Shadow Crown – Die Kriegerin der Fae - Melissa Blair - E-Book

Shadow Crown – Die Kriegerin der Fae E-Book

Melissa Blair

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Für das Königreich ist Keera die Klinge des Königs, seine gefürchtetste und zuverlässigste Attentäterin. Doch im Verborgenen arbeitet sie mit den Faen zusammen. Gemeinsam mit dem dunklen, grüblerischen Fae Riven, der Keeras Blut in Wallung bringt, plant sie, den tyrannischen König des Menschenreichs zu töten. Doch es gibt einen Verräter unter ihnen – und Keera ist die Hauptverdächtige. Und gerade, als sie glaubt, eine neue Familie und ihre große Liebe gefunden zu haben, steht auf einmal noch viel mehr auf dem Spiel als nur ihr eigenes Leben …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 748

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DASBUCH

Im Königreich der Menschen ist Keera die Klinge des Königs, seine gefürchtetste und zuverlässigste Attentäterin. Doch im Verborgenen arbeitet sie für die bisher unterdrückten Faen mit Prinz Killian und seinem Schatten, dem dunklen, grüblerischen Fae Riven zusammen, der Keeras Blut in Wallung bringt. Ihr Plan: den tyrannischen König des Menschenreichs zu töten und alle Faen, Elfen und Halblinge von seiner grausamen Unterdrückung zu befreien. Endlich hat Keera in der Faenstadt Myrelinth eine neue Familie gefunden. Doch sie kann ihrer Vergangenheit nicht entfliehen, denn die Wahrheit über die von ihr verübten Morde kommt schon bald ans Licht. Und nicht alle wollen glauben, dass Keera nur dazu gezwungen wurde. Als herauskommt, dass es in Myrelinth einen Verräter geben muss, ist Keera die Hauptverdächtige. Auf einmal steht alles für sie auf dem Spiel - ihre neue Familie, ihre große Liebe und ihre Lebensaufgabe, so viele Halblinge wie möglich zu retten. Und ihr Gegenspieler, der finstere Prinz Damien, weiß genau, wo er Keera am empfindlichsten treffen kann …

DIEAUTORIN

Melissa Blair gehört zum indigenen Volk der Anishinaabe in Kanada. Sie hat Angewandte Linguistik studiert und wurde auf ihrem Book-Tok-Kanal mit Buchempfehlungen zu feministischer, queerer und indigener Literatur berühmt. Mit Broken Blade – Die Klinge des Königs, ihrem Romandebüt, hat sie weltweit auf TikTok für Furore gesorgt. Melissa Blair lebt in Northern Ontario und in Ottawa.

MELISSA BLAIR

SHADOW CROWN

DIE KRIEGERIN DER FAE

ROMAN

AUSDEMENGLISCHENVONKIRSTENBORCHARDT

WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN

Titel der Originalausgabe:

A SHADOWCROWN – THEHALFLINGSAGA, BOOK 2

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe 09/2024

Copyright © 2023 by Melissa Blair

Originally published in 2023 in the United States by Union Square & Co., LLC, a subsidiary of Sterling Publishing Co., Inc. under the title A SHADOWCROWN.

This edition has been published by arrangement with Union Square & Co., LLC, a subsidiary of Sterling Publishing Co., Inc., 33 East 17TH Street, New York, NY, USA, 10003.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Sabine Kranzow

Umschlagillustration: Kim Dingwall

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-31587-0V001

www.heyne.de

Für alle, die jemals dabei geholfen haben, dass jemand anders einen Traum verwirklichen konnte.

Aber vor allem für Scooby Gang.

Triggerwarnung

Dieses Buch ist eine Fantasy-Romance-Geschichte, in der Themen wie Alkoholismus, Abhängigkeit, Kolonialismus, Depression und strukturelle Gewalt vorkommen. Diese Themen sind weder der Schwerpunkt der Geschichte, noch werden sie in drastischer Form dargestellt, aber sie können bei Leser*innen, die mit Selbstverletzung, körperlichen Angriffen, häuslicher Gewalt, Depression, Krieg oder suizidalen Neigungen zu tun hatten, unerwünschte Gefühle auslösen. Im Buch finden sich zudem einige Beschreibungen von einvernehmlichem Sex.

Achtet beim Lesen auf euch selbst.

Schatten, Erinnerungen und Reue suchen meine Seele heim, doch diese Schatten ängstigen mich jetzt nicht

Eins

Ich schlug dem Prinzen ins Gesicht. Hart genug, dass Killian der goldene Stirnreif vom Kopf flog und mit lautem Klappern auf den Boden schlug. Wenn ich mir früher vorgestellt hatte, gegen jemanden aus dem Königshaus die Hand zu erheben, hatte ich zwar immer an seinen Bruder Damien gedacht, aber Killian war ein durchaus zufriedenstellender Ersatz.

Alle im Raum erschraken sichtbar, aber keiner rührte sich. Killian hatte für ein großes Publikum gesorgt, bevor er mich im perfekten Augenblick mit der Wahrheit konfrontierte: Nachdem ich mich, um die Krone ein für alle Mal zu vernichten, mit einem Feind verbündet hatte, der gleichzeitig ein Feind des Königs war, musste ich nun also erfahren, dass der Schatten seine Befehle vom jüngsten Sohn dieses Königs erhielt.

Wie eine Närrin war ich von Killian gesteuert worden, ohne es zu merken. Selbst wenn ich mich bereit erklärte, an seinem Plan mitzuwirken, musste ich ihm daher wieder verdeutlichen, dass ich gefährlich war.

Er spuckte etwas Blut auf den holzgetäfelten Boden. Ich versuchte gar nicht erst, mein Grinsen darüber zu unterdrücken. Durch seine Bewegung flackerte die Spannung, die im Raum geherrscht hatte, wieder auf. Plötzlich merkte ich, dass gerade jene Elverin, denen Killian besonders vertraute, ihre Blicke auf mich richten: Die zwei Faen, die an der Wand lehnten, starrten mich mit ihren berechnenden violetten Augen an, als dächten sie darüber nach, die gesamte ihnen noch verbliebene Magie gegen mich einzusetzen. Die Elfen, die aufgrund ihrer Unsterblichkeit kaum noch jemals Schock oder Überraschung empfanden, betrachteten mich mit Vorsicht. Doch was mir beinahe das Herz stehen bleiben ließ, war der gewaltbereite Blick der anwesenden Halblinge. Sie, in deren Adern sich das Blut von Elfen und Sterblichen mischte, waren zehnmal stärker vertreten als die übrigen Elverin.

Zu ihnen gehörte auch ich. Aber sie sahen in mir keine Verbündete, sondern die Klinge, die gerade Hand an ihren Prinzen gelegt hatte.

Vielleicht hätte ich mit dem Schlag besser gewartet, bis ich nicht mehr von hundert Rebellen umringt war, die mich allesamt tot sehen wollten. Killian wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, und ihm fiel eine blonde Locke ins Gesicht, als er sich das Blut über die Wange schmierte.

Collin rührte sich als Erster. Er holte nach mir aus, ohne jedoch die kurze Klinge, die an seinem Gürtel hing, aus ihrer Scheide zu ziehen, und vor hilflosem Zorn röteten sich seine Wangen. Ich glitt beiseite und wich ihm aus. Nun schlug er mit der anderen Faust zu, doch auch diesem Hieb entzog ich mich. Beim dritten Schlag beschloss ich, ihn von seinem Elend zu erlösen – ich packte ihn am Handgelenk und nutzte seinen Schwung, um ihn herumzuwirbeln und ihm den Arm auf den Rücken zu drehen. Zu meiner Genugtuung stieß er einen markerschütternden Schrei aus.

»Hast du schon genug?«, flüsterte ich ihm ins Ohr. Mit Collin hatte ich mich messen wollen, seit zwei Schemen durch sein Verhalten ums Leben gekommen waren. Zwei Halblingmädchen, die der König von Kindesbeinen an dazu ausgebildet hatte, seine Spitzel und seine Werkzeuge zu sein. Es war meine Aufgabe gewesen, sie zu schützen. Zwar hatte ich die Verantwortung für ihren Tod übernehmen müssen, aber das bedeutete nicht, dass mir die Überheblichkeit gefiel, mit der Collin auf ihren Verlust reagiert hatte. Bei der Erinnerung daran drehte ich ihm das Handgelenk noch ein wenig weiter um.

Collin warf sich gegen mich, aber ich hielt ihn sicher in meinem Griff. Dann sah ich Killian an. Er betupfte sich die blutige Lippe mit einem blütenweißen Taschentuch. Das hatte ihm sicherlich Nikolai gereicht, der neben ihm stand, den Kopf schüttelte und die Lippen so fest zusammengepresst hatte, dass sie eine gerade Linie bildeten.

Killian bewegte den Kiefer vorsichtig von einer Seite zur anderen, bevor er den Mund zu einem Lächeln verzog. »Zugegeben, das hatte ich wohl verdient.« Er rückte den schwarzen Kragen seines Hemds zurecht. Den Rand schmückte eine Stickerei aus Blattkonturen in so dunklem Lila, dass sie sich kaum von dem schwarzen Stoff abhob.

