte Israt.
"Weil Sie einer unserer besten Leute sind. Das hat sich übrigens bis in die obersten Etagen von SYG herumgesprochen."
SYG...
Die Abkürzung für Saretto-Yilmaz-Gerland.
Sein halbes Leben hatte Israt im Dienst dieses Konzerns verbracht. In den letzten Jahren hatte er immer wieder mit einem Wechsel geliebäugelt, weil er den Eindruck gehabt hatte, daß es für ihn einfach keinen Weg nach oben gab. Jedenfalls nicht bei SYG.
Und jetzt...
Warum glaube ich ihm nicht?
"Ich war noch nie im Bereich der Rand-Föderation", gab Israt zu bedenken."
"Das gilt für viele. Bedenken Sie die lange Zeit der Isolation zwischen dem Rand und Iplan..."
"Aber es gibt inzwischen Leute, die dort waren. Auch bei SYG."
Der Kahlkopf machte eine wegwerfende Geste.
"Ihre anderen Qualitäten wiegen das auf", behauptete er.
Israt musterte den Kahlkopf zweifelnd.
Lester Benjo.
Wie lange kennst du ihn schon? Eine Ewigkeit...
Und wie lange versucht er schon, dich klein zu halten? Warum nur diese Wandlung?
Der CyberSensor zeigte Israt in diesem Moment im Gesichtsfeld des linken Auges die Börsenkurse von Iplan City, Mars, Sol-System. Mit einem mentalen Impuls verkaufte Israt gerade noch rechtzeitig seine Anteile an der Natama-Gruppe. Schlechte Prognosen zum weiteren Ausbau des Transmitternetzes in den Äußeren Kolonien hatten den Kurs dieses in der Rohstoffgewinnung tätigen Unternehmens in die Tiefe gerissen.
Lester Benjo beobachtete Israt grinsend.
Natürlich konnte er nur ahnen, was Israts CyberSensor seinem Benutzer auf die Netzhaut projizierte, aber er kannte seinen Untergebenen gut genug, um sich vorstellen zu können, welches Programm dort jetzt ablief.
"Die Spekulationsgeschäfte, die Sie nebenbei betreiben..."
"Ich habe eine Erlaubnis der Konzernleitung dafür!" verteidigte sich Israt.
Lester Benjo lachte. Er entblößte dabei zwei Reihen makelloser Zähne.
"Klar, ich weiß. Ich will auf etwas anders hinaus."
"Und das wäre?"
"Sie werden dort nicht die Kurse verfolgen können... Das GalaxyNet läßt sich im Bereich der Rand-Föderation nicht empfangen."
Israt zuckte die Achseln.
"Ich habe davon gehört."
Lester Benjo erhob sich aus seinem Schalensitz.
Sein Kopf zuckte.
Er blickte plötzlich ziemlich angestrengt.
Israt vermutete, daß die Pseudostimme seines CyberSensors ihm irgend etwas ins Ohr flötete.
Vielleicht erinnerte ihn sein System an den nächsten Termin? Sekunden später war Benjo wieder vollkommen konzentriert. Er ging auf Israt zu, sah ihm direkt in die Augen.
"Die Regierung der Rand-Föderation gibt uns die Chance, unser Können im Terraforming-Bereich unter Beweis zu stellen. Daran könnten sich weitere Aufträge anschließen. Sie wissen, daß zur Zeit der Kalten Konfrontation viele Terraforming-Projekte im Bereich der Randföderation nicht fertiggestellt werden konnten..."
"Jede Menge halbfertige Planeten. Ich weiß. Allerdings frage ich mich, ob der Rand jetzt die Mittel hat, sie zu beenden."
"Man munkelt von Bürgschaften der Iplan-Bundesregierung."
Israt hob die Augenbrauen.
"Ein sicheres Geschäft also."
"Fragt sich nur, ob für uns oder die Konkurrenz."
Israt begriff, daß er den Auftrag, in die Randföderation zu gehen, nicht ablehnen konnte. Ganz gleich, was für Hintergedanken Benjo dabei auch hatte und wie hoch die Wertschätzung der Konzernleitung für Israt tatsächlich war.
Benjo stieß mit der Faust gegen Israts Oberarm.
"Hören Sie, ich weiß, daß Sie sich mit dem Gedanken getragen haben, uns zu verlassen..."
"Aber..."
"Und wenn Sie das richtige Angebot gekriegt hätten, würden wir uns jetzt gar nicht unterhalten."
Israt atmete tief durch.
"Wollen Sie mir daraus einen Vorwurf machen?"
"Nein, aber ich bin für offene Karten."
Ach, jetzt auf einmal? Nach all den Jahren? Ich lerne doch immer noch neue Seiten an dir kennen, Lester Benjo...
Israt schwieg.
Er biß die Lippen zusammen, die jetzt wie ein dünner Strich wirkten.
"Es ist vielleicht Ihre letzte Chance, N'Gaba."
Warum hat das Wort Chance, mit deinem Mund ausgesprochen, immer so einen merkwürdigen Beiklang, Benjo?
"Was ist das für eine Welt?" fragte Israt.
"Tasner."
"Nie davon gehört."
"Kein Wunder. Ein Haufen Gestein am Rande der Galaxis, aus dem irgendwann mal jemand einen richtigen Planeten machen wollte und dann auf halben Wege damit aufgehört hat..."
"Deprimierend."
"Ich sagte ja gerade, ich bin für offene Karten."
Israt horchte auf.
Jetzt kommt noch irgend etwas Unangenehmes.
Er kratzte sich am Kinn.
Mit einem Mentalbefehl blendete er die Börsenkurse aus der Netzhautanzeige und ließ sich statt dessen ein paar Informationen über Tasner suchen.
Aber selbst im GalaxyNet konnte man nicht allzuviel darüber finden. Die wenigen Files lud er sich in den internen Speicher seines CyberSensors. Er würde sich später damit beschäftigen.
"Sie sind nicht der erste, den wir nach Tasner schicken", erklärte Lester Benjo.
Israt lächelte dünn.
Aha, zweite Wahl bin ich also auch noch!
"Kenne ich den Betreffenden?"
"Sie hieß Tembora Gregory."
"Ich bin ihr mal bei einem Meeting begegnet. Allerdings nur virtuell."
"Real sieht sie noch besser aus", grinste Benjo.
"Was ist mit ihr geschehen?"
"Wir wissen es nicht."
"Wie bitte?"
Benjo zuckte die Achseln.
"Es ist so, wie ich gesagt habe. Tembora Gregory ist einfach verschwunden..."
*
WIE LANGE IST ES EIGENTLICH schon her, daß du das Innere eines Raumschiffs betreten hast? ging es Israt N'Gaba durch den Kopf, kurz nachdem die SARATERA gestartet war.
Das Transmitternetz reichte bis Padras, einer Welt, die zu den sogenannten Äußeren Kolonien gehörte. Wer von dort aus weiter in Richtung des galaktischen Randes reisen wollte, der mußte wohl oder übel ein Raumschiff nehmen.
In der Rand-Föderation waren Transmitter unüblich.
Israt blickte aus einem der Sichtfenster und nippte dabei an seinem pechschwarzen Kaffee.
Er hielt sich abseits der übrigen Passagiere und hing seinen Gedanken nach. Eine ziemlich bunt zusammengewürfelte Gruppe hatte sich an Bord der SARATERA eingefunden. Zumeist handelte es sich um Geschäftsleute, die genau wie Israt im Auftrag ihrer Firmen in den Rand unterwegs waren. Noch war der Rand kein Markt. Aber man mußte an die Zukunft denken. Und der Zukunftsmarkt des galaktischen Randes wurde jetzt verteilt. Jeder Konzern, der ein Galactic Player bleiben wollte, mußte seinen Fuß in die Tür stellen. Das galt für SYG genauso wie für andere.
*
JUAN CONQUEIRO, SEINES Zeichens Präsident der Rand-Föderation, war ein rundlicher Mann von beachtlicher Statur, so daß seine Kleidung notwendigerweise aus Sonderanfertigungen bestand.
Sein aufgeschwemmtes, von einem dünnen Bart umrahmtes Gesicht wirkte fast kindlich und ließ kaum etwas von dem unbarmherzigen Zorn erkennen, zu dem dieser Mann mitunter fähig war.
