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Der antike römische Philosoph Seneca war ein freier, unabhängiger Geist. Seine Schriften sind klar formuliert und noch dem heutigen Leser unmittelbar verständlich. Sein humanitär grundiertes Denken kreist um die Kunst der Lebensführung, die zu Seelenruhe und innerer Freiheit führt. Dieser Band dokumentiert Senecas Werk in all seinen Facetten. Er umfasst Schriften wie ‘Von der Seelenruhe’, ‘Vom glücklichen Leben’, ‘Von der Muße’, ‘Von der Kürze des Lebens’, ‘Über die Milde’, ‘Über den Zorn’ sowie sein Hauptwerk, die ‘Moralischen Briefe an Lucilius’.
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Seitenzahl: 1081
Seneca
Gesammelte Werke
Sämtliche Texte dieses Bandes sind der Ausgabe Seneca: Philosophische Schriften I–IV.Leipzig: Meiner 1923 entnommen. Die Auswahl aus den »Moralischen Briefen an Lucilius« übernahm Kim Landgraf, Köln. Orthografie und Interpunktion wurden unter Wahrung von Lautstand und grammatischen Eigenheiten den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2014 Anaconda Verlag GmbH, KölnAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv: Seneca-Porträt, Kupferstich von Lucas Vorsterman (1595–1675)nach dem Gemälde (um 1614/15) von Peter Paul Rubens (1577–1640) nach antiker Büste,Foto: akg-imagesUmschlaggestaltung: www.katjaholst.deISBN 978-3-7306-0175-4E-Book ISBN [email protected]
Von der göttlichen Vorsehung
Drei Bücher vom Zorn
Trostschrift an Marcia
Vom glücklichen Leben
Von der Muße
Von der Gemütsruhe
Von der Kürze des Lebens
Trostschrift an Helvia
Aus den Moralischen Briefen an Lucilius
1. Wie kommt es, dass, wenn eine Vorsehung die Welt lenkt, den rechtschaffenen Menschen doch so viel Unheil widerfährt? So lautet die Frage, die du, mein Lucilius, mir vorgelegt hast. Das ließe sich allerdings bequemer im Verfolg eines größeren Werkes abhandeln, wo bewiesen würde, dass eine Vorsehung über dem Weltall walte und dass Gott seine Hand über uns halte. Doch hier gilt es, von dem Ganzen einen kleinen Teil abzuzweigen und sich mit einem einzelnen Einwurf abzufinden, ohne auf die Sache als Ganzes mich einzulassen. So kann ich es mir denn leicht machen, indem ich als Anwalt der Götter auftrete.
Es erübrigt sich für den vorliegenden Zweck, darzutun, dass dieser gewaltige Weltenbau nicht bestehen könne ohne irgendeinen Hüter und dass dieses Sternenheer mit seinen mannigfachen Bahnen nicht Wirkung eines zufälligen Anstoßes sei, und dass anderseits, was der Zufall in Bewegung setzt, häufigen Störungen ausgesetzt sei und leicht anstoße, während dieser in ungestörter Schnelligkeit sich vollziehende Sternenlauf, der so große Massen von Erde und Meer, so viele hellstrahlende und nach fester Ordnung leuchtende Lichter mit sich führt, sich nur unter dem Machtgebot eines ewigen Gesetzes vollziehen kann. Diese Ordnung ist unvereinbar mit dem Wesen einer unstet umherirrenden Materie, und was sich nur blindlings zusammengefunden hat, kann unmöglich in so künstlicher Lage bleiben, dass die gewaltige Last der Erde in unbeweglicher Ruhe verharre als Zuschauer der raschen Flucht des sich um sie herumdrehenden Himmels, oder dass die in die Niederungen eingedrungenen Meere den Boden aufweichen, ohne ein Anschwellen durch die Flüsse erkennen zu lassen, oder dass aus winzigen Körnern das Größte erwächst. Selbst das, was ohne Ordnung und sichere Regel vor sich zu gehen scheint, nämlich Regengüsse, Gewölk, das Zucken geschleuderter Blitze, die aus geborstenen Bergesgipfeln sich ergießenden Feuermassen, das Erbeben des wankenden Erdbodens und was sonst noch an Aufruhrerscheinungen auf dem Erdenrund sich zeigt, vollzieht sich nicht regellos trotz seiner Plötzlichkeit; vielmehr hat auch dies seine Gründe nicht weniger als die Wunderdinge, die man an fernen Orten bemerkt hat, als da sind warme Quellen inmitten der Fluten sowie geräumige neue Inseln, die aus dem weiten Meere emporsteigen. Beobachtet man ferner, wie das Gestade entblößt wird, wenn das Meer sich in sich selbst zurückzieht, und wie es nach kurzer Zeit wieder von der Flut bedeckt wird, soll man dann glauben, es sei eine blindlings wirkende Strömung, durch welche die Wogen bald zusammengezogen und in sich selbst zusammengedrängt werden, bald wieder hervorbrechen und in mächtigem Andrang sich wieder über ihren alten Platz ergießen, während sie doch in bestimmtem Maße anschwellen und pünktlich nach Stunde und Tag sich vergrößern und vermindern, je nach dem bestimmenden Einfluss des Mondes, der den Fluten des Ozeans ihr Gesetz vorschreibt? Das wird alles erst seiner Zeit zur Sprache kommen und dies umso mehr, weil du an der Vorsehung nicht zweifelst, sondern dich nur über sie beschwerst. Ich will dich mit den Göttern versöhnen, die es mit den Besten auch immer am besten meinen. Denn es wäre wider die Natur, dass je dem Guten das Gute schade. Zwischen guten Menschen und Göttern besteht Freundschaft, und was sie vermittelt, ist die Tugend. Und etwa bloß Freundschaft? Nein, auch Verwandtschaft und Ähnlichkeit; denn der Gute ist nur in Beziehung auf die zeitliche Dauer von Gott verschieden, sein Schüler und Nacheiferer und wahrhaftiger Abkömmling, den jener hochherrliche Vater, kein lauer Wächter der Tugend, nach Art gestrenger Väter nicht ohne Härte aufzieht. Bemerkst du also, dass gute und den Göttern wohlgefällige Menschen sich abmühen, sich plagen und mühsam emporklimmen, während schlechte in Schwelgerei und Wollust ihr Leben dahinbringen, so bedenke: Auch wir finden Gefallen an dem bescheidenen Auftreten unserer eigenen Söhne, während wir an dem Mutwillen jugendlicher Sklaven nichts auszusetzen haben; jene werden durch strengere Zucht in Schranken gehalten, diese in ihrer Keckheit bestärkt. Ebenso sollst du von der Gottheit denken: Den guten Menschen verhätschelt sie nicht, sie lässt ihn harte Proben durchmachen und gestaltet ihn nach ihrem Muster.