Ich schubste Collin zu einer Gruppe Halblinge hinüber, und er kam ins Stolpern, bevor er wieder seinen Platz hinter Killian einnahm. Die grimmige Miene, mit der er mich bedachte, vertiefte sich, als er Killians aufgeplatzte Lippe in Augenschein nahm.

Achselzuckend verschränkte ich die Arme. »Du hättest Schlimmeres verdient.« So, wie die Dinge jetzt zwischen uns standen, schien es mir angebracht, auf das höfliche Ihr ab sofort zu verzichten.

Hinter dem Prinzen räusperte sich Syrra. Ich legte den Kopf ein wenig schräg und sah sie herausfordernd an, aber sie widersprach nicht; ihre Mundwinkel zuckten vielmehr leicht nach oben. Das nahm ich als Bestätigung. Killian hatte mich entführt, gefesselt, mich unter Drogen gesetzt und tagelang in einer Kutsche eingesperrt, um mich wer weiß wohin zu verschleppen.

Offenbar war mein Leben nun nicht mehr unmittelbar in Gefahr, und daher gestattete ich mir endlich einen schnellen Blick durch den Raum, in dem wir uns befanden. Der Fußboden bestand aus unebenen Dielenbrettern, die Wände waren aus schwarzem Stein. Abgesehen von den Faenlichtern, die über unseren Köpfen schwebten, gab es keinerlei Beleuchtung. Keine Fenster. Der einzige Weg hinaus und hinein war die Tür, durch die mich Nikolai hineingebracht hatte. Noch nie zuvor war ich in diesem Raum gewesen, und es gab nichts, was ich wiedererkannt hätte. Ich atmete tief ein. In der Luft lag kein Hauch von Meer; wir befanden uns irgendwo im Binnenland.

Ich sah den Prinzen an und kniff die Augen zusammen. »Wo sind wir?«

»Im Augenblick unter der Erde.« Killian gab Collin und den übrigen Elverin ein Zeichen. Sie verließen den Raum misstrauisch dreinblickend durch die einzige Tür, und ich blieb allein mit Killian und seinen beiden engsten Vertrauten zurück.

»Unter welcher Erde?«, fragte ich mit einem Blick auf Syrra.

Nikolai kam ihr mit seiner Antwort zuvor. »Wir befinden uns in der Mitte des Singenden Waldes.« Noch immer wollte er sich meinem Blick nicht stellen, und er trat ein wenig nach rechts, um sich hinter Killian zu verstecken.

»Für wie lange habt ihr mich in Schlaf versetzt?« Sie waren offenbar quer über den ganzen Kontinent gereist, seit sie mich aus dieser Höhle verschleppt hatten. Ein Trupp dieser Größe benötigte für eine solche Strecke mehrere Wochen.

»Für eine Weile.« Killian zuckte unverbindlich die Achseln. »Aber nur aus Sicherheitsgründen.«

Ich zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. »Ihr habt mich zu meiner Sicherheit mit einem Elixier betäubt?«

»Ich meinte die Sicherheit der Elverin.« Killian fuhr sich mit der Zunge über die aufgeplatzte Lippe.

»Ich würde niemals jemanden verletzen, der …«

»Nur ein paar Sekunden, nachdem wir ein Bündnis vereinbarten, hast du mich ins Gesicht geschlagen.«

Seinen selbstzufriedenen Gesichtsausdruck kommentierte ich mit einem finsteren Blick. »Waren wir uns nicht einig geworden, dass du das verdient hattest?«

»Schluss jetzt«, bemerkte Syrra in ihrem typisch bestimmten Ton und trat zwischen mich und den Prinzen. »Killian konnte sich nahe der Hauptstadt nicht zu erkennen geben. Es gab zu viele Spitzel, erst recht nach dem Durcheinander, das du in Silstra angerichtet hattest.«

»Wenn ich mich recht erinnere, dann haben wir den Damm gemeinsam gesprengt.«

Syrra verschränkte die Arme. »Bis jetzt hatte er keinen Grund, dir genug zu vertrauen, um dir die Wahrheit zu offenbaren.«

»Er hatte keinen Grund, mir zu vertrauen?« Ich schob mir die Finger in mein zur Krone geflochtenes Haar. »Bei dem Versuch, die Sprengladungen zu zünden, wäre ich beinahe draufgegangen!«

Nikolai spähte vorsichtig über Killians Schulter und machte mit erhobener Hand auf seinen eigenen Beitrag aufmerksam.

Ich verdrehte die Augen. Er hatte einen Pfeilschuss abbekommen, sonst aber auch nichts. »Nik, mit deinem Bein ist alles in Ordnung.«

Er öffnete den Mund, klappte ihn aber dann wieder zu und verschwand erneut hinter dem Prinzen.

»Wir sind uns einig, dass du in jener Nacht in Silstra deine Bewährungsprobe bestanden hast«, sagte Killian und versuchte dabei, denselben ruhigen Ton wie Syrra anzuschlagen, was ihm jedoch nicht ganz gelang. »Aber wann hättest du es denn gerne gehabt, dass ich dich in unser Geheimnis einweihe? Direkt vor deinem Zusammentreffen mit dem König? In der Stunde, bevor du beim Arsenal warst?«

Die harte Entgegnung, die mir bereits auf der Zunge gelegen hatte, verdampfte.

»Es gab schon genug Lügen, um die du im Thronsaal herumlavieren musstest«, fuhr Killian fort. »Für mich – für uns – war es wichtig, dass du den König davon überzeugen konntest, dir deinen Titel zu lassen. Und falls er zufällig auf die Wahrheit stoßen sollte …«

»Dann wolltest du nicht, dass er alles aufdeckte«, beendete ich den Satz für ihn. Ich wandte mich ab und versuchte zu ignorieren, wie sehr sich meine Brust unter diesen neuen Erkenntnissen zusammenzog. Als ich an jenem Tag in die Stadt gekommen war, hatte ich gewusst, dass ich sie vielleicht nie wieder verlassen würde. Mir vorab alles anzuvertrauen, wäre dumm gewesen. Dadurch wären vielleicht viele Hundert Leben in Gefahr geraten – nur, um meinen Stolz zu befriedigen.

Bis zu diesem Augenblick hatte es für Killian tatsächlich keinen guten Zeitpunkt gegeben, um mich einzuweihen.

Ich ballte die Fäuste. Heiße Wut strömte durch mich hindurch und brachte mein Blut zum Kochen. »Riven hätte es mir sagen können.« Wie grässlich meine Stimme schwankte, als ich seinen Namen sagte. Wir waren nach der Sprengung des Damms tagelang zusammen unterwegs gewesen. Riven hatte behauptet, dass er mir vertraute, und mir das auch gezeigt. Trotzdem hatte er mir davon nichts gesagt. Und offenbar war ihm die ganze Sache auch nicht wichtig genug, um selber dabei zu sein, wenn ich die Wahrheit erfuhr.

Mein Zorn drang durch meine Haut und wärmte meinen Körper, aber darunter fühlte ich die kalten Stacheln des Verrats. Einen für jeden Augenblick, in dem Riven zugelassen hatte, dass die Wahrheit unsichtbar zwischen uns schwebte, wie ein Schleier, von dem ich nicht einmal wusste, dass er da war. Er hatte sich einfach weiter in den Schatten verborgen, von denen ich geglaubt hatte, sie endgültig vertrieben zu haben.

»Ich hielt es für das Beste, wenn du es von mir erfährst.« Killians Stimme war sanfter als zuvor. Dieselbe Sanftheit lag in seinen grünen Augen, die nun über mein Gesicht glitten. »Ich möchte nicht, dass jemand dich beschuldigt, du würdest deine … Verwicklungen mit Riven als Weg nutzen, um an mich heranzukommen.«

Ich blinzelte. »Wieso sollte ich …«

»Um mich zu töten?« Killian lachte kurz auf. »Um dir den Titel als Klinge auf Lebenszeit zu sichern? Um meinen Vater zu erpressen? Es spielt keine Rolle, was die Elverin gedacht hätten, aber sie haben wenig Grund, dir zu vertrauen. Ich wollte das nicht noch verstärken.« Killian fuhr sich durch das wellige Blondhaar. Seine Krone lag noch immer auf dem Boden, unbeachtet und vergessen. Ich starrte sie an und fragte mich, ob dem zu trauen war, was Killian über dieses Machtsymbol gesagt hatte. Dass es ein Werkzeug war. Vielleicht würde es genügen, Aemon das Königreich zu entreißen, aber würde ein Prinz tatsächlich die Chance verstreichen lassen, an seines Vaters Stelle zu herrschen? Ich kannte Killian nicht gut genug, um das beurteilen zu können.

Ich tippte mit dem Stiefel so gegen den Rand der Krone, dass sie in hohem Bogen durch die Luft flog. Killian fing sie mit der sicheren Hand eines erfahrenen Soldaten sofort auf. Dann ließ er sie locker von seiner Hand baumeln und sah mich unverwandt an. Ich wusste nicht, was er trieb, wenn er sich nicht in der Hauptstadt aufhielt, aber dieser Reflex zeigte mir, dass er in letzter Zeit nicht nur über Schriftrollen und Büchern gebrütet hatte.

Ich sah ihn mit finsterer Miene an. »War es auch zu meinem Besten, mich öffentlich als Närrin hinzustellen?« Der Sarkasmus brannte wie Gift auf meiner Zunge.

Killian zupfte an seinem Jackenärmel. »Ja, das war es.«

Ich schnaubte.

