Seyfried Schweppermann Band III - Thomas Zenkner - E-Book

Seyfried Schweppermann Band III E-Book

Thomas Zenkner

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Beschreibung

Im letzten Band der Schweppermanntriologie muss sich Seyfried als Reichsschultheiß, Feld-hauptmann und Vater, sowie Großvater einer beträchtlichen Familie in der Zeit von 1303 bis zu seinem Tod 1337 beweisen.

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Inhaltsverzeichnis

Reichsschultheiß Seyfried von Kammerstein

Das erste Reinheitsgebot des Bieres

Die Brautentführung

Zahlreiche Aufgaben als Reichsschultheiß

Die Zerstörung der fröhlichen Wiederkunft

Die Schuhaffäre

Der blaue Montag und die Stadtflucht

Drei schwere Delikte

Vollstreckungen

Erbschaftsstreitigkeiten

Tod des Nordgaugrafen

Der Hinterhalt

Die Niederlage des raffgierigen Herzogs

Eine traurige Geschichte

Die Betrüger Gottes

Nürnberg verändert sich

Der Feldzug gegen Meißen

Herzog Ludwigs Warnung

Das Hochwasser

Abmarsch

Blutige Schlacht bei Lucka

Undank ist der Weltenlohn

Der Untergang der Templer

Seyfried wird erneut Reichschultheiß

Der weihnachtliche Wettstreit

Kampf gegen die Rebellen

Würzburg

Aschaffenburg und die falschen Anschuldigungen

Main und Rheinfahrt, sowie Sturm auf Burg Stahleck

Heimkehr und Neuigkeiten

Neue Aufgaben

Der Königsmörder

Hungersnot und Wucherei

Besuch eines Templers

Tod seines Bruders, lustige Familienangelegenheiten und Ärgerlichkeiten

Seyfrieds Attentat

Undank ist der Weltenlohn

Neuigkeiten

Feldhauptmann Seyfried Schweppermann

Wölfe

Kelheim und die Reise nach Landshut

Herzog Otto III von Wittelsbach

Gefecht bei Sündersdorf

Heimkehr und viele Erledigungen

Der Angriff auf die Templer

Eine besondere Gruselei

Wegelagerei

Schlacht bei Gammelsdorf

Parsberg

Amberg

Heereszug nach Burg Weißenstein

Alte Liebe rostet nicht

Heimkehr

Vohburg

Esslingen

Hungersnot

Königliche Ritterfahrt

Kloster Frauenzell

Grausame Ungarn in Pfatter

Verteidigung Regensburgs

Kranke?

Besuch bei König Johann und Elisabeth in Böhmen

Erneute Heimkehr und Überraschungen

Klosterburg Kastl

Neumarkt

Vorbereitungen auf die große Auseinandersetzung

Die Schlacht bei Mühldorf

Abmarsch

Auszeichnungen

Stockenfels im Regental

Bizarre Vorfälle in Leonberg, Fronberg und Nabburg

Der Steiner Raubritter

Obere Trausnitz

Königlicher Besuch

Der Mordanschlag

Burg Rotenhahn

Ungnade

Abschiede, letzte Abenteuer, Erlebnisse und Tod Seyfrieds

Die Stürmerin

Alte Heimat Lauterhofen

Die Schweppermannsburg

Gevatter Tod greift um sich

Geschäfte

Königliche Aufmerksamkeiten

Windlochhöhle

Neuigkeiten

Seltsame Besucher

Familienzwistigkeiten

Seyfrieds Ausflug

Eine besondere Jagd

Ludwig der Bayer wird Kaiser

Tochter Elisabeth

Ritter Arnold von Uissigheim

Verfolgung

Der falsche König greift an

Vielfacher Besuch

Alte und neue Freunde

Hochzeit mit Petressa von Frickenhofen

Eine Hexe?

Der Borndlkramer

Dürre

Seyfrieds Tod

Epilog

Karte: www.burgenseite.de

Reichsschultheiß Seyfried von Kammerstein

Nach seinem Amtseid belehnt man anno Domini 1303 den sechsundvierzigjährigen Seyfried von Kammerstein offiziell mit der wohlbekannten Burg gleichen Namens. Man übergibt ihm die Schlüssel für ein Bürgerhaus, direkt neben dem ihm wohl bekannten Lochgefängnis, als sein Lehen. Das wappengeschmückte Amtsgebäude wurde von seinem Vorgänger Gramlieb Eseler und seiner Familie bereits geräumt. Die Wohnfläche ist bescheiden, jedoch deutlich komfortabler, als die meisten ihm bekannten Burgen. Die Fenster sind mit Glas ausgestattet, zwei Kamine wärmen die beiden Stockwerke wohlig auf und im Keller steht ein großer Zuber zum Waschen, sowie zur Kleiderpflege. Es gibt ferner fließendes Wasser und eine Abortgrube mit Fallschacht im Haus. Alles ist prachtvoll ausgestattet. Überall stehen reich geschnitzte Möbel und farbenfrohe Behänge bedecken die Wände. Irgendjemand hat Apfelzweige ins Feuer geworfen, um den Rauch einen angenehmen Duft zu geben. Sämtliche Hauseinrichtung ist jedoch für Seyfried viel zu hoch, denn in viel zu hohen Regalen stapeln sich gelehrte Schriften, Gesetzesbücher und juristische Abhandlungen, sowie Urkunden aller Art. Er lebt seit seiner Geburt in einer Welt, die für ihn erheblich zu groß ist, doch nie so grotesk, wie in seinem gepflegten Amtshaus in Nürnberg.

Bei ihm wohnen der Kastner Godefried und seine Frau Edeltraud. Sie verbeugen sich vor dem neuen Reichsschultheiß und lächeln dabei pflichtschuldigst. Sie begrüßen sich voller gegenseitigem Respekt. Der mit viel Menschenkenntnis ausgestattete Seyfried erkennt fleißige, ehrliche und herzensgute Menschen sogleich. Um ebensolche handelt es sich bei seinen neuen Gehilfen. Der kaum jüngere Godefried hilft als Kastner Nürnbergs dem Reichsschultheiß bei seiner Arbeit. Edeltraud führt den Haushalt und ist eine erstklassige Köchin. Sie ist etwa Anfang dreißig, etwas blass, wirkt daher verletzlich. Irgendwie erinnert sie Seyfried an einen halbverhungerten Biber, da sie vorstehende Schneidezähne besitzt. Sämtliche Schöffen der Stadt werden vorstellig. Sie sollen dem bekannten Ritter und ehemaligen, hochverdienten Schweppermann Seyfried hilfreich zur Seite stehen. Jeder dieser Herren weiß, was der neue Reichsschultheiß anfasst, gelingt wie durch Zauberhand. Nur sein Experiment in Sachen Weinanbau auf Burg Thann, sowie das schwierige Verhältnis zur eingeheirateten Familie Rindsmaul, ging gründlich schief. Seyfried und seine boshaften Schwager sind wie Hund und Katze. Mehrere Streiche, Kämpfe und Attentatsversuche überstand er bereits.

Die wichtigsten Nürnberger Bürger begrüßen Seyfried mit unterwürfigsten Ton. Der neue Reichsschultheiß und sein Kastner empfangen die Herrschaften warmherzig. Sie bieten brauchgemäß einen Becher Wein als Begrüßungstrunk an. In den Stimmen der Schöffen klingen schmeichelhafte Überraschung und sogar Ehrfurcht. Lediglich einer dieser ehrgeizigen Herren, der übellaunige und übertrieben modisch gekleidete Kaufmann Groß, mustert seinen neuen Reichschultheiß skeptisch. Seine Stimme klingt bei der Begrüßung abweisend. Argwohn und Neid funkeln in seinen Augen. Das linke Unterlid zuckt dauernd, passt mitsamt seinem äußerst verschlagenen Mienenspiel so gar nicht zum untertänigen Gehabe. Mit verdrießlicher Miene nippt Groß gezwungenermaßen an seinem Wein. Er provoziert mit seiner herablassenden Art. Seyfrieds Kastner flüstert ihm ins Ohr:

„Der Krämer Groß hält sich wegen seines Vermögens für einen Bimberlaswichtig.“ Seyfried nickt zustimmend. Er hält diesen Eitlen genauso für einen aufmüpfigen Wichtigtuer. Nach einem kurzen Kennenlernen verabschiedet Seyfried sein Beratergremium liebenswürdig:

„Ich danke euch allen von Herzen für euren Besuch. Ich muss mich erst einarbeiten. Gehabt euch wohl.“ Sich ständig verbeugend verschwinden seine Besucher. Seyfried geht mit glühendem Eifer an die Sache. Der Amtmann stapelt seine Bücher ordentlich auf, stellt eine neue Kerze in den Halter. Er sortiert auf seinem schweren Schreibpult, verschiedene Federn, Tintenfässchen, verschieden farbige Schnüre, ein hölzernes Lineal, Sand, eine kleine Waage mit Gewichten, Schere und verschiedenfarbige Wachsriegel zum Siegeln. Kaum erledigt, meldet der Kastner erneut Gesellschaft an. Es ist sein Erstgeborener, welcher ihn herzlichst umarmt. Er gratuliert zu seiner Stellung. Eilends bittet er den Ritter Hartung, seine Mutter über die neuesten Ereignisse, sowie über sein behagliches Heim zu informieren. Wenn Katharina wünscht, kann er sie gleich mit nach Nürnberg bringen. Seyfried freut sich über ein Wiedersehen und Zusammenleben mit seiner Familie, obgleich ihm dafür das wohlige Steinhaus viel zu klein dünkt.

Ein König ist eher eine entrückte Gestalt, welcher stets auf Reisen ist. Theoretisch ist er allmächtig, doch tatsächlich kann ein Monarch seine Gesetze, Erlasse und Regeln sehr schwer durchsetzen. Die örtlichen Fürsten hatten mehr Macht über das Leben ihrer Untertanen. Das ändert sich, sobald der König selbst oder einer seiner Repräsentanten in die Stadt kamen oder wie Seyfried dort im Namen des Monarchen Recht sprechen und auf Ordnung achten. Bereits am folgenden Tag überreicht der energische König Albrecht von Habsburg persönlich seinem neuen Reichsschultheiß die schwere Amtskette und Stab, sowie ein dickes Buch. Im Sachsenspiegel sind die wichtigsten Gesetze, dazugehörige Strafen und Erlasse enthalten.