2. »Warum begegnen den Guten viele Widerwärtigkeiten?« Dem Guten kann nichts Böses widerfahren: Was einander entgegengesetzt ist, verschmilzt nicht zur Einheit. Wie die Menge der Ströme, wie die Masse des vom Himmel fallenden Regens, wie die starke Kraft der Heilquellen den Geschmack des Meerwassers nicht ändert, nicht einmal mildert, so bricht sich der Ansturm von Widerwärtigkeiten an der Sinnesart eines tapferen Mannes. Er, der Tapfere, verharrt in seiner Haltung und lässt kein Ereignis an sich herantreten, das nicht seine Farbe annehmen müsste; ist er doch mächtiger als alles, was von außen kommt. Das soll nicht heißen: Er fühlt es nicht, wohl aber: Er überwindet es und bietet, sonst ruhig und gelassen, dem, was über ihn hereinbricht, mannhaft Trotz. Alle Widerwärtigkeiten sind in seinen Augen nichts als Kraftproben. Wer aber, wenn er überhaupt ein Mann und für Ehre empfänglich ist. sehnte sich nicht nach würdiger Anstrengung und nach Erfüllung gefahrvoller Aufgaben? Ist nicht für jeden Tatenfrohen das Nichtstun eine Strafe? Man blicke doch um sich: Athleten, denen es Ernst ist mit der Steigerung ihrer Kräfte, schlagen sich am liebsten immer mit den Tapfersten und verlangen von denen, durch die sie sich zum Wettkampf einüben lassen, dass sie ihre volle Kraft gegen sie selbst einsetzen; sie lassen sich Wunden und Drangsale gefallen, und wenn sich nicht Gegner finden, die einzeln ihnen gewachsen sind, so nehmen sie den Kampf zugleich mit mehreren auf. Es erschlafft die Tapferkeit ohne Gegner; erst dann tritt ihre Größe und ihre Kraft hervor, wenn sie durch geduldiges Beharren ihre Stärke bezeugt. Lass dir gesagt sein: Ebenso müssen sich die Guten verhalten: Sie dürfen das Harte und Schwere nicht scheuen und dürfen sich nicht über das Schicksal beklagen; was auch kommen mag, sie müssen sich darein schicken, müssen es zum Guten auslegen. Nicht was, sondern wie man es erträgt, darauf kommt es an. Gewahrst du nicht den großen Unterschied in Sachen der Nachsicht zwischen Vätern und Müttern? Jene wollen ihre Kinder frühzeitig zu ernster Arbeit angetrieben sehen, lassen sie auch an Feiertagen nicht müßig gehen, ersparen ihnen keinen Schweiß, ja zwingen sie mitunter sogar zu Tränen. Dagegen wollen die Mütter sie im Schoße hegen, sie im Schatten halten, wollen sie niemals betrübt, niemals weinend, niemals bei strenger Arbeit sehen. Gottes Gesinnung gegen die Guten ist von der väterlichen Art, seine Liebe zeugt von Tapferkeit. »Sie müssen sich«, so spricht er, »in Atem erhalten durch werktätige Anstrengung, durch Schmerzen und Verluste, um wahre Kraft zu gewinnen.« Was in trägem Behagen aufgefüttert worden ist, das erweist sich als unzulänglich nicht nur für jede Arbeit, sondern auch für die Bewegung, und zwar durch seine eigene Last. Unangefochtenes Glück hält keinen Schlag aus. Aber wer in beständigem Kampfe mit Widerwärtigkeiten liegt, der bekommt durch die Unbilden eine harte Haut, er weicht keinem Unglück, und ist er auch zu Boden gefallen, so kämpft er noch auf den Knien. Du wunderst dich, dass Gott, der für alle Guten die höchste Liebe hegt und sie so trefflich und so hervorragend wie möglich zu sehen wünscht, ihnen ein Schicksal auferlegt, mit dem sie hart zu ringen haben. Ich aber wundere mich nicht, wenn die Götter zuweilen sich veranlasst fühlen, große Männer im Kampfe mit irgendwelchem Missgeschick zu sehen. Uns macht es zuweilen Vergnügen, wenn ein herzhafter Jüngling ein auf ihn losstürzendes Tier mit seinem Jagdspieße auffängt, wenn er, ohne seine Fassung zu verlieren, dem Ansturm eines Löwen standhält, und das Schauspiel ist umso erfreulicher, je edler derjenige ist, der es uns bietet. Das sind keine Dinge, die der Götter Blicke auf sich ziehen könnten: Es ist Kinderspiel in ihren Augen und Kurzweil menschlichen Leichtsinns. Dagegen ein anderes Schauspiel, würdig, den Blick des ernst über seinem Werke wachenden Gottes auf sich zu lenken: Schaue ein Kampfespaar, würdig des Gottes: einen tapferen Mann im Kampfe mit einem widrigen Schicksale, zumal wenn er es selbst herausgefordert hat. Ich wiederhole es: Ich wüsste nicht, welches schönere Schauspiel Jupiter auf der Erde haben könnte, wenn anders er darauf achten mag, als einen Cato zu sehen, wie er nach dem Sturze seiner mehrfach geschlagenen Partei gleichwohl aufrechten Hauptes dasteht inmitten des allgemeinen Ruins. »Mag auch«, so spricht er, »alles der Gewalt des Einen anheimgefallen sein, mögen die Länder von Legionen, die Meere von Flotten bewacht sein, mag Caesars Soldateska die Tore verrammeln, gleichviel: Cato findet doch seinen Ausweg; eine Hand wird genügen, der Freiheit eine weite Gasse zu machen. Dies Schwert, auch im Bürgerkriege rein und schuldlos erhalten, wird endlich einen guten und herrlichen Dienst leisten: Die Freiheit, die es dem Vaterlande nicht schaffen konnte, wird es dem Cato verleihen. Zage nicht, mein Herz, mache dich an das lange bedachte Werk, wirf die menschlichen Dinge von dir! Schon haben Petrejus uud Juba miteinander wetteifernd den gegenseitigen Tod gesucht und gefunden, einer von des anderen Hand tödlich getroffen. Eine tapfere und preiswürdige Todesgemeinschaft, die aber unserer Größe nicht entspricht. Für einen Cato ist es ebenso schimpflich, von einem anderen den Tod zu erbitten als das Leben.« – Kein Zweifel: Die Götter haben mit hoher Freude dreingeschaut, wie dieser Mann, sein eigener entschlossenster Rächer, noch Sorge trägt für die Rettung anderer und Anordnungen trifft für die Flucht der Geschlagenen, wie er bis tief in die Nacht hinein seinen Wissensdrang durch Lektüre befriedigt, wie er sein Schwert in die unentweihte Brust stößt, wie er seine Eingeweide herausreißt und seiner erhabenen Seele, die es nicht verdiente, mit dem Schwert in Berührung zu kommen, mit der eigenen Hand zur Freiheit verhilft. Daraus erklärt sich wohl auch die Tatsache, dass der verwundende Stoß sein Ziel nicht sicher erreichte: Die Götter wollten den Cato nicht bloß einmal sehen. Seine Seelengröße musste noch länger auf Erden verweilen und ward zurückgehalten, um sich in noch schwierigerer Lage zu bewähren. Denn der einmalige Todesentschluss fordert nicht so hohen Mut wie die Wiederholung desselben. Warum sollten die Götter sich nicht des Anblickes erfreuen, wie ihr Zögling auf eine so herrliche und denkwürdige Weise abtritt? Der Tod gibt denen die volle Weihe, deren Ende auch diejenigen preisen, die es fürchten.
