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Ein Blick und Thiago ahnt, dieses Pferd, das dort abseits der anderen steht und teilnahmslos vor sich hin starrt, ist innerlich ebenso zerbrochen, wie er selbst es einst war. Auf tiefe Weise berührt von dem ehemaligen Galopprennpferd, begibt Thiago sich gemeinsam mit seinem Bruder Cielo auf Spurensuche. Schließlich landet er in jenem Rennstall, in dem der Jockey arbeitet, unter dem Crescent sein letztes Rennen bestritten hat. Doch wie soll Thiago, für den Pferdesport an Tierquälerei grenzt, ausgerechnet von Sam Antworten erhalten, für den auf dem Rücken eines Galoppers zu sitzen den Inbegriff von Freiheit bedeutet? In Sams Gegenwart muss Thiago erkennen, dass auch im Rennsport nicht alles nur schwarz und weiß ist. Und dass Sam weit mehr ist als ein empathieloser Trophäenjäger. Für seinen Traum vom Derbysieg arbeitet der Jockey hart. Härter vielleicht, als gut für ihn ist. Seine vierbeinigen Schützlinge verliert er dabei jedoch nicht aus dem Blick. Außer möglicherweise dann, wenn seine eigenen Qualen ihm den Blick verschleiern. Denn für seine Träume geht Sam weit über seine eigenen Grenzen hinaus ...
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Ein Blick und Thiago ahnt, dieses Pferd, das dort abseits der anderen steht und teilnahmslos vor sich hin starrt, ist innerlich ebenso zerbrochen, wie er selbst es einst war. Auf tiefe Weise berührt von dem ehemaligen Galopprennpferd, begibt Thiago sich gemeinsam mit seinem Bruder Cielo auf Spurensuche. Schließlich landet er in jenem Rennstall, in dem der Jockey arbeitet, unter dem Crescent sein letztes Rennen bestritten hat. Doch wie soll Thiago, für den Pferdesport an Tierquälerei grenzt, ausgerechnet von Sam Antworten erhalten, für den auf dem Rücken eines Galoppers zu sitzen den Inbegriff von Freiheit bedeutet?
In Sams Gegenwart muss Thiago erkennen, dass auch im Rennsport nicht alles nur schwarz und weiß ist. Und dass Sam weit mehr ist als ein empathieloser Trophäenjäger. Für seinen Traum vom Derbysieg arbeitet der Jockey hart. Härter vielleicht, als gut für ihn ist. Seine vierbeinigen Schützlinge verliert er dabei jedoch nicht aus dem Blick. Außer möglicherweise dann, wenn seine eigenen Qualen ihm den Blick verschleiern. Denn für seine Träume geht Sam weit über seine eigenen Grenzen hinaus ...
Copyright © 2020 Svea Lundberg
Julia Fränkle-Cholewa
Zwerchweg 54
75305 Neuenbürg
www.svealundberg.net
Covergestaltung:
Minelle Chevalier / www.mc-coverdesign.de
Bildrechte:
Martin Balo / shutterstock.com
Svetlana Ryazantseva / shutterstock.com
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte sind vorbehalten.
Die in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Der Inhalt des Romans sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
In Gedenken an: Turfrubin, Shahram, Gepard, Captain Von Trappe, Peppone, Astone Man, Radmaan, A Train, Four on Eight, Hyper Hyper und all die anderen Pferde, die in den vergangenen Jahren auf deutschen und internationalen Galopprennbahnen ums Leben kamen.
Liebe Leser*innen,
dieser Roman soll nicht dazu dienen, den Pferderennsport oder dessen Liebhaber in irgendeiner Weise an den Pranger zu stellen. Vielmehr habe ich versucht, ein möglichst differenziertes Bild dieses Sports in eine fiktive Geschichte einzuweben. Dieser Roman beinhaltet sowohl kritische Auseinandersetzungen mit dem Galopprennsport und dem Pferdesport allgemein, wie auch Passagen, die auszudrücken versuchen, worin die »Faszination Galopprennen« besteht und die aufzeigen sollen, dass auch Hochleistungssportpferden ein gesundes und tiergerechtes Leben ermöglicht werden kann – und sollte.