Abbildung 1 Zusammenstellung der verschiedenen Strafen

„Unsere Zeit hat grausame Bestimmungen“, sagt Seyfried schaudernd, als er den schweren Folianten durchblättert. Weiterhin werden die Büttel der Stadt auf ihn vereidigt. Gleichfalls deren Obrigkeit, sein Freund, der Ritter und Schweppermann, sowie Butigler, Rudger von Warpberg. Der streng dreinblickende, einäugige König Albrecht beordert den nervösen Seyfried abermals an seinen Thron. Seyfried kniet schicksalsergeben nieder. Mit einer Stimme so kalt wie Eis belehrt der äußerst reservierte Monarch:

„Ihr seid, während meiner Abwesenheit, der königliche Repräsentant und höchste Richter der Stadt. Ihr müsst meine Interessen durchsetzen und im Nürnberger Land, gemeinsam mit dem von mir ernannten Landvogt Dietgen von Kastl, für Ruhe, Gerechtigkeit und Ordnung sorgen. Weiterhin bitte ich Euch die Juden zu beschützen und mit deren Rat, sowie dessen Ältesten, zusammenzuarbeiten. Versucht mit der Mutter des Burggrafen, den Stadträten, euren Schöffen und dem Kastner, sowie dem neuen Landvogt gut auszukommen. Beendet mit der Hilfe des Grafen Gebhard, dem Herzog Ludwig und dem Landvogt Dietgen, die unnötigen Fehden im Umland. Scheut Euch nicht gegen Adelige vorzugehen und gleiches Recht zu sprechen. Ihr seid ein Kämpfer, kein Rechtsexperte. Das weiß ich wohl! Momentan brauchen wir in diesem Amt einen von Eurer Sorte. Offengestanden wünsche ich mir mehr Männer wie Ihr in diesen Positionen. Ich habe mit den ständig opponierenden Stadträten, den Meistern der Zünfte und der Gilden gesprochen. Diesen machte ich klar, warum ich Euch und nicht wie eigentlich üblich, einen der Ihrigen ernannte. Nach anfänglichem Murren folgten sie meiner Argumentation, stimmten mir schlußendlich zu. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, erinnert sie daran. Ich will keinesfalls einen Aufstand wie in Bamberg. Deren Protzbischof musste im Nachtgewand und Nachthaube in seine Altenburg fliehen. Die Verhältnisse in der Stadt sind durch die Führungslosigkeit desolat. Dringend gebrauchte Steuern bleiben aus. Greift daher hart durch. Arrangiert alles Notwendige. Das wird keineswegs einfach sein“, räumt der Monarch bereitwillig ein, setzt nüchtern fort:

„Ich wünsche Euch in der Aufgabe Glück und allseits gutes Gelingen. Ich, der König des Reiches, vertraue Euch.“ Seyfried bedankt sich artig für die Ratschläge und Hilfeleistungen beim hartgesottenen Landesvater. Mit einem hochherrschaftlichen Nicken verabschiedet sich der ausnahmsweise freundliche Albrecht von Habsburg wohlwollend:

„Ihr habt das Herz am rechten Fleck, enttäuscht mich nicht!“ Seine Worte hinterlassen bleibenden Eindruck. Der eigentlich kühle Gebieter steht auf, schreitet auf den nervösen Seyfried zu, klopft verstehend auf die Schulter. Das sagt zwischen den beiden Männern alles.

Kurz nach seiner Audienz hört Seyfried durch debattierende Adelige vom Tode des über ehrgeizigen Papstes Bonifaz und den damit gescheiterten Plänen Albrechts Kaiser zu werden. Der Pontifex ist bereits eine Woche nach dem französischen Anschlag am Schrecken verstorben. Des Weiteren unterrichtet man ihn vom Brand der Prager Burg, welche aus unbekannten Gründen bis zu den Grundmauern niederbrannte. Seyfried kratzt sich nachdenklich am Kinn. Er schreitet die finstere Gasse vom Burgberg hinab, die nach Exkrementen und anderen Abfällen stinkt. Freilaufende Hühner und Schweine suchen im Morast nach Fressbarem. Nach wenigen Lidschlägen haben sich Seyfrieds Augen an die Finsternis gewöhnt. Er blickt die durchgängigen Hausreihen zu beiden Straßenseiten entlang, deren spitze Giebel sich in den oberen Stockwerken so weit vorneigen, dass kaum ein Stück Himmel darüber frei bleibt. Er trägt einen dunklen Umhang aus feinem Stoff und hat die Kapuze weit in die Stirn gezogen. Zerlumpte, von Hunger und der Kälte ausgemergelte Kinder, sogenannte Freggerla, tollen um ihn herum. Unwillkürlich bekommt Seyfried ein schlechtes Gewissen. Wie es wohl seinen Kindern geht? Ein Mann ist vor einer Spelunke betrunken zusammengesackt. Er liegt in seinem Erbrochenen. Eine dürre Gauklerin mit ausgezehrtem Gesicht durchsucht die Taschen. Seyfried geht dazwischen, packt das Weib grob an der Schulter. Diese reißt sich geschickt los, huscht wieselflink um die Ecke. Sie verschwindet in den verwinkelten Gassen. Seyfried hilft dem Betrunkenen auf und bittet seine herausgetretenen Zechkumpane, diesen nach Hause zu bringen. Zielstrebig steuert der Reichschultheiß seinen neuen Amtssitz an. Er will in seiner Stadt gründlich aufräumen und für Gerechtigkeit, sowie Ordnung sorgen. Geduld gehört sicherlich nicht unbedingt zu seinen Tugenden. Anpacken und die Dinge bewegen hingegen schon. Seyfried will ein eigenes Viertel für Gaukler, Musikanten, Bettler und andere Vaganten schaffen. Dort sind die Unehrlichen überschaubar und vor allem kontrollierbar. Die Sicherheit zu verbessern wird sein erstes Ziel sein.

Das erste Reinheitsgebot des Bieres

Kaum in seinem Amtshaus angekommen, erfährt er durch seinen aufgeregten Kastner vom Tod seines alten Freundes Gottfried von Sulzbürg alias Gottfried von Wolfstein. Der schwer erkrankte, befreundete Burgherr von Wolfstein vermachte die Pfarrei Pölling, dem Zisterzienserinnenkloster Seligenporten. Dort bettet man ihn bei strömenden Regen Ende Oktober 1303 zur letzten Ruhe. Seyfried und seine Familie nehmen, wie viele umliegende Edelleute dennoch daran teil. Sie erweisen den Ritter Gottfried die letzte Ehre. Seine beiden trauernden Söhne Leopold und Albrecht von Wolfstein teilen sich das Erbe. Den Wunsch des Vaters erfüllend, soll der zweitgeborene Albrecht die bürgerliche, jedoch vermögende Agnes Weigel aus Obersulzbürg heiraten, während der erstgeborene Leopold eine Adelige ehelichen soll. Agnes ist eine weithin gerühmte Schönheit. Deren Entführung wird bald Seyfrieds erster anstrengender Fall.

Währenddessen wurden durch die Nürnberger Stadträte, der Bierpreis und die Biersteuer festgeschrieben. Es wird verfügt, ausschließlich mit Gerste zu brauen. Hafer, Dinkel und Weizen sind als Rohstoff oder Zutat nunmehr ebenso verboten wie andere Substanzen. Reichsschultheiß Seyfried begrüßt die Regeln und soll auf deren Einhaltung achten. Die Brauer interessieren diese ungeliebten Veränderungen vereinzelt. Im Gegenteil, viele machen weiter wie bisher. Einer dieser Panscher, übertreibt es besonders und diesen sucht der Reichschultheiß auf, um ihm seine kleine Brauerei zu schließen. Die fadenscheinigen Begründungen für sein gefährliches Fehlverhalten interessieren den gesetzestreuen Seyfried mitnichten.

„Das Bier ist ohne unser heilsames mixtum compositum lebensbedrohlich“, meint der Braumeister. Seyfried sieht ihn an, als zweifle er an seinem Geisteszustand.

„Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Euer selbstmörderisches Gesöff wie Katzenpisse schmeckt! Das zu viel Gepanschte verleidet das Biertrinken. Von einem Genuss kann selten die Rede sein“, ist seine geringschätzige Meinung. Der Gerügte kann sich gar nicht mehr beruhigen. Puterrot angelaufen zeigt der Zornige dem Reichsschultheiß die geballte Faust.

„Halt dei Babm, du Hulzkaschber!“, stößt der fränkische Brauer mit fauligem Atem dabei hervor. Der selbstbewusste Handwerker schreit Zetermordio, kocht regelrecht vor Erregung und ihm läuft der Geifer aus seinem Mund, wie bei einem tollwütigen Hund. Lediglich die mitgezogenen beiden Stadtbüttel retten Seyfried vor Handgreiflichkeiten oder gar schlimmeren.

Die in einer Zunft zusammengeschlossenen, widerborstigen Brauer sehen es grundlegend anders als der neue Reichsschultheiß und der Nürnberger Stadtrat. Sie streiken erst einmal einige Monate. Was allerdings in jener Zeit wegen des größeren Weingenusses kaum auffällt. Seyfried muss sich mehrere Nächte mit den sturen Meistern dieses Handwerkes kraftzehrend herumschlagen, bis er diese von der Sinnhaftigkeit dieses notwendigen Gesetzes überzeugen kann. Nachdenklich nagen die Nürnberger Brauer auf der Unterlippe. Sie machen dazu ein säuerliches Gesicht als der kompromisslose Reichsschultheiß schlussendlich verkündet:

„Durch diese Regeln könnt ihr den Wein trinkenden Menschen vom Bier überzeugen. Punktum! Und jetzt Schluss mit den unnützen Vorwürfen und sinnlosem Gezanke!“ Nur wenige dieser Zunft runzeln darüber noch unwillig die Stirn. Ihr dummer und leidiger Streik war gänzlich erfolglos. Viele fränkische Schenken und Tavernen deckten sich mit Met, Wein, Citer und anderen Getränken ein. Die sturen Bierpanscher haben sich somit selbst am meisten geschadet. Seyfried sollte Recht behalten. Er ist nach mühsamer Überzeugungsarbeit damit einer der ersten Begründer, des heute weiterhin gültigen Reinheitsgebotes.

Die Brautentführung

Ende Februar 1304 erscheint restlos aufgelöst Sohn Hartung in seinem Amtsgebäude.

„Vater, Vater, die Braut von meinem Freund Albrecht wurde in der Nacht vor der Hochzeit entführt, Sie ist seither verschollen. Niemand weiß, wo Agnes abgeblieben ist!“ Seyfried fährt erschrocken hoch. Er ermittelt gänzlich irritiert:

„Wielange ist das Mädchen denn verschwunden? Was spricht für eine Entführung?“

„Seit drei Tagen fehlt jede Spur. Wir haben Hufabdrücke von fünf Pferden gefunden. Mindestens eines dürfte ein starkes Schlachtross gewesen sein. Ihre Eltern sind äußerst beunruhigt.