3. Doch will ich nun im weiteren Verlauf meiner Darstellung zeigen, wie unzutreffend die Vorstellung ist, dass, was ein Übel scheint, es auch wirklich ist. Zunächst behaupte ich, dass das, was du als hart, als widerwärtig und abscheulich bezeichnest, erstens nur zum Besten derer diene, die davon betroffen werden, sodann zum Besten der Gesamtheit, deren Wohl den Göttern mehr am Herzen liegt als das des Einzelnen, ferner, dass es in Einklang mit ihrem Willen geschehe und dass sie das Unglück verdienen, wenn das nicht der Fall ist. Dem soll dann der Nachweis folgen, dass dieser Lauf der Dinge ein Werk des Schicksals sei und sich für die Guten nach genau demselben Gesetze vollziehe, nach welchem sie selbst gut sind. Endlich werde ich dir klarmachen, dass du niemals einen tugendhaften Mann bemitleiden darfst, denn wohl kann er unglücklich genannt werden, aber sein kann er es nicht.
Von allen genannten Punkten scheint der schwierigste der erstgenannte zu sein, nämlich, dass das Gefürchtete und Beängstigende denen, welchen es zustößt, selbst zum Besten diene. »Zu ihrem Besten soll es dienen, erwiderst du, in die Verbannung gestoßen zu werden, Weib und Kind zu Grabe zu tragen, Schande und Schaden über sich ergehen zu lassen?« Wenn du dich wunderst, dass dies einem zum Besten dienen soll, dann müsstest du dich auch wundern, dass so manche durch Wasser und Feuer geheilt werden und nicht minder durch Hunger und Durst. Bedenkst du aber, dass zum Zwecke der Heilung Knochen vom Fleische abgelöst und herausgenommen, Adern hervorgezogen und manche Glieder abgenommen werden, deren Verbleiben an ihrem Platze das unausbleibliche Verderben des ganzen Körpers zur Folge gehabt hätte, so wirst du dir auch den Nachweis gefallen lassen, dass manches Ungemach zum Besten derer dient, die es trifft: Das genaue Gegenspiel zu der Tatsache, dass manches, was man preist und leidenschaftlich begehrt, denen zum Nachteil gereicht, die daran ihr Wohlgefallen gefunden haben; man denke nur an das Nächstliegende, an Überladung des Magens und Trunkenheit, die durch die Lustbegier tödlich wirken. Zu den vielen vortrefflichen Aussprüchen unseres Demetrius gehört der folgende, der mir noch frisch im Gedächtnis ist; noch klingt er und rauscht er mir in den Ohren. »Nichts«, sagte er, »kommt mir unglücklicher vor als ein Mensch, dem nie etwas Widerwärtiges begegnet ist.« Denn er hat keine Gelegenheit gehabt, sich selbst auf die Probe zu stellen. Mag ihm auch alles nach Wunsche gegangen, ja seinem Wunsche vorausgeeilt sein, das Urteil der Götter über ihn war doch kein günstiges: Er schien ihnen nicht würdig, aus einem Kampfe mit dem Schicksal dereinst als Sieger hervorzugehen. Das Schicksal weicht gerade den größten Memmen aus, als spräche es: »Was soll mir dieser als Gegner taugen? Er wird alsbald die Waffen strecken; gegen ihn bedarf es nicht meiner vollen Macht; eine leichte Drohung wird ihn zurückscheuchen; er kann meinen Blick nicht aushalten. Nach einem anderen muss ich mich umschauen, mit dem ich mich auf einen Kampf einlassen kann; es wäre schamlos, mich mit einem Menschen zu messen, der die Niederlage selbstverständlich findet.« Der Gladiator sieht es als eine Schmach an, mit einem Schwächeren sich zu messen; er weiß, dass es kein Ruhm ist, den zu besiegen, der ohne Gefahr zu besiegen ist. Ebenso hält es das Schicksal: Es sucht sich die Tapfersten heraus, die ihm gewachsen sind; an manchen geht es verächtlich vorüber. Gerade den Trotzigsten und in stolzester Haltung Dastehenden greift es an, um seine Kraft gegen ihn anzustrengen: Mit Feuer probiert es seine Kraft an Mucius, mit Armut an Fabricius, mit Verbannung an Rutilius, mit Folterqualen an Regulus, mit Gift an Sokrates, mit dem Tode an Cato. Ein erhabenes Beispiel ist nur möglich als Folge eines bösen Schicksals.
Ist Mucius etwa unglücklich, weil seine Rechte in das Feuer der Feinde greift und sich selbst für seinen Irrtum bestraft? Dass er den König, den er mit bewaffneter Hand nicht in die Flucht schlagen konnte, mit der verbrannten forttreibt? Wie? Wäre er etwa glücklicher, wenn er die Hand am Busen einer Geliebten wärmte?
Ist Fabricius etwa unglücklich, weil er, soweit er von Staatsgeschäften frei war, sein Ackerland bestellt? Dass er Krieg führt so gut gegen Pyrrhus wie gegen den Reichtum? Dass er vom eigenen Herde eben die Wurzeln und Kräuter verzehrt, die er dem Boden durch eigene Arbeit abgewonnen hat, er, der greise Triumphator? Wie? Wäre er etwa glücklicher, wenn er seinem Bauche Fische von fernen Küsten her oder ausländisches Geflügel zuführte, wenn er mit Austern aus dem adriatischen und tyrrhenischen Meer der Trägheit seines überladenen und übelgestimmten Magens wieder aufhülfe, wenn er das ausgesuchteste Wildbret, die blutreiche Beute der Jäger mit einem mächtigen Obstkranze umrahmte?
Ist Rutilius unglücklich, weil diejenigen, die ihn verurteilt haben, sich der Verantwortung vor allen Jahrhunderten ausgesetzt sehen? Weil er mit größerem Gleichmut den Verzicht auf das Vaterland über sich ergehen ließ, als die Rückkehr aus dem Exil? Dass er der Einzige war, der es wagte, dem Sulla ein Nein entgegenzusetzen und, als er zurückgerufen ward, nahe daran war, seine Flucht noch fortzusetzen und sich noch weiter zu entfernen? »Da magst du«, sagt er, »deine Zuschauer finden an denen, die dein Glück mit dir teilen. Mögen sie die Blutströme schauen auf dem Forum, und am Servilianischen See – das ist ja die Mördergrube für Sullas Geächtete – die Häupter der Senatoren und die Mörderbanden, die die Stadt durchstreifen, und die vielen Tausende römischer Bürger, die auf dem einen Platze hingeschlachtet wurden nach empfangener Sicherheitsbürgschaft, nein, vielmehr gerade aufgrund derselben: Mögen dem die zuschauen, die es nicht über sich bringen, im Exil zu leben.« Wie? Ist also Sulla glücklich, weil ihm, wenn er sich nach dem Forum begibt, mit dem Schwerte Platz gemacht wird, dass er die Köpfe der hingerichteten Konsulare öffentlich ausstellen uud den Mörderlohn durch den Quästor und die Staatskasse zahlen lässt? Und das alles tut der Mann, der das Cornelische Gesetz gab!
