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Serverfarmen sind in der digitalen Welt das, was früher Schlösser waren: der Sitz der Macht. Doch wenn Daten der größte kollektive Schatz einer digitalen Gesellschaft sind, das Grundmaterial für Wirtschaft und Politik, warum sind dann die Orte, an denen sie gespeichert werden, so wenig sichtbar? Gemeinsam mit Studierenden der Städelschule in Frankfurt am Main zeigt Niklas Maak, wie die Zukunft der wichtigsten neuen Bautypologie des 21. Jahrhunderts aussehen könnte – und welche neuen kollektiven Orte eine Stadt im Zeitalter der Digitalisierung braucht. "Dies ist ein historischer Moment. Daten sind zur wertvollsten Ware der Welt geworden. Wir dürfen sie nicht einer Handvoll Tech-Giganten überlassen. Wir müssen sie als öffentliches Gut begreifen, das neben Straßen, Wasser und sauberer Luft eine Kritische öffentliche Infrastrukturdarstellt. Zu diesem Zweck brauchen wir, was Niklas Maak ein 'Centre Pompidou fürs digitale Zeitalter' nennt." — Francesca Bria
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Seitenzahl: 126
Servermanifest
Servermanifest
Architektur der Aufklärung: Data Center als Politikmaschinen
Niklas Maak
Impressum
Autor
Niklas Maak
Redaktion
Lena Kiessler, Hatje Cantz
Projektmanagement
Dorothee Hahn
Lektorat
Pia Oddo
Übersetzungen vom Englischen ins Deutsche
Stefan Barmann
Grafische Gestaltung
Neil Holt
Schrift
Arnhem
Verlagsherstellung
Vinzenz Geppert
Reproduktionen
Repromayer, Reutlingen
Papier
Munken Print White Vol 1,5, 90 g/m2
Druck
GRASPO CZ, A.S., Zlín
© 2022 Hatje Cantz, Berlin, und Autor
Erschienen im
Hatje Cantz Verlag GmbH
Mommsenstraße 27
10629 Berlin
www.hatjecantz.com
Ein Unternehmen der Ganske Verlagsgruppe
isbn 978-3-7757-5069-1
isbn 978-3-7757-5071-4 (e-Book)
Printed in the Czech Republic
Koproduziert mit
Hochschule für Bildende Künste –Städelschule
Bildnachweis
S. 17: Via Twitter
S. 18: © Google
S. 21: Collage: Niklas Maak und Matilda Hoffmann
S. 23: Via Google Maps
S. 26: Collage: Laetitia Maak
S. 35: Fotograf: Karro Schumacher (Fotograf nicht auffindbar), © Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD)
S. 37: Fotograf: Manfred Vollmer/Süddeutsche Zeitung Photo
S. 38: Quelle: rechentechnik/datenverarbeitung, Mai 1971
S. 41: © CYBERSYN/Cybernetic Synergy
S. 42 links: © José Balmes
S. 42 rechts: © Facebook
S. 43 unten: © Niklas Maak
S. 45: © Jannes Linders
S. 47: Mit freundlicher Genehmigung von Barcelona Supercomputing Center, www.bsc.es
S. 48: © schneider+schumacher
S. 50: Mit freundlicher Genehmigung von Snøhetta/Plompmozes
S. 62: Fotograf: Rudolf Kessler, © Akademie der Künste, Berlin, Werner-Düttmann-Archiv, Nr. 11 F, 7/22, © Hans Düttmann, © Katarina Merz
S. 64 oben: © Fernando Schapochnik
S. 64 unten: © Nelson Kon
S. 65: Fotograf: de Burgh Galwey. Cedric Price fonds Canadian Centre for Architecture © CCA
S. 66: Fotograf: Uwe Maak, © RPBW, © Centre Pompidou, © Rogers Stirk Harbour + Partner
S. 67: © Akademie der Künste, Berlin, Konrad-Wachsmann-Archiv, Nr. 140 F. 14 ohne Fotograf, © Ray Wachsmann
S. 76/77: Collage von Niklas Maak und Matilda Hoffmann
S. 104–111: Zeichnungen, Modellfotografie und Collage: Niklas Maak und Stefan Sauter
Inhalt
Dies ist ein historischer Moment
Wir brauchen dringend neue öffentliche Räume – und wir müssen ebenso dringend die digitale Souveränität der Bevölkerung zurückerlangen. Welche Rolle könnten Data Center dabei spielen?
Francesca Bria
Servermanifest
Architektur der Aufklärung: Data Center als Politikmaschinen
Niklas Maak
Die neuen Riesen in der Stadt
Was sind die größten Chancen und Herausforderungen des Data-Center-Booms?