Der verhinderte Bräutigam ist mit einem Dutzend Gewappneter sofort den Hufspuren gefolgt. Sie führen in das Altmühltal hinein.“ Der aufgebrachte Seyfried ruft nach seinen drei verbliebenen Gefährten aus seiner Schweppermannszeit. Er übergibt umgehend seine Amtsgeschäfte dem Reichslandvogt. Der rüstige Dietgen von Kastl würde am liebsten mitkommen. Er hält die Verfolgergruppe für viel zu klein. Seyfried schüttelt entschlossen den Kopf.

„Einer von uns muss in Nürnberg bleiben. Außerdem ist Gott meist an meiner Seite!“ Dietgen sieht es notgedrungen ein. Seyfried, sein Sohn Hartung und drei Kämpen reiten bevor die Sebaldusglocken ihre Schäfchen zum Morgengebet rufen, nach Neumarkt. Der Winterhimmel ist strahlend blau, die Sonne scheint, lässt den Schnee funkeln und glitzern. An einer unübersichtlichen Wegstelle treffen sie auf einen, wie von Furien gehetzten Eilboten, vom älteren Bruder Leopold von Wolfstein. Sie wären mit diesem fast zusammengestoßen. Sein Pferd hat Schaum vor dem Maul und die Flanken zittern regelrecht. Seyfried packt die Zügel, fragt:

„Wohin, so geschwind?“ Des Meldereiters Gesicht verrät Schock und Bestürzung.

„Ich, Edelknecht Robert von Schönstein, muss schnellstens nach Nürnberg zum Reichsschultheiß. Ich handle im Auftrag meines Herrn, Leopold von Wolfstein.“

„Ich bin Seyfried von Kammerstein, der Schweppermann genannt und seit kurzem Reichschultheiß. Was habt Ihr mir zu melden?“

Abbildung 2 Burg Wolfstein/Neumarkt Oberpfalz von Wolfgang Braun

„Mein Herr hat seinem jüngeren Bruder die Braut gestohlen. Er will diese selbst heiraten. Er ist der Ältere und glaubt, nach guter Sitte der Erste sein zu müssen, der einen Nachfolger zeugt. Nun bangt er zu Recht, der Rache seines jüngeren Bruders Albrecht anheim zu fallen. Dieser ist nach Süden geritten, dürfte aber demnächst zurückkehren, fürchtet mein Herr. Eine Bruderfehde wegen dieses unedlen Weibsstückes gilt es zu verhindern.“ Seyfried kann nicht an sich halten, haut sich mit der Hand auf die Stirn und lacht wie ein Wahnsinniger bitter auf.

„Es ist Sitte bei Frauen, dass die Ältesten zuerst heiraten müssen, bevor jüngere Schwestern die Erlaubnis haben. Bei Männern ist es egal. Außerdem wollte mein verstorbener Freund, dass Albrecht sie heiratet, um an ein hohes Brautgeld zu gelangen, damit Leopold eine Adelige ehelichen kann. Wo steckt er mit Agnes?“ Der Reisige zeigt mit der Hand zum Berg hoch. Ohne weitere Worte brechen sie zur Burg Wolfstein auf. Die Gründe für das unvernünftige Handeln des erstgeborenen Wolfsteiners entschließt sich Seyfried nicht, und alle seine bisherigen Überlegungen führen zu nichts. Der anstrengende Ritt, dem Burgberg hoch, dauert lange. Da überall Eispfützen und Schneewehen es den Pferden schwer machen vorwärts zu gelangen. Ein kalter Winterwind pfeift um die Mauern. Selbst die Rabenvögel plustern sich auf, äugen missmutig aus ihrem dunklen Gefieder. Keiner dieser Unglücksvögel fliegt auf. Sie harren der Dinge, die noch kommen und krächzen selten aus den Bäumen oder von den Dächern der Burg. Fröstelnd schlägt der neue Reichsschultheiß von Nürnberg den Kragen seines Mantels hoch. Trotz der dicken Mäntel, der ledernen, mit Fell gefütterten Stiefel und Handschuhe frieren sie zum Gotterbarmen. Schnee und Eisklumpen sind allen in den Kragen, teilweise in die Reitstiefel gefallen und zu Matsch zerronnen. Alles ist irgendwie nass und klamm. Es ist schneidend kalt.

Mit harter Hand herrscht der säuerliche, humorlose Leopold über seine erst kürzlich ererbten Ländereien. Sein Hunger nach Land ist unersättlich, sein Streben nach Erfolg gnadenlos und sein Verlangen nach Macht unerbittlich. Seine Bauern und Handwerker stöhnen unter der hohen Steuerlast, sowie den harten Fronarbeiten, die sie ihrem anteillosen Feudalherrn zu leisten haben. Niemand traut sich aufzubegehren. Es heißt, Leopold von Wolfstein habe einen Stein als Herz und besitzt ein sehr impulsives Temperament. Ihm ist jedewede Schandtat zuzutrauen.

Mit seinem Horn meldet der aufmerksame Turmwächter das Ankommen der rasch nähernden Reiter. Der Burgherr rennt wie ein aufgeschrecktes Wiesel hin und her. Rasch bringt er seine alarmierten Kriegsknechte auf den Wehrgängen in Stellung. Leopold ist groß, kräftig gebaut, etwa dreißig Jahre alt, hat ein schurkisches Gesicht mit Spitzbart. Er trägt einen breitkrempligen Hut mit langer Pfauenfeder am Haupt. Über dem Tor, sowie in den flankierenden Türmen befinden sich in mehreren Etagen Schießscharten und Pechnasen. Es kann brenzlig werden, denn ebenso ist man von den Mauerkronen und Wehrgängen eine erstklassige Zielscheibe.

„Wer da?“, ruft die übellaunige Wache vom Torturm herab. Seyfried gibt bereitwillig Auskunft. Leopold ist vorsichtig. Er lässt lange auf sich warten und erst nach mehrmaliger Aufforderung, endlich die Zugbrücken herunter und die beiden Tore öffnen. Die Einreitenden erstarren jäh. Aufgespießt auf Pfählen, blicken aus blinden Augen und bleichen Fratzen eine Sammlung von blutbesudelten Köpfen vom Torturm auf sie herab. Ein gespenstisches Festmahl für die Aasvögel und eine wohldurchdachte Einschüchterung für alle Ankömmlinge.

Alle Kriegsknechte der Burg sind bewaffnet, umringen die Eintreffenden. Die Flanken der Rösser dampfen und zeigen überdeutlich, dass diese scharf geritten wurden. Brüsk stößt Seyfried einen zu nahetretenden mit seinem schweren Reitstiefel zu Boden und befiehlt streng:

„Kümmert euch um die schweißenden Rösser!“ Leopold stimmt angesäuert zu, beäugt seine Besucher allerdings misstrauisch. Der Burgherr von Wolfstein verneigt sich mit verbissenem Gesicht vor dem Reichsschultheiß und alten Freund seiner Familie. Er weiß nur zu genau, sich ihm zu widersetzen ist unklug. Deshalb fordert er sie auf, ihm in den Palas zu folgen. Seine geckenhafte Aufmachung stößt die Gäste ab oder bringt sie zum Schmunzeln. Zwei große Kamine an den Stirnseiten der gewaltigen Halle sorgen für eine angenehme Wärme. An den Wänden hängen von Leopolds Mutter geknüpfte, schwere Wandteppiche mit überwiegend Jagdmotiven, sowie gewaltige Geweihe und präparierte Köpfe von Bären, Wolf, Hirsch, Luchs, Wiesent und Elch, sowie von Hecht, Zander und Waller. Auch präparierte Vögel wie ein Auer- und Birkhahn, sowie ein Gänsegeier, ein Habichtweibchen und ein gewaltiger Steinadler gilt es zu bewundern. Auf den Tischen stehen Kränze mit getrockneten Blumen und duftenden Kräutern. Der Boden ist sauber und mit frischem Heu ausgelegt. Es riecht nach Harz und Äpfeln. Ein wirklich gemütlicher Saal, der nicht wie üblicherweise im Winter stockdunkel, zugig, verraucht und muffig ist. Einzig, der schwierig zu findende Abtritt lässt zu wünschen übrig. Ein stinkiges Holzbrett mit zwei Löchern in der Mitte liegt über zwei Steine. Darunter geht es aus dem Erker direkt ins Freie, einer hohen Felswand hinab, bis hinunter ins Tal.

In einer Sitznische sitzen zwei unfreie Mägde auf Webstühlen. Diese tanzen regelecht. Zufrieden summend treten sie das Pedal, lassen die Schiffchen durch die Kettfäden gleiten und schlagen heftig mit der Lade. Ein ewig gleichbleibender Rhythmus. Der eintretende, gefürchtete Burgherr vertreibt sie mit einer einzigen Handbewegung.

Am Adelstisch nehmen Leopold, die entführte Agnes, Seyfried und Hartung Platz. Agnes trägt einen purpurnen Samtsurcot mit weitem Ausschnitt und dunkelblauen Schleifchen. Ihr glänzend schwarzes Haar, ihre dunklen Augen und ihre vollen Lippen bringt die Bekleidung bestens zur Geltung. Angenehmer Bratengeruch zieht durch den Dürnitz und lässt das Wasser im Munde zerlaufen. Zwei Pagen tragen an einem Spieß geröstete Spanferkel herein. Diese sind gefüllt mit geschmorten Pilzen, Gemüse und Preiselbeeren. Die Gäste lecken sich bei diesem Anblick über die Lippen. Hartungs Augen werden so groß wie gekochte Eier von Auerhühnern, aber keineswegs wegen des Essens. Er kann seinen Blick kaum aus dem wohl gefüllten Ausschnitt von Agnes offenherzigen Surcot nehmen. Währenddessen wünscht Seyfried nach dem Willkommenstrunk die Gründe für diesen unangebrachten Zwischenfall zu erfahren.