»Ich kann dich nicht zwingen, die Dinge so zu sehen wie ich, Keera, aber dass selbst du völlig im Dunkeln tapptest, zeigt mir, dass unser Plan funktioniert. Nicht einmal die Klinge wusste von meiner Beteiligung – du hast nicht damit gerechnet und die Schemen auch nicht. Entschuldige, wenn ich das als ein Zeichen dafür werte, dass wir in Sicherheit sind. Zumindest für den Augenblick.« Killian trat näher, und seine Fingerknöchel traten über dem goldenen Reif in seiner Hand weiß hervor. Sein Körper war starr und verriet perfekte Beherrschung, aber ich witterte, wie sein Zorn wuchs; er begann zu schmoren wie Pergament, das zu lange in der Sonne lag. »Die Elverin brauchten einen Sieg. Wir stehen am Vorabend eines Krieges – wie viele Jahre voller Leid bringe ich ihnen? Wie viele von ihnen werden niemals erleben, dass sich der Traum erfüllt, für den sie kämpfen? Heute hatten sie ein Gefühl von Hoffnung, weil die meisten dich, trotz der Geschehnisse in Silstra, als ihre Feindin ansehen, Keera.«

Killian atmete tief durch und fasste nach meiner Hand. Sie war warm und trocken wie Papier. »Heute lasse ich zu, dass wir dich als Rivalin sehen, die wir besiegt haben, damit sie in dir morgen eine Verbündete erkennen können, der sie vertrauen.«

Ich sah nicht weg, als er mich nun mit einer geradezu unnatürlichen Aufrichtigkeit ansah. Die jadegrünen Pupillen seiner Augen zierte ein bernsteinfarbener Ring, genau wie die seines Bruders. Solche Augen hatten mich jahrzehntelang in meinen dunkelsten Albträumen heimgesucht und waren Teil meiner schlimmsten Erinnerungen. Bei dem Gedanken, jemandem aus Damiens Sippe zu vertrauen, lief es mir eiskalt über den Rücken. Aber Syrra und Nikolai standen hinter dem Prinzen, und ihr Schweigen stützte seine Worte.

Vielleicht mochte ich Killian selbst nicht vertrauen, aber ich war überzeugt, dass Syrra und Nikolai sich niemals mit jemandem wie Damien verbündet hätten.

Ich ließ Killians Hand los und fasste nach dem Stirnreif, den er noch festhielt, um die Krone dann wie ein Kinderspielzeug um meine Finger kreisen zu lassen. »Wie lange hast du gebraucht, um dir diese schöne Rede zurechtzulegen?«

Killian lachte bellend. »Ich hatte ja ein wenig Zeit.«

»Heute Morgen musste ich drei Stunden lang zuhören, wie er sie geübt hat«, bemerkte Nikolai, der wieder einmal hinter Killians Schulter hervorsah.

Ich bremste die kreisende Bewegung ruckartig ab und gab Killian die Krone zurück. »Abgesehen von den ganzen schönen Worten – dieses Bündnis wird nicht funktionieren, wenn ihr mich weiter im Dunkeln tappen lasst. Ich weiß, dass ich mir das Vertrauen eures Volkes erst verdienen muss, aber ihr vertraut mir doch, oder?« Dabei sah ich Nikolai und Syrra an und wartete mit angehaltenem Atem auf ihre Antwort.

Nikolai nickte und trat einen kleinen Schritt hinter Killian hervor. »Natürlich. Du hast mir das Leben gerettet und den Damm gesprengt, Keera-Schatz. Und überhaupt, wie könnte ich einem solchen Gesicht misstrauen?«

Syrra trat ebenfalls einen Schritt vor und nickte. »Ich habe dir seit Caerth vertraut, und ich werde dir auch noch vertrauen, wenn dieser Krieg gewonnen ist.« Ihre Worte überraschten mich, und mir wurde eng um die Brust. Wieder trieben die Gesichter der beiden Schemen, die ich in Caerth auf den Scheiterhaufen gebettet hatte, durch meine Gedanken. Und wenn ich daran dachte, wie ich den Schmerz hinweggewaschen hatte, brannte die Schuld umso mehr in meiner Kehle. Syrra hatte mich gefunden und vieles in mir wiedererkannt, was sie einmal selbst durchlitten hatte. Mir war nicht klar gewesen, wie viel ihr das bedeutet hatte. Wie viel es mir bedeutete. Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter und nickte ebenfalls.

Killian klemmte sich die Krone wie ein altes Buch unter den Arm. »Was ich vorhin sagte, habe ich wirklich ernst gemeint, Keera. Ich vertraue dir und ich wünsche mir, dass du uns dabei hilfst, Elverath ein für alle Mal zu befreien. Wenn wir in Myrelinth angekommen sind, werde ich dich über alles informieren, was wir wissen.«

»Myrelinth?«, wiederholte ich und legte den Kopf schräg. »Ich ging davon aus, dass wir irgendwo innerhalb des Reiches stationiert sein würden, an einem zentralen Ort, von dem aus alles gut erreichbar ist.«

Syrra legte mir einen Arm um die Schultern und zog mich mit sich zur Tür. Ich spürte die Kraft ihrer Muskeln, die gegen meinen Hals drückten. »Meine Heimatstadt ist zentraler, als du ahnst, Kind.«

Ich unterdrückte den Reflex, ihren Arm abzuschütteln. Ein Hemd und ein dicker Mantel bedeckten meine Haut, und nicht einmal Syrra verfügte über den Spürsinn, der nötig gewesen wäre, um durch diese Schichten von Stoff hindurch die Namen zu ertasten, die ich mir eingeritzt hatte.

Mit schräg gelegtem Kopf sah ich sie an. »Wir sind mindestens zehn Tagesritte von dort entfernt.«

Killian blickte kurz über seine Schulter. »Sind wir das?«

Dann verschwand er in der Dunkelheit.

Ohne jeden Zweifel befanden wir uns mitten im Singenden Wald. Ich trat aus einem Gang ins Freie, der als Korridor begonnen und sich dann in einen Tunnel verwandelt hatte. Oberirdisch deutete nichts darauf hin, dass sich unter der Erde ein großes Lager befand. Ohnehin kamen selten Reisende durch den Singenden Wald, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ.

Es war ein dichter Wald, in dem sich verdrehte Baumstammpaare in verschlungenen Spiralen zum Himmel reckten. Die Farbe ihrer dicken Borke war wie sonnenbeschienenes Blau kurz vor der heraufziehenden Nacht. Die Bäume erreichten eine Höhe, die den niedrigeren Gipfeln der Brennenden Berge im Westen gleichkam, und der Umfang ihrer Stämme war so groß, dass wir vier sie nicht einmal zusammen hätten umfassen können. Sie waren die Riesen ihres Waldes. Dass sich nur selten Wanderer hier hineinwagten, lag jedoch an den Blättern.

Aus hellen Knollen in Lila und Rosa sprossen verdrehte Schlingpflanzen, die in allen Schattierungen eines Sonnenuntergangs erstrahlten. Manche reichten von den obersten Ästen bis zum Waldboden. Diese kräftigen Ranken behinderten das Fortkommen zu Fuß oder zu Pferd, und das dichte Blätterdach machte eine Orientierung bei Tag und Nacht gleichermaßen unmöglich. Der König hätte den gesamten Forst vernichten lassen, wäre das Singen nicht gewesen.

Die meiste Zeit war der Wald ebenso still wie jeder andere, aber wenn der Wind durch die gekrümmten Stämme und Ranken hindurchblies, erwachte er mit einem Lied zum Leben. Manchmal sangen die Bäume von Frieden und Wohlergehen, um verirrte Wanderer heimwärts zu geleiten, aber manchmal wurden ihre Melodien so gehässig und gemein, dass Reisende sich am liebsten die Ohren abgeschnitten hätten, nur um nichts mehr hören zu müssen. Es kam nicht selten vor, dass man an den Waldrändern Tote fand. Sie baumelten an den Lianen, als wären sie mitten im Lauf erwischt worden und die Bäume selbst hätten sie in eine Falle gelockt, um ihre hinterhältigen Glieder um die Kehlen ihrer Opfer zu schlingen und daraus die Kraft für ihr nächstes Lied zu gewinnen.

Glücklicherweise befanden wir uns mitten auf einer großen Lichtung. Die kreisförmige Wiese war üppig mit weichem Gras bewachsen, das mit Wildblumen durchsetzt war. Um uns herum ragte der dichte Wald wie eine Mauer auf, die bis in den Himmel hinaufreichte.

Ich konnte keinerlei Pfad zwischen den Bäumen erkennen. Keinen Weg, auf dem die Karawane an diesen Ort hätte gelangen können, und auch keinen Weg hinaus.

Nikolai trat zu mir. Er sagte nichts, sondern tippte nur spielerisch gegen eine gelbe Knolle, die neben seinem Stiefel emporspross. Noch immer mied er meinen Blick; stattdessen ließ er den Kopf wie den Kelch einer welken Blume leicht zur Seite sinken.

Ich seufzte laut – schließlich wusste ich, dass Nikolai einen Sinn für Dramatik hatte. »Falls du dich gerade fragst, ob ich dir eine verpassen will: Will ich nicht. Jedenfalls nicht heute.«

Nikolai richtete den Kopf sofort auf und lächelte vorsichtig.