Gedankenverloren saß er in seinem pompös ausgestatteten Arbeitszimmer im Regierungs-Tower von Centropoli auf Centrum. Er spielte mit den Orden an seiner Uniformjacke herum.
Seine Stirn war feucht.
Er schwitzte.
Conqueiro litt an einer Krankheit, die kein gewöhnlicher Arzt zu heilen vermochte: an chronischer Unentschlossenheit. Für einen Mann in seiner Position ein mitunter tödliches Leiden.
Was tun?
Wie sich entscheiden?
Es war alles so ungeheuer kompliziert und verworren. Und zu alledem hatte er nach außen hin Entschlußkraft und Festigkeit zu demonstrieren.
In seinem Inneren fand sich davon jedoch so gut wie nichts.
Er wurde innerlich stets hin- und hergerissen zwischen sich gegenseitig widersprechenden Argumenten und Interessen, wobei es ihm unmöglich erschien, Prioritäten zu setzen.
Seine Unentschlossenheit, die ihre Wurzel - ebenso wie sein von Zeit zu Zeit aufflammender Jähzorn - in einem tief empfundenen Gefühl von Unsicherheit, Schwäche und Unterlegenheit wurzelte, machte ihn zu einem willfährigen Opfer von Beeinflussungen aller Art.
Da Conqueiro dieser Zusammenhang zur Hälfte bewußt war, fühlte er sich elend; da er ihm aber zur anderen Hälfte nicht bewußt war, tat er nichts dagegen.
"Darf ich Sie höflich darauf hinweisen, daß Sie sich jetzt zu Ihrer Verabredung mit Lakefield begeben müssen?" flüsterte ihm der kleine, elektronische Terminkalender ins Ohr.
Ein hochtechnologisches Produkt der Rand-Föderation, aber gemessen am Standard der Inneren Planeten ein Stück fürs Museum, ging es Conqueiro mit einer deutlichen Spur Sarkasmus durch den Kopf.
Die Hand, die gerade noch mit den Orden gespielt hatte, bedeckte jetzt kurz sein Gesicht. Eine fahrige Geste. Conqueiro erhob sich dann schwerfällig. Es machte ihm sichtlich Mühe, seinen Körper zu bewegen, obwohl er am Rücken ein Antigravaggregat trug, das ihm das Gehen erleichtern sollte.
Gedanken rasten durch sein Bewußtsein.
Alles wird sich ändern - jetzt, da die Zeit der kalten Konfrontation zwischen den Inneren Planeten und dem Rand vorbei ist. Nichts wird bleiben, wie es ist.
War das ein Grund, sich zu fürchten?
Für die Terroristen der Vereinigten Anti-Vernetzungsfront ist es sogar ein Grund zu töten!
Schwerfällig humpelte er in Richtung Tür.
Noch bevor er sie erreicht hatte, teilte sie sich selbsttätig. Drei Männer traten ihm entgegen. Zwei von ihnen waren bewaffnet, der dritte nicht.
"Kransom!" entfuhr es Conqueiro. "Wie kommen Sie hier herein?"
Dem Präsidenten war die Angst deutlich ins Gesicht geschrieben.
Wie sind Kransom und seine Leute mit den Strahlern im Anschlag durch die Sicherheitsbarrieren gekommen?
"Fragen Sie nicht soviel, Conqueiro", knurrte Kransom düster. "Kommen Sie lieber mit!"
"Was wird hier gespielt, verdammt noch mal?"
Der Präsident faßte sich krampfhaft an die Brust.
Diesmal nicht der Orden wegen, sondern auf Grund der Schmerzen in der Herzgegend, die ihn plötzlich befallen hatten.
"Eine Bombe befindet sich irgendwo im Regierungs-Tower", berichtete Kransom. "Unsere Leute tun alles, um sie rechtzeitig zu finden."
"Wahrscheinlich nur ein Spinner, der sich wichtig machen wollte."
"Nein, wir nehmen das diesmal sehr ernst."
"Wieso?"
"Wir haben entsprechende Erkenntnisse durch unsere V-Leute, die wir bei der Anti-Vernetzungsfront eingeschleust haben. Auf Centrum soll eine entsprechende Menge XCB-Sprengstoff eingeschmuggelt worden sein."
"XCB?" Der Präsident zuckte die Achseln. "Nie davon gehört."
"Kommt von den Inneren Planeten. Er hat den Nachteil, daß er durch unsere Sensoren nicht aufgefunden werden kann."
"Schöner Mist."
Ein Muskel zuckte in Conqueiros Gesicht.
Ein sarkastischer Gedanke kam ihm.
Die Anti-Vernetzungsfront scheint die Vorteile der Kontakte zu den Inneren Planeten bereits eifrig zu nutzen. Würde mich nicht wundern, wenn sich die Terroristen das Zeug über das GalaxyNet besorgt haben... Durch genau jenes Netz, das sie doch so vehement ablehnen!
Aber so etwas wie ideologische Zielkonflikte scheinen sie nicht zu kennen...
Conqueiros Hände zitterten leicht.
Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Eine Mischung aus Furcht und Ratlosigkeit breitete sich in dem mächtigsten Mann der Rand-Föderation aus.
Panik läßt sich nicht auf Dauer mittels Sarkasmus bekämpfen! meldete sich ein zynischer Kommentator in seinem Hinterkopf. Aber wodurch dann? Er wünschte sich einen Rundumschlag, mit der er alle Probleme mit einem Schlag zu lösen vermochte. Aber die Gegner, mit denen er es zu tun hatte, boten keinerlei Ziele.
Sie verfolgten die Taktik der tausend Nadelstiche, zogen sich sofort wieder zurück, wenn sie zugeschlagen hatten und waren einfach nicht zu fassen. Es war wie verhext. Und der Sicherheitsapparat von mehreren untereinander konkurrierenden Geheimdiensten war einfach nicht in der Lage, das Problem der Anti-Vernetzungsfront zu lösen.
Er musterte Kransom, seinen Sicherheitsminister, der unter anderem auch für die Geheimdienste zuständig war.
Ein ehrgeiziger Mann, skrupellos und ziemlich jung für die Position, die er erreicht hatte.
Du solltest niemandem trauen! dachte Conqueiro. Männern wie Kransom schon gar nicht.
"Nun kommen Sie schon!" forderte Kransom Conqueiro auf.
*
SPÄTER SASSEN SIE SICH an einem sicheren Ort gegenüber, irgendwo in den geheimen unterirdischen Anlagen des Geheimdienstes der Rand-Föderation.
Nur ein paar Minuten, nachdem Conqueiro den Regierungs-Tower verlassen hatte, war dort tatsächlich eine Bombe hochgegangen und hatte eine ganze Etage ausbrennen lassen.
Wenn Kransom nur ein wenig später aufgetaucht wäre! überlegte Conqueiro schaudernd.
Kein Zweifel, der Geheimdienstchef hatte ihm das Leben gerettet.
"Das war der fünfte Anschlag auf mein Leben innerhalb eines Monats!" stellte Conqueiro fest.
Kransom nickte gelassen.
Conqueiro schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
"Verdammt noch mal, wie kann so etwas geschehen?"
"Wir tun alles, was wir können."
"Dann ist es nicht genug!"
"Der politische Kurs der Öffnung gegenüber den Inneren Planeten ist höchst umstritten. Ganzen Wirtschaftszweigen in der Föderation droht der Ruin. Von den kulturellen Verwerfungen mal ganz abgesehen. 500 Jahre Isolation sind keine Kleinigkeit."
"Sie halten diesen Kurs für falsch?"
"Ich halte ihn für riskant."
"Und wo wäre die Alternative? Weitere 500 Jahre Isolation?"
"Wir wissen beide, daß das keine realistische Möglichkeit ist. Nach und nach wird es so oder so Außenposten des GalaxyNets auf unseren Welten geben."
"Ich weiß."
"Für die Anti-Vernetzungsfront sind Sie nun einmal der Buhmann, daran ist nichts zu ändern."