„Euer unüberlegtes Verhalten ist eine Narretei eines unvernünftigen, verliebten Ritters, derzudem uneinsichtig ist, dass er mit Entführung seines Täubchens nichts erreicht, außer Zorn und Fehde. Unversöhnlich, hart und erbarmungslos wird dein Bruder berechtigt Rache nehmen.“ Mißbilligend runzelt der Burgherr die Stirn, rollt ungläubig mit den Augen. Leopold rechtfertigt sich mit herablassendem Tonfall:

„Mein jüngerer Bruder hat keine Kenntnis von der Schönheit seiner Braut, während ich als Werber mich in sie fatalerweise verliebte. Als Ältester fordere ich sie für mich. Es ficht mich keineswegs an, was andere darüber denken. Schlimm genug, dass Vater unser Erbe aufteilte. Agnes gehört jetzt mir. Was mein ehrenwerter kleiner Bruder tut, interessiert mich weniger als die Winde aus dem Arsch meines Rosses!“ In ihm brodeln Wut und Hass, resultierend aus eingebildeten oder tatsächlich erlittenen Demütigungen durch seine Familie. Außerdem schwingt ein gewisser Besitzerstolz in seiner Stimme mit, jedoch keinesfalls Liebe. Bei seinen letzten Worten deutet er auf den Ring an der Hand seiner Angebeteten. Deren Antlitz verdunkelt sich. Agnes schaut verstört unter ihren langen Haaren hervor, hat verweinte Augen und schweigt eingeschüchtert. Sie wirkt verängstigt. Trotz alledem, macht sie einen imposanten Eindruck. Es ist so still im Rittersaal, dass man eine Maus im Stroh rascheln hören könnte. Angewidert schüttelt Seyfried den Kopf und wie so oft, trägt Seyfried sein Herz auf der Zunge:

„Mein Gott, bei einer Verschleppung und Eurer kaltblütigen Vorgehensweise hätte doch etwas passieren können! Was seid Ihr für ein Hitzkopf. Euer Verbrechen ist bisherig glimpflich abgegangen, nichts desto trotz, äußerst töricht. Euer rechtschaffener Vater hat Euch die Burg Wolfstein vermacht und die wichtigsten seiner Pfründe mit dazu. Ihr solltet eine Edeldame heiraten und keinesfalls, eines Pfeffersackes Tochter ehelichen. Eure Nachkommen werden vom Hochadel niemals anerkannt. Kann dies Euch egal sein?“ Begriffsstutzig schaut der Angesprochene auf. Der Burgherr erkennt langsam die Tragweite seines überstürzten Handelns. Leopold beginnt über die ruppigen Worte des alten Freundes seines Vaters zu überlegen. Nachdenklich nagt er an seinen Lippen. Unwillkürlich läuft ihm ein Schauer über den Rücken. Langsam, sehr langsam, dämmert ihm, dass er einen großen Fehler beging. Seyfried bemerkt den angespannten Gesichtsausdruck sogleich.

„Habt Ihr sie bereits kirchlich geheiratet?“, fragt Seyfried sich nachdenklich am bärtigen Kinn kratzend und mit wohlkalkulierter Förmlichkeit.

„Nein, ich habe sie nahezu unbedeutend einmal geliebt. Dies war ein sehr kurzes Vergnügen.“ Dabei deutet er auf arge Kratzer am Hals und einem blauen Flecken an seinem Oberarm.

„Die kratzbürstige Kaufmannstochter muss erst zugeritten werden, bevor sie in das Bett eines achtbaren Wolfsteiners darf,“ ergänzt Leopold erzürnt.

„Ihr habt also kein Einverständnis von Agnes!“, resultiert Seyfried, erntet hierfür aber ausschließlich unverschämtes Gelächter und die dämliche Aussage:

„Aber, aber Herr Reichsschultheiß, wer fragt schon sein Pferd, ob es seinen Reiter mag? Und welche Maid wird nach seiner eigenen Meinung überhaupt gefragt?“ Reine Bosheit blitzt aus seinen Augen. Zustimmungsheischend nicken alle Burgsassen des Wolfsteiners. Seyfried hat Zornesfalten auf der Stirn, als er der verstörten Agnes rät, über den bedauerlichen Vorfall zu schweigen und falls gefragt, ihren Schwager als Retter vor Räubern, ihrem Zukünftigen vorzustellen. Agnes starrt erschrocken in die Glut, verneint leise. Schlagartig springt sie auf und faucht wie eine auf den Schwanz getretene Wildkatze:

„Das mache ich niemals, eher friert die Hölle ein! Wenn, dann habt Ihr mich ehrlicherweise gerettet. Euch gebührt der Dank meiner Familie und meines mir unbekannten Bräutigams. Hoffentlich ist er kein Rüpel, wie sein älterer Bruder.“ Leopold ist außer sich über die Beleidigung. Er schlägt ihr fuchsteufelswild mit der flachen Hand auf die Wange. Im Affekt haut Agnes törichterweise zurück. Das finstere Antlitz des Burgherrn verheißt Unheilvolles. Wachsende Unruhe macht sich in der Halle breit. Der Burgherr Leopold kocht vor Wut wie Zorn und sinnt umgehend auf Vergeltung. Aufgebracht greift er zu einer Hundepeitsche am Gürtel. Er wirft das weinende Mädchen auf den Tisch, reißt ihr wenig schicklich das Gewand entzwei und prügelt munter auf ihren entblößten Rücken.

„Wird Zeit dir Krämerschlampe Manieren beizubringen. Vielleicht wollen sich unsere Besucher mit dir vergnügen?“, spottet der tückisch grinsende Burgherr.

„Hör auf, lasst es sein! Ich will es nicht! Lasst ab! Gott wird Euch zürnen!“, protestiert sie, strampelt und haut stürmisch um sich, wobei Ihr riesiger Busen aus ihrem Gewand herausfällt. Tränen trüben ihren Blick. Sie keucht und schnappt nach Luft wie ein Fisch im Trockenen. Agnes ist zu schwach gegen diesen rabiaten Wolfsteiner. Sie hat überhaupt keine Möglichkeit Widerstand zu leisten. Nach drei heftigen Schlägen greift Seyfried nach des Schänders Arm und quetscht diesen solange, bis er das Werkzeug zur Züchtigung schreiend fallen lässt. Seyfried schwillt die Zornesader gefährlich an, während bei seinem Erstgeborenen etwas anderes in seinen Beinlingen anschwillt. Hartung ist ganz hingerissen von Agnes und ihren offen zur Schau gestellten übergroßen Reizen. In Seyfrieds Stimme schwingen Hass und Verachtung mit, als er sich vor Leopold aufbaut, die Fäuste in die Hüfte stemmt und ihn heftig zusammenschnauzt:

„Genug davon! Sie hält dich Wieselfratze zu Recht für einen Dreckskerl ohne Manieren.“ Er schreit ihn an und verliert dabei völlig die Beherrschung, was Seyfried eigentlich nie passiert. Seyfrieds Ritterlichkeit ist naturgegeben, keinesfalls wie bei Leopold aufgesetzt. Die meisten Männer achten ihr Vieh mehr als die Weiber. Doch Seyfried gehört mit Sicherheit nicht dazu. Leopold schaut Seyfried wütend an. Der empörte Gastgeber auf Wolfstein reibt sich seine schmerzende Hand. Betretenes Schweigen breitet sich im warmen Dürnitz aus.

„Dieses ungehörige Weibstück hat mich provoziert“, stößt der kritisierte Möchtegerngalan tadelnd, sich auch mächtig selbst bedauernd, hervor.

„Das ist kein Grund sich unehrenhaft zu benehmen. Man schlägt keine Damen bei Tische“, erwidert Seyfried ungehalten und hebt anklagend den Finger. Der erboste, gedemütigte Burgherr will nach seinen Wachen rufen, um den Reichsschultheiß zu verhaften oder zumindest hinauswerfen zu lassen. Dem kommt Seyfried unerwarteterweise zuvor. Er haut ihm mit der Faust zuerst auf die Nase und sicherheitshalber setzt es einen „unhöflichen“ Kinnhaken. Das warme Blut, welches ihm aus Nase und Ohren läuft, spürt er nicht mehr. Besinnungslos sinkt der „Frauenschläger“, den Schimpfnamen behält er seinen Lebtag lang, auf seinem Lehnstuhl zusammen. Ein wohltuender Nebel umfängt ihn. Das Gesinde ist über die Frechheit des kaltblütigen Gastes glücklicherweise geschockt. Ihre Gesichter werden lang und länger, und um ihren Mund liegt ein verdrießlicher Zug. Seyfried bleibt keine andere Wahl, als das Heil in der Flucht zu suchen. Er gibt geschwind Befehl zum Aufbruch.

„Rasch, eilt euch! Wenn dieser lasterhafte Leopold aufwacht, müssen wir weit fort sein, so Gott will!“ Hartung mosert. Er argwöhnt in Richtung seines Vaters:

„Diplomatie war nie deine Stärke! Ich dachte, du hasst unüberlegtes Draufgängertum?“ Der Sarkasmus in seiner Stimme ist unüberhörbar. Seyfried brummt mit verbissenem Gesicht vor sich hin. Es klingt so, als dulde er keine Fragen, geschweige Widerrede. Es bleibt ihm keine Zeit für eine spöttische Erwiderung. Die eben mit der Versorgung fertig gewordenen Pferdeknechte sind baff, als sie die Reittiere wieder gesattelt bringen müssen. Der Waffenmeister der Wolfsteiner überprüfte eben die Wachen. Er ist daher unwissend, was im Dürnitz eben geschah. Er schüttelt nur verwundert den Kopf, lässt die Tore nochmals öffnen und die Zugbrücken herunter. Hastig sitzen die ehemaligen Gäste auf. Die Kurzbesucher verschwinden eiligst aus der Burg. Sie müssen sich augenblicklich trollen, um nicht um Leib und Leben zu fürchten. Sie galoppieren davon, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Buschwerk, Bäume und Wiesen rasen an ihnen vorbei. Ihre Mäntel, der Rösser Mähnen und Schweife flattern regelrecht im Wind. Da es bereits dunkelt, beschließt Seyfried, die für alle bekannte Straße nach der Grundisburg zu nehmen. Eine eiskalte Brise weht um sie herum. Es treibt ihnen Schnee in die Augen, welche sie zukneifen müssen. Das Schneetreiben nimmt anhaltend zu. Blinzelnd erkennt Seyfried den Weg, der in wechselndes Licht des Mondes getaucht ist, da riesige weiße Wolkenfetzen schnell über den Nachthimmel ziehen. Er orientiert sich an den zahlreichen Wagenspuren, die die Fuhrwerke im Schnee hinterlassen haben. In regelmäßigen Abständen passieren sie die Türme der Wehranlage von Neumarkt und etwas später, kleine, vereiste Weiher, in denen sich das Mondlicht geheimnisvoll spiegelt. Die Wege sind bei Dunkelheit und bei diesem Wetter menschenleer. Alle bleiben lieber drinnen. Die Leute versammeln sich um wärmenden Herd oder Kamin. Ausgerechnet jetzt fällt einem seiner Reiter ein, dass hier in der Nähe eine Räuberbande gerüchteweise sein Unwesen treibt. Ein überaus beängstigender Gedanke. Mühsam drehen sich alle um, blicken furchtsam drein. Stille, niemand verfolgt sie. Der rohe Frauenschläger scheint eine Menschenjagd bei dieser Witterung abzulehnen. Seyfried weiß, dass die Gegend um Neumarkt berüchtigt wegen häufiger Überfälle ist. Er wechselt die Zügel von der Rechten in die Linke, um die Schwerthand frei zu haben. Seyfried kennt seine Stärken und Schwächen. Er hat bereits als Knappe eingesehen, dass er kein großer Kämpfer ist, sondern eher ein Denker und Stratege. Er umklammert den Schwertknauf und blickt furchtsam um sich. Eiterfarben hängt der aufglühende Vollmond über die längst weit entfernte Burg Wolfstein, bis er wieder hinter zwei jagenden Wolken verschwindet. Eine große Eule gleitet zwischen den Bäumen lautlos hindurch, jagt einen Fuchs hinterher. Dabei wäre sowohl der Gejagte, als auch der Uhu beinahe mit ihnen zusammengestoßen. Ist es ein böses Omen? Um Mitternacht erreichen sie endlich das Tor. Eine gespenstische Stille liegt über der efeuumrankten Grundisburg und der weißen Winterlandschaft. Kein Wächter ist sichtbar. Die Rüstungen und Waffen schimmern, das Fell der Rösser glänzt, wenn die Angekommenen Atemwolken in die eisige Nachtluft blasen. Schneeflocken prasseln wie kleine Dornen in ihre Gesichter. Eiszapfen hängen nicht nur an den Zweigen, sondern ebenfalls in den Haaren und Bärten. Sämtliche Nasen sind rot. Die behandschuhten Finger steif gefroren. Alles ist von Schnee und Eisschicht überzogen. Das Schneetreiben steigert sich. Einlass gewährt man ihnen dennoch erst nach langer Wartezeit. Siebenmal muss Seyfried sein altes, von Kuno von Murrach geschenktes Horn benutzen. Gewährt man kein Gastrecht?

Der kleine Trupp überquert mit schlagenden Hufen die Zugbrücke. Die Wachen am geöffneten Tor grüßen und verneigen sich, während die Reiter in den Innenhof traben. Die unschlüssigen Stallknechte greifen erst nach einem Nicken des Burgherrn Albrecht in das Zaumzeug der erschöpften Rösser und halten hilfreich die Steigbügel beim Absitzen. Stöhnend wuchten sich die halb erfrorenen Ankömmlinge strapaziös aus den harten Sätteln. Die rüttelnden Stöße und das Trommeln der Hufe sorgen des Öfteren bei Seyfried für Nasenbluten; so auch diesmal. Vor Ungeduld platzt zudem dem Frierenden fast die Galle. Er ist über die Verzögerung beim Einlass verstimmt. Seyfried lässt es seinem Schwager, wie seiner Gemahlin, durch anhaltende Schweigsamkeit spüren. Er würdigt sie nicht einmal eines weiteren Blickes, als er schnurstracks in den Palas läuft. Die geifernde Katharina eilt hinterher, überholt ihn, wendet sich ihm zu.

„Also bist du wieder da“, stellt sie überflüssigerweise fest, setzt gleich noch bissig fort:

„So, du ewig abwesendes Stück Scheiße kommst wiedermal Heim. Was dir an Größe mangelt, machst du mit Dummheit und Sturheit wieder wett. Du und deinesgleichen seit ruhelose Blechhaufen ohne Herz und Verstand“, zischt Gemahlin Katharina durch die zusammengebissenen Zähne, schaut ihn zornentbrannt an. Sie hat aufs Neue ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Ihre jäh folgende Begründung klingt durchaus plausibel.

„Du bist durch deine ewige Abwesenheit sehr grausam zu mir und deinen Kindern gewesen, Seyfried“, hält sie ihm vor, und von der höhnischen Nachsicht in ihrer Stimme erhält er eine Gänsehaut. Der Stirn runzelnde Seyfried wirft seiner streitsüchtigen Gattin nur einen strafenden Blick zu. Es ist wohl klug, sich nicht mit ihr anzulegen. Der Eigensinn seiner hasserfüllten Frau hat seine Geduld bis zum Äußersten strapaziert. Er überdenkt seine Worte, die er Leopold von Wolfstein nach der Züchtigung entgegnete. Einzig sein Lieblingshund springt schwanzwedelnd um ihn herum, beschnuppert ihn höflich und bellt vor Glückseligkeit sein Herrchen wiederzusehen. Er ist außer Rand und Band vor Freude. Jubelnd dreht er sich im Kreis, was Seyfrieds Herz erfreut. Die Wiedersehensfreude zwischen dem Tier und Seyfried ist ein schöner Anblick. Wieland heißt der Vierbeiner, wie der berühmte Schmied in der Heldensage. Wieland ist ein großer Gewinn für Seyfried, denn seine Anhänglichkeit und Lebensfreude sind Balsam für seine einsame Seele. Ein heimeliges Feuer lodert in dem großen, steinernen Kamin im Dürnitz der Grundisburg. Die Besucher strecken ihre frostigen Hände über die züngelnden Flammen, während die Holzscheitel zischen und knistern. Draußen klopft ein Eissturm gegen die Fensterläden und die runden Butzenscheiben. Etwas Eintopf, kalter Braten und erwärmtes Schmalzbrot werden von den geweckten Leibeigenen gereicht. Dazu gibt es heißen Apfelmost, Met, Wein und Waldhimbeergeist in Hülle und Fülle. Herzhaft greifen alle tüchtig zu. Erst sehr spät ziehen sie sich zurück. Jeder vergräbt sich unter den Laken, Fellen und Mänteln, die ihm als Bettzeug in ihren meist feuchten, windigen und frostigen Kammern dienen. Der heurige Winter ist kältetechnisch eine bittere Folter. Ein Jeder sehnt sich nach dem Ende dieser unheimlichen Kälte, die die Dächer knarren und die Zähne ständig klappern lässt.

Nach dem Schneesturm ist am folgenden Tag die Luft klar und rein. Die Sonne sticht so hell vom dunkelblauen Himmel, dass Seyfried die Augen schließen muss, wenn er zu lange auf die schneebedeckten Felder, Wiesen und Bäume sieht. Die nächtlichen Böen haben an vielen Stellen die Nutzhölzer wie Schilfstengel umgeknickt. Leer gefegte Schneisen, die tief in den Wald hineinreichen, werden in nächster Zeit für viel Arbeit sorgen, denkt Seyfried. Sein Schwager und seine Gemahlin fordern sofortige Auskunft. Erst jetzt beantwortet er die drängenden Fragen. Er klärt seinen Schwager über die verworrene Situation der Wolfsteiner und das Schicksal der mitgeführten Agnes auf. Katharina kümmert sich derweil um das verängstigte Mädchen, während Albrecht einen Boten nach Nürnberg schickt, um die sorgenden Eltern zu informieren. Agnes will gar nicht mehr aus dem Zuber steigen. Körperlich befindet sie sich langsam auf dem Weg der Besserung. Aber wie es in ihrem Inneren aussieht, das weiß niemand. Sie gewährt keinem Einblick, spricht kaum und ist ausnahmslos in sich gekehrt. Trotzdem ist sie ein sehr attraktives, liebreizendes Fräulein mit einem makellosen weiblichen Körper. Obwohl sie ihre Mondblutung hat, glaubt sie schwanger zu sein. Diese derartige Unwissenheit gibt es nur, wo alles, was in den Augen der mächtigen Kirche Sünde ist, totgeschwiegen wird. Erst Katharina klärt Agnes auf und beruhigt sie. Agnes ist zutiefst gerührt über die erwiesene Hilfsbereitschaft.

Eine bewaffnete Reiterschar prescht um die Mittagszeit unter der Führung Leopolds vor die Grundisburg. Wütende Rufe erfüllen die frostige Luft.

„Wo steckt der ehrlose Widerling, der meine Agnes entführte? Wo ist der Hund, welcher mir die Gastfreundschaft mit einer gebrochenen Nase vergalt?“ Seyfried horcht den beschimpfenden Worten mit ausdruckslosem Gesicht zu. Er mustert den tobenden Ankömmling wie ein lästiges Insekt. Seyfried und der Burgherr, sein Schwager Albrecht, tauschen einen verstehenden Blick miteinander. Beide schlendern gelassen zum verschlossenen Tor. Seyfried gibt lautstark, jedoch gleichmütig von der Plattform des Torturmes aus Rechenschaft:

„Ja, jetzt entsinne ich mich wieder. Ihr seid traurigerweise der Räuber der Braut Eures Bruders. Ich bringe diese dem rechtmäßigen Bräutigam zurück und verhindere eine Familienfehde, indem ich ihm von unbekannten Räubern berichte. Ich unterlasse es nur widerstrebend die Wahrheit über Eure doppelt verabscheuungswürdige Schandtat zu sagen. Für das, was Ihr getan habt, gibt es keine Entschuldigung! Ihr glaubt, dass die Weiber dieser Welt nur dazu da sind, Euch Lust zu bereiten und Euch Söhne zu gebären. Ein folgenschwerer Irrtum Eurerseits.“ Seyfried lässt eine Pause, doch Leopold runzelt bloß die Stirn, verharrt regungslos und ringt sichtlich um Worte. Mit beißender Schärfe fährt Seyfried in bitterem Ton fort: „Ich lüge nur aus Freundschaft, zu Euren ehrenwerten Eltern und keineswegs Euch zu Liebe, einem ruchlosen Frauenschänder. Agnes wird instruiert das Selbige zu sagen, unter der Voraussetzung, dass Ihr umgehend verschwindet und Eure Schwägerin zukünftig in Ruhe lasst. Wagt es ja nicht zur Hochzeit zu erscheinen. Geht dem Paar aus dem Weg. Wenn Ihr Euch daranhaltet, werdet Ihr bis auf Eure windschiefe Nase, davonkommen. Habt ihr Narr alles verstanden?“ Eine unmissverständliche Drohung liegt in der Frage. Nach dieser Beleidigung ist es mit der Zurückhaltung Leopolds endgültig vorbei. Er starrt ihn mit aus den Höhlen quellenden Augen an. Er flucht markerschütternd, dann fletscht er die Zähne zu einer Miene, die man durchaus als Antwort betrachten kann. Beim Wenden der Rößer plärrt er cholerisch zurück:

„Das werdet Ihr bitter bereuen!“ Wutschnaubend und wild gestikulierend gibt der brüsk Gescholtene seinem tänzelnden Streitross die Sporen. Seyfried hätte dem Gerüffelten am liebsten einen Tritt in den Allerwertesten verpasst und ihm noch deutlicher seine Meinung gesagt. Wie eigentlich immer ruht auf Verrat und Tücke kein Segen, dass Gesetz der Resonanz schlägt gerechterweise unerbittlich zu. Der vor Empörung kochende Leopold findet durch seinen irreparabel beschädigten Ruf keine Frau mehr. Durch einen selbstverschuldeten Reitunfall stirbt er tragischerweise wenige Jahre nach diesem Vorfall kinderlos. Sein tüchtiger Bruder Albrecht erbt Wolfstein und Agnes wird eine angesehene, gute Burgherrin.