Nun mag Regulus an die Reihe kommen. Was hat ihm das Schicksal geschadet, dass es ihn zu einem Muster von Treue, zu einem Muster von Geduld gemacht hat? Nägel durchbohren ihm die Haut, und wo er auch für seinen erschöpften Leib eine Lagerstätte sucht, immer kommt er auf eine Wunde zu liegen, nie senken sich seine Augenlider zum Schlafe: Je größer die Qual, umso größer der Ruhm, dessen er teilhaftig werden wird. Willst du wissen, wie wenig es ihn reue, den Preis der Tugend so hoch veranschlagt zu haben? Gib ihm das Leben zurück und schicke ihn in den Senat: Er wird nicht anders stimmen.
Du hältst also den Mäcenas für glücklicher, der von Liebesqualen gepeinigt und in Tränen sich verzehrend über die tägliche Sprödigkeit seiner eigensinnigen Gattin durch die sanften Melodien der aus der Ferne erklingenden Musik den Schlaf sucht? Mag er sich durch stärksten Wein betäuben, mag er durch das Rauschen von Wasserfällen den Geist ablenken, mag der durch den Trug von tausend Lustbarkeiten seine geängstete Seele täuschen: Er bleibt auf seinem Flaumlager ebenso wachend wie jener auf seiner Marterbank. Aber jener hat den Trost, dass es die Ehre ist, für die er Hartes erduldet, und er blickt von dem Leiden zurück auf die Ursache, während dieser, durch Wollust erschlafft und an dem Übermaß von Glück leidend, mehr gequält wird durch das, was er duldet, als durch die Ursache seines Leidens. Noch haben die Laster nicht dermaßen die Oberhand bekommen über das Menschengeschlecht, dass es zweifelhaft wäre, ob nicht, wenn der Mensch sein Schicksal selbst wählen dürfte, er in der Regel lieber zu einem Regulus als zu einem Mäcenas geboren sein möchte. Sollte sich aber einer finden, der sich nicht entblödete zu sagen, er hätte es vorgezogen, als Mäcenas und nicht als Regulus geboren zu werden, so hat er, mag er es auch nicht aussprechen, es doch zugleich vorgezogen, als eine Terentia geboren zu werden.
Meinest du, es sei dem Sokrates schlecht ergangen, weil er jenen Giftbecher, zu dem ihn der Staat verurteilt hatte, gerade so austrank, als wäre es eine Arznei für die Unsterblichkeit, und vom Tode sprach, bis dieser selbst eintrat? Ist es ihm übel ergangen, dass sein Blut erstarrte und das Pulsieren der Adern durch die eintretende Kälte allmählich zum Stillstand kam? Wie viel mehr ist er zu beneiden als jene Schlemmer, denen mit Gefäßen aus Edelstein aufgewartet wird, denen ein elender, sich zu jeglicher Gefälligkeit hergebender Lotterbube von ausgemachter Impotenz oder zweifelhafter Mannheit den auf goldener Schüssel präsentierten Schnee zerrinnen lässt. Was sie trinken, das geben diese Kumpane durch Erbrechen zu ihrem Leidwesen wieder von sich, wobei sie ihre eigene Galle zu kosten bekommen. Dagegen wird jener freudig und gern seinen Giftbecher leeren.
Was den Cato anlangt, so genügt das Gesagte. Die Menschheit wird ihm immer das Zeugnis ausstellen, dass ihm das höchste Glück widerfahren sei.
Ihn hat die Natur auserwählt, um als furchtbare Gegnerin ihn im Kampfe zu erproben. »Mit der Feindschaft der Großen (so spricht die Natur) hat es nicht wenig auf sich: So stelle er sich denn dem Pompejus, Caesar und Crassus zu gleicher Zeit entgegen. Es will etwas heißen, sich hinter schlechtere Menschen an Ehre zurückgestellt zu sehen: So trete er denn hinter einen Vatinius zurück. Es ist nichts Geringes, an Bürgerkriegen teilzunehmen: So mag er denn auf dem ganzen Erdenrund für die gute Sache so unglücklich wie beharrlich kämpfen. Es ist keine Kleinigkeit, Hand an sich zu legen: Mag er es denn tun. Was will ich damit erreichen? Es soll jedermann wissen, dass das kein Übel sei, dessen ich einen Cato würdig erachtete.«
4. Glückskinder zu sein können sich auch Massen- und Alltagsmenschen rühmen: Aber schweres Unheil und Schrecknisse, die über die Menschen hereinbrechen, in ihre Schranken zurückzuweisen, das ist das Vorrecht großer Männer. Immer glücklich zu sein und ohne jede Gemütstrübung das Leben zu durchwandern, heißt nur die eine Seite der Natur kennen. Du giltst als großer Mann. Aber woher weiß ich das, wenn dir das Schicksal nicht Gelegenheit gibt, deine Tugend zu bewahren? Du hast dich nach Olympia zu den Spielern begeben, aber außer dir niemand. So hast du den Kranz, den Sieg hast du nicht. Ich wünsche dir dazu nicht Glück als einem Helden, sondern wie einem, dem das Konsulat oder die Prätur zugefallen ist: Du bist um eine Ehre reicher geworden. In gleichem Sinne könnte ich auch wohl zu einem ehrenwerten Mann sagen, wenn ihm kein schwierigerer Fall die unbedingt nötige Gelegenheit bot, die Kraft seines Charakters zu zeigen: »Ich erkläre dich für unglücklich, weil du niemals unglücklich geworden bist. Du bist durchs Leben gegangen, ohne einen Gegner zu haben; niemand kann wissen, was du vermagst, nicht einmal du selbst.« Denn zur Kenntnis seiner selbst ist Erprobung unerlässlich. Was man vermag, kann man nicht anders erkunden als durch eigenen Versuch. Daher haben manche, denen das Unglück nicht nahen wollte, es selbst aus freien Stücken aufgesucht und ihrer Tugend, die im Dunkel zu verschwinden drohte, Gelegenheit verschafft, sich zur Anerkennung zu bringen. Es freuen sich, behaupte ich, zuweilen große Männer über eintretendes Unglück, ganz ähnlich wie Soldaten über den Krieg. Den Gladiator Triumphus hörte ich unter dem Kaiser Tiberius Klage führen über den Mangel an öffentlichen Schaustellungen: »Wie schade«, sagte er, »um die schöne Zeit.