»Aber ich denke noch immer darüber nach, dein Haaröl mit Gülle zu versetzen.«

Schützend legte er die Hand auf seinen Tornister. »Wag es ja nicht.«

»Wenn du mich noch einmal anlügst, wirst du schon sehen, was passiert.« Es klang nicht ganz so spielerisch, wie ich eigentlich beabsichtigt hatte, aber ich nahm es nicht wieder zurück. Die Worte hingen zwischen uns wie eine der Lianen dieses Waldes und ließen es offen, ob sie als echte Drohung oder lediglich als Warnung gedacht gewesen waren. »Wieso ist Riven nicht hier?« Die Frage hatte mir die ganze Zeit über ein Loch in die Kehle gebrannt, und jetzt konnte ich sie nicht länger zurückhalten. Nikolai war der Einzige, von dem ich glaubte, dass er sie mir beantworten würde.

Er ließ die Schultern sinken, und sein Lächeln verschwand. »Wenn er hätte hier sein können, wäre er das gewesen.«

»Mehr hast du dazu nicht zu sagen?« Ich hasste es, dass meine Stimme am Ende des Satzes so verzweifelt kiekste. Es hatte sich wie ein Messerstich in den Bauch angefühlt, als Killian sich zu erkennen gegeben hatte, und der Gedanke an Rivens Abwesenheit trieb die Klinge nur noch tiefer hinein.

Das Mitleid, das Nikolai ins Gesicht geschrieben stand, machte es noch schlimmer. Etwas in mir wünschte, es gäbe diesen Dolch wirklich, denn dann hätte ich ihn aus meinen Eingeweiden reißen und Nik damit erstechen können. Vor Silstra hätte ich das wahrscheinlich auch getan.

Nikolai hob eine Augenbraue, als wollte er mich herausfordern. »Möchtest du es lieber von ihm oder von mir hören?«

Ich lehnte mich zurück und schickte einen Seufzer zu den Baumwipfeln, die über uns im Wind schwankten. Dabei fühlte ich mich wie eine weiße Gans aus den Ödlanden, die den Himmel einsam und verloren nach ihrer längst nach Hause zurückgekehrten Schar absucht. »Von ihm«, gab ich zu.

Nun zog mich Nikolai in seine Arme, halb mitleidig und halb tröstend. Der wütende Teil meines Ichs wollte bei seiner Berührung in heißen Zorn geraten, aber es gab noch einen anderen, größeren Teil, der die aufflackernden Flammen mit dem Wissen löschte, dass Nikolai nur auf Anweisung gehandelt hatte. Was auch immer wir beide während unserer wochenlangen Reise über den ganzen Kontinent geworden waren, ich verstand die Lügen, die er mir erzählt hatte, um Killians Geheimnis zu bewahren. In seiner Umarmung erkannte ich, dass mein Zorn über diese Täuschung schnell verrauchen würde, zumindest jedenfalls, was Nikolai anging.

Er lehnte sich zurück und nahm meinen Hals und Arm in Augenschein. »Tut es weh? Ich habe Syrra gesagt, dass das mit dem Pfeil zu viel war, aber sie hat darauf bestanden. Du hast heute Morgen ganz schön was abbekommen.«

Ich strich über die kleine Schwellung an meinem Arm. »Heute Morgen?«, fragte ich verblüfft. Ich war noch immer ganz benommen und aufgeraut. Es fühlte sich nicht so an, als ob ich nur einen einzigen Tag geschlafen hätte. »Aber der Totenwald ist mindestens eine Monatsreise von hier entfernt.«

Ein jungenhaftes Grinsen ging über Nikolais Gesicht. »Du bist in einem Elverath erwacht, das sich von dem, das du bis gestern kanntest, deutlich unterscheidet. Ich möchte dir nicht den Spaß an der Entdeckungsreise verderben.«

Zwei

Die nächste Stunde stand ich auf der Lichtung herum, so bewegungslos wie einer der Bäume dieses Waldes. Allerdings hätte ein Baum mehr Nutzen gehabt. Die Elverin trafen ihre Vorbereitungen ohne große Worte; sie sattelten ihre Pferde und schirrten die Wagen an, und ihre schnellen, effizienten Bewegungen ließen deutlich erkennen, dass es sich um eine gut eingespielte Routine handelte. Um den Alltag einer Truppe, die gezwungen war, ihr Lager immer wieder zu verlegen, um König Aemons Spioninnen zu entgehen.

Und jetzt stand die Beste davon mitten unter ihnen.

Diese Tatsache war ihnen allen ganz offensichtlich nur allzu deutlich bewusst. Ihre Blicke fühlten sich an wie ein kühler Wind, der durch nasse Kleidung bläst. Ich spürte jedes Augenpaar, das mich abschätzig betrachtete, wusste aber, dass ich nichts tun konnte, außer mich warm zu halten und am Leben zu bleiben. Das bedeutete im Augenblick, ruhig und reglos stehen zu bleiben, aber dabei gingen mir Killians Worte unaufhörlich durch den Kopf. Irgendwie würde ich die frostige Spannung zwischen mir und den Elverin auflösen müssen.

Es war nichts weiter als ein neuer Auftrag. Allerdings einer, für den ich niemals ausgebildet worden war.

Syrra ging an mir vorbei; zusammen mit einem hochgewachsenen grünäugigen Elfen, der über seiner Reisekleidung eine abgewetzte Lederweste trug, schleppte sie eine große Kiste. Ich brauchte einen Augenblick, bis ich den Elfen erkannte.

Tarvelle.

Er war es gewesen, der Collin in jener Nacht begleitet hatte, als die beiden Schemen getötet wurden. Ich ließ meinen Zorn auf kleiner Flamme köcheln, ohne auch nur die Hände zu bewegen, die ich hinter dem Rücken hielt, oder Tarvelle direkt anzusehen. Stattdessen beobachtete ich aus den Augenwinkeln, wie er und Syrra die Kiste zu sechs weiteren auf einen großen Karren schoben.

Eine dieser Kisten war an der Seite beschädigt, und durch das Loch konnte ich erkennen, was sie enthielt. Sie war bis zum Rand mit winzigen Beeren gefüllt, teils rot wie Menschenblut, teils schwarz wie die tiefste Nacht. Winvra. Die anderen Kisten bargen, wie ich vermutete, dasselbe. Eine winzige Dosis der roten Beeren war selbst für große Menschen tödlich, während ein Tröpfchen der schwarzen für unglaubliche Ekstase sorgte. Eine ganze Wagenladung winvra hatte einen Wert, den kaum jemand bezahlen konnte, und ich bezweifelte sehr, dass die Elverin das getan hatten.

Die Fracht war gestohlen, höchstwahrscheinlich aus den Anbaugebieten im Norden. Dort wuchsen die Früchte dank der Magie noch in guter Qualität, während sie anderswo nur noch grau verdorrten. Lord Curringham, der Erntefürst, hatte dem König vor einigen Monaten gemeldet, dass ihm eine Ladung winvra verloren gegangen war. Unwillkürlich grinste ich, während ich mich fragte, wie es Syrra und ihren Leuten wohl gelungen sein mochte, bei einem solchen Coup völlig unentdeckt zu bleiben. Schließlich hatte ich die Berichte der Schemen über diesen Zwischenfall selbst geprüft und wusste daher, dass es sich um einen perfekt ausgeführten Diebstahl gehandelt hatte.

Tarvelle hob den Kopf und sah mein Lächeln. Zwar machte ich schnell wieder ein ernstes Gesicht, aber er runzelte dennoch die Stirn. Syrra merkte, dass eine Veränderung in ihm vorgegangen war, und warf mir über die Schulter einen kurzen Blick zu. Dann flüsterte sie etwas in der Elfensprache, allerdings zu schnell, als dass ich es verstanden hätte. Tarvelle nickte, wobei er mich noch immer so ansah wie ein Falke, der seine Beute fixiert; anschließend verschwand er im Tunnel und kam nicht mehr wieder.

Syrra deutete auf die losen Stricke an dem Karren und wandte sich dann der nächsten Aufgabe zu. Meine Schultern entspannten sich ein klein wenig, und es kostete mich etwas Mühe, nicht sofort loszurennen, um die Fracht zu sichern. Ich war dankbar, dass ich etwas zu tun bekam.

Daher ließ ich mir viel Zeit und überprüfte jeden Spanngurt doppelt, während sich die Elverin in mehrere gleich große Gruppen aufteilten. Jede Gruppe übernahm einen großen Karren und zwei Kutschen, die von einigen Berittenen begleitet wurden, während der Rest zu Fuß unterwegs war.

Insgesamt waren es viel mehr Elverin, als ich erwartet hatte. Wesentlich mehr als der kleine Trupp, der damals die Brennenden Berge überquert hatte und bei Caerth mit uns zusammengetroffen war. Auf der Wiese zählte ich sechs Gruppen, von denen jede aus mindestens achtzig Personen bestand. Das waren nicht genug, um das Königreich zu erobern, aber doch mehr, als ich aufseiten der Rebellen erwartet hatte. Und noch mehr Leute, deren Vertrauen ich würde gewinnen müssen.

Ein tiefer Seufzer stieg aus meiner angespannten Brust.