Conqueiro atmete tief durch. Dann blickte er auf sein Chronometer. So etwas soll es auf den Inneren Planeten schon gar nicht mehr geben. Eine Sichtanzeige auf der Netzhaut läßt sich durch einen Mentalimpuls aktivieren. Nicht nur für die Anzeige der Zeit...
Der Präsident lächelte.
Eine Cyber-Reise während einer sich endlos in die Länge ziehenden Sitzung - ohne daß einer der Anwesenden etwas davon bemerken könnte. Wäre das nichts?
"Dieser Israt N'Gaba ist übrigens auf dem Weg hierher", erinnerte ihn Kransom.
"Der Mann von SYG?"
"Ja."
"Das Tasner-Projekt ist sehr wichtig. Es ist gewissermaßen ein Pilotprojekt für viele weitere... Sie wissen, was ich meine."
"Die vielen halbfertigen Welten."
Conqueiro nickte.
"Ja. Ich denke, mit SYG haben wir den richtigen Partner."
"Ich würde Israt N'Gaba trotzdem in der gegenwärtigen Situation nicht persönlich empfangen. Das könnte von gewissen Leuten falsch aufgefaßt werden."
Conqueiro lachte heiser auf.
"Und wenn ich ihn nicht empfange, wird das von anderen Leuten falsch aufgefaßt."
"Trotzdem. Sie dürfen der Anti-Vernetzungsfront nicht in die Hände spielen."
"Die nächsten Wahlen sind erst in vier Jahren."
"Spätestens seit heute sollte Ihnen klar sein, daß man Präsidenten auch auf andere Art auswechseln kann als durch Wahlen."
Das war deutlich. Aber vielleicht hat Kransom recht? Der Präsident lehnte sich zurück.
"Es gibt bei der Sache noch ein anderes Problem", erklärte Kransom.
"Und das wäre?"
"Der erste Repräsentant von Tasner. Ich halte ihn für illoyal."
"Das glaube ich nicht."
"Möglicherweise sympathisiert er insgeheim mit der Anti-Vernetzungsfront."
Conqueiro hob die Augenbrauen.
"Welche Vorteile hätte er denn dadurch? Gibt es dafür überhaupt konkrete Beweise?"
"Die entsprechenden Dossiers schlummern seit langem auf Ihrem Rechner, aber Sie sind offensichtlich bislang nicht dazu gekommen, sie zur Kenntnis zu nehmen."
Ein unverhohlener Vorwurf.
"Und wenn schon... Wir kommen nicht an Xa LeCarré heran. Er ist gewählt, besitzt juristische Immunität und ist auf Tasner sehr beliebt."
"Leider wahr. Aber wenn das Tasner-Projekt fehlschlägt, werden sie sich bei ihm dafür bedanken können."
*
EGON KRANSOMS ORBITALEIGENHEIM trug den bezeichnenden Namen Sanssouci. Es kreiste in einer stabilen geostationären Umlaufbahn um Centrum, die graue Zentralwelt der Rand-Föderation.
"Wollen Sie einen Drink, N'Gaba?" fragte Kransom und musterte dabei sein Gegenüber aufmerksam.
"Nein, danke."
Israt N'Gaba sah sich um, blickte kurz durch die großen Sichtscheiben, durch die der Weltraum und ein Teil der gewaltigen Scheibe zu sehen war, die der Planet Centrum aus dieser Perspektive bildete.
"Ich hoffe, Sie hatten einen gute Passage."
"Der erste Raumflug seit langer Zeit. Ich muß sagen, das hat was..."
Kransom lächelte dünn. Mit dieser arroganten Haltung wirst du dir hier wenig Freunde machen!
"Sie werden sich vielleicht darüber wundern, daß Ihr Raumschiff nicht auf Centrum landen konnte..."
"Allerdings."
"Um ehrlich sein, N'Gaba: Wir haben da ein gewisses... Sicherheitsproblem. Die Terroristen der Anti-Vernetzungsfront – falls Ihnen das überhaupt etwas sagt? – nun, sie machen uns zu schaffen, um es einmal so auszudrücken. Es hat sogar ein Attentat auf den Präsidenten gegeben, was auch der Grund dafür ist, daß Sie lediglich von mir empfangen werden."
N'Gaba hob die Augenbrauen.
"Anti-Vernetzungsfront?" echote er. "Ich habe davon noch nie etwas gehört. Aber es dringen auch nicht viele Nachrichten vom Rand in den Bereich der Inneren Planeten."
"Ja, ich weiß", nickte Kransom. "Wir stellen in mehrfacher Hinsicht den Rand dar. Aber das wird sich ja vielleicht langsam ändern." Er trat etwas näher an Israt heran. "Nehmen Sie sich vor Xa LeCarré, dem Ersten Repräsentanten von Tasner, in acht."
"Wie soll ich das verstehen?"
"Daß er möglicherweise das Projekt auf subtile Weise sabotiert."
Israt setzte sich in einen der Schalensitze, die von Design und Verarbeitung her die neuesten Trends auf den Inneren Planeten wiederspiegelten. Erste Vorboten der Vernetzung, ging es Israt durch den Kopf.
"Wie steht es denn mit Einflußmöglichkeiten... Ihrerseits?"
"Unglücklicherweise gibt es in der Rand-Föderation ein starkes Element innerplanetarischer Autonomie. Und solange sich Xa LeCarré nichts zuschulden kommen läßt, habe ich keine Handhabe gegen ihn.“
„Ich frage mich...“, Israt brach ab und musterte seinen Gegenüber, als wisse er nicht genau, ob er wirklich soweit gehen durfte, möglicherweise alles vergessend, was mit Diplomatie zu tun hatte.
„Sprechen Sie es ruhig aus!“ forderte ihn Kransom auf. Er klang irgendwie... alarmiert.
„Nun, ich will niemandem zu nahe treten, denn ich weiß schon, daß man uns von den Inneren Planeten für arrogant hält. Oft genug mag das sogar stimmen.“
„Zur Sache!“ Jetzt war auch Kransom alles andere als diplomatisch. Dafür war sein Tonfall zu scharf geworden.
Israt lächelte ein wenig verkrampft. „Sie sagen mir, daß es Gegner der Vernetzung gibt. Sie fügen hinzu, daß ausgerechnet unser wichtigster Verhandlungspartner, nämlich LeCarré höchstwahrscheinlich doppeltes Spiel treibt. Damit allein wäre mein Hiersein eigentlich schon ad absurdum geführt, denn wer könnte das Terraforming seines eigenen Planeten besser und nachhaltiger verhindern als dessen Erster Repräsentant? Und Sie geben sogar unumwunden zu, wie sehr Ihnen die Hände gebunden sind, um einem so offensichtlichen – und tödlich gefährlichen, wie das Attentat auf den Präsidenten beweist - Quertreiber wie LeCarré das Handwerk zu legen. Weil es eben starke Bestrebungen innerhalb der gesamten Rand-Föderation gibt... etc. pp. Und was soll ich davon nun halten? Ich nehme an, Sie erwarten jetzt von mir das Wunder, LeCarré doch noch irgendwie zu überzeugen - oder was?“
„Das ist es nicht, was Sie eigentlich sagen wollten, Israt N’Gaba!“ stellte der Sicherheitsminister der Rand-Föderation fest. Es klang unverhohlen vorwurfsvoll.
Jetzt gelang Israt endlich das Lächeln. Sogar so gut, daß es nachgerade... entwaffnend wirkte:
„Ihnen kann man wohl gar nichts vormachen, Kransom, wie? Also gut, auf Ihre Verantwortung: Das Terraforming hat im Grunde genommen ausschließlich Vorteile für die Randwelten. Faktisch passiert ja nichts weiter als daß aus armen Welten, auf denen man kaum überleben, geschweige denn so etwas wie Fortschrittlichkeit entwickeln kann, zunächst ökologisch reiche Welten werden. Aus dem ökologischen Reichtum würde sich sehr schnell der Reichtum an sich entwickeln – zumindest in dem Maße, wie man es auf den Inneren Welten längst gewöhnt ist. Es gehört schon eine mächtige Portion Borniertheit dazu, wenn...“
„Stop!“ gebot Kransom, mit einem deutlichen Zittern in der Stimme. „Also doch: Wir sind nichts weiter als bornierte Hinterwäldler. Nun gut...“
Israt zuckte mit den Achseln. „Man hat mich her geschickt, weil ich für diesen Job der Beste bin. Ich soll hier was verkaufen, das eigentlich nur Vorteile bringt, aber das die wirklich Betroffenen gar nicht wollen. Ich soll also gewissermaßen diese Menschen zu ihrem Glück zwingen. Das Wort Hinterwäldler stammt im übrigen von Ihnen, nicht von mir. Aber ich denke, es wäre wirklich verfehlt, mit diplomatischen Stilmitteln hier etwas ausrichten zu wollen, nachdem Sie mir Ihre eigene Hilflosigkeit demonstrieren. Denn wenn ich alles so sehe wie Sie, reiche ich Ihnen doch lieber gleich schon zum Abschied die Hand. - Ist es etwa das, was Sie wollen?“
„Nein, natürlich nicht!“ Kransom schaffte es auf einmal nicht mehr, ihm in die Augen zu sehen.