Am nächsten Tag treffen die Eltern von Agnes ein. Froh, ihr Töchterlein wiederzusehen, herzen sie sich und preisen deren Retter. Die Grundisburger nehmen die drei Gäste gerne auf. Mutter und Tochter sitzen überwiegend mit der Burgherrin mit viel Geduld und Sorgfalt am Webstuhl. Sie plaudern dazu ausgelassen über die Mode, den Haushalt oder über Kindererziehung, während Seyfried und sein Sohn die Wachmannschaft drillen, zur Jagd gehen oder Schneeschäden beseitigen. Die letzten eiskalten Tage enden. Man kann wieder länger Lüften und ohne Pelz nach draußen gehen. Der Frühling wird bunt und arbeitsreich. Agnes und ihre Mutter freunden sich besonders mit der Burgherrin Katharina an. Sie helfen ihr bei allen anstehenden Aufgaben. Agnes lernt dabei viel Nützliches für ihre Zukunft als Wolfsteinerin.

Um seine Braut zu holen, taucht im Juni endlich ihr Bräutigam Albrecht von Wolfstein auf. Seyfried scherzt mit ihm und macht sich über die einfältigen Räuber lustig:

„In diesen dunklen Zeiten treibt sich überall Gesindel herum. Dieser Abschaum ist wie ein Schwarm von Pferdebremse. Nunmehr liegen alle erschlagen im Wald. Ihre verkommenen Seelen leisten dem Teufel Gesellschaft.“ Er errötet. Offenkundig fällt Seyfried das Lügen schwer. Der unwissende Jungritter glaubt es erst, als Agnes die Geschichte bestätigt. Albrecht lädt alle zur Hochzeit ein. Während Seyfried seine Amtsgeschäfte als Begründung für seine Absage vorgibt, nimmt Hartung die Einladung an. Katharina wird als Trauzeuge von Agnes erwählt und ihr Gemahl zum Ehrenbürger von Neumarkt ernannt. Immerhin hat der Reichsschultheiß einen Bruderzwist verhindert, der die Bürger vor der Not einer Fehde bewahrte. Überall munkelt man:

„Unser listiger Reichsschultheiß ist ein besonnener, kleiner Kerl mit großem Herz und Verstand!“ Dies sehen viele Menschen so, außer seinem mürrischen Eheweib. Seyfried schmollt wegen den vielen Schmähungen. Er hat während seiner Anwesenheit höchstens drei Sätze mit seiner nörgelnden Gemahlin gewechselt. Der fleißigen Burgherrin Katharina kann es nur recht sein. Sie hat keine Lust auf erneute Schwangerschaft, welche mit vielen Schmerzen und in jener Zeit sogar mit Lebensgefahr verbunden ist. Ihre voller Euphorie geäußerten Abschiedsworte sind erneut wenig verträglich:

„Räudiger Hundsfott, mach dich vom Acker, du stinkst wie ein brünstiges Maultier.“

Zahlreiche Aufgaben als Reichsschultheiß

Der frühe Vormittag ist kühl. Über der Pegnitz fluten Nebelschwaden. Hin und wieder nieselt es dünn aus den tiefhängenden grauen Wolkenbändern als Seyfried mit seinen drei Gefährten in Nürnberg einreitet. Kaum jemand ist zu sehen. Die Straßen, Plätze, die über sechzehn Brücken und Stege, sowie die vielen Gassen sind menschenleer, denn im selben Moment wird der König Albrecht von Habsburg am Spitaltor freundlich und mit großem Pomp verabschiedet. Alles gafft, während die Kinder zwischen ihren Beinen spielen. Niemand will das Spektakel um den königlichen Abschied versäumen. Den Lärm der Trompeten und das Geschrei der Nürnberger, ein Mordsgaudium, hören Seyfried und seine Begleiter bis ans andere Ende der Reichsstadt. Kaum in seinem gemütlichen Amtsgebäude angelangt, erfährt er von seinem herbeigeeilten Jugendfreund Rudger von Warpberg arg bedenkliches:

„Unser eben erst abgezogener Monarch ist berechtigt beunruhigt, denn es geschieht viel Aufsehenerregendes in seiner Stadt. Der uns überaus gutgesonnene Hochmeister Gottfried von Hohenlohe musste hier abdanken. Er begnügt sich angeblich nur mit der Deutschordensballei Franken und residiert zukünftig in Mergentheim. Ich glaube kaum, dass sich der ehrgeizige Ordensherr mit diesem Titel abfinden wird. Ärger steht dem deutschen Orden sicherlich bevor und der Austragungsort des Konfliktes dürfte sich dummerweise hier befinden.“ Seyfried ist bestürzt über diese Nachricht. Er überlegt einige Zeit, was es für seine Reichsstadt für Auswirkungen haben könnte. Der aufgeregte Rudger berichtet nach einem kräftigen Schluck Wein weiterhin:

„Stell dir mal vor. Unser schwieriger Nordgau Graf Gebhard der Siebte wurde vom König für seine Verdienste zum Landrichter ernannt. Der Getreue freute sich so sehr über diese verblüffende Anerkennung, dass er fünf Tage ununterbrochen feierte, sich so besoff, dass er ins Spital gebracht werden musste. Er ist weder ansprechbar, noch bei Sinnen.“

„Das war er noch nie. Er ist ein verbitterter, übel gelaunter, eitler, dünkelhafter und in die Jahre gekommener Edelmann, der seinen Wert weit überschätzt. Dessen Schwächen sind so lang wie sein gestreckter grauer Bart.“ Rudger nickt Seyfried zustimmend zu und setzt fort:

„Seine Alibigemahlin Sophie reist aus Sulzbach hierher. Sie dürfte zügig eintreffen. Wir sollen für ihre Sicherheit garantieren und besonders auf den Sodomiten Gebhard achten, da er logischerweise keine eigenen Erben hat. Sein gieriger Oheim, der rebellische bayerische Herzog Rudolf, streckt nicht bloß gerüchteweise die Hände längst danach aus. Ein Testament hinterlegte man beim Notar im Beisein einiger Zeugen. Niemand weiß, wer der Begünstigte ist. Dies sorgt für erhebliche Unruhe. Ich glaubte, unter diesen Bürgen, unseren alten Waffengefährten Heinrich entdeckt zu haben. Ich war unsicher, da dieser jetzt den Namen Heinrich von Haintal führt.“ Seyfried zwinkert ihm zu und fragt rhetorisch:

„Wie viele Namen besitze ich mittlerweile?“ Rudger sieht seinen Irrtum ein. Er bedauert es, mit dem alten Freund und Waffengefährten keinen Kontakt gesucht zu haben. Seyfried sieht es locker. Er stellt scharfsinnig fest: „Sobald der Graf aufwacht, können wir ihn befragen. Unser Ritterbruder Heinrich steht schließlich in dessen Diensten.“

Die Zerstörung der fröhlichen Wiederkunft

Der Reichsschultheiß muss durch seine lange Abwesenheit vieles Beurkunden und manchen Streit schlichten. Die stadtbekannte, kugelrunde Wirtin Isentrud beklagt sich verbittert:

„Lieber Reichsschultheiß, ich habe etwas zu vermelden. Ich bitte Euch inständig um Hilfe. Meine gutgehende Schänke wurde schrecklich verwüstet. Wer ersetzt mir die Schäden?“

„Wie kam es dazu?“, fragt Seyfried.

„Aus Beschimpfungen wurden Beleidigungen, aus geballten Fäusten wurde eine handfeste Rauferei. Mein gesamtes Mobilar ist zerschlagen, vieles ging dabei zu Bruch. Eine solche Störung unseres alten Burgfriedens darf niemand zulassen, geschweige Ihr, der ehrwürdige Reichsschultheiß.“ Seyfried winkt sie hastig, mit verkniffenem Gesichtsausdruck zu sich. Er wünscht die Namen der Schuldigen zu hören. Panik und Beschämung stehen in ihrem Gesicht.

„Die dreisten Raufbolde haben mir ein Stuhlbein übergezogen und während meiner Umnachtung alles zertrümmert. Sie besassen sogar die Frechheit weiter zu saufen. Bezahlt hat in jener Nacht keiner dieser Lumpen! Die Widerlinge sind unerkannt davon!“ Seyfried erkundigt sich nach Zeugen. Er erfährt dabei, dass sie nach der verordneten Nachtruhe und daher ohne ihre Schankmägde, ihr zwielichtiges Lokal mit dem anheimelnden Namen „Fröhliche Wiederkunft“ widerrechtlich offenließ. Ein schweres Vergehen, in jener Zeit. Für einen kurzen Augenblick wird Seyfrieds Blick düster. Er schimpft ungehalten:

„Eure Arglosigkeit ist ungeheuerlich! Zudem habt Ihr gegen eines der wichtigsten Gesetze der Stadt verstoßen! Eigentlich gehört Ihr in die Schandgeige und kräftig ausgestäubt.“ Nach betroffenem Schweigen lacht Isentrud abrupt verbittert auf, als sie kleinlaut widerwillig zugibt:

„Zu meinem Schaden käme dann obendrein meine Schande.“ Seyfried lächelt innerlich. Es kommt ihm zupass, denn die nächtlichen Säufer sind wahrscheinlich längst über alle Berge verschwunden und ein Scheitern, die Schuldigen zu verurteilen, würde ihm sicherlich angelastet.