Ich habe nach bestem Gewissen recherchiert, mich mit Liebhabern und Kritikern des Rennsports ausgetauscht, um ein möglichst breit gefächertes Bild vermitteln zu können.
Wer sich ein wenig innerhalb des Galopprennsports auskennt, wird feststellen, dass ich versucht habe, mich weitgehend an reale Begebenheiten wie die tatsächlichen Daten von verschiedenen Rennveranstaltungen zu halten. Auch der eine oder andere Verweis auf real stattgefundene Ereignisse dürfte beim Lesen auffallen. Real existierende Personen (und Rennpferde) werden jedoch nicht namentlich genannt. Die Handlung des Romans ist fiktiv und gänzlich meiner Fantasie entsprungen. Letztlich soll diese Geschichte weder ein Lehrbuch noch ein Plädoyer für oder gegen den Galopprennsport sein, sondern lediglich ein (hoffentlich gründlich recherchiertes) Werk zur Unterhaltung des Lesers.
Bevor ihr mit dem Roman startet, möchte ich eine Triggerwarnung aussprechen: Innerhalb des Buches werden schwere Verletzungen bei Mensch und Tier beschrieben. Außerdem wird auf das Thema Magersucht eingegangen.
Und nun wünsche ich euch (hoffentlich) gutes Lesevergnügen!
Eure Svea
Köln, Sonntag, 31. März 2019
Erst auf dem Weg zum Führring fand Sam die Zeit, sich einige Anweisungen des Trainers anzuhören, die er jedoch nur mit halbem Ohr wahrnahm. In seinem Kopf hallten noch Viktors Worte nach: »Nasenbluten – ausgerechnet heute! Er war so gut in Form und mit dem Gewicht hätte er eine echte Chance gehabt!«
Sam konnte den Frust seines Jockeykollegen nur zu gut verstehen und mochte sich gar nicht erst vorstellen, wie der Trainer und der Besitzer des Pferdes wohl geflucht haben mussten beim Anblick, wie feine Rinnsale aus den geblähten Nüstern rannen. Aber manchmal war es so: Da hatte man einfach Pech!
Im Gehen straffte Sam die Schultern, zwang sich, den Ausführungen Martin Wielands zuzuhören. Dieser redete hastig auf ihn ein. Die Anspannung darüber, so kurz vor dem Rennen noch einen Jockeywechsel vornehmen zu müssen, sprach deutlich aus seiner Mimik. Wenn Tomas, der Idiot, auch meinte, sich vor dem Rennen zukoksen zu müssen ...
Sam biss die Kiefer aufeinander und betete innerlich, es möge ihm gelingen, Tomas gut zu vertreten und den Wallach, den er reiten sollte, wenigstens im vorderen Drittel ins Ziel zu bringen.
Mit seinem erhitzt raschen Gerede machte Wieland es ihm unbewusst nur noch schwerer, ihn zu verstehen. Auch wenn Sam inzwischen seit knapp einem Jahr in Deutschland war – es war einfach nicht seine Muttersprache. Das Wichtigste bekam er allerdings mit: Der Wallach war ein erfahrener Handicapper, würde aufgrund seiner nur mäßigen Form in seinem ersten Rennen diesen Jahres jedoch nur ein Gewicht von 55 Kilogramm im bevorstehenden Ausgleichsrennen tragen. Mit der Startposition relativ weit außen im insgesamt elf Pferde starken Starterfeld war der Trainer zufrieden. Sam sollte den Wallen zunächst im vorderen Mittelfeld halten und erst nach dem Schlussbogen angreifen. Sowohl die Distanz von 1.850 Metern als auch der Zustand des Geläufs kamen dem Pferd entgegen.
»Das da ist er.«
Sam musste dem Fingerzeig des Trainers nicht folgen; er hatte den vergleichsweise großen Wallach mit der Acht auf der Satteldecke bereits im Führring erspäht. Kurz zögerte Sam, kniff die Augen zusammen, ehe er sich beeilte, erneut zum Trainer aufzuschließen.