« Die Tugend sehnt sich nach Gefahr und denkt an ihr Ziel, nicht an das, was sie zu leiden haben wird; denn auch das, was sie dulden wird, ist ein Teil ihres Ruhmes. Kriegsmännner rühmen sich ihrer Wunden; froh über den glücklichen Erfolg, weisen sie auf die blutenden Stellen hin; wer unversehrt aus der Schlacht zurückkehrt, mag das Gleiche geleistet haben: Gleichwohl zieht der die Augen mehr auf sich, der verwundet heimkehrt. Gerade dann, behaupte ich, sorgt die Gottheit für die, die sie am meisten geehrt zu sehen wünscht, wenn sie ihnen Gelegenheit bietet zu mutigen und tapferen Taten. Dazu bedarf es irgendwelcher schwierigen Lage: Den Steuermann lernst du im Sturm, den Krieger in der Schlacht erkennen. Woher sollte ich wissen, wie viel Widerstandskraft du gegen die Armut hast, wenn du vor Reichtum nicht weißt, wohin damit? Woher sollte ich wissen, welche Beharrungskraft du hast gegen Schmach, Verleumdung und Volkshass, wenn du bis ins Alter hierin nichts als Beifall genießest, wenn dich unverwüstbare Gunst begleitet, die aus tiefer Neigung der Herzen dir zuströmt? Woher weiß ich, mit welchem Gleichmut du den Verlust von Kindern ertragen wirst, wenn du die Deinigen noch alle um dich siehst? Ich habe dich andere trösten hören; aber zu augenscheinlicher Erkenntnis wäre ich erst dann gekommen, wenn du dich selbst getröstet, wenn du selbst deinem Schmerze Schweigen geboten hättest. Um des Himmels willen, zittert doch nicht vor dem, was die unsterblichen Götter gleichsam als Sporn für euer Herz euch zuführen! Das Missgeschick ist die Schule der Tugend. Diejenigen kann man mit Recht unglücklich nennen, die durch des Glückes Überfülle in Schlaffheit verfallen, die wie auf regungslosem Meere träge Ruhe gefesselt hält. Was über sie hereinbricht, wird ihnen ein ungewohnter Schrecken sein. Wer keine Erfahrung hat, der fühlt sich durch Schicksalsschläge härter getroffen; für den noch zarten Nacken ist das Joch eine drückende Last. Der bloße Gedanke an eine Wunde lässt den jungen Soldaten erblassen: Ohne die Miene zu verziehen, schaut der alte Kriegsmann auf sein fließendes Blut; weiß er doch, dass der Blutverlust häufig den Sieg zur Folge hatte. Die also, denen sie wohl will, die sie liebt, härtet die Gottheit ab, prüft sie, übt sie; diejenigen dagegen, denen sie scheinbar Gunst und Schonung gewährt, spart sie als Weichlinge für kommendes Unglück auf. Denn ihr irrt, wenn ihr an irgendwelche Ausnahme glaubt. Auch jener, der so lange glücklich war, wird sein Teil erhalten. Die scheinbare Freilassung ist nur ein Aufschub. Warum sucht die Gottheit gerade die Besten sei es mit Krankheit sei es mit Trauer sei es mit sonstigem Ungemach heim? Aus demselben Grunde, aus dem auch im Kriegslager mit den gefahrvollen Aufträgen die Tapfersten betraut werden: Die Auserlesensten sendet der Feldherr aus, um im nächtlichen Hinterhalt den Feind anzugreifen oder Erkundungen einzuholen über die Marschlinie oder um einen Posten zu verjagen. Und keiner von den mit solchem Auftrag Ausziehenden sagt etwa: »Der Feldherr hat es übel mit mir gemeint«, sondern: »Er hat richtig geurteilt.« Ebenso mögen diejenigen, denen zugemutet wird, Dinge zu ertragen, die Furchtsamen und Feigen Anlass zu Tränen geben, sagen: »Die Gottheit hat uns für würdig erachtet, an uns zu erproben, was die menschliche Natur zu dulden vermöge.« Lasst ab von eurer Sucht nach Verzärtelung, lasst ab von der Jagd nach dem entnervenden Glück, durch das der Geist erschlafft und, wenn ihn nicht eine ernste Schicksalswarnung zur Besinnung auf das Menschenlos hinführt, gleichsam in ununterbrochene Trunkenheit versinkt. Wen der Schutz der Fenster immer vor jedem Lufthauch bewahrt hat, wessen Füße beständig warm gehalten wurden durch Wärmekissen, die durch Wechsel immer wieder ersetzt wurden, wessen Speisesaal eine immer gleichmäßig warme Temperatur zeigte durch an den Wänden verdeckt angebrachte Vorrichtungen, dem wird auch der leiseste Luftzug nicht ohne gefährliche Folgen für ihn sein. Alles, was das Maß überschreitet, ist schädlich; am gefährlichsten aber ist maßloses Glück: Es erregt das Gehirn, lässt leere Einbildungen im Geiste auftauchen und breitet darüber ein Dunkel aus, das eine schwanke Mitte hält zwischen Irrtum und Wahrheit. Sollte es nicht besser sein, anhaltendes Unglück erträglich zu machen durch den Beistand der Tugend, als durch unaufhörliche und maßlose Glücksgaben sein Dasein zu untergraben? Leichter ist der Tod durch Hunger; Überladung zersprengt den Leib.
Es halten also die Götter mit den tugendhaften Menschen es so, wie die Lehrer mit ihren Schülern: Sie fordern ein höheres Maß von Leistungen von denen, die höhere Hoffnungen erwecken. Glaubst du, dass den Lakedämoniern ihre Kinder nicht lieb seien, deren Charakterart sie erproben durch Geißelhiebe, denen sie sich von Staats wegen aussetzen müssen? Die Väter selbst dringen in sie, die Geißelschläge standhaft über sich ergehen zu lassen, und bestürmen die Wundgeschlagenen und Halbentseelten mit Bitten, standzuhalten und sich Wunden auf Wunden gefallen zu lassen. Was Wunder also, wenn die Gottheit edle Geister hart prüft? Für die Tugend gibt es kein weichliches Prüfungsmittel. Das Schicksal spart nicht mit Schlägen und Verwundungen gegen uns: Lasst es uns dulden! Es ist nicht Grausamkeit, es ist ein Wettkampf; je öfter wir ihn aufnehmen, umso mehr werden wir an Tapferkeit gewinnen. Der festeste Teil des Körpers ist der, welcher im Dienste der Berufstätigkeit fortwährend geübt worden ist. Wir müssen uns dem Schicksal darbieten, um durch es selbst gegen es gehärtet zu werden. Allmählich wird es uns dahin bringen, dass wir ihm gewachsen sind; die beständig drohende Gefahr wird uns zu Verächtern der Gefahr machen. So hat der Seemann einen Körper, der den Unbilden des Meeres gewachsen ist, der Bauer abgehärtete Hände, der Krieger Arme, die stark genug sind, die Geschosse zu entsenden, der Läufer geschmeidige Glieder: Was jeder geübt hat, darin liegt auch seine festeste Kraft.