Als ich den letzten Riemen festgezurrt hatte, sah ich Killian neben seinem Pferd knien. Eine Elfenfrau stand bei ihm; sie hielt zwei große Tornister fest, während Killian die Schnürung ihres Stiefels zuband. Ich tat so, als würde ich den Gurt noch einmal prüfen, und beobachtete sie. Die Frau trug einen abgenutzten Mantel, der mit Schussfaden nach Elfenart gewebt war, allerdings weder Verzierungen aufwies noch ausgefallen gesäumt war. Ihre Hosen und Stiefel waren fleckig von der Reise und an zwei Stellen geflickt. Der König hätte jemanden, der so gewöhnlich aussah, niemals in seine Nähe gelassen und sich schon gar nicht vor sie hingekniet, um ihr die Stiefel zu schnüren.

Killian tippte ihr ans Bein, um anzuzeigen, dass er fertig war. Er selbst verharrte noch kurz am Boden, um zu überprüfen, ob die Schnürung hielt, bevor er sich aufs Knie stützte und aufstand. Collin eilte zu ihm und streckte dem Prinzen die Hand hin, aber Killian schüttelte den Kopf.

Ich lachte unwillkürlich auf.

Collin drehte mir ruckartig den Kopf zu, aber da hatte ich den Blick schon wieder auf den Riemen gerichtet. Es dauerte drei bewusst gezählte Atemzüge, bevor Collin zu einer Gruppe von Halblingen trat, die hinter Killian das Rad einer Kutsche wechselten.

Tarvelle, der sich das schwarze Haar zu zwei Zöpfen geflochten hatte, die sein kantiges Gesicht einfassten, kehrte aus dem Tunnel zurück; er führte ein Pferd hinter sich her und brachte es zu mir. Wortlos warf er mir die Zügel in die Hand. Dazu bewegte er ganz kurz den Kopf, als ob er es sich nicht gestatten wollte, mir zuzunicken, und verschwand sofort wieder.

Mein Pferd schnupperte an meiner Schulter und senkte den Kopf, um zu grasen. Meine Satteltaschen hingen genauso von seinem Rücken, wie ich sie zurückgelassen hatte. Die lederne Schutzklappe, die ich gerade geöffnet hatte, als mich der Pfeil am Arm traf, war noch immer über den Sattel geschlagen.

Ich fuhr mir nachdenklich mit der Zunge durch den Mund, während ich die Tasche wieder schloss und einen kleinen Beutel zur Hand nahm, der neben dem Sattelknauf befestigt war. Durch das Leder erfühlte ich die Umrisse der kleinen Phiole und stieß einen Seufzer aus, doch ich ließ das Elixier stecken. Zwar brannte der vertraute Schmerz in meiner Kehle, wie immer, aber es war nur ein leichter Druck. Die Sucht beherrschte nicht mein ganzes Denken; es war nicht so, dass sie meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog, bis meine Willenskraft erlahmte und ich unwillkürlich nach meinem Weinschlauch griff. Es war Wochen her, dass ich ein derart großes Verlangen gespürt hatte. Inzwischen brauchte ich keinen Tropfen Nachtschatten mehr auf der Zunge, um mich zu beherrschen, aber es war mir ein Trost zu wissen, dass das Elixier in Reichweite war, falls ich es doch einmal wieder nötig hatte.

Hinter der Phiole fühlte ich das dünne Röhrchen, in dem mein Zaubergriffel steckte. Niemand hatte ihn an sich genommen. Die noch unbeschriebene Haut über meinen Rippen kribbelte erwartungsvoll. Ich hatte mir keinen neuen Namen mehr eingeritzt, seit ich den Scheiterhaufen für die beiden Schemen in Caerth errichtet hatte. Alys und Elinar.

Dann dachte ich an die beiden anderen Schemen, die in Silstra gestorben waren – eine davon durch einen von mir abgeschossenen Pfeil. Der Durst flammte doch wieder in meiner Kehle auf, als mir bewusst wurde, dass ich die Namen dieser Halblingfrauen nie erfahren und sie daher nie der Liste von Unschuldigen würde hinzufügen können, die ich in stummem Widerstand gegen den König, der mich zu diesen Taten zwang, am Körper trug.

Ich schloss meine Finger so fest um den Lederbeutel, bis die scharfen Kanten der Phiole Abdrücke in meiner Handfläche hinterließen. Und ich schob die beiden Gesichter in die hintersten Winkel meiner Erinnerung. Wenn ich mich jetzt dem Schmerz über ihren Verlust hingab, erreichte ich nichts für sie. Ich musste sie rächen.

Der Name auf meinem Unterarm kribbelte, als ob sich die Narbe dort zusammenzöge. Brenna. Ihr Name war der erste gewesen, den ich mir eingeritzt hatte, und es war der größte und wichtigste Schriftzug auf meiner Haut. Ich hatte geschworen, dass ihr Tod gesühnt werden würde. Dass ich Aemons Thron und seine Krone zerstören würde, damit die Halblinge nie wieder auf derartig abscheuliche Art beherrscht würden. Damit würden dann die getöteten Schemen ebenfalls gerächt.

Ich schluckte. Meine Kehle schmerzte, aber ich zog die Phiole nicht hervor. Bisher hatte es den Schmerz nur verstärkt, wenn ich ihn zu betäuben versuchte. Ich wollte spüren, wie die Schuld in mir brannte. Ob ich mich damit heilen oder bestrafen wollte, hätte ich nicht sagen können.

Es spielte ohnehin keine Rolle. Das Elixier erinnerte mich nur wieder daran, dass ich nicht genug Fragen gestellt hatte. Es stammte von den Elfen und beruhte auf einer uralten Magie, von der Hildegard gehofft hatte, dass sie mir half, aber ich hatte nie herauszufinden versucht, wie das funktionierte. Vielleicht hatte die tiefschwarze Flüssigkeit mein Verlangen leichter beherrschbar gemacht, indem es die Sucht so lange betäubte, bis ich mir vorstellen konnte, dass sie eines Tages wirklich verschwunden sein würde. Vielleicht ging es mir aber auch deswegen besser, weil ich einen Teil meines Schmerzes mit Riven geteilt hatte.

Riven.

Er war mit all meinen Gedanken verbunden. Mit allen Fragen, die ich nie gestellt hatte und auf die ich nun dringender eine Antwort brauchte als Luft zum Atmen.

Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen mein Pferd. Die Stute wandte mir kurz den Kopf zu, bevor sie sich erneut ein Büschel Gras genehmigte. Ich wandte den Blick in die Höhe und versuchte, auch diese Fragen beiseitezuschieben. Über den Himmel zogen sich Streifen in Flieder- und Aprikosentönen, Wattewölkchen mit himmelblauen Rändern, die sich schon bald nachtdunkel färben würden.

Dunkelheit und Schatten. Wie der Schatten, der mir quer durchs ganze Reich gefolgt war, der immer irgendwo lauerte, aber nirgendwo zu sehen war.

Mein Magen krampfte sich zusammen, und plötzlich war ich dankbar, dass ich mich hinter meinem Pferd vor all diesen Leuten verbergen konnte. Ich wusste, dass mein Zorn über Rivens Abwesenheit gerechtfertigt war, aber mich wollten weitere Gefühle überwältigen, die zu schnell dahinströmten, um sie benennen zu können. Mir war, als befände ich mich in einem dunklen Gewässer, von dem ich nicht sagen konnte, ob es sich um einen kleinen Teich, einen See oder das offene Meer handelte. Ohne die Möglichkeit herauszufinden, ob ich schwimmen, mit den Füßen nach dem Grund tasten oder mich treiben lassen sollte. Jede Wahl, die ich traf, konnte falsch sein.

Riven hatte mir nicht die Wahrheit gesagt, aber hatte er deswegen gelogen? Als wir in Aralinth unser Bündnis vereinbarten, waren wir übereingekommen, nur so viel Wissen zu teilen, wie unbedingt notwendig war, und das war mir mehr als recht gewesen, da ich so wenig wie möglich von mir selbst hatte preisgeben wollen. Da ich selbst Dinge für mich behalten hatte, konnte ich es nun verurteilen, dass Riven auf der Grundlage dieser Abmachung auch seine Verbindung zu Killian verschwiegen hatte?

Ich seufzte. Diese Frage konnte ich nicht beantworten. Riven wahrscheinlich auch nicht.

Jedes bisschen Verständnis, das ich für ihn aufbrachte, kollidierte mit dem Zorn, der wie ein Feuer in der Nacht in mir aufwallte. Ich hatte zugelassen, dass Riven mich aus der Dunkelheit ans Licht zog, aber mein Vertrauen in ihn war jetzt in so viele Teile zersplittert wie die Sterne, die am Himmel über mir zu funkeln begannen.

Seit unserer Abreise aus Aralinth hatte es so viele Augenblicke gegeben, in denen er mir gegenüber hätte ehrlich sein können. Sicher, ich verstand, dass er nicht all seine Geheimnisse hatte offenbaren wollen – weder am Anfang, als wir unser Bündnis geschlossen hatten, noch auf der wochenlangen Reise danach. Aber langsam hatte sich unser Verhältnis doch verändert. Jedenfalls für mich. Ich hatte mich ihm gegenüber ganz und gar geöffnet, ihm vertraut, aber er hatte seine Geheimnisse für sich behalten.