Interview mit Karsten Spengler
Entwürfe von Studierenden
der Städelschule in Frankfurt am Main
Impressum
Dies ist ein historischer Moment
Wir brauchen dringend neue öffentliche Räume – und wir müssen ebenso dringend die digitale Souveränität der Bevölkerung zurückerlangen. Welche Rolle könnten Data Center dabei spielen?
Francesca Bria
Wir befinden uns noch immer mitten in einem globalen Ausnahmezustand. Der mit der Corona-Krise verbundene beispiellose ökonomische Schock hat uns gezwungen, unseren Alltag umzustellen, neu zu denken und schnell zu handeln. Etwas anderes ist jetzt auch nicht mehr zu übersehen: Jahrzehnte wirtschaftlicher Polarisierung haben die Ungleichheiten verstärkt und zahlreiche Menschen einer großen Unsicherheit ausgesetzt. Der Lockdown richtete noch mehr wirtschaftlichen Schaden an und führte zu einer noch dramatischeren wirtschaftlichen und kulturellen Polarisierung: Viele Menschen sehen in der Wirtschaft mittlerweile ein System, zu dem sie nicht dazugehören und das auf die Begünstigung anderer ausgelegt ist.
Die Corona-Pandemie macht radikales und zukunftsorientiertes politisches Handeln dringlicher denn je. Krisen, ob Kriege oder Pandemien, befeuern bisweilen die Vorstellungskraft einer Gesellschaft. Neue Pakte müssen geschlossen und die alten Regeln gründlich umgestaltet werden. In vielen Bereichen des Alltagslebens brachte diese Pandemie auch eine Art „erzwungener“ Digitalisierung mit sich. Digitale Infrastrukturen erwiesen sich als „sogenannte“ Kritische Infrastrukturen, da von ihnen wesentliche Sektoren einer Gesellschaft wie Arbeit, Gesundheitsversorgung und Bildung abhängen. Es wurde vieles klarer als vorher, zum Beispiel, dass der öffentliche Zugang zu kostenlosem Ultrabreitband als Grundrecht aller Bürger definiert werden muss. Die Entwicklung von Technologien wie 5G-Netzwerken, Cloud-Computing und Infrastrukturen mit Künstlicher Intelligenz (KI) wurden mit einem Mal zur nationalen, sogar globalen Priorität.
Anlass zur Sorge gibt jedoch die Entwicklung der Märkte und die jener Firmen, die sie heute in einem nie gekannten Ausmaß kontrollieren. Für Big Tech war die Pandemie ein positiver Schock. Während alle anderen den Betrieb herunterfuhren, trieben die Tech-Firmen Investitionen und Akquisitionen voran: Die maßgeblichen Digitalriesen kommen zusammen auf einen Börsenwert von – je nachdem, wie man rechnet – sechs bis acht Billionen Dollar. US-Tech-Firmen sind heute mehr wert als der gesamte europäische Aktienmarkt. Kann es für uns alle wirklich von Vorteil sein, wenn fünf Unternehmen die gesamte digitale Ökonomie kontrollieren?
Die Lage ist dramatisch: Wir müssen aufpassen, dass die Entwicklung des digitalen Kapitalismus nicht in eine nie da gewesene und unumkehrbare Wirtschaftskonzentration mündet, die unsere Demokratien im Kern herausfordert und gefährdet. Digitale Plattformen sind mächtige Institutionen, die den Arbeitsmarkt stark verändern und fast allen Regulierungsversuchen trotzen. Die Automatisierung arbeitsintensiver Sektoren wie Fertigung, Logistik und Transport wirkt sich intensiv auf die globale Warenkette aus und führt in einem nicht gekannten Ausmaß zur Verlagerung und Zerstörung von Arbeitsplätzen. Wir müssen uns darüber bewusst sein, welche langfristigen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen die digitale Transformation der Gesellschaft mit sich bringt: von der Monopolmacht bis zur Notwendigkeit einer neuen Steuer für digitale Plattformen genau wie Handelsregulierungen, Beschäftigungsverluste durch eine massiv vorangetriebene Automatisierung und schließlich all die Fragen, die im Zusammenhang mit bürgerschaftlichen Freiheiten und Demokratie stehen.