»Wie heißt er noch mal?«
»Shattered Crescent.«
Nun blieb Sam tatsächlich abrupt stehen. »Ich kenne ihn. Ich meine, ich bin ihn schon mal geritten.«
Von oben herab traf ihn ein prüfender Blick aus unter buschigen Brauen zusammengekniffenen Augen. »Das wüsste ich. Du bist noch nie zuvor für mich geritten.«
»Ja. Nein. Ich bin ... I’ve met that horse years before in Newmarket.«
»Ah. Möglich. Los, rauf mit dir.« Mit einer ungeduldigen und wenig höflichen Geste schickte Wieland ihn die letzten Schritte in Richtung Führring. Die meisten der Jockeys saßen bereits auf ihren Pferden.
Sam schnaubte innerlich, verkniff sich die Lautäußerung jedoch gegenüber dem Trainer. Es war durchaus verständlich, dass dieser unter Druck stand, aber ... Jesus, das taten sie alle hier.
Rasch schlüpfte Sam unter dem Eisengeländer hindurch und wartete, auf der akkurat gestutzten Grünfläche im Innenring stehend, dass der Pferdeführer mit Shattered Crescent an ihm vorbeikam. Aufmerksam beobachtete er den Wallach, dessen federnde Tritte. Für einen Galopper hatte Shattered Crescent einen auffallend raumgreifenden Schritt, auch in der Hinterhand. Er tänzelte nicht herum, wirkte dennoch nervös. Heftig kaute der Wallach auf dem Gebiss, Schaum stand ihm vor dem Maul. Bereits jetzt, Minuten vor dem Rennen, war er nassgeschwitzt. Missmutig verzog Sam den Mund, aus dem Augenwinkel streifte sein Blick den Wielands, der ihm nur noch einmal knapp zunickte. Erneut schnaufte Sam innerlich. Ihm war durchaus klar, dass er nicht – oder wenigstens noch nicht – in der Position war, sich seine Ritte aussuchen zu können. Er konnte es sich schlichtweg nicht leisten, es sich mit einem der Trainer zu verscherzen, aber dennoch ... auf einen weiteren Ritt für Wieland konnte er getrost verzichten, so viel war jetzt schon klar. Diesen hier allerdings würde er zu Wielands Zufriedenheit meistern. Dass er ausgerechnet Shattered Crescent reiten würde, konnte ja wohl nichts anderes als ein Zeichen sein.
Entschlossen ging Sam auf den Wallach und dessen Pferdeführer zu. Shattered Crescent schnaubte aufgeregt, kleine Schaumfetzen flogen von seinem Maul in Sams Richtung und blieben auf dem dünnen Renndress kleben. Er grinste nur schief und strich ein paar Mal über den Hals des Tieres. Schweißfeucht. Aus geweiteten Augen musterte Shattered Crescent ihn misstrauisch.
Sam murmelte mit dunkler Stimme beruhigende Worte zu dem Tier, während er mit einer Hand an den winzigen Rennsattel griff. Zweimal federte er, ehe er sich abstieß und auf den Rücken des Tieres sprang. Er spürte Shattered Crescent unter sich zucken, ein zur Seite weichen blieb jedoch aus. Während Sam mit einer Hand die Zügel aufnahm, kraulte er sich mit der anderen durch den dunklen Mähnenkamm.
»We’ll do that, boy, okay?« Er musste selbst schmunzeln, als er registrierte, dass er in seine Muttersprache zurückgefallen war. Aber bei einem in England gezogenen Vollblüter wie Shattered Crescent konnte er sich wenigstens sicher sein, dass das Pferd nicht zum ersten Mal in seinem Leben diese Sprache hörte.
Während sie noch zwei weitere Runden durch den Führring drehten, damit sich die ringsum gedrängt stehenden Wettbegeisterten das Starterfeld eingehend ansehen konnten, kramte Sam in seinem Kopf nach Erinnerungen an jenes Rennen in Newmarket, bei dem er Shattered Crescent schon einmal unter dem Sattel gehabt hatte. Es mochte vier oder sogar fünf Jahre her sein, ganz zu Anfang seiner eigenen Jockeykarriere und das allererste Rennen für den damals zweijährigen Braunen. Sam wusste nicht mehr genau, ob sie damals als Fünfte oder Sechste ins Ziel geprescht waren, der Abstand zu den führenden Pferden hatte jedenfalls mehrere Längen betragen. So oder so war es eine herbe Enttäuschung für den damaligen Besitzer gewesen, der Shattered Crescent zu einem horrenden Preis bei einer der Jährlingsauktionen erstanden hatte. Nach seinem ersten Start war Shattered Crescent einige Zeit nicht mehr gelaufen und Sam hatte ihn schließlich aus den Augen verloren. Dass er nun offenbar bei einem deutschen Trainer gelandet war und Sam ihn erneut reiten durfte, konnte ja nur ein glücklicher Zufall sein. Oder aber ...