„Was erwarten Sie denn sonst? Daß ich mein Leben aufs Spiel setze – in dem Versuch, fanatische und tödlich entschlossene Vernetzungsgegner vom Gegenteil zu überzeugen, nachdem es unmöglich erscheint, ihnen Einhalt zu gebieten?“
„Damit wäre ja nun wirklich nichts gewonnen, aber...“
„Aber? Nun, es ist die Regierung der Föderation, hier, in diesem Augenblick repräsentiert durch Sie anstelle des Präsidenten, wie ich es eigentlich hätte erwarten können...“
„Aber ich sagte Ihnen doch schon, daß...“
Israt ließ sich nicht unterbrechen: „Eines Präsidenten übrigens, der mir wie die Ausgeburt der Hilflosigkeit erscheint, indem er bei meinem Konzern etwas bestellt, das unter seiner Regierung ganz offensichtlich nicht gewollt ist. Ich frage mich also, wieso ich überhaupt hier sitze.“
„Hören Sie, Israt N’Gaba...!“ Der Sicherheitsminister brach ab. Er wirkte jetzt völlig aufgelöst. Er brauchte viel Kraft, weiter zu reden: „Wenn Sie jetzt aufgeben, dann haben die Vernetzungsgegner endgültig gewonnen. Es war schon einmal jemand hier vom Konzern, und dieser Jemand ist... nun, er ist verschwunden. Jetzt sind Sie hier. Sie sind die letzte Hoffnung der Föderation – und nicht nur dieser, sondern letztlich auch die letzte Hoffnung der Inneren Planeten. Wenn Sie aufgeben, dann ist alles vorbei.“
„Was wäre denn daran so schlimm – Ihrer Meinung nach?“
Kransom konnte ihn wieder direkt ansehen. Nicht nur das: Er zeigte deutlich seinen Zorn, indem er sich auf der anderen Seite des Tisches aufstellte, hinter dem Israt saß, sich vorbeugte und auf beiden Fäusten aufstützte. Die Fäuste waren so fest geballt, daß das Weiße auf den Handrücken sichtbar wurde.
„Ich will Ihnen etwas sagen: Nach 500-jähriger Isolation haben wir nur eine Hoffnung: Öffnung! Die kann es aber nicht so ohne weiteres geben. Und sie muß für die Rand-Föderation insgesamt erfolgen, nicht nur für Einzelwelten. Genau das aber wird geschehen: Die Inneren Welten werden mit ihrer überlegenen Technologie Stück für Stück die Föderation zerschlagen und ihre Einzelheiten sich selbst einverleiben. Die Randwelten werden am Ende denen gehören, die es geschafft haben, sie zu erobern: Die Konzerne höchstwahrscheinlich. Sie werden Eigentum von diesen Konzernen und ihre Bewohner so etwas wie Leibeigene. Wir alle hier werden bis in alle Zukunft hinein Menschen zweiter Klasse sein. Wenn nicht sogar dritter Klasse. Es sei denn...“
Israt nickte. Er lächelte wieder. „Es sei denn, Ihr Plan gelingt. Der Anfang wäre Tasner. Terraforming dort und ein damit verbundener rascher Aufschwung wäre ein Fanal für alle anderen Welten. Sie haben vor, die Rand-Föderation zu einem ernstzunehmenden Partner werden zu lassen für die Inneren Planeten. Eine Wunschvorstellung, die ich Ihnen erfüllen soll. Doch beantworten Sie mir eine einzige Frage: Wieso gibt es so wenige Menschen innerhalb der Föderation, die das ebenfalls wollen?“
„Sie bezeichnen Sie als Hinterwäldler, als borniert...“
„Ja, ich – und Sie?“
Kransom zuckte die Achseln. Eine hilflose Geste. Die Antwort allerdings blieb er schuldig.
„Sie wissen keine andere Erklärung!“ stellte Israt ruhig fest. Für sein Gegenüber war das offensichtlich wie ein Schlag ins Gesicht.
Israt schüttelte den Kopf. „Sie sind mir zu empfindlich, Kransom. Wenn es um unumstößliche Tatsachen geht, sollte man sich Empfindlichkeiten schleunigst abgewöhnen. Es sei denn, man hat alternative Erklärungen anzubieten oder sogar überzeugende Lösungsvorschläge – und beides haben Sie ja nun einmal nicht.“
Er gab sich sichtlich einen Ruck und stand dann auf. Kransom fuhr regelrecht vor ihm zurück.
„Die nächste Frage: Wieso erwählten Sie ausgerechnet Tasner, um dort sozusagen ein Exempel für Ihr Projekt zu setzen?“
Diesmal kam eine Antwort – sofort sogar, ohne Umschweife: „Zunächst erschien uns Tasner als am einfachsten. LeCarré erwies sich zu diesem Zeitpunkt als glühender Befürworter dieser Idee. Als einziger wohlgemerkt.“
„Und dann hat er es sich anders überlegt?“
„Diese Vermutung liegt sehr nahe.“
„Ich danke Ihnen jedenfalls, daß Sie ehrlich zu mir waren – in jeglicher Beziehung ehrlich sogar! Wenn Sie etwas nicht genau wußten, haben Sie das zugegeben. Mit LeCarré scheinen Sie sich auch nicht so völlig sicher zu sein...?“
„Eigentlich schon, denn es sprechen alle Indizien dafür, daß er uns nur etwas vorgegaukelt hat.“
„Wieso hätte er das tun sollen?“
„Nun, er tat es, um sozusagen unmittelbar am Hebel zu sitzen. Von vornherein wollte er den Plan der Regierung boykottieren, und wie hätte er das besser gekonnt denn als gewissermaßen unmittelbar Beteiligter?“
Israt betrachtete ihn wohlwollend. „Dieser LeCarré interessiert mich brennend!“
„Sie – Sie reisen nicht einfach wieder ab, weil Sie ja doch keinen Sinn in den Verhandlungen mit LeCarré sehen?“ wunderte sich jetzt Kransom, der offenbar bereits sämtliche Felle davon schwimmen gesehen hatte.
„So ist es, Kransom! Ja, meine Neugierde ist geweckt, und außerdem...“ Ein verschmitztes, ja, fast spitzbübisch anmutendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, „...und außerdem ist dieser Job eine echte Herausforderung für mich! – Wie gelange ich auf dem schnellsten Weg nach Tasner?“
Kransom schaute ihn an mit einem deutlichen Ausdruck von Sprachlosigkeit.
Tja, mein Lieber, du bist zwar der oberste Sicherheitsmann der Föderation, aber es ist geradezu erschreckend, wie wenig du trotzdem begreifst. Wie denn auch? Denn um meine Motive zu verstehen, müßtest du wissen, was wirklich auf den Inneren Planeten vorgeht, und es gibt für dich keine Möglichkeiten, das herauszufinden – mit deinen Mitteln jedenfalls nicht.
Er schickte einen mentalen Impuls an seinen CyberSensor. Aber der Zugang zum GalaxyNet war nicht möglich. Er erhielt die entsprechende Fehlermeldung. Er konnte lediglich auf den internen Speicher des CyberSensors zugreifen.
Die Vernetzungsgegner wollen diesen Zustand nicht ändern, dachte er. Nun gut. Dies ist jedenfalls der gegenwärtige Stand der Dinge. Wird wirklich Zeit, etwas zu unternehmen...