Nicht ganz und gar. Der Gedanke hallte durch meinen Kopf wie die kritische Bemerkung eines Freundes. Ich fasste nach der Stelle am Unterarm, auf der Brennas Name stand, und hielt sie so fest, als würde die Wahrheit andernfalls hinaustropfen wie Blut aus einer Wunde.

Die Spannung in meiner Brust ließ nach. Es gab noch immer Dinge, die ich nicht geteilt hatte. Dinge, die Riven nicht von mir wusste und die ihn auch nichts angingen. Ich holte tief Luft und prüfte den Sattelgurt. Es war nicht nötig, dass ich jetzt meine Gefühle genauer ergründete. Das konnte warten, bis Riven sich irgendwann wieder traute, mir entgegenzutreten.

Mein Waffengurt und die Klingen waren zu einer Rolle zusammengewickelt und hinter den Sattel geschnallt worden. Ich zog die Elfenriemen auf, mit denen die verzierten Lederscheiden zusammengebunden worden waren. Jede Klinge war gründlich gereinigt und steckte in ihrer Hülle, der Waffengurt lag sauber darüber zusammengefaltet da.

»Habe ich dich verärgert?«, fragte Syrra. Ich hatte sie nicht kommen hören und öffnete überrascht den Mund. Sie grinste mich angesichts meiner schockierten Miene an, als ich mich umdrehte. »Ich habe deine Klingen gesäubert. Ashwiri athra maanthir.«

»Eine Waffe sollte stets einsatzbereit sein«, erwiderte ich in der Sprache des Königs.

Syrra nickte, und ihr Grinsen verblasste zu einem schmalen Strich. »Mir war nicht klar, dass Halblinge in den Gestohlenen Landen die Sprache der Elfen lernen.«

Mir schoss die Röte in die Wangen. »Das tun sie auch nicht«, erwiderte ich, ging aber nicht auf die Frage ein, die in ihrer Bemerkung verborgen lag. Ich war zu erschöpft, um mich weiter zu erklären und die Erinnerungen aus dem Dunkel hervorzuholen. »Diese Worte sind über dem Burghof des Ordens eingemeißelt. Alle Schemen lernen sie im Lauf der Zeit.«

Syrra stand immer ganz still und wirkte so, als ob ihre kräftigen Beine sie wie Wurzeln mit der Erde verbänden, aber jetzt erstarrte sie völlig. Sie hörte auf zu atmen, und ihr Blick verlor sich in der Ferne. Ich verharrte ebenfalls bewegungslos, betrachtete aber die Narben, die ihre gebräunten Arme und die breiten Schultern zierten. Sie waren entlang der Linien ihrer Muskeln eingeritzt worden und betonten ihre Bewegungen, als hätte die Natur sie bei ihrer Geburt auf ihre Haut gezeichnet. Jede Narbe zeigte einen anderen Ast magischer Bäume, deren Namen ich nicht kannte und deren Blätter ich nicht zu bestimmen wusste. Die Narben waren nicht wulstig, so wie meine, sondern bestanden aus feinen Linien, die den ockerfarbenen Ton verstärkten, der ihrer dunkelbraunen Haut einen warmen Schimmer verlieh. Diese Zeichnungen waren schon an sich wunderschön, aber auf ihrem kräftigen Körper bildeten sie ein erschreckendes Meisterwerk.

Syrra hatte die Lippen leicht geschürzt, und ihr Mundwinkel zuckte nun ganz leicht. Ich löste den Blick von ihren Narben und bestückte meinen Gurt mit den Reiseklingen. Meine Haut kribbelte, aber seltsamerweise nicht, weil ich das Bedürfnis spürte, einen neuen Namen einzuritzen, sondern weil ich am liebsten den Ärmel zurückgeschlagen hätte, um Syrra zu zeigen, dass meine Schuld eigene Narben hinterlassen hatte.

Ich schloss die Finger um den Griff meines Blutsteindolchs. Syrra mochte Verständnis für mein Verlangen nach Alkohol gehabt haben, aber ich hatte keine Ahnung, was sie über meinen Drang denken mochte, mir die Namen der von mir Getöteten auf ewig in die Haut zu ritzen. Vielleicht hätte sie es als Verballhornung eines geheiligten Rituals betrachtet, als Entwertung einer Auszeichnung, die sie sich über viele Jahrhunderte hinweg hatte verdienen müssen.

Ich zog mir den Ärmel bis über das Handgelenk und schluckte die Wahrheit hinunter. Meine Narben machten nur einmal mehr deutlich, dass das Misstrauen der Elverin berechtigt war.

»Dann gibt es die Burg auf Niikir’na noch?« Syrras Stimme klang rau, als ob ihre Zunge die Worte nicht formen wollte, die aus ihrer Kehle drangen.

Ich sah sie verblüfft an; ich hatte vergessen, dass auch Syrra einst auf dieser Insel das Waffenhandwerk gelernt hatte. Bevor Aemon Elverath als sein Eigen beanspruchte, waren die Elfenkrieger und Kriegerinnen allesamt dort ausgebildet und mit ihren Narben gezeichnet worden. Syrra hatte vermutlich ganze Ewigkeiten auf der Insel verbracht, bevor Aemon kam und diesen Ort zu etwas Grausamem machte.

»Zum Teil«, antwortete ich. »Das Schlossgebäude ist noch da. Dort sind die Novizinnen und einige Mitglieder des Arsenals untergebracht. Der Burghof ist größtenteils intakt, obwohl einige Steine und Statuen über die Jahre gelitten haben.«

Eine davon hatte ich selbst auf dem Gewissen; zumindest hatte ich sie beschädigt. Gerarda, der Dolch, hatte es während unserer gemeinsamen Ausbildung ganz besonders verstanden, mich zu provozieren. Eines Tages hatte ich genug und schleuderte sie gegen die Statue einer hochgewachsenen Elfenfrau, der die langen Locken bis über den Rücken reichten. Der Arm und das Schwert der Figur gingen dabei zu Bruch.

»Ich ging davon aus, dass all das zerstört worden sei.« Syrra sprach so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob ihre Worte an mich gerichtet waren.

Reflexartig öffnete ich den Mund und merkte dann, dass ich nicht wusste, was ich ihr zum Trost hätte sagen können. Glücklicherweise erübrigte sich das, da Killian zu uns trat und Syrras Gesicht daraufhin wieder die typisch warme Gelassenheit annahm. »Bist du bereit, Myrelinth zu sehen?«, fragte der Prinz.

Meine Brauen zogen sich zusammen. Wir waren zehn Tagesritte von der Stadt entfernt, wenn nicht mehr. Ich deutete zum Nachthimmel empor, der über uns funkelte. »Ein bisschen spät, um zu einer derart langen Reise aufzubrechen.«

Killians Jadeaugen blitzten spitzbübisch. »Manche Reisen kann man nur im Dunkeln antreten.«

Drei

Wir brachen auf, als das letzte bisschen Dämmerung einer sternenklaren Nacht gewichen war. Nikolai und Syrra führten die Gruppe zum westlichen Rand der Lichtung und verschwanden zwischen den schattenverhangenen Spiralen der Schlingpflanzen und den verwachsenen Baumstämmen. Zuerst schien es, als ob alle, die den Singenden Wald betraten, sich geradezu in Luft auflösten, sobald ihr Pferd oder ihre Füße die Schwelle zwischen Wiese und Wald übertraten.

Ich sah voller Ehrfurcht zu, wie immer mehr Elverin mit der Nacht verschmolzen. Killian saß neben mir auf seinem Pferd. Er ritt einen großen Rappen, dessen schwarzes Fell im Mondlicht schimmerte. Collin hatte er vorgeschickt, um Tarvelle mit den Transportwagen zu helfen, und dafür war ich dankbar. In einiger Entfernung konnte ich seinen blonden Schopf erkennen, wie er sich wieder und wieder nach mir umdrehte, bis der Spukwald ihn verschluckte.

Als wir näher kamen, verschwanden auch die dunklen Ranken. Sie zogen sich in den tintenschwarzen Wald zurück, und vor uns lag ein Pfad, über den nun Hunderte von Elverin dahinzogen.

Ein Zauberschein.

Leise lachte ich in mich hinein. Die gleiche Art von Magie hatte ich bereits bei einem Weg erlebt, der am Stadtrand von Aralinth verlief; die Illusion, dass er dort endete, war wie Glas zersplittert, als wir hindurchritten. Magie war zwar auf dem ganzen Kontinent fast völlig verschwunden, aber die Elverin verstanden sich noch immer darauf, das verbliebene bisschen für sich zu nutzen.

Ich sagte nichts zu Killian, während wir den Pfad entlangritten. Das dichte Dach aus Ranken und Blättern vermittelte den Eindruck, als ob wir uns in einem Tunnel befänden. Es war kein einziger Stern zu sehen, und die Luft war feucht und abgestanden. Über unseren Köpfen schwebten auch keine Faenlichter, die unseren Weg beleuchtet hätten. Die Elverin und ihre Pferde orientierten sich allein mittels ihrer Erinnerung. Killian sprach auch nicht mit mir, aber ich hatte den Eindruck, dass er mich hin und wieder von der Seite ansah. Allerdings war es schwer, das in der Dunkelheit zweifelsfrei zu erkennen, auch wenn ich über mehr Sehkraft verfügte als die meisten. Davon abgesehen nahm er die Zügel von der einen in die andere Hand und fuhr dazu ständig mit dem Daumen über das Leder.