Auch der öffentliche Sektor ist zunehmend auf die Tech-Industrie angewiesen. Dennoch fragen wir selten, woher diese Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse rühren – und ob sie wirklich unumkehrbar sind. Warum darf der unermessliche ökonomische Wert, den die digitale Revolution produziert, ausschließlich von Technologiefirmen abgeschöpft werden – und nicht von gewöhnlichen Bürgerinnen und Bürgern oder öffentlichen Institutionen? Und was können wir tun, um sicherzustellen, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern etwas von diesem Wert zurückgeben, während wir sie gleichzeitig dazu befähigen, Technologie zur Teilhabe an der Politik zu nutzen, von der sie sich zu Recht ausgeschlossen fühlen, und ihnen bessere und erschwinglichere öffentliche Dienstleistungen bieten? Ganz eindeutig müssen wir die Frage nach der Technologie wieder zu einer politischen Frage machen. Die Diskussion sollte sich um die Umverteilung von Vermögen und Macht ebenso drehen wie um den Umgang mit künftigen Fürsorgeleistungen und Kritischen Infrastrukturen.
Die Digitalisierung zu „beschleunigen“ ist nicht genug. Es ist ebenso notwendig, ihr eine Richtung zu geben. Was wir aus meiner Sicht wirklich brauchen, ist ein neuer Gesellschaftsvertrag für das digitale Gemeinwesen. Wir sollten ihn „intelligenten grünen New Deal“ nennen, da er digitale Technologien nutzen will, um nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Nachhaltigkeit durchzusetzen.
Bei diesem digitalen New Deal wird es darum gehen, unsere digitale Souveränität wiederherzustellen. Digitale Souveränität bedeutet, dass wir als Gesellschaft fähig sind, Richtung und Ziele des technologischen Fortschritts vorzugeben und Technologie und Daten in den Dienst der Bevölkerung zu stellen. Sie bedeutet auch, die technologische Entwicklung so zu steuern, dass sie die dringendsten Gesellschafts- und Umweltprobleme unserer Zeit löst, angefangen beim Klimanotstand, bei der Energiewende und der öffentlichen Gesundheitsversorgung.
Digitale Souveränität bedeutet, dass digitale Technologien den Übergang von der heutigen Digitalökonomie des Überwachungskapitalismus – bei dem eine Handvoll in den USA und China sitzender Konzerne um die globale digitale Vorherrschaft kämpft – hin zu einer digitalen Zukunft ermöglichen, dass soziale Innovation die Menschen in den Mittelpunkt stellt, dass nicht die Gewinne Einzelner, sondern bessere Arbeitsverhältnisse und die Durchsetzung von Umwelt- und Bürgerrechten Ziel einer digitalen Innovationspolitik sein müssen.
Europa erkennt die wahren Bedrohungen seiner Souveränität im hypertechnologischen 21. Jahrhundert, doch ist abzusehen, dass ein als „regulatorische Supermacht“ verstandenes Europa nicht mehr ausreicht. Die Europäische Union muss mithilfe ihrer wissenschaftlichen und technologischen Innovationen eine relevante globale Wirtschaftsmacht bleiben und die Kontrolle über Konnektivität, Daten, Mikroprozessoren und 5G zurückgewinnen. Europa muss Alternativen aufbauen, sowohl zu chinesischen Fertigungsmonopolen als auch zu US-basierten digitalen Monopolen, zu Monopolen auf Zahlungsdienstleistungen sowie auf geistiges Eigentum. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir sowohl eine ambitionierte Regulierung als auch eine Strategie für eine andere Digitalindustrie. Bei diesem Kampf geht es um die Verteidigung von Innovationen, die öffentlichen Belangen dienen, um die Datensouveränität von Bürgerinnen und Bürgern, um ihre Selbstbestimmung und ihre verfassungsmäßig garantierten Rechte.
Das Recht auf die (digitale) Stadt
Damit Erfolg zu haben mag unmöglich erscheinen. Und doch gibt es einen Lichtblick am Horizont: Städte. Sie können natürlich nicht all unsere digitalen Probleme lösen – viele bedürfen dringend nationaler und weltweiter Aufmerksamkeit –, doch können Städte zu Laboren für Demokratie und Nachhaltigkeit werden. Sie können intelligente, datenintensive, algorithmische Formen des öffentlichen Verkehrs sowie des Wohnungs-, Gesundheits- und Bildungswesens erproben, und sie können, anders als das private Digitalkonzerne tun, die vermehrt auf Städte und ihre Infrastrukturen zugreifen, all das mit dem Ziel tun, Solidarität, soziale Kooperation und kollektive Rechte zu sichern, zu verteidigen und zu fördern.