*
"WIE LANGE BEFINDEN Sie sich bereits im Territorium der Rand-Föderation, N'Gaba?"
"Um genau zu sein: Seit knapp 1,9 Standardeinheiten."
"Und nach so kurzer Zeit glauben Sie bereits, ein Urteil fällen zu können?"
"Ich nicht, der interne Rechner meines CyberSensors! Sein Urteil ist sozusagen unbestechlich. Vor allem, es ist ohne jegliche Emotionen. Er ist zu dem Schluß gekommen, daß Terraforming für Ihren Planeten genau das Richtige wäre. Seine Informationen hat er..."
"Ach was: Ich will Ihnen was sagen, N'Gaba: Sie sind genau wie alle anderen, die jetzt von den Inneren Planeten hierher kommen. Sie sind arrogant: Nur weil Erde und Mars ein bißchen weiter weg vom intergalaktischen Nichts liegen als Centrum oder Tasner, glauben Sie, wir seien Halbprimitive."
"Verzeihen Sie, wenn ich Sie korrigieren muß, aber die Saretto-Yilmaz-Gerlard-Company hat ihren Sitz in Alpha Centauri, nicht im Sol-System."
Xa LeCarré zuckte mit den Schultern. Ein mattes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
"Aus dieser Entfernung sind solche Unterschiede unerheblich."
Israt N'Gaba hob die Augenbrauen.
Er hatte nicht erwartet, in LeCarré einen umgänglichen Gesprächspartner zu finden, da er ja sozusagen vorgewarnt gewesen war. Aber dieser LeCarré war mehr als nur eine „harte Nuß“. Israt zweifelte nicht mehr daran, daß Kransom recht hatte: LeCarré hatte noch nie das Terraforming für seinen Planeten befürwortet. Er hatte sich nur deshalb zunächst begeistert davon gezeigt, um letztlich zu verhindern, daß ÜBERHAUPT IRGENDEIN PLANET der äußeren Welten Terraforming erfuhr.
Dann wird es halt eben auch keins geben! schlußfolgerte Israt – und das hatte etwas Endgültiges. Beinahe hätte er diesen Gedanken sogar von einem Schulterzucken begleiten lassen, was er im letzten Augenblick erfolgreich unterdrückte. Er ließ sich in keiner Weise anmerken, was wirklich in ihm vorging. Als nächstes hätte er nämlich am liebsten gelächelt, aber LeCarré hätte das sicher nicht verstanden. Wie auch?
Und es war gut, daß Lester Benjo, sein Auftraggeber von SYG, noch nicht einmal ahnte, was wirklich hinter seiner Stirn vorging – schon vorgegangen war, als er von ihm diesen Auftrag erhalten hatte...
Der erste Repräsentant von Tasner und Mitglied des Föderalen Rates der Randwelten war von kleiner und untersetzter Statur, hatte kaum noch Haare auf dem Kopf und wirkte dennoch keineswegs greisenhaft.
Seine grau-blauen Augen funkelten ein wenig und verrieten etwas von der Intelligenz, die hinter der hohen Stirn steckte.
Die wird dir aber auch nichts nutzen! dachte Israt mit einer Spur von Überheblichkeit. Und du meinst sogar, mir würde es immer noch um dieses Terraforming gehen. Dabei habe ich das innerlich längst abgehakt. Aber bleibe nur bei dieser Erwartung. Vorerst...
"Immerhin...", meinte LeCarré, "Sie haben Rand-Lingua ziemlich gut gelernt."
"Hypnokurs. Damit geht das sehr schnell."
"In dieser Beziehung sind wir vielleicht doch noch... Barbaren." LeCarré lächelte. "Soll heißen: So etwas haben wir hier noch nicht."
"Der technologische Rückstand ist schwer zu leugnen."
"Aber wir hatten es auch nicht leicht. Die lange Zeit der Isolation hat dem Rand schwer zugesetzt: Die Föderation war völlig auf sich allein gestellt."
"Ich denke, daß das nun anders werden wird", gab Israt seiner scheinbaren Überzeugung Ausdruck. "Der Rand wird seinen Rückstand schneller aufholen, als viele jetzt noch glauben..."
Damit hatte er seinem Gegenüber einen Brocken hingeworfen, den dieser erst einmal verdauen mußte.
Vielleicht verrätst du mir nun endlich, wieso du so sehr dagegen bist? Denn ein echtes Motiv, dafür sogar zu morden, kann ich immer noch nicht sehen. Aber es würde mich interessieren. Ganz brennend. Obwohl ich überhaupt nicht mehr die geringste Lust verspüre, irgend jemanden noch von Terraforming überzeugen zu wollen. Wozu auch? Nur, weil mich Lester Benjo deshalb auf den Weg geschickt hat? Nein, ihr Lieben: Israt N’Gaba hat seine eigenen Pläne. Jetzt erst recht. Ich hätte denen das Terraforming durchaus „so nebenbei auch noch“ verkauft, wenn es gegangen wäre. Aber nun...
LeCarré atmete tief durch und nickte. Sein Blick wirkte nachdenklich.
"Ja, da mögen Sie recht haben", murmelte er – zur absoluten Überraschung von Israt.
Israt sah ihn aufmerksam an.
Er scheint sich nicht darüber zu freuen, daß sich sehr bald alles verändern wird. Aber was befürchtet er? Ja, was? Und wieso, wenn er doch so offensichtlich am Hebel sitzt, um die Veränderung zunächst nachhaltig zu verhindern?
Israt N'Gaba war in Ibadan, Nigeria, auf der Erde, geboren, wovon seine schwarze Hautfarbe ein deutliches Zeugnis ablegte.
LeCarré hatte ihn zunächst voller Verwunderung und Erstaunen (und im übrigen auch völlig ungeniert) angestarrt.
Später sollte Israt noch merken, daß der Erste Repräsentant alle Menschen, die ihm begegneten, mit dieser übergroßen Neugier betrachtete und daß das keineswegs etwas mit seiner hier ziemlich ungewöhnlichen Hautfarbe zu tun hatte.
Andererseits war es nur zu verständlich, daß Israt zunächst zu diesem Schluß gekommen war, denn Rassismus war auch im Zeitalter der GalaxyNet-Community leider noch immer nicht ausgestorben. Und lange Zeit hatte Israt N'Gaba geargwöhnt, daß sein schleppendes Vorankommen auf der Karriereleiter des SYG-Konzerns nicht zuletzt eben genau mit der Tatsache zusammenhing, daß seine Haut tiefschwarz war...
"Ja, jetzt kommen sie wieder", brummte LeCarré nun. "Leute aus der Sirius-Union, Leute aus Alpha Centauri, von Cartax und Neuwelt. Sie kommen, um uns wieder ihr Zeug zu verkaufen." Dann blickte er plötzlich auf. "Man hat mir Daten über Sie gegeben, N'Gaba. Sie sind Moslem..."
"Das ist richtig."
LeCarrés Mund verzog sich ein wenig, und sein Gesicht nahm einen schwer zu deutenden Ausdruck an, der irgendwo zwischen Verachtung und Interesse lag.
"Glauben Sie an Allah? Glauben Sie an die Suren des Koran?"
Warum will er das wissen? fragte sich Israt.
Er blickte auf, verengte ein wenig die Augen. Du hast diese Frage gefürchtet wie der Teufel das Weihwasser - so hätte es ein Anhänger der Irdisch-reformiert-katholischen Kirche ausgedrückt. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge. Der Kuppelbau einer Moschee, die als Emblem in der Sichtanzeige des CyberSensors eines jeden Gläubigen aufleuchtete, während die Pseudostimme einem den Ruf des Muezzin direkt in die Hörnerven flötete.
Sein Vater hatte ihm damals nicht erlaubt, das System so zu konfigurieren, daß diese Anzeige nicht fünfmal am Tag erschien und ihn unmißverständlich zum Gebet aufforderte. Allerdings: Er war zehn, als er lernte, den internen Rechner seines CyberSensors auszutricksen.
Die Glaubensdiktatur in seinem Kopf hatte damit ein Ende gehabt.
Ein Ruck ging durch Israts Körper.