„Als Reichsschultheiß habe ich Eure Anzeige nicht zur Kenntnis genommen, als Seyfried von Hulloch rate ich Euch, den entstandenen Schaden als Strafe zu sehen und dafür selbst aufzukommen. Bei einer öffentlichen Klage käme alles heraus. Möglicherweise ist die Strafe für den Sperrstundenverstoß höher als die kaputte Schenke. Lasst besser davon ab!“

Isentrud sieht es zähneknirschend ein, bedankt sich artig. Sie lädt Seyfried und seinen Butigler, sowie dessen Stadtknechte zu einem Freibier ein. Die „Fröhliche Wiederkunft“ ist überall für dünnen Wein und gepanschtes Bier bekannt. Zudem treiben sich dort zwielichtige Gäste herum. Der unbestechliche Seyfried schüttelt den Kopf. Er bittet die dicke Schankwirtin, welche selbst ihr bester Gast ist, zu gehen. Ein weiterer Fall wird an ihn herangetragen.

Die Schuhaffäre

Eine junge, äußerst attraktive Frau fühlt sich von einem Schuster betrogen und wird bei Seyfried vorstellig. Die selbstbewusste, etwa Mitte zwanzigjährige Irmingard führt eine gutgehende Schneiderei. Sie bildet wiederum Frauen in ihrem Gewerbe aus. Sie gilt als sehr kreativ und fleißig. In ihrem Modegeschäft wird nach eigenen Mustern gewebt, genäht und gestickt. Der Reichsschultheiß ist für diese Angelegenheit gar nicht zuständig. Eigentlich gehört dieses Verfahren in die Hände der Schuhmacherzunft. Die hübsche Nürnbergerin, welche bereits eine angesehene Witwe ist, lässt sich nicht abweisen und beharrt auf einen Richtspruch von höchster Stelle. Seyfried ist verblüfft von ihren wunderschönen langen Haaren und von der Eindringlichkeit ihrer blauen Augen. Er prüft das Leder und erkennt selbst als Laie, dass die resolute blonde Schönheit im Recht ist. Er zitiert den irritierten Schuster zu sich. Der junge Handwerkermeister behauptet felsenfest, dass das ramponierte Schuhwerk eine erstklassige Arbeit gewesen sei. Irmingard widerspricht vehement, zuerst langsam und stockend, doch mit jedem Satz sicherer in ihrer Schilderung. Bei dem Disput verrutscht die Haube „zufällig“ und gibt ihr wunderschönes blondes Haar vollends preis. Die mit anwesenden Stadtschergen staunen nicht schlecht und es spannt in den Beinlingen gut sichtbar.

„Ich weiß, ich weiß“, Seyfried hebt begütigend die Hände und unterbricht seine ruhelose Wanderung für einen kurzen Augenblick. Ein teuflisch zu nennendes Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit. Mit einer tiefen Stimme so kalt wie die Temperatur konstatiert er und befiehlt zudem knallhart:

„Nürnberg ist die Stadt der Handwerker und Kaufleute. Unser aller Ruf hängt von unserer Qualität ab. Lasst diesen Betrüger einen dieser Damenreitstiefel fressen. Prügelt ihn und erst wenn die Sohle verschlungen ist, schleift ihn nach Hause. Sollte er der Dame keine neuen Treter herstellen, dann muss er den Betrag komplett zurückerstatten. Bei Zuwiderhandlung werde ich die Zunft über sein Schandwerk informieren und eine Ausweisung aus unserer Reichsstadt erwirken.“ Der blasse Schuhmachermeister nimmt es unwidersprochen hin. Er akzeptiert notgedrungen das unangenehme Urteil. Er beginnt in sein Machwerk zu beißen. Die Büttel spotten weidlich, müssen darüber herzhaft lachen. Sie vergessen sogar den Handwerkermeister zu verhauen. Die attraktive Klägerin ist keine langweilige Betschwester. Sie schenkt Seyfried ein Lächeln, welches die Sonne zum Verblassen bringen hätte können. Nach dem Rückzug in die privaten Gemächer des Reichsschultheiß flüstert sie Seyfried erstaunlich verführerisch zu:

„Ihr wisst, dass dankenswerterweise eine Hand die andere wäscht. Zudem habe ich genug von meinem Rehlederstab und dem Gemüse, was ich zu meiner Befriedigung benütze. Ich brauche endlich wieder einen Mann.“ Dabei sieht sie Seyfried tief in die Augen und küsst ihn ungeniert auf den Mund, während ihre Hände die Schnüre seiner Beinlinge lösen. Normalerweise ein Unding. Seyfried schaut in ihre strahlenden Augen, glaubt in die Tiefe ihrer Seele blicken zu können. Irmingard will ihn haben, obwohl Seyfried deutlich kleiner und älter ist als sie. Irmingard liebt seine achtsame, unaufgeregte, ruhige Art, aber ebenso seine dominante Entschlossenheit. Rasch sind beide entkleidet. Steif und so richtig in seiner vollen Männlichkeit präsentiert sich Seyfrieds bestes Stück. Irmingard bemerkt die aufkommende Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen, spürt wie ihre Brustwarzen hart werden. Sie stöhnt ihrem Liebsten ihr Begehren in die Ohren. Seyfried fühlt sich fast trunken vor Seligkeit. Er ist von den Wünschen überrascht und überwältigt. Man sieht ihm seine Lust und Erregung an. Seine sinnlichen Hände umklammern mal ihren straffen Po, mal knetet er damit ihre kleinen Brüste, bis sie wohlig stöhnt. Sie lächelt ihm aufmunternd zu und reagiert voller Leidenschaft. Das warme Kerzenlicht macht alles viel einfacher, es erzeugt ein Gefühl der Geborgenheit. Seyfried lässt Honig über sie tröpfeln, beugt sich über Irmingard, um den Süßstoff so behutsam wie möglich mit der Zungenspitze abzulecken. Sie schreit auf, wirft den Kopf zurück. Ihre Fingernägel krallen in seinen erhitzten Körper, während sie sich verkrampft. Seine Erfahrung tut ihr sichtlich gut. Irmingard spürt seine Hand zwischen ihren Beinen und seine Fingerspitze an ihrer feuchten Spalte. Sie schaudert vor Lust. Nun bearbeitet Seyfried sie an den empfindlichsten Stellen mit den Fingern, dann leckt er ihre wulstig angeschwollenen Schamlippen und ihren runden, gut durchbluteten Lustpunkt. Er schleckt sogar ihren sauberen Anus und saugt an ihren Nippeln. Die Leckerei ist ein hocherotischer Genuss. Sie packt seinen Kopf zwischen die Hände, sieht ihm tief in die Augen, lobt:

„Wunderschön mit dir!“ Mit glasigem Blick haucht sie ihm außerdem ins Ohr: „Jetzt kommst aber du dran.“ Seyfried nickt ihr zu, ist in allen Punkten ihrer Meinung. Irmingard ist in ihrem Element. Sie saugt und reibt ihn, leckt seine Hoden, nimmt sein bestes Stück tief in ihrem Mund in sich auf und als er explodiert, presst sie ihre Lippen fest zusammen. Sie schluckt alles, sie will es genau so. Es führt für beide zu einer tiefen, sinnlichen Zufriedenheit. Gemeinsam schlummern sie für kurze Zeit ein. Zeitig geht der lustvolle Liebesreigen in eine neue Runde. Wie eine Würgeschlange umschlingt sie Seyfried genüsslich mit den Beinen. Sie zieht in auf und in sich. Ihr langes blondes Haar reicht ihr bis unter ihren festen, apfelförmigen Pobacken hinab. Ihr Anblick lässt niemanden kalt, am wenigsten Seyfried. Überfallartig vernascht sie den königlichen Amtmann. Sie windet sich unter ihm wie ein Aal. Seyfried genießt es. Das Stöhnen der sich Liebenden hallt durch die Dunkelheit. Stetig wechseln sie geschickt die Stellung. Seyfried beißt die Zähne zusammen und beherrscht sich zu früh zu kommen. Es schmatzt laut als er beständig heftiger von hinten in sie eindringt. Er benimmt sich leidenschaftlich und ungezügelt. Erst als sie nach Atem ringt, lustvoll stöhnend vornüber sinkt, gibt er sich seiner Erfüllung hin. Sie schaudert unwillkürlich nach ihrem Höhepunkt und seufzt vor Wonne. Er lächelt sie an, streichelt ihr langes, duftendes Haar, dann zieht er sie zu sich, um sie zu küssen, und er wünscht, dieser Kuss möge niemals enden. Für wenige Augenblicke sind sie im Nirgendwo, völlig berauscht. Das Pochen in ihren Adern und ihr erhöhter Puls machen ihr bewusst, dass sie wollüstig erregt ist, obwohl sie bereits zwischen den Schenkeln wund und geschwollen ist. Kann er erneut mit seinem kleinen Glied durch die Pforte ihrer Weiblichkeit stoßen? Ihre Muskeln verkrampfen sich als er ihr sanft über die wunderschönen Pobacken streichelt. Neue Begierden werden erweckt. Er befeuchtet seinen Zeigefinger bevor er diesen sanft in ihren Anus stößt. Die Berührung und der Druck sind hart, aber trotz leichtem Schmerz antreibend für weitere Lüsternheit. Müdigkeit und Erschöpfung fordern ihren Tribut. Sie schlafen umarmend ein. Seyfried spürt die Wärme von Irmingard, die neben ihm liegt, dreht sich auf die Seite, um im schwachen Licht der Morgendämmerung ihren Liebreiz zu bewundern. Bei dieser Handwerkerschönheit ist einfach alles am rechten Fleck, denkt er. Vorsichtig streichelt er mit der Hand über ihren Rücken und das Gesäß, umfasst zärtlich ihre Rundungen, lässt seine Finger den Anus und die warme, noch klitschnasse Spalte erkunden. Leise seufzt sie auf, atmet ruhig weiter und legt einen Arm um ihn, um sich anzuschmiegen. Sie beginnt ihrerseits ihn zu liebkosen. Es liegt so viel Zärtlichkeit in seinen sanften Berührungen und dem Streicheln ihrer kleinen, straffen Brüste. Unversehens schlägt sie die Augen auf. Sie blickt ihn voller Liebe und Bewunderung an. Ein weiteres Liebesspiel folgt. Noch lauter ist ihr Stöhnen. Sie schreit zuerst vor Schmerz, dann vor Lust als er anfänglich in ihren apfelförmigen Hintern dringt.