Das Dulden ist für den Geist die Schule, um das Dulden gering achten zu lernen. Wozu es dies bei uns bringen kann, wird man erkennen, wenn man beachtet, wie viel bei Völkern, die von der Natur kümmerlich bedacht und eben infolge ihrer Dürftigkeit zu erhöhter Tatkraft gelangt sind – wie viel bei ihnen die Anstrengung zu leisten vermag. Überschaue alle Völker, die jenseits der Grenzen des römischen Friedensgebietes liegen, ich meine die Germanen und alle die schweifenden Völker, die uns an der Donau begegnen. Ein ewiger Winter, ein trüber Himmel liegt auf ihnen, ein unfruchtbarer Boden nährt sie nur kümmerlich; gegen den Regen wehren sie sich durch den Unterschlupf unter Stroh und Laub, über vereiste Sumpfstrecken eilen sie im Sprung dahin, zur Nahrung fangen sie das Wild. Hältst du sie für beklagenswert? Nichts ist beklagenswert, was Gewohnheit zur Natur gemacht hat. Denn mit der Zeit wandelt sich das zum Vergnügen, wozu man sich anfangs nur aus Not verstanden hat. Sie haben keine Heimstätten, keine Wohnsitze, außer denen, welche eintretende Ermüdung sie Tag für Tag errichten lässt. Elende und nur mit Anstrengung zu erwerbende Nahrung, ein grausam hartes Klima, keine Kleidung für den Leib! Was dir als Unglück erscheint, das ist das Lebenslos so vieler Völker! Und da wunderst du dich noch, dass tugendhafte Menschen vom Schicksal gerüttelt werden, um zu innerer Festigung zu gelangen? Kein Baum ist fest und stark, der nicht häufigen Windstößen ausgesetzt ist; gerade diese Erschütterung gibt ihm inneren Halt und lässt seine Wurzeln sich sicherer in das Erdreich einsenken. Nur ein kurzes und fragliches Dasein ist den Bäumen beschieden, die im sonnigen Tale aufgewachsen sind. Um sich also gegen Schrecken zu sichern, liegt es im eigensten Interesse tugendhafter Menschen, sich vielfach in gefahrvollen Lagen zu bewegen und mit Gleichmut zu ertragen, was nur dem ein Übel ist, der mit dem Ertragen auf übelem Fuße steht.
5. Bedenke ferner: Es liegt im Interesse der Gesamtheit, dass gerade die Besten sich sozusagen dem Kriegsdienste weihen und Proben ihrer Kraft ablegen. Gott hat sich, ebenso wie der Philosoph, die Aufgabe gestellt, darzutun, dass, was die große Masse begehrt und was sie mit Scheu von sich weist, weder gut ist noch schlecht. Gut wird etwas sein, wenn er es nur guten Menschen (als Aufgabe) zuweist, schlecht, wenn er nur schlechte Menschen damit behelligt. Ein Gegenstand des Abscheus müsste die Blindheit sein, wenn niemand sein Augenlicht verlöre, außer wer es verdiente, dass man es ihm raubte: Daher mag ein Appius und ein Metellus um sein Augenlicht gebracht werden. Reichtum ist kein Gut (im strengen Sinne): Darum mag ihn auch ein Hurenwirt wie Elius haben, damit die Leute das Geld, das im Tempel seine Weihe empfing, auch im Hurenhaus sehen. Auf keine Weise kann Gott Dinge, die man mit aller Begier ersehnt, mehr in Verruf bringen, als wenn er sie den Verruchtesten zuteilwerden lässt, von den Besten dagegen fernhält. »Aber«, sagt man, »es ist doch wider alle Billigkeit, wenn ein braver Mann verstümmelt oder gekreuzigt oder gefesselt wird, während Schurken mit heiler Haut frei und frech umherspazieren.« Was weiter? Ist’s nicht auch unbillig, dass tapfere Männer zu den Waffen greifen, im Lager übernachten und sich als Schutzwehr vor dem Wall aufstellen mit verbundenen Wunden, während gleichzeitig in der Stadt Buben, die sich gewerbsmäßig zu jeder Wollust und Unzucht hergeben, in voller Sicherheit weilen? Und mehr noch. Ist es nicht unbillig, dass die edelsten Jungfrauen des Nachts geweckt werden zum schuldigen Dienste im Tempel, während lockere Dirnen sich des tiefsten Schlafes erfreuen? Der Ruf zur Arbeit hält die Besten in Atem: Der Senat hat oft den ganzen Tag zu tun mit Erledigung geschäftlicher Fragen, während gleichzeitig die verworfensten Gesellen entweder auf dem Marsfelde sich taumelnd herumtreiben oder in einer Garküche stecken oder sich in wer weiß welcher Gesellschaft die Zeit vertreiben.
Die nämliche Erfahrung machen wir in der Menschengemeinschaft überhaupt: Die tugendhaften Männer mühen sich ab, bringen Opfer und werden geopfert, und zwar ohne Widerstreben; sie werden vom Schicksal nicht gezogen, sie folgen ihm und halten gleichen Schritt mit ihm; hätten sie’s gewusst, so wären sie ihm zuvorgekommen. Auch folgenden herzhaften Ausspruch erinnere ich mich von unserem wackeren Demetrius gehört zu haben: »Diese einzige Klage«, sagte er, »kann ich gegen euch, ihr unsterblichen Götter, vorbringen, dass ihr mir eueren Willen nicht vorher kundgegeben habt. Dann hätte ich mich früher dazu eingefunden, während ich jetzt erst auf eueren Ruf zur Stelle bin. Wollt ihr mir meine Kinder nehmen? Für euch sind sie geboren. Wollt ihr einen Teil meines Körpers? Nehmt ihn; es ist nichts Großes, was ich damit verspreche; die Zeit ist nicht fern, wo ich ihn ganz verlasse. Wollt ihr mein Leben? Warum sollte ich zögern, euch das wieder anheimzustellen, was ihr mir gegeben habt? Was ihr auch bittet, ich gebe es gern. Aber lieber wäre es mir gewesen, ich hätte es meinerseits euch angeboten als es bloß wieder abgeliefert. Was bedurfte es denn eines Entreißens? Ihr könntet es ja euch entgegenbringen lassen. Aber auch so werdet ihr es nicht entreißen; denn entrissen wird einem etwas nur, wenn man es nicht freiwillig geben will.«
Ich lasse mich zu nichts zwingen, ich dulde nichts wider meinen Willen, ich diene nicht Gott, sondern stehe mit ihm in Einverständnis, und dies umso mehr, als ich weiß, dass alles nach einem festen und für alle Ewigkeit gegebenen Gesetze seinen Ablauf nimmt. Das Schicksal leitet uns, und gleich die erste Stunde bei unserer Geburt hat darüber entschieden, wie viel Zeit weiterhin einem jeden noch bleibt. Eine Ursache hängt von der anderen ab, persönliche und öffentliche Angelegenheiten sind in langer Reihe miteinander verkettet: Daher gilt es, mutig alles auf sich zu nehmen, weil das Eintreten der Ereignisse nicht, wie wir wähnen, zufällig erfolgt, sondern bestimmungsgemäß. Längst schon im Voraus sind deine Freuden, deine Tränen bestimmt, und so mannigfaltig sich auch das Leben der Einzelnen zu gestalten scheint, so kommt es doch am Ende auf das Eine hinaus: Wir empfangen Vergängliches und sind selbst nur vergängliche Wesen. Wozu also unsere Entrüstung? Wozu unser Murren? Dazu sind wir geboren. Mag die Natur mit unseren Körpern, die ihr gehören, machen, was sie will; wir wollen jederzeit frohen und tapferen Sinnes denken: Was wir verlieren, gehört nicht uns. Was ist eines wackeren Mannes Pflicht? Sich dem Schicksal zu ergeben. Es ist ein großer Trost, unsere Vergänglichkeit mit dem Weltganzen zu teilen. Was es auch sein mag, das uns gerade dieses Leben, gerade diesen Tod auferlegt hat, dieselbe Notwendigkeit hält auch die Götter gebunden. Unabänderlich ist die Bahn, der göttliche wie menschliche Angelegenheiten folgen. Jener Gründer und Leiter des Alls hat zwar die Geschicke bestimmt, aber er zeigt sich selbst folgsam und gehorsam; nur einmal hat er befohlen.