LeCarré erwartet eine Antwort! Und er wird kein Ausweichen akzeptieren.
"Ich weiß nicht...", gab Israt unsicher zurück.
Zeit gewinnen, dachte Israt. Und er fragte sich, weshalb diese Sache für den Ersten Repräsentanten von Tasner wohl so wichtig sein mochte.
LeCarrés Blick wirkte stählern.
"Ja oder nein?"
Israt N'Gaba zuckte die Achseln.
"Ich bin irgendwo auf halbem Wege zwischen Glauben und Unglauben stehengeblieben, das ist die Wahrheit. Ich weiß es wirklich nicht. Ich meine auch nicht, daß das irgendeine Relevanz hat."
"Ich glaube, Sie täuschen sich."
"Nun, vielleicht hat es eine, vielleicht auch nicht. Wer kann das schon genau sagen?"
LeCarré entblößte die Zähne. Es war die Karrikatur eines Lächelns.
"Ich schätze Menschen mit klaren Standpunkten, N'Gaba."
"Dann gehöre ich wohl kaum zu den Menschen, die Sie schätzen! Jedenfalls nicht, was mein religiöses Weltbild angeht..."
LeCarré lachte auf. "Warten wir es ab, N'Gaba. Warten wir ab, ob Sie sich nicht verändern..."
"Die Wahrscheinlichkeit dafür ist ziemlich gering."
"Sagen Sie das nicht. Sie wären nicht der erste, der Tasner als ein anderer verläßt..."
Israt blickte etwas verwirrt drein. LeCarré ging auf ihn zu, trat sehr dicht an ihn heran, starrte dann auf die kleine Öffnung in Israts Nacken, in der der CyberSensor steckte.
"Ich habe von diesen Dingern gehört", sagte er. "Sie verbinden einen mit der gesamten Galaxis."
"Sofern man sich im GalaxyNet-Bereich befindet, ja. Hier im Rand-Gebiet ist der Empfang unmöglich. Lediglich der interne Rechner steht mir zur Verfügung."
LeCarré nickte.
"Es macht Ihnen nichts aus, so eng mit einer Maschine verbunden zu sein?"
"Nein."
"Ich kann es mir kaum vorstellen."
Israt N'Gaba lächelte matt.
"In kürze werden Sie es kennenlernen."
"Meinen Sie?" In seinen Worten klang etwas mit, das Israt irritierte. Ein Unterton, eine Andeutung. Etwas, das nicht genau zu bezeichnen war. Er begrüßt die Zukunft nicht, dachte Israt. Aber er weiß vermutlich, daß sie unvermeidbar ist und es im Moment keine Macht des Universums gibt, die das, was geschehen wird, aufhalten könnte. Und selbst er, der es geschafft hat, direkt am „Hebel der Verhinderung“ zu sitzen, wird alles nur verzögern, aber nicht wirklich aufhalten... Dafür werde ich sorgen. Warte es ab. Meine Zeit wird schon noch kommen, und ich werde den richtigen ZEITPUNKT KEINESWEGS VERPASSEN.
LeCarré hob die Augenbrauen.
"Für Sie ist die Zukunft beinahe schon Vergangenheit, nicht wahr, N'Gaba?"
Israt nickte. "Der GalaxyNet-Bereich wird sich sehr bald über die Rand-Föderation hinweg ausdehnen. Ein paar Jahre noch, vielleicht Jahrzehnte und niemand hier wird sich ein Leben ohne CyberSensor vorstellen können."
"Ich fürchte, Sie haben recht." LeCarré lächelte auf einmal geheimnisvoll und fügte hinzu, während sein Blick scheinbar in weite Ferne gerichtet war: „Was natürlich nicht heißen soll, daß Sie auch wirklich... recht haben!“
*
SIE BEFANDEN SICH IRGENDWO in einem der unzähligen saalartigen Räume von LeCarrés riesigem Haus.
Israt war erst seit 1,9 Standardeinheiten (das entsprach etwa einem tasnerianischen Tag) Gast des Ersten Repräsentanten und konnte daher noch keinesfalls erwarten, sich in diesem ausgedehnten Gebäude zurechtzufinden.
Gleich, als sie diesen Raum betreten hatten, waren Israt die verschiedenen Schwerter an den Wänden aufgefallen. Eigentlich schien ihm sein Gastgeber nicht der Typ des romantischen Sammlers archaischer Reliquien zu sein. Die Klingen blitzten und schienen aus hochwertigem, modernen Stahl zu sein; gerade so, als würden sie von ihrem Besitzer noch zu anderen als dekorativen Zwecken gebraucht. Aber das war natürlich absurd.
Ist LeCarré ein Nostalgie-Freak? ging es Israt durch den Kopf. Auf der Erde gibt es eine ganze Subkultur, deren Anhänger sich der Prä-Weltraum-Ära der Menschheit verschrieben haben und solche antiken Reliquien sammeln.
Aber hier - in der Rand-Föderation?
Israt war auch darüber überrascht.
"Sie haben mich nach Daten gefragt, N'Gaba...", fuhr der Erste Repräsentant jetzt fort.
"Das ist richtig. Bevor sich unsere Firma zu einer größeren Investition entschließt, werden im Allgemeinen die nötigen Daten eingeholt, um das Risiko auf ein Minimum zu senken."
LeCarré nickte verständnisvoll.
Er wandte seinem Gast den Rücken zu und verschränkte die Arme vor der Brust. "Die Sache ist nur die", sagte der Erste Repräsentant dann sehr langsam und akzentuiert, "daß ich Ihnen, selbst wenn ich es wollte, nicht unmittelbar helfen kann."
Israt runzelte die Stirn.
"Was soll das heißen?"
Er drohte tatsächlich, seine Selbstsicherheit und Gelassenheit zu verlieren. Rasch genug, um schlimmere Entgleisungen zu verhüten, gelang es ihm jedoch, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
Eigentlich darf mir so etwas nicht passieren, dachte er. Als Wirtschaftsmanager hatte er natürlich entsprechendes PsychoConditioning mitgemacht.
"Ich dachte", setzte er dann (inzwischen wieder wesentlich ruhiger) ein zweites Mal an, "Sie wären hier die maßgebliche Instanz, LeCarré. Etwa nicht?"
LeCarré wandte sich wieder zu ihm um und lächelte müde.
"Was heißt schon maßgeblich? Ich bin kein Alleinherrscher oder Diktator, das scheinen Sie zu vergessen: Bei uns gibt es eine Gewaltenteilung: Gerichtsbarkeit - Administration - Datenwesen. Sie verstehen?"
"Sicher."
"Es hat sich im Lauf unserer Geschichte als vernünftig erwiesen und als vorteilhaft für den einzelnen Bürger, diese drei Bereiche strikt voneinander zu trennen und die entsprechenden Verantwortlichkeiten in verschiedene Hände zu legen. Ich bin der Chef der Administration und kann ohne die Genehmigung des Obersten Datenkontrolleurs nichts herausgeben. Verstehen Sie das bitte nicht als Schikane gegen Sie. So ist es nun einmal, unser Gesetz, und an dieses bin auch ich gebunden, ob Ihnen oder mir das nun paßt oder nicht. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, daß dieses Gesetz sehr wohl seinen Sinn hat, denn mit den Computerdaten kann - wie Sie sicherlich auch zugeben werden - viel Unfug getrieben werden."
Israt seufzte.
Wieder fiel sein Blick auf die Schwerter an der Wand.
Waffen für barbarische Wilde...
Im Ganzen waren es fünf Klingen unterschiedlicher Länge und Schwere.
Das größte von ihnen war zweischneidig und ungebogen.
Der lange Griff deutete darauf hin, daß es sich um einen Beidhänder handelte.
"Interessieren Sie sich für Waffen, N'Gaba?" fragte LeCarré, der das aufkeimende Interesse seines Gesprächspartners bemerkt hatte.
"Oh... Nein, nicht besonders..."
"Und doch können Sie den Blick nicht von den Klingen wenden."
Israt hob die Augenbrauen.
"Warum hängen diese Mordwerkzeuge hier?"
LeCarré zeigte seinem Gast ein etwas verkrampft geratenes Grinsen. "Wo sollte ich sie sonst hin hängen? Ich habe so viele davon... Soll ich Ihnen eines herunternehmen?"