Ich schlage ein Städtenetzwerk vor, das Strategien entwickelt, mit denen digitale Technologie und Datensouveränität wieder unter demokratische Kontrolle kommen. Städte sollten den Bürgerinnen und Bürgern durch partizipative Demokratie die Macht zurückgeben und die städtischen Daten nutzen, um unsere großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen: Klima, nachhaltige Mobilität, bezahlbares Wohnen, Gesundheitsversorgung und Bildung. Wir sollten die historische Gelegenheit beim Schopf packen. Wenn wir von urbaner Technologie und von Daten sprechen, dann haben wir es zu tun mit einer Art Meta-Utility, die aus der Gesamtheit aller Sensoren und Algorithmen besteht und die Stadt von heute antreibt. Je stärker Städte die Kontrolle über diese Meta-Utility verlieren, desto schwerer wird es ihnen fallen, in vermeintlich „nichttechnologischen“ Bereichen wie Energie- oder Gesundheitsversorgung Modelle außerhalb der neoliberalen Agenda privater Unternehmen und der ihnen verbundenen Politiker durchzusetzen.
Der Begriff „Souveränität“ – ob im Finanz- oder Energiebereich – prägt die Aktivitäten vieler urbaner sozialer Bewegungen und Akteure, auch solcher, die in ihren jeweiligen Städten in Führungspositionen aufrücken. Konzepte wie Energiesouveränität können weite Teile der Bevölkerung mobilisieren. Was aber bedeutet Energiesouveränität, sobald wir zu intelligenten Stromnetzen, sogenannten Smart Grids, übergehen und von Firmen wie Google das Angebot erhalten, ein Drittel weniger für den Strom zu zahlen, wenn wir unsere Energiedaten preisgeben? Ist der Kampf um „Energiesouveränität“ überhaupt von Bedeutung, wenn er nicht eng verwoben ist mit dem Kampf um „technologische Souveränität“? Wahrscheinlich nicht. Das Ringen um digitale Souveränität sollte einhergehen mit einer schlüssigen und ehrgeizigen politischen und ökonomischen Agenda, die imstande ist, den in der städtischen wie nationalen Politik durch die neoliberale Wende angerichteten Schaden rückgängig zu machen. Zielgenaue pragmatische Eingriffe können große Wirkung entfalten.
Das „Recht auf die Stadt“ bedarf vielleicht einer Neuformulierung: als das Recht, Rechte in ihrer Gesamtheit zu genießen. Andernfalls droht die Gefahr, dass Digitalriesen weiterhin jedes einzelne Recht umdefinieren und kleine Vergütungen als Gewinn erscheinen lassen, während sie das gesamte System demokratischer Selbstbestimmung lahmlegen. Was zum Beispiel bedeutet das Recht auf die Stadt in einer von Technologieunternehmen betriebenen und privatrechtlich regierten Stadt, in der Bürgerinnen und Bürgern sowie gesellschaftlichen Gruppierungen der freie und bedingungslose Zugriff auf Schlüsselressourcen wie Daten, Konnektivität, Rechenleistung und Künstliche Intelligenz verwehrt bleibt – jene technischen Voraussetzungen, die es ihnen erst ermöglichen würden, auf Selbstverwaltung hinzuarbeiten? Und inwieweit würde der Verlust der Kontrolle über die informationsbetriebene Meta-Utility erfolgreiche Rekommunalisierungskampagnen untergraben – die Rückgewinnung der Energie-, Verkehrs- oder Wasserinfrastruktur, die es den fraglichen Versorgungsbetrieben ermöglichen würde, mit einem neuen Kreis privater intermediärer Institutionen zu einem eigenen „smarten“ Verbrauchsmodell überzugehen?
Letztlich müssen mutige Städte, die Schlüsselressourcen und digitale Infrastrukturen nach einem neuen rechtlichen und wirtschaftlichen Modell zum Wohle der örtlichen Bevölkerung und lokaler Industrien einsetzen wollen, zeigen, dass die von Uber, Google, Airbnb und ihresgleichen angebotenen ökonomischen Modelle nicht die versprochenen Ergebnisse liefern. Jedenfalls nicht, ohne den betroffenen Städten erheblichen Schaden zuzufügen – von der Zunahme von Spekulation und Gentrifizierung bis hin zur Präkarisierung der Arbeit in der Gig-Ökonomie sowie der ungeheuren Hemmung sozialer Innovation bei all jenen, die keinen Zugriff auf Daten haben. Solche alternativen Experimente zum Aufbau digital souveräner Städte müssen zahlreich stattfinden, und zwar, indem gleichgesinnte Städte auf nationaler, europäischer und globaler Ebene kooperieren. Wie das funktionieren kann, zeigt das vielversprechende Projekt der Städtekoalition für digitale Rechte von Barcelona, New York City und Amsterdam.