»Warum aber war Gott so unbillig in der Verteilung des Schicksals, dass er tugendhaften Menschen Armut, Wunden und ein leidvolles Ende zumutete?« Der Künstler kann den Stoff nicht ändern, dieser hat nun einmal seine ihm gegebene Beschaffenheit. Manches kann von manchem nicht losgelöst werden, es hängt zusammen, bildet ein unteilbares Ganzes. Schlaffe Geister, die zum Schlafe geneigt sind oder zu einem Wachen, das sich vom Schlafe kaum unterscheidet, sind aus trägen Elementen geformt; dass ein Mann erstehe, der im vollsten Sinne des Wortes diesen Namen verdient, dazu bedarf es eines gewaltsameren Geschickes. Es öffnet sich ihm keine ebene Bahn; bergauf, bergab führt sein Weg, er muss sich hin- und herwerfen lassen und muss sein Schiff im Sturme lenken. Er muss seinen Kurs halten gegen das Schicksal. Viel Trübsal, viel Leid wird über ihn hereinbrechen; aber er hat die Kraft zu lindern und auszugleichen. Feuer erprobt das Gold, Ungemach tapfere Männer. Schau hin auf das hohe Ziel, das der Jugend gesteckt ist, und du wirst dir sagen, dass es kein bequemer und sicherer Weg ist, den sie zu wandeln hat.
Steil im Beginn ist der Weg, dass kaum die Rosse, vom Frührot frisch gestärkt, ihn erklimmen, am steilsten mitten am Himmel. Siehe, da graut es mir selbst manchmal, das Meer und die Länder anzuschauen, und es schlägt mir das Herz in zagendem Schauder. Rasch ab neigt sich das Ende, besonnener Leitung bedarf es. Oft dann fürchtet für mich, die in wogender Tiefe mich aufnimmt, Tethys selber, ich möchte hinab jäh stürzen zum Abgrund.
Als der hochherzige Jüngling dieses gehört, erwiderte er: »Er gefällt mir, dieser Weg; ich erklimme ihn. Es lohnt sich, ihn zu wandeln, auch wenn man zu Sturz kommen muss.« Ohn’ Unterlass sucht nun der Vater den hochgemuten Sohn durch Schreckbilder einzuschüchtern:
Dass du behaltest den Weg, nicht abgezogen zur Irrfahrt,
Schreiten musst du hindurch den Hörnern
des Stieres vorüber,
Durch des Schützen Geschoss und den Blick
des grimmigen Löwen.
Darauf jener: »Spann ihn an, den zugesagten Wagen. Was mich deiner Meinung nach einschüchtern soll, das reizt mich nur. Dort will ich stehen, wo die Sonne selbst wankt.«
Der Niedrige und Träge wählt den sicheren Weg: Auf den Höhen wandelt die Tugend.
6. »Warum aber lässt die Gottheit es zu, dass den tugendhaften Menschen Schlimmes widerfährt?« Sie lässt es ja gar nicht zu. Alles wirklich Schlimme hält sie von ihnen ja fern, Verbrechen, Laster, ruchlose Gedanken, habgierige Anschläge, blinde Lustbegier und nach fremdem Gute trachtende Habsucht; ihnen selbst gewährt sie Schutz und Schirm: Verlangt etwa jemand von Gott auch noch dies, dass er sich zum Behüter ihres Reisegepäcks mache? Sie selbst denken nicht daran, der Gottheit diese Sorge aufzubürden: Sie sind Verächter alles äußeren Gutes. Demokrit warf seinen Reichtum von sich, denn er sah in ihm nur ein Hemmnis für seinen edelen Geist. Was wunderst du dich also, wenn die Gottheit einem tugendhaften Manne widerfahren lässt, was dem Tugendhaften bisweilen selbst nur als Erfüllung seines eigenen Wunsches erscheint? Tugendhafte Männer verlieren Kinder. Warum nicht? Kommen doch Fälle vor, wo sie selbst ihre Kinder töten. Sie werden in die Verbannung getrieben. Warum nicht? Kommt es doch vor, dass sie selbst ihr Vaterland verlassen, um es nie wiederzusehen. Sie werden getötet. Warum nicht? Kommt es doch vor, dass sie selbst Hand an sich legen. Warum haben sie manches Harte zu erdulden? Damit sie andere dulden lehren; sie sind zum Vorbild geboren. Denke dir also, die Gottheit sage: »Was habt ihr für einen Grund, über mich zu klagen, ihr, die ihr Wohlgefallen habt am Rechten? Andere habe ich mit falschen Gütern ausgestattet und ihre nichtigen Seelen gleichsam durch einen langen und trügerischen Traum zum Besten gehabt: Mit Gold, mit Silber, mit Elfenbein habe ich sie überschüttet, in ihrem Inneren suchst du vergebens nach etwas Gutem. Siehst du diese Leute, die dir glücklich scheinen, nicht in ihrem öffentlichen Auftreten, sondern in der Verborgenheit, so sind sie bedauernswert, schmutzig, hässlich, ähnlich wie ihre Wände nur äußerlich übertüncht. Das ist kein echtes und reines Glück: Es ist nichts als eine Kruste, und zwar eine dünne. Solange sie also in der Lage sind, sich aufrecht zu halten und sich das gewünschte Aussehen zu geben, so lange glänzen sie und machen Eindruck: Tritt aber ein störendes Ereignis ein und reißt die Hülle weg, dann zeigt es sich, welchen Abgrund wahrer Scheußlichkeit der erborgte Glanz in sich barg. Euch habe ich sichere und bleibende Güter gegeben, die, je mehr man sie hin und her wendet und von allen Seiten betrachtet, sich als umso besser und höher erweisen. Ich habe es euch möglich gemacht, das Furchtbare zu verachten, euch mit Ekel abzuwenden von den niedrigen Begierden; ihr glänzt nicht von außen, euere Güter haben ihre Richtung nach dem Inneren. So achtet die Schöpfung nicht dessen, was etwa außerhalb ihrer ist, ganz versunken in die Freude an dem Schauspiel, das sie selbst sich gewährt. Ins Innere habe ich alles Gute gelegt; des Glückes nicht zu bedürfen, das ist euer Glück.