Sam zog die Stirn unter dem Helm kraus. Für einen kurzen Moment bildete er sich ein, Shattered Crescents Schritte unter ihm würden unsauber werden. Immer dann, wenn das linke Hinterbein auffußte. Oder das Vorderbein? Doch so schnell das Gefühl aufkam, so rasch verflog es auch wieder. Und dennoch ...
Die ersten Pferde wurden bereits vom Ring in Richtung Bahn geführt. Über die Köpfe der Zuschauer hinweg suchte Sam nach Wieland, gestikulierte energisch in dessen Richtung. Als er endlich die Aufmerksamkeit des Trainers auf sich hatte, deutete er fragend auf Shattered Crescents Hinterbein. Nun ging der Wallach wieder taktklar. Wieland schüttelte den Kopf, reckte im selben Moment den Daumen in die Höhe. Sam entspannte sich ein wenig, erwiderte die Geste des Trainers und nahm die Zügel weiter auf, während Shattered Crescent auf den geschotterten Weg in Richtung Geläuf trat.
Die kurze Unebenheit des Bodens brachte den Wallach nicht aus dem Tritt und auch die ersten Schritte auf der Grasbahn blieben wirkungslos. Aufatmend verlagerte Sam sein Gewicht ein klein wenig nach vorne und nickte dem Pferdeführer zu. Das leise Klicken, als dieser den Führstrick löste, schien einen Schalter in Shattered Crescent umzulegen. Mit einem Satz schoss der Wallach voran und Sam dankte sich selbst im Stillen dafür, dass er bei ihm fremden Pferden stets besonders wachsam im Sattel saß. Mit einer energischen Parade und indem er sich schwer auf den Rücken des Tieres sinken ließ, fing er dessen Ausbruch ein. Ein kurzes, unwilliges Schnauben, doch dann verfiel Shattered Crescent in einen flotten, gleichmäßigen Canter.
Gemeinsam mit den anderen Startern galoppierten sie die mehreren hundert Meter bis zur Gegenseite des Geläufs, wo die Startboxen aufgebaut waren. Sam nutzte den Aufgalopp dazu, um noch einmal ganz genau auf Shattered Crescents Bewegungen zu achten, doch er fand nichts Außergewöhnliches in den Galoppsprüngen und Shattered Crescents kleiner, ungeplanter Sprint schürte Hoffnung in Sam. Hoffnung auf ein erfolgreiches Rennen. Es schien beinahe, als wäre Shattered Crescent am liebsten direkt losgerast.
Die kurzzeitige Ernüchterung folgte jedoch bereits beim Einrücken in die Startmaschine. Als der Pferdeführer an Shattered Crescent herantrat, blieb dieser wie angewurzelt stehen und Sam konnte die Anspannung spüren, die den Pferdekörper für einige Sekunden erstarren ließ. Innerlich wappnete er sich für ein seitliches Ausbrechen, doch nichts dergleichen geschah. In einem langen Ausatmen entließ Sam die angestaute Luft aus seiner Lunge, streichelte Shattered Crescent über den inzwischen schweißnassen Hals. So nervös hatte er das Pferd definitiv nicht in Erinnerung. Bei seinem ersten Start war Shattered Crescent aufgeregt gewesen wie viele der Zweijährigen, aber keinesfalls so misstrauisch, wie er ihn heute erlebte.
Ehe er den Wallach mit Hilfe des Führers in Richtung Startmaschine dirigieren konnte, trat ein weiterer Rennbahnhelfer heran, in den Händen hielt er ein dunkles Tuch.