Das laute Krachen von splitterndem Holz hallte durch den Tunnel. Meine Stute kam aus dem Tritt. Zwar stürzte sie nicht, drängte aber nach links, um nicht die Balance zu verlieren. Die Halblinge, die uns in einer Gruppe folgten, stolperten in dem Durcheinander und stießen zusammen.

»Was war das?«, flüsterte Killian aus der Dunkelheit.

»Ein Wagenrad«, antwortete eine leise Stimme.

Killians Befehl war klar. »Lasst den Wagen zurück.«

Ich tastete in meiner Weste nach einem Streichholz. »Wir sollten uns ansehen, wie groß der Schaden ist, bevor wir eine ganze Ladung Vorräte aufgeben«, flüsterte ich, wie ich hoffte, in Killians Richtung.

Dann glitt ich aus dem Sattel. Inzwischen sah ich niemanden mehr, nicht einmal die schwachen Umrisse von Personen oder Pferden. Vorsichtig streckte ich die Hände aus, aber meine Finger ertasteten nichts als Schatten.

In der Dunkelheit rührte sich etwas. Im dichten Unterholz hörte es sich an, als ob es von oben anstatt von irgendwo aus dem Tunnel käme.

Jetzt ertönte Killians Stimme, leiser denn je, aber von einer Besorgnis erfüllt, die ich nicht verstand. »Keera, wo bist du?«

Ich riss das Streichholz am Feuerstein an. Das kleine Hölzchen entflammte, und sein Licht schien auf das entsetzte Gesicht Killians, der direkt neben mir stand.

»Lauf!«, schrie er, ohne sich wie zuvor darum zu bemühen, besonders leise zu sein.

Ein durchdringender Schrei erschütterte den Wald, lauter, als jede Person oder jedes Tier ihn hätte machen können. Das Kreischen fuhr mir derart in die Knochen, dass mir die Luft aus der Lunge wich. Die Zeit schien plötzlich ganz langsam voranzuschreiten, während ich das Streichholz fallen ließ und Killian wieder in den Sattel springen sah.

Dann ertönte ein tiefes Horn im Tunnel, und sein Ton wurde von einem weiteren Schrei erwidert. In einiger Entfernung auf dem Weg erschien ein Licht und leuchtete so hell, dass ich mir die Hand schützend vor die Augen halten musste, während ich wieder aufs Pferd stieg.

Der helle Schein teilte sich in winzige Pünktchen aus Faenlichtern, die in alle Richtungen durch den Tunnel schossen und den ganzen Wald in Silber tauchten. Bei dieser Beleuchtung sah ich nun die langen Krallen, die durch das dichte Dach aus Schlingpflanzen und Ranken über unseren Köpfen schlugen. Die ganze Laubdecke erbebte, und die Elverin rannten tiefer in den Singenden Wald hinein.

Mit größter Geschwindigkeit drängten sich die Reiter zwischen jene, die zu Fuß unterwegs waren, und zogen zwei oder drei zu sich in den Sattel, um dann in eine Richtung davonzugaloppieren, die ich noch immer nicht erkennen konnte.

Ich blickte zu dem verlassenen Karren und entdeckte, dass das Rad nicht gebrochen, sondern einfach von der Achse gerutscht war. Der Befestigungssplint fehlte.

»Keera!«, schrie Killian aus dem Tunnel, während er einen Halbling zu sich aufs Pferd zog. Er warf mir ein Fläschchen zu, das ich mit einer Hand auffing. Fünf winvra-Beeren steckten in dem kleinen Glas. Noch bevor ich fragen konnte, wozu sie dienen sollten, war Killian bereits den Pfad hinuntergeprescht und streckte einer schnell davonrennenden Elfe die Hand hin.

Ich spornte meine Stute an und ritt auf unsere Gruppe zu. Über meinem Kopf drang eine riesige Klaue durch das Rankendach. Schnell ließ ich mich seitlich vom Pferderücken gleiten; damit ich einigermaßen Halt fand, verhakte ich den Fuß im Steigbügel, der jetzt quer auf dem Sattel lag.

Mir klopfte das Herz bis zum Hals, und etwas Heißes sammelte sich an meiner Schulter. Ich trug noch immer Rivens Hemd, dessen Ärmel nun mit bernsteinfarbenem Blut durchdrungen war. Das Geschöpf hatte mich irgendwo erwischt.

Ich stöhnte mit zusammengebissenen Zähnen und zog mich wieder in den Sattel, während ich weiter vorangaloppierte. Ein lautes Krachen ertönte hinter mir, und mir war klar, dass eines dieser Geschöpfe durch das Blätterdach gebrochen und auf den Pfad gesprungen war. Bei einem kurzen Blick über die Schulter sah ich einen Elfen, der zu Fuß zu fliehen versuchte; offenbar hatten ihn die Reiter übersehen.

Hinter ihm war ein großes Ungeheuer. Es hatte den Kopf eines Hirsches und ein langes Geweih, das über die Unterseite des Blätterdachs schabte und eine Spur aus abgerissenen Ranken zurückließ. Zwar lief es eigentlich auf zwei Beinen, die in Hufen ausliefen, aber es stieß sich zusätzlich mit den langen Armen vom Boden ab. Seine Krallen waren länger als jeder meiner Dolche, Speichelfäden troffen von seinen Lefzen, und seine scharfen Zähne, die ganz klar zum Reißen von Fleisch geeignet waren, schnappten auf und zu.

Der Elf war so gut wie tot.

Ohne nachzudenken, riss ich an den Zügeln, wendete meine Stute und stürmte dem Untier entgegen. Dann duckte ich mich, zog eine gerade Klinge aus meinem Waffengurt und stieß zu. Die Klinge drang in die Schulter des Ungeheuers, das mit einem schmerzerfüllten Geheul rücklings zu Boden stürzte. Dickes schwarzes Blut quoll aus der Wunde, während es versuchte, das Schwert mit dem Maul herauszuziehen.

Erst jetzt merkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte, und atmete aus, dann ritt ich um den Elfen herum. Ihm fehlte ein Schuh, und seine Füße waren bereits voller Blut. Als ich die Hand nach ihm ausstreckte, schüttelte er allerdings den Kopf und wollte sie nicht ergreifen.

Wieder drang ein lautes Krachen durch den Tunnel. Ein zweites tödliches Geschöpf sprang vom Blätterdach auf den Pfad. Ihm fehlte die Hälfte des Gesichts, sodass der Kieferknochen und die leere bleiche Augenhöhle zu erkennen waren.

»Spring auf oder stirb!«, schrie ich. Der Blick des Elfen ging zwischen meiner ausgestreckten Hand und dem Ungeheuer hin und her. Das Wesen hatte nach seinem Sprung das Gleichgewicht wiedergewonnen und rannte auf seine gefallenen Brüder zu. Wieder streckte ich dem Elfen die Hand entgegen. »Entscheide dich. Aber niemand würde einen so närrischen Tod betrauern.«

Er verengte die schwarzen Augen, griff aber nach meiner Hand und zog sich aufs Pferd.

»Was sind das für Geschöpfe?«, rief ich, während die Hufe meiner Stute laut über den festgestampften Boden trommelten.

»Die Namenlosen«, rief der Elf zurück. Er fasste nach dem weißen Knochengriff meines Blutsteindolchs.

Ich lenkte das Pferd nach rechts und brachte uns außer Reichweite des Ungeheuers. »Der ist zu klein – nimm die Klinge mit dem braunen Griff und mach dich bereit.«

Der Elf zog ein langes, kräftiges Schwert hervor, das im Schein der uns umgebenden Feenlichter schimmerte. Die Waffe war zu schwer, um sie nach dem Untier zu schleudern, aber dazu war es uns ohnehin schon zu dicht auf den Fersen. Als es wieder nach uns schlug, glitten seine Krallen durch die fransigen Schweifhaare meiner Stute.

»Warte auf den nächsten Hieb. Und dann ziele auf den Nacken«, brüllte ich. Mir blieb keine Zeit für einen Blick zurück, bevor das Ungeheuer sich erneut auf uns stürzte.

Der Elf schrie und rammte dem Wesen die scharfe Spitze in den Hals. Ein ohrenzerfetzendes Kreischen erschütterte den Tunnel, so laut, dass meine Trommelfelle schmerzten und lose Schlingpflanzen vom Blätterdach herabsegelten. Ich wich einer Ranke aus, die abseits der anderen herabhing, und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als mir klar wurde, dass die dröhnenden Schritte hinter uns verstummt waren.

Der Tunnel vor uns machte eine scharfe Kurve. Wir sprengten hindurch, und in einiger Entfernung sah ich etwas, das wie eine schimmernde, von grauem Stein eingefasste Wasserfläche aussah, doch davor ragten drei weitere Klauenpaare durch das Blätterdach.

»Wie heißt du?«, rief ich dem Elfen hinter mir zu.

»Pirmiith«, rief er zurück.

»Pirmiith, falls wir das hier überleben, erinnere mich daran, dass ich mich bei dir dafür bedanke, dass du mein Leben gerettet hast.«

In seiner Antwort hörte ich ein Lächeln. »Und ich werde dir dafür danken, dass du für mich dasselbe tatst.«

Ich lenkte unser Reittier um einen weiteren zurückgelassenen Karren, als ein drittes Geschöpf direkt hinter uns durch die Ranken und Zweige brach. Ich hob das gläserne Fläschchen, das ich noch immer in der Hand hielt, und trieb meine Stute weiter an.