„Weiter, weiter, tiefer, tiefer, fester, fester! Gib mir deinen Saft! Drück ab! Gut so!“, plärrt sie immerfort, und so laut, dass es die halbe Nachbarschaft mitbekommt. Seyfried beißt sich vor Genuss in die Lippen, fällt immer mehr in einen sinnlichen Taumel. Sie wechselt die Stellung und den Ort seines Genusses. Irmingard sitzt auf ihm, reitet auf und ab, konzentriert sich auf ihren Höhepunkt und lässt es laufen. Ihr Ausfluss läuft über Seyfrieds Unterleib, während sie mit dem Liebesspiel neuerlich beginnt. Sie fährt hoch und runter, kreist mit ihrem Becken, mal langsam, dann schnell, mal hart, mal gefühlvoll. Ihre Brüste hopsen wild umher, was Seyfried sehr gefällt. Es spritzt erneut und ein schmatzendes Geräusch steigert den ungehemmten, wilden Ritt ins Hemmungslose. Sein Gesicht verzerrt sich. Er bäumt sich auf, sein Atem geht stoßweise, sein Puls rast. Beide spritzen ab. Das Duo hat sichtlich Spaß. Alles ist nass, nein patschnass. Irmingard hat es Seyfried richtig gut besorgt, ihm gezeigt, wie beweglich und wie ausdauernd sie ist. Das stetig hechelnde Keuchen, das Klatschen von Haut auf Haut und das Liebesgeschrei nerven den Kastner und dessen Frau. Den Mithörenden reicht es. Godefried klopft nachdrücklich an das Portal von Seyfrieds Schlafgemach. Er schimpft ununterbrochen über die viel zu lauten Liebesgeräusche aus diesem christlichen und königlichen Amtshaus. Seine Miene spiegelt seine Fassungslosigkeit über die Ruchlosigkeit seines Vorgesetzten, als ihm dieser unbekleidet öffnet. Seyfried wird als Ehebrecher von der hinter ihrem Mann postierten Frau des Kastners fürchterlich gescholten. Sie bezieht kaum Luft vor Entsetzen und brüllt aufgebracht:

„Geiler Bock, Hundling elendiger!“ Seyfried fühlt sich ungerechterweise gerüffelt, öffnet den Mund zu einer bösen Erwiderung, hält seine Zunge aber geistesgegenwärtig im Zaum. Es gibt wahrlich Wichtigeres. Außerdem will er kein Aufsehen erregen und auf gar keinen Fall sich Ärger einfangen. Von dem Gerügten erhält Edeltraud heftiges Kopfschütteln als Antwort. Mit wirrem Haar und halb entblößt, wird die sehr junge Witwe von Godefried in die Kälte hinausbegleitet. Es ist dem keuchenden Seyfried erspart geblieben, das Gekeife des Kastners und der halb so alten, schnöden Hinausgeworfenen mitzuhören. Mit hasserfüllten Augen starren die Amtsgehilfen diesem liederlichen Weibsbild hinterher, welche immer wieder ruft:

„Heiligsna, ich lass es mir von euch Gschwaddl nicht vergällen! Ich komme wieder!“

„Wenn du duushärerde Bridschn unbefugt noch einmal auftauchst, dann stehst am Schandpfahl wegen Ehebruch!“ schreit Edeltraud bissig drohend in breitem fränkisch hinterher.

„Es sind die ausgschamden Weiber, die das Übel über die Welt gebracht haben“, doziert Godefried mit erhobenem Zeigefinger. Er erhält hierfür sogleich einen Rüffel seiner Ehefrau.

„Genug ist einfach genug!“, schimpft des Reichsschultheißes Gehilfe. Es ist besser zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man es nicht genossen hat, denkt sich der Reichsschultheiß im Stillen. Seyfried beichtet am selben Tag um sein Gewissen zu erleichtern und damit ist diese erotische Geschichte endgültig abgehakt.

Der blaue Montag und die Stadtflucht

Im benachbarten, neu gegründeten Zunfthaus, wird seit einiger Zeit gezankt. Sie ereifern sich um eine Forderung der Handwerkergesellen nach einem blauen Montag, also freien Tag. Der hinzugerufene Seyfried zeigt über die Ansprüche, der erst kürzlich losgesprochenen Lehrlinge überhaupt kein Verständnis. Er deutet ihnen kopfschüttelnd einfach einen Vogel.

Der innere Rat bittet ihn, zu einer seiner langen Sitzungen. Thema des Abends ist das aus allen Nähten platzende Nürnberg und der Zusammenschluss und Ausbau der mächtigen Stadtmauern. Der Grund für das unnatürliche Bevölkerungswachstum liegt in der Landflucht der Leibeigenen. Für die arg geknechteten Menschen eine einmalige Gelegenheit ihr Dasein zu verbessern. Was allerdings nur jedem fünften gelingt.

Manche Wortmeldungen der Räte dienen ausschließlich der Selbstdarstellung. Sie streiten sich oftmals wie Hunde um einen weggeworfenen saftigen Knochen. Alle sehen den neuen Reichsschultheiß misstrauisch bis feindselig an, als warten sie darauf, dass er ihnen einen Anlass zu einem Widerspruch gibt. Seyfried erhascht einen Blick hinter die Kulissen der selbstgefälligen Oberschicht. Er fühlt sich nie wohl unter den Reichen, den Angesehenen, den Hochgestellten und denen, die sich dafürhalten. Diese überwiegend fetten, aufgeblasenen Popanzen, die nichts anderes im Kopf haben als beispielsweise Umsatz, Gewinn und Profit, recken ihr Kinn nach oben, überbieten sich mit Spötteleien, sparen nicht mit üblen Gemeinheiten. Sie neigen gerne zu übelsten Intrigen, selbst bei wenig Nutzen. Ihm platzt darüber der Kragen. Ohne Genehmigung des obersten Rates schreit er unberechtigt laut dazwischen:

„Probleme benennen kann jeder, diese lösen ist etwas ganz anderes.“ Erwartungsvoll starren ihn alle an. Nach einer kleinen Pause ergänzt Seyfried mit ruhiger, jedoch fordernder Stimme:

„Wir müssen ein Register einführen. Alle Neuankömmlinge und Abgänge werden hier verzeichnet. Die bisher verwendeten Steuerunterlagen helfen da wenig.“ Verwirrt über den einfachen Lösungsweg, blicken alle verdattert drein. Schließlich erhebt sich beifälliges Gemurmel und ihre Mienen hellen sich schlagartig auf. Der gefragte Stadtschreiber hält es für durchführbar. Ohne weitere Verzögerung wird es beschlossen. Seyfrieds Ansehen in Nürnberg steigt sprunghaft an. „Er ist ein guter Reichsschultheiß“, lautet das einhellige Urteil. Er kann sowohl ein großzügiger, vergebender, aber ebenso ein gnadenlos bestrafender Richter sein. Er ist friedfertig wie schlagfertig und vor allem nimmt er sich mit Fleiß und Gerissenheit aller Probleme an.

Seyfried unterhält sich am folgenden Tag über das Thema der Stadtflucht mit Rudger.

„Beständig mehr Menschen kehren dem Land den Rücken und suchen die Freiheit der Städte. Die Regel, wer ein Jahr in der Stadt wohne, darf fortwährend bleiben, führt zur Verknappung des Wohnraumes, sowohl im Stadtteil Sebald als auch in Lorenzen. Allerdings damit auch zu stetig mehr Verbrechen und Verschmutzungen. Selbst die Erhöhung des Bürgergeldes brachte bisher wenig.“ Rudger teilt seine Meinung und offenbart:

„Hoffentlich trägt dein Vorschlag zu einer Verbesserung bei. Diebstähle und Gewaltverbrechen sind an der Tagesordnung und dein neues Lochgefängnis ist längst überfüllt. Wir brauchen bald ein neues.“ Kleinlaut fügt er hinzu:

„Übrigens, hatte ich einen beängstigenden Traum, in dem ich Reichsschultheiß geworden bin und allzeit schwierige Entscheidungen treffen musste. Denk dir nur, hierfür steckte ich zusätzlich ständig Kritik von allen Seiten ein.“

„Dein Albtraum ist mein Leben, träume lieber etwas Schönes“, gibt Seyfried seinem Freund als Rat und lächelt dabei schief.

Gerade die jungen Zunftgenossen sind sehr streitsüchtig. Wer ihnen in die Quere kommt, hat schlicht und ergreifend Pech gehabt. Seyfrieds Vogelzeig blieb den mit ihrer Bitte Abgewiesenen in guter Erinnerung. Bei einem Abendspaziergang dringt Lärm an Seyfrieds Ohr. Seyfried verharrt regungslos. Er hört intensiv auf die Geräusche der Stadt. Drei grölende Betrunkene, die schwankend heimwärts torkeln, Katzen, welche sich lauthals anfauchen, eine knallende Tür, ein entfernt bellender Hund und ein streitendes Pärchen, welche sich bittere Vorwürfe an den Kopf knallen. Doch da ist noch etwas. Furchterfüllt wartet er. Dunkle Männerstimmen nähern sich. Bedrohliches Gemurmel kündigt Unheil an. Irrigerweise glaubt er, es seien ebenfalls bloß harmlose Berauschte. Kurzerhand stecken diese Taugenichtse ihm, dem Reichsschultheiß von Nürnberg, einen Kartoffelsack drüber. Stürmisch knüppelt man unerhörterweise auf ihn ein. Seyfried schreit auf, fällt heftig herumgeschubst um. Er krümmt sich in Embriohaltung zusammen.

„Aufhören! Aufhören, was soll das?“, bei seinen Worten fährt ein Blitz durch seinen Kopf. Glühende Wellen durchrasen zusätzlich seinen ungeschützten Körper. Es ist schwer zu sagen, ob es die Beleidigungen oder neue Schmerzen durch das Stiefeln sind, die das ausgelöst haben. Die zügellosen Frechdachse meinen rabiat, dass er jetzt von Montag bis Samstag täglich eine solch „liebevolle“ Behandlung mit ungewissem Ausgang bekomme. Der Sonntag sei ihnen schließlich heilig und ihr blauer Montag wäre es gleichfalls gewesen.

„Gott steh mir bei“, wispert Seyfried. Der Niedergestreckte hört alle Engel singen, verliert das Bewusstsein und jedes Zeitgefühl. Der singende Nachtwächter schlurft vorbei, schwer auf seinen langen Stab gestützt, sein Horn an der Seite hängend. Der Wind treibt die grauen Wolken über den nachtschwarzen Himmel. Selten gibt der die leuchtende Mondsichel frei. In diesem Moment findet der Amtmann den niedergeschlagenen Reichsschultheiß. Der entsetzte Nachtwächter rüttelt ihn wach. Seyfrieds Kehle ist trocken, sein Kopf schmerzt, alles tut irgendwie weh. Er stöhnt auf, als seine Wahrnehmung deutlicher wird und er das volle Ausmaß seiner heftigen Schmerzen spürt. Der hilfsbereite Stadtangestellte schleppt seinen angeschlagenen