"Nein, danke. Sind das historische Stücke?"
"Nein, natürlich nicht. Sie sind zum Gebrauchen da, wozu sonst? Aber bleiben wir bei der Frage der Datenbeschaffung. Das Amt des Obersten Datenkontrolleurs hat zur Zeit Alana Susstu-Garlis inne. Sie ist zwar eine ausgesprochen charmante und liebenswürdige Person, aber durchaus keine Heilige."
"Was meinen Sie damit?"
"Daß man sie möglicherweise kaufen kann. Sie ist korrupt und zielstrebig. Vielleicht hat sie eine große Karriere vor sich. Ich werde Sie mit ihr zusammenbringen - bei Gelegenheit!"
"Bei Gelegenheit?"
"Ich verstehe durchaus, daß Sie ungeduldig sind, N'Gaba, aber bei uns verläuft die Zeit anders als bei Ihnen, auf den Inneren Planeten. Hier geht alles wesentlich langsamer und alles bedarf wohlüberlegter Vorbereitung. Wenn ich Sie mit Alana zusammenbringe, dann werde ich den Boden zu ihren Füßen bereits teilweise beackert haben, um eine Entscheidung in gewünschtem Sinne zu forcieren."
"Und Sie meinen, es gibt keine 'einwandfreie' Möglichkeit, an diese Frau heranzutreten?"
"'Einwandfrei'? Sie meinen, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen?"
"Ja, so kann man es auch ausdrücken."
LeCarré lächelte nachsichtig und schüttelte bedächtig den Kopf. "Natürlich können Sie diese Sache auch auf 'einwandfreie' Art und Weise erledigen. Sie können zu ihr hingehen und sie um die notwendigen Daten bitten. Und sie wird sie Ihnen sogar geben - geben müssen, denn sie ist verpflichtet dazu. Aber das, was Sie da bekamen würden, wäre nicht besonders viel - und nebenbei bemerkt auch nicht besonders brauchbar -‚ da unsere Datenschutzgesetze sehr streng sind. Ich denke zum Beispiel, daß sie auch Individualdaten, detaillierte Angaben zur Person haben wollen, nicht wahr?"
"Ja, selbstverständlich."
Man konnte einfach das Risiko nicht eingehen, ein Produkt zu machen, das niemand kaufte. Man mußte bereits im voraus wissen, wer es unter welchen Umständen abnehmen würde (was umfangreiches Datenmaterial über Vorlieben und Geschmack des Einzelnen erforderte). Auf diese Weise konnte man den potentiellen Kunden mit gezielten Werbemaßnahmen erreichen. Die Verschwendung, Werbekampagnen nach der Gießkannenmethode zu betreiben, gehörte der Vergangenheit an.
Das traf nicht nur auf das immer noch offiziell angebotene Terraforming zu, sondern auch für andere Dinge...
Israt unterdrückte ein Grinsen.
Aber es war sowieso noch viel zu früh, wirklich so etwas wie Zuversichtlichkeit zu empfinden. Vor allem, nachdem Carré ihm auf eine etwas umständliche, weil langatmige, Art klar gemacht hatte, wie schwierig es trotz allem noch werden würde – und immer noch dabei war:
"Das Verbot der Weitergabe solcher Daten zu kommerziellen Zwecken ist nur eine der vielen Einschränkungen, die uns das Gesetz in diesem Bereich auferlegt. Sie sehen also, Alana wird eine lohnende Investition für Sie sein - selbst wenn sie sehr unverschämt sein sollte."
Es gab keine Alternative zu dem, was der Erste Repräsentant gesagt hatte. Israt sah das ein.
"Sagen Sie, LeCarré", meinte Israt ein wenig später, "Sie helfen mir doch sicherlich auch nicht nur aus selbstlosen Motiven?"
Der Erste Repräsentant zuckte mit den Schultern und setzte einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf. "Ich glaube", sagte er, "daß das egoistische Motiv das einzig reale ist."
*
DIE STANDARDEINHEITEN vergingen, und Israt N'Gaba begann, sich an verschiedene Besonderheiten Tasners zu gewöhnen. Im übrigen gewann er zunehmend den Eindruck, daß Xa LeCarre, dessen persönlicher Gast er war, seine Ziele tatsächlich unterstützte. Auch wenn er doch überhaupt nicht wissen konnte, was seine eigentlichen Ziele überhaupt waren.
Oder ahnte er etwas?
Von Terraforming jedenfalls war schon lange keine Rede mehr.
Wie dem auch war: Falls LeCarré kein falsches Spiel trieb, wozu ganz offensichtlich jegliches Motiv fehlte, zumindest nach Einschätzung von Israt: Es war gut, einen derart wichtigen Mann auf der eigenen Seite zu wissen, auch wenn Israt dessen Gründe noch nicht durchschaute.
Bis jetzt hatte der Erste Repräsentant noch keine Forderungen gestellt, aber vielleicht kam das auch erst später. Möglicherweise war er an materiellen Reichtümern auch nur sekundär interessiert, da er sie im Überfluß besaß – nach Maßstäben der Äußeren Welten -, und es ging ihm in Wirklichkeit um etwas ganz anderes...
Es dauerte nicht sehr lange, bis er die Zeit nicht mehr nach Standardeinheiten, sondern nach den natürlichen Tagen Tasners maß, dem Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit (aufgrund der niedrigen Sternendichte und der Mondlosigkeit des Planeten fiel dieser wesentlich drastischer aus als im Inneren der Galaxis).
Tasner hatte ursprünglich keine atembare Atmosphäre gehabt. Die war erst nach einem künstlich eingeleiteten Terraforming-Prozeß entstanden - ebenso wie das Wasser, das außerdem nur recht spärlich vorhanden war: Über neunzig Prozent der Planetenoberfläche bestand aus Land. Es gab nur zwei größere Binnenseen, beide auf der Osthalbkugel gelegen. Um diese herum gruppierten sich die wenigen Städte des Planeten mit ihren zusammen nicht mehr als 1,2 Millionen Einwohnern.
Israt befand sich in Val-Duun, der Hauptstadt, dort, wo der Knotenpunkt der Macht auf Tasner lag.
Das Treiben auf den Straßen und am See-Ufer konnte man beim besten Willen nicht als hektisch beschreiben, alles schien mit einer eigentümlichen Ruhe und Gelassenheit erledigt zu werden.
Mit der Magnetbahn fuhr Israt einmal zum See, wo ihn ein breiter, künstlich angelegter weißer Sandstrand erwartete. Das Baden war allerdings (wie zahlreiche Hinweisschilder bekanntgaben) wegen der gefährlichen Raubfische, die nicht selten bis in die flachen Ufer-Regionen vordrangen, verboten.
Israt stand eine ganze Weile an diesem Strand, hörte dem Geflüster der leichten Wellen zu und schaute zu den schroffen Felsmassiven hinauf, die vor der Küste Val-Duuns aus dem Wasser ragten.
Es ist der Mensch gewesen, der diese Welt zu dem gemacht hat, was sie ist, dachte er.
Es war nicht Allah.
Manchmal schien es ihm so unerheblich zu sein, ob Allah existierte oder nicht. Doch ab und zu überkamen ihn auch Stimmungen ganz anderer Art.
Schuldgefühle waren das dann zumeist oder auch eine irrationale Angst vor dem Zorn seines Gottes.
Seltsamerweise vermochte es sein ansonsten aufgeklärtes Weltverständnis nicht, solche Dinge einfach wegzuwischen.
Erziehung, versuchte er sich dann zumeist zu sagen. Erziehung ist alles. Mein Vater und seine drei Frauen waren gläubige Moslems, sie haben mich erzogen und mein Inneres geformt. Und wie könnte es auch anders sein, als daß sie mir neben vielen anderen Dingen auch ihre Ängste als Erbschaft hinterlassen haben.
Aber wie immer auch seine Augenblicksstimmung war, er blieb doch stets in der Mitte zwischen Glauben und Unglauben. Das machte sein Leben natürlich nicht gerade einfacher, im Gegenteil.