»Öffne das Gefäß und wirf die Beeren in das Portal, bevor wir es durchschreiten«, schrie Pirmiith, der eine weitere Klinge aus meinem Packen zog.

Inzwischen waren wir zu einer großen Höhle gelangt, die in ihrer Breite gut und gern dreißig nebeneinanderstehenden Menschen Platz geboten hätte. Die Höhlenöffnung war von Silbererz umschlossen und schimmerte wie ein Edelstein im Sonnenlicht. Aber das Licht kam nicht von den Sonnen, sondern aus einer Mauer aus Wasser, die sich direkt hinter dem Höhleneingang zu befinden schien. Jedenfalls hielt ich es für Wasser.

Zeit zu fragen blieb mir nicht. Der Namenlose schlug mit seinen langen Klauen zu, und unser Pferd wieherte, als es eine tiefe Wunde an der Flanke davontrug. Ich zog den Stopfen aus dem Fläschchen und schüttelte mir die winzigen Beeren auf die Hand. Bevor wir gegen die Mauer krachten, warf ich das winvra in den stehenden Teich, und dann klappte mir vor Staunen die Kinnlade herunter, als das Wasser uns in einen Strudel aus goldenem Licht schloss. Das Ungeheuer wich zurück und hielt sich wimmernd die Augen zu.

Ich hatte erwartet, uns würde die dichte Konsistenz von Wasser entgegenschlagen, wie beim Eintauchen in einen See, aber stattdessen fühlte es sich an, als ob wir durch einen kühlen, dünnen Nebelschleier ritten. Das goldene Leuchten wirbelte um meinen Körper, aber auch um Pirmiith und Killian, der hinter der Schwelle des Nebels wartete. Die Adern an seinem Hals traten dick hervor und pochten, als ob er nur unter Schwierigkeiten Luft bekäme. Der warme Ton, den seine Haut normalerweise zeigte, hatte sich völlig verflüchtigt; Killian war weiß wie Schnee.

Ich sprang aus dem Sattel. Der Prinz hatte sein Pferd vermutlich mit den von ihm geretteten Elverin vorausgeschickt. Pirmiith nickte kurz, als ich zu ihm aufsah. »Ich werde dafür sorgen, dass ihre Wunde versorgt wird«, erklärte er anstelle eines Abschiedsworts. Mein Blick folgte ihm, als er meine Stute weiter den Pfad entlangtraben ließ, und dann erkannte ich, dass wir uns auf dem Grund eines Sees befanden.

Fäden goldenen Lichts funkelten um Pferd und Reiter wie ein Schild, der das Wasser daran hinderte, ihre Haut zu benetzen oder in ihre Lungen einzudringen, aber als sie dann in der Tintenschwärze des Sees verschwanden, entdeckte ich dicke Mauern aus Seegras, die den Pfad einfassten. Ein Grüppchen kleiner Fische schoss zwischen den Pflanzen hin und her, und über uns schwammen weitere dahin, die sich überhaupt nicht daran zu stören schienen, dass wir in ihr Zuhause eingedrungen waren.

»Wie ist das möglich?«, flüsterte ich und wandte mich wieder zu Killian um. Gleichzeitig stieg ein helles Lachen in meiner Kehle auf. Alle Gedanken an die tödlichen Geschöpfe, die uns eben noch bedroht hatten, waren wie weggeblasen.

Killians Jadeaugen ruhten auf meiner blutdurchtränkten Schulter. Mit zwei Schritten stand er neben mir, und bevor ich darauf reagieren konnte, hatte er mir bereits den Ärmel heruntergerissen.

Hastig drehte ich mich weg; ich wollte nicht, dass er die eingeritzten Namen oder die wulstigen Narben sah, die Damien auf meiner Schulter hinterlassen hatte. »Mir geht es gut«, fuhr ich ihn an und wünschte mir, Pirmiith nicht mit dem Pferd und meinen Sachen weggeschickt zu haben.

Killian runzelte die Stirn. »Wenn ein Namenloser diese Wunde gerissen hat, dann muss ich sie untersuchen. Ihre Klauen sind voller Gift, Keera.«

Ich biss die Zähne zusammen. Es würde mir nicht gelingen, unser Ziel zu erreichen – wo immer das auch sein mochte –, ohne dass er die Wahrheit sah, die in meine Haut eingeritzt war. Nach einem tiefen Atemzug wandte ich mich langsam zu ihm um. Zuerst fielen Killian die Narben nicht einmal auf, weil er sich komplett auf den roten Streifen konzentrierte, der quer über meine Schulter lief. Die Wunde war empfindlich, aber meine Heilkräfte hatten die Wundränder bereits wieder zusammenwachsen lassen.

Killian fuhr sanft mit dem Finger über diese Spur. »Keinerlei Anzeichen für nekrotisches Gewebe«, flüsterte er, mehr an sich selbst denn an mich gewandt. »Unglaublich.«

Dann erreichte sein Finger das Ende der Verletzung und berührte den ersten Namen. Seine Wangen röteten sich, dann schüttelte er den Kopf und wandte sich ab.

»Ich hätte fragen müssen, bevor ich deinen Arm bloßlegte.« Er neigte den Kopf. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, falls ich dir zu nahe getreten sein sollte.«

An seinem Hals bewegten sich einige Muskeln, während er einen Placken Seegras betrachtete, der sich in der Strömung wiegte.

»Für mich ist alles in Ordnung, solange wir nicht darüber reden.« Ich schluckte. Plötzlich überkam mich große Erschöpfung. Mein Bein zitterte, als ich den Weg entlangblickte, auf dem Pirmiith mit meinem Mantel verschwunden war.

Killian nickte und zog seine schwarze Jacke aus. Er schlang sie mir um die Schultern und hielt sie so, dass ich in die Ärmel schlüpfen konnte. Sie war warm und roch nach Holzrauch und Pergament. Ich zog meinen Zopf unter dem Kragen hervor und sah, wie Killians Blick auf meinem Hals ruhte.

Er räusperte sich und deutete vor uns auf den Weg, den Arm in goldenes Licht gehüllt. »Nach Myrelinth geht es dort entlang.«

Dicke Holzstämme und hohe Felsen, die Platz für jede Menge Wasserbewohner boten, säumten unseren Weg auf dem Grund des Sees. Ein großer Fisch schwamm über meinem Kopf und glitt mit seinem dicken Bauch und dem kurzen Schwanz neben meinem langen Zopf dahin, der vom Wasser Auftrieb bekam. Ich strich von unten über seine weißen Schuppen und staunte, dass ich ihn berühren konnte. Der Fisch hielt kurz in seiner Gleitbewegung inne, bevor er eilig davonschwamm und wieder in der tintendunklen Schwärze verschwand.

»Was ist das für eine Magie?«, fragte ich Killian, der die Arme hinter dem Rücken verschränkt hatte und an seinem Ellenbogen zupfte.

Ein stolzer Ausdruck lag in seinem Lächeln. »Portalmagie. Wenn man weiß, wo diese Portale sind und wann sie sich öffnen, kann man sie an einem Ort auf dem Kontinent betreten und an einem ganz anderen wieder herauskommen.«

Ich hob eine Augenbraue. »Woher weiß das Portal, wohin es einen schickt? Muss ein Fae das vorher festlegen?« Mein Magen zog sich zusammen, als ich mich fragte, ob Riven am Ausgang dieses Portals wartete und es für die zurückkehrenden Elverin offen hielt.

Ob er auf mich wartete.

Killian schüttelte den Kopf, und meine Hoffnung zerfloss mit der Strömung des Seewassers. »Es ist keine Magie, die gesteuert werden kann, sondern eine natürliche Eigenschaft Elveraths, die es schon immer gegeben hat. Dieses Portal beherbergt zwei Wege: Der eine kann unter dem Licht der Sonnen betreten werden, der andere unter dem Licht der Sterne. Nach Einbruch der Dunkelheit führt dieses Portal nach Myrelinth, und bei Morgengrauen ändert sich das wieder.«

»Gibt es nur ein Portal, das nach Myrelinth führt?«

»Nein, es gibt mehrere.« Killian kickte einen Kiesel über den Seeboden. Das Steinchen rollte gemütlich über den Sand und scheuchte einen kleinen Schwarm Elritzen auf, die schnell davonwuselten.

»Warum aber habt ihr dann einen so gefährlichen Weg gewählt?«, fragte ich und deutete in Richtung des Singenden Waldes, in dem wir die Namenlosen zurückgelassen hatten.

Killian seufzte. »Es war die schnellste Route. Und die Namenlosen sind normalerweise harmlos. Solange Reisende ihre Natur respektieren, birgt ein Weg durch den Singenden Wald kaum Gefahren.«

»Und wie ist ihre Natur?« Der Gedanke an die kalte Klaue, die meine Haut zerfetzt hatte, ließ mich erschauern.

»Sie verabscheuen Lärm, und wenn die Sonnen untergegangen sind, dann stürzen sie sich auf jedes bisschen Licht, das es wagt, durch ihren Wald zu leuchten.«

Ich blinzelte. »Das Streichholz.«