›Aber es kommt doch viel Trauriges, Furchtbares, schwer zu Ertragendes.‹ Dies konnte ich euch nicht ersparen, aber dafür habe ich eure Seelen gegen alles gewappnet. Traget es standhaft. Hier habt ihr vor der Gottheit etwas voraus: Für sie gibt es überhaupt kein Dulden von Unglück, ihr seid darüber erhaben. Verachtet die Armut: Es lebt niemand so arm, als da er geboren ward. Verachtet den Schmerz: Er wird entweder selbst aufgelöst werden oder euch auflösen. Verachtet den Tod: Er macht entweder ein Ende mit euch oder verpflanzt euch anderswohin. Verachtet das Schicksal: Ich habe ihm keine Waffe gegeben, mit der es euern Geist treffen könnte. Und was noch mehr besagen will als alles dies: Ich habe Sorge getragen, dass nichts euch (vom Tode) zurückhalte wider eueren Willen. Der Ausweg steht euch offen; wollt ihr nicht kämpfen, so steht es euch frei, zu fliehen. Daher habe ich von allem, was ich für euch als notwendig erachtete, nichts leichter gemacht als zu sterben. Ich habe der Seele eine dem Wunsche entgegenkommende Stellung angewiesen: Sie lässt sich ziehen; gebet nur Acht und ihr werdet sehen, wie kurz und wie leicht gangbar der Weg ist, der zur Freiheit führt. Ich habe euch den Ausgang kürzer gemacht als den Eingang; sonst würde das Schicksal eine große Gewalt gegen euch in der Hand behalten haben, wenn es mit dem Sterben des Menschen so langsam ginge wie mit der Geburt. Jede Zeit, jeder Ort kann euch zeigen, wie leicht es sei, der Natur den Dienst zu kündigen und, was sie uns geschenkt, ihr wieder anheimzustellen. Ja, auch an den Altären und bei Vollzug der feierlichen Opfergebräuche, inmitten der Gebete und Wünsche, die dem Leben gelten, lernet zugleich den Tod. Die wohlgenährten Körper der Stiere werden durch einen kurzen Stich zu Fall gebracht, und Tiere von gewaltiger Kraft streckt ein Schlag der menschlichen Hand nieder; ein schmales Messer durchschneidet die Sehnen des Nackens, und, ist jenes Mittelglied, welches Kopf und Hals verbindet, durchschnitten worden, dann stürzt die ganze Körpermasse zu Boden.
Der belebende Hauch hat seine Stätte nicht in der Tiefe, und es bedarf nicht schlechtweg des Schwertes, um ihn herauszuholen. Man hat nicht nötig, durch eine tiefe Wunde die inneren Organe zu erkunden: In nächster Nähe ist der Tod. Keinen bestimmten Punkt habe ich zu diesem Stoße ausgesucht: Wähle ganz nach deinem Wunsch, du findest das Ziel. Das, was man »Sterben« nennt, diese Trennung der Seele vom Körper, vollzieht sich mit einer Schnelligkeit, die überhaupt nicht wahrnehmbar ist. Mag nun eine Schlinge den Schlund zuschnüren oder Wasser den Atem absperren, oder mag einer durch Sturz mit dem Kopf auf harten Boden zerschmettert worden sein, oder mag der Andrang der lodernden Flammen einem den Atemzug abgeschnitten haben, was es auch sei, es folgt ein schleuniges Ende. Schämt ihr euch nicht? Was sich so schnell vollzieht, fürchtet ihr wer weiß wie lange.«
1. Du hast mich aufgefordert, mein Novatus, zur Abfassung einer Schrift über die Mittel, durch die man den Zorn beschwichtigen könne, und du hast, wie mir scheint, auch allen Grund dazu, gerade diese Leidenschaft zu fürchten, die unter allen die widerwärtigste und rasendste ist. Die anderen nämlich haben doch immerhin noch etwas Ruhiges und Gelassenes; diese aber ist ganz nur Aufregung und Schmerzenssturm, rasend in unmenschlicher Begier nach Waffen, Blut und Todesstrafe, nur erpicht darauf, dem anderen zu schaden, und dabei die Achtung vor sich selbst vergessend, sich mitten hineinstürzend in den Pfeilregen und schnaubend nach Rache, die den Rächer selbst mit ins Verderben zu ziehen droht. Es hat daher Philosophen gegeben, die den Zorn einen zeitweiligen Wahnsinn nannten; denn ähnlich wie dieser ist er nicht Herr über sich selbst, setzt sich über allen Anstand hinweg, vergisst alle Verwandtschaftsbande, hält starr und steif an seinem Vorsatz fest, verschließt sich jeder vernünftigen und heilsamen Überlegung, lässt sich durch nichtige Ursachen zur Flamme entfachen, hat kein Auge für Billigkeit und Wahrheit: So gleicht er dem einstürzenden Gebäude, welches über dem Untergrund, auf den es stürzt, in Trümmer zerschellt. Um aber zur Gewissheit zu gelangen, dass die vom Zorn Besessenen nicht recht bei Verstande sind, wirf nur einen prüfenden Blick auf ihr äußeres Gebaren. Denn wie für Tobsucht sichere Kennzeichen sind der freche und drohende Blick, die düstere Stirn, der hastige Gang, die zuckenden Hände, die auffallende Gesichtsfarbe, das häufige und krampfhafte Atemholen, so finden sich die nämlichen Kennzeichen auch an den Zornigen: Die Augen flammen und blitzen, das ganze Antlitz ist hochgerötet durch den Andrang des aus dem tiefsten Herzen emporquellenden Blutes, die Lippen zittern, die Zähne pressen sich zusammen, die Haare richten sich starrend empor, der Atem ist schwer und geräuschvoll, man hört förmlich, wie sich die Glieder in den Gelenken drehen, dazu ihr Stöhnen und Brüllen und ihre stoßweise hervorgeschleuderten, unverständlichen Worte, das häufige Zusammenschlagen ihrer Hände, das Stampfen der Füße auf den Boden, das Beben des ganzen Körpers und seine furchtbar drohende Haltung, das ganze schauerliche und entsetzliche Aussehen solcher sich selbst entstellenden und zur Unkenntlichkeit anschwellenden Menschen – man fragt sich: Ist ein solcher Zustand mehr verabscheuungswürdig oder hässlich? Andere Leidenschaften lassen sich verdecken und im Verborgenen nähren: Der Zorn tritt offen hervor und gibt sich dem Blicke preis, und je heftiger er ist, umso sichtbarer braust er auf. Beobachte nur die Tiere: Sobald sie sich in schädlicher Absicht erheben, kann man gewisse Vorzeichen wahrnehmen: Ihr ganzer Körper legt seine gewöhnliche, ruhige Haltung ab und lässt erkennen, dass es ihnen auf Anspannung ihrer wilden Triebe ankommt: Dem Eber steht der Schaum vor dem Rachen und die Zähne werden durch Reiben geschärft, der Stier bohrt mit den Hörnern in die Luft und wühlt mit den Beinen den Sand auf, der Löwe knurrt, die Schlange bläht den gereizten Hals auf, und angstvoll ist der Anblick wütender Hunde: Kein Tier ist so furchtbar und von Natur so verderblich, dass sich nicht, sobald der Zorn sich seiner bemächtigt, ein weiterer Zuwachs von Wildheit zu erkennen gäbe. Ich weiß recht wohl: Auch die übrigen Leidenschaften lassen sich kaum verbergen, die Wollust, die Furcht und die Kühnheit haben ihre Merkmale und lassen sich voraus erkennen; denn jede auch nur einigermaßen heftig auftretende innere Erregung spiegelt sich unfehlbar irgendwie auf dem Gesicht ab. Worin besteht also der Unterschied? Die anderen Leidenschaften lassen sich erkennen, der Zorn aber drängt sich den Augen auf.
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