Wenn ich mich nur für eine Seite entscheiden könnte, dachte er in diesem Moment (und zwar nicht das erste Mal). Egal für welche Seite, es hätte ihm vermutlich ein vermehrtes Gefühl innerer Einheit und Stabilität gegeben.
Aber das war nicht in Sicht. Es schien so, als sollte er sein Leben lang in diesem Zwiespalt leben müssen.
Der Strand war ziemlich menschenleer.
Wind kam auf.
Vielleicht würde es einen Wetterumschwung geben. Etwa dreihundert Meter von Israts gegenwärtiger Position entfernt lagen einige Boote an Land, an denen sich ein Mann zu schaffen machte.
Boote?
Vielleicht wurden sie vermietet, und es bestand eine Möglichkeit, hinauszufahren?
Israt blickte zu dem hochaufragenden, zackigen Felsmassiv vor der Stadt und verspürte plötzlich Lust dazu, eine Fahrt mit einem Boot zu machen.
Als er sich dem Mann und seinen Booten näherte, bemerkte er, daß es sich um primitive Segelboote aus Holz handelte, deren Rümpfe mit kunstvoller Ornamentierung versehen waren.
"Hallo", rief Israt. Aber der Mann kümmerte sich zunächst nicht um ihn.
"Sind das Ihre Boote?"
Wieder keinerlei Reaktion.
Erst jetzt blickte er von seiner Arbeit auf, verzog mißtrauisch das Gesicht und wandte sich dann vollends zu Israt um. "Was wollen Sie von mir?"
"Kann man so ein Boot mieten? Möglichst mit Bedienungsmannschaft..."
"Sie spinnen wohl, Mann!"
"Ich... Ich meine..."
Der Mann schüttelte den Kopf.
"Sie sind nicht von hier, oder? Entweder Sie sind nicht von hier oder Sie sind verrückt. Diese Boote hier haben rituelle Bedeutung. Die Raubfischjagd im Zrachismus. Noch nie davon gehört?"
"Nein."
"Die ersten Siedler von Tasner gehörten dem Zrach-Kult an. Das ist auch der Grund dafür, daß verschiedene Raubfischarten importiert und in den künstlich angelegten Seen ausgesetzt wurden. Zu bestimmten Festtagen veranstalteten die Zrachisten rituelle Jagden, die nur mit diesen besonderen Booten durchgeführt werden dürfen." Er zuckte mit den Schultern. "Wie das alles genau zusammenhängt und welche metaphysische Bedeutung die einzelnen Dinge haben, danach dürfen Sie mich nicht fragen. Ich bin Hindu. Mein Job ist lediglich, diese Nußschalen hier in Ordnung zu halten."
Hindu?
Zrach-Kult?
Und wieso hatte er bisher noch nie was davon gehört – wenn es sich um einen Kult handelte, der doch offensichtlich eine gewisse Bedeutung auf diesem Planeten hatte?
*
LECARRÉ WAR EIN GROSSZÜGIGER Gastgeber, Israt N'Gaba konnte sich keineswegs beklagen.
Zunächst hatte Israt geglaubt, diese Generosität beruhe einfach auf gemeinsamen ökonomischen Interessen: Wiederholt hatte der Erste Repräsentant sich dahingehend geäußert, daß ihm außerordentlich viel an der weiteren Erschließung Tasners liege. Die Saretto-Yilmaz-Gerland-Company sei ein erwünschter Handelspartner und Investor, und im übrigen hoffe man, daß andere Firmen von den Inneren Planeten ihrem Beispiel folgten.
Aber dann kamen Israt Zweifel: Er bemerkte, daß LeCarré noch eine ganze Reihe anderer Gäste beherbergte; darunter Leute, die mit Sicherheit von weit geringerer Bedeutung waren als ein Vertreter von Saretto-Yilmaz-Gerland.
Einige von ihnen machten auf Israt sogar eher den Eindruck von Schmarotzern. Manche schienen ganz einfach etwas verrückt zu sein, und es war nicht leicht zu sagen, in welcher Beziehung sie jeweils zu LeCarré standen; insbesondere deshalb, weil sie alle miteinander meistens sich selbst überlassen waren, da der Erste Repräsentant seinen Pflichten nachzugehen hatte.
Vielleicht war es eine Art Hobby dieses Mannes, interessante und merkwürdige Leute um sich zu scharen?
Er schien sie regelrecht zu sammeln, so wie andere eine Kollektion von Souvenirs anlegten.
In einem der unzähligen Salons traf Israt dann einmal mit einem dieser Gäste zusammen und geriet in ein Gespräch. Er hieß Ming Yaobang und war Chinese. Er war privat hier.
Aus purem Vergnügen, wie er sagte. Israt konnte nur den Kopf schütteln.
"Was gibt es hier draußen am Rand schon zu sehen, das man nicht auch anderswo sehen könnte?"
"Ich gebe zu, Centropoli auf Centrum ist nicht gerade etwas Besonderes. Aber der Himmel auf Am-Abgrund: So etwas lohnt schon eine Reise."
Israt war nie auf Am-Abgrund gewesen, hatte aber davon gehört. Dennoch...
"Und was finden Sie so attraktiv an Tasner?"
Ming Yaobang lächelte.
"Das Festival."
"Das Festival?"
Ming nickte.
"Genau das. Sie haben davon gehört?"
"Ich habe jemanden es erwähnen hören“, log Israt, „aber keinerlei Vorstellung davon, worum es sich handelt."
"Es findet im Rhythmus von tausend Tasner-Tagen statt und dauert jeweils eine Woche. Ich habe bereits drei dieser Festivals... erlebt."
Er sprach das letzte Wort erst nach einem merkwürdigen Zögern aus, gerade so, als hätte er nach einem besseren Wort gesucht, es aber nicht gefunden.
Ein seltsames Leuchten erfüllte Mings Augen, als er begann, vom Festival zu reden.
Er sagte etwas von lizensierter Tötung und Vergewaltigung, von Mord, Blut und Schwertern, aber er erzählte es so, daß Israt die Zusammenhänge nicht begreifen konnte.
Der Kerl ist verrückt, dachte Israt als erstes. Er mußte einfach verrückt sein.
Dann erinnerte er sich der Schwerter seines Gastgebers, die ganz offensichtlich in einem Zusammenhang mit den Vorgängen während der Festivalszeit standen.
"Sie müssen das Festival einfach erleben, Mann. Sonst können Sie unmöglich verstehen, was ich Ihnen gesagt habe. Sie müssen die Faszination selbst spüren; niemand sonst könnte sie ihnen vermitteln: Glauben sie mir!"
In Israts Gesichtszüge mischte sich Skepsis mit Ablehnung.
"Sie glauben, daß ich verrückt bin, N'Gaba, nicht wahr?"
Israt nickte.
"Ja."
Ming Yaobang seufzte, faßte sich mit der Linken an die Stirn und schüttelte leicht den Kopf.
"Ich kann verstehen, daß sie so denken müssen, N'Gaba. Ich kann das verstehen. Aber Sie werden auch mich verstehen, wenn Sie das Festival erlebt haben."
*
MIT DER MAGNETBAHN unternahm Israt in der Folgezeit mehrere Exkursionen zu anderen Städten Tasners, mußte jedoch feststellen, daß sie sich kaum von Val-Duun unterschieden, außer in der Größe.
Ein langweiliger Planet, ohne besonderen landschaftlichen Reiz, ohne irgendwelche Attraktionen, wie es schien.
Ein Planet eben, dessen Terraforming nie ganz abeschlossen worden war.
Von allgemein zugänglichen Datenspeichern zur Geschichte Tasners und der Föderation hatte er erfahren, daß die Unternehmen, die mit dem Terraforming dieses Planeten beschäftigt gewesen waren, von den Inneren Planeten gekommen waren.
Der technische Rückstand der Randwelten war auch auf diesem Gebiet bis heute sichtbar geblieben.
Jedenfalls war dann jenes Ereignis eingetreten, das den Rand für lange Zeit in eine fast vollkommene Isolation führen sollte.
Mehrere Rand-Kolonien der Inneren Planeten hatten sich einseitig für unabhängig erklärt, worauf die davongejagten Besitzer mit einem erbarmungslosen Wirtschaftskrieg und einer Blockade geantwortet hatten.