Ein New Deal für Daten: „City Data Commons“
Die Form des Dateneigentums zu verändern könnte eine gangbare Option sein – und sei es nur, weil dazu kein massives finanzielles Engagement erforderlich wäre und schnell eine intuitive, breitenwirksame Agenda entstünde: Städte und deren Bewohnerinnen und Bewohner, nicht Firmen sollten die in Städten produzierten Daten besitzen, die sie dann zur Verbesserung öffentlicher Dienste und zur Verwirklichung weiterer Maßnahmen verwenden könnten.
Für die vierte industrielle Revolution sind Daten und Künstliche Intelligenz wesentliche Infrastrukturen, die politisches und wirtschaftliches Handeln entscheidend beeinflussen. Daten sind zur wertvollsten Ware der Welt geworden. Sie sind der Rohstoff der digitalen Ökonomie und speisen die Künstliche Intelligenz. Auf KI zählen Betriebe aller Branchen, um in den kommenden Jahren ihr Wachstum zu steigern. Daten dürfen deshalb nicht von einer Handvoll Tech-Giganten kontrolliert werden. Geschäftsmodelle, die persönliche Daten abschöpfen, manipulieren und im Austausch für Kritische Infrastrukturen zu Geld machen, müssen zerschlagen, Dateneigentum und Künstliche Intelligenz demokratisiert werden. Wir müssen als Gesellschaft vom „Datenschürfen“ zu Data Commons übergehen und Daten als öffentliches Gut begreifen, das neben Straßen, Elektrizität, Wasser und sauberer Luft eine Kritische öffentliche Infrastruktur darstellt. Eine derartige Meta-Utility wird es uns ermöglichen, in Verkehr, Gesundheitswesen und Bildung zukünftige „smarte“ öffentliche Dienste aufzubauen. Dabei sollten wir jedoch kein neues Bentham’sches Panoptikum errichten. Die Bürgerinnen und Bürger werden, um vor staatlicher Ausspähung so sicher wie vor privater zu sein, den Anonymitätsgrad selbst bestimmen, sodass sie nicht ohne ausdrückliche Einwilligung identifiziert werden können.
Der unermessliche wirtschaftliche Wert, den Daten darstellen, sollte der Bürgerschaft zurückerstattet werden. Wenn wir ihr dabei helfen, wieder Kontrolle über ihre Daten zu bekommen, können wir statt privater Gewinne öffentlichen Wert generieren. Genau das habe ich in den vergangenen vier Jahren in Barcelona zu tun versucht – kommunale Daten zum Gemeingut aller zu machen und die smarte Stadt so umzudefinieren, dass sie ihrer Bevölkerung dient. Als ich dort als Chief Technology and Digital Innovation Officer tätig war, hat Barcelona auf einen „City Data Commons“ genannten neuen Umgang mit Daten gesetzt.
Barcelona vergemeinschaftete Daten, um neue kooperative Plattformen zu fördern und Innovation zu demokratisieren. Dies war auch das Ziel des Projekts DECODE, das dezentrale Technologien wie Blockchains und attributbasierte Verschlüsselungen entwickelte, um der Bevölkerung eine bessere Kontrolle über die eigenen Daten zu ermöglichen – auch durch Regelungen darüber, wer Zugang für welche Zwecke und unter welchen Bedingungen haben sollte. Indem die Stadt der Bürgerschaft half, die Kontrolle über ihre Daten zurückzubekommen, konnte sie diese dazu nutzen, öffentlichen Wert zu erzeugen statt privaten Profits. So ließen sich aus den von Menschen, Sensoren und Geräten erzeugten Daten „Data Commons“ erschaffen, eine gemeinschaftlich genutzte Ressource, die es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, Daten – zum Beispiel zur Luftqualität, Mobilität oder Gesundheit – als ein Gemeingut einzuspeisen, abzufragen und zu nutzen, das keinen Beschränkungen durch das Urheberrecht unterliegt.
Als Digital Commons geteilte Daten konnte die Stadt aber auch dazu verwenden, ganz konkrete lebensweltliche Probleme zu lösen. DECODE ist Bestandteil der Teilhabeplattform decidim.barcelona, die bereits Tausende von Einwohnern nutzen, um die Politik der Stadt mitzugestalten. So gehen die Maßnahmen der Regierung zu über siebzig Prozent auf direkte Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern zurück.
Neue öffentliche Experimentierräume im digitalen und grünen Zeitalter