»Muss das sein?« Mit einem Kopfnicken deutete Sam in dessen Richtung, bekam jedoch erst mal nur ein knappes Schulterzucken zur Antwort.
»Anweisung vom Trainer.«
War ja klar ... Sam schnaubte innerlich und sah schweigend vom Pferderücken aus dabei zu, wie dem Wallach das Tuch über die Augen gelegt wurde. Anschließend ließ er sich anstandslos in die für ihn vorgesehene Startbox führen.
Kunststück, wenn das Tier nichts sieht ... – Sam grollte innerlich. Er hatte in seiner inzwischen doch einige Jahre andauernden Rennkarriere so manches Pferd erlebt, das auf Teufel komm raus nicht in die enge Box einrücken wollte. Und er hielt bis heute nichts davon, die Tiere auf diese Art zu überlisten. Ebenso wenig wie er es guthieß, wenn die Galopper mit vereinter Manneskraft und Seilen oder anderen Hilfsmittel mehr oder minder grob hineinbugsiert wurden. Wenn ein Pferd partout nicht in die Box wollte, hatte dies in Sams Augen einen Grund. Einen, der tiefer verankert war als »der hat eben keine Lust« oder »der mag es halt nicht, wenn es eng ist«. Welches Fluchttier mochte das schon?
Shattered Crescent prustete heftig, als der Rennbahnhelfer ihm das Tuch von den Augen zog und unter der Boxentür hindurch aus der Startmaschine krabbelte. Sam zog sich die Rennbrille über die Augen. Er konnte den Pferdekörper unter sich beben spüren. Es gab viele Rennpferde, die in der kurzen Zeit, die sie in der Startbox verbringen mussten, ehe das Rennen startete, wie ein auf eine Sehne gespannter Pfeil wirkten. Er kannte die Kraft, die die Galopper entwickelten, wenn sie schließlich aus den Boxen schossen. Und normalerweise liebte Sam dieses Gefühl. Diese zum Zerreißen gespannten Sekunden vor dem Start.
Die Art, wie Shattered Crescent bebte, war jedoch eine andere. Dieses Pferd wollte nicht nur raus aus der Box und laufen. Rennen. Kämpfen. Gewinnen. Dieses Pferd würde gleich zur Flucht ansetzen.
Der Jockey in der Box nebenan sagte irgendetwas, doch Sam blendete seine Umgebung vollkommen aus. Konzentrierte sich nur auf das Pferd und das Geläuf vor ihm. Die letzte Startbox wurde geschlossen. Sam atmete aus – und Shattered Crescent bebte noch immer. Gleich ... gleich ...
Begleitet von dem altbekannten, scheppernden Geräusch sprangen die Boxen auf. Keinen Herzschlag später schossen die elf Rennpferde hinaus. Wie in Zeitlupe spürte Sam den Ruck, der durch Shattered Crescents Körper lief, als sich der Wallach mit den Hinterbeinen abdrückte. Mit dem ersten Galoppsprung richtete Sam sich in den kurzen Steigbügeln auf, stand in kauernder Haltung über dem Pferderücken. Er konnte dem Adrenalin nachfühlen, das binnen eines Herzschlages durch sein gesamtes Blutsystem zu pumpen schien. Spürte, wie sich der Effekt noch verstärkte, als ein zweiter Ruck durch das Hinterteil des Pferdes lief und in Sams eigenem Körper widerzuhallen schien.
Bereits beim fünften oder sechsten Galoppsprung ließ er sich zurücksinken. Atmete in einem zittrigen Luftzug aus. Versuchte, möglichst viel Gewicht auf den Pferderücken zu bringen. In seinem Kopf rasten die Gedanken, noch tausendfach schneller als die Galopper vor und neben ihm. Er wusste, dass er seinen Wallach unwirsch am Gebiss riss. Doch er sah keinen anderen Ausweg. Er musste dieses Tier irgendwie zum Stoppen bringen.
Hamburg, Donnerstag, 4. Juli 2019
»Mamá hat ein Rennpferd gekauft.«
Als hätte ihm jemand ein Brett vor die Stirn geschlagen, blieb Thiago abrupt mitten auf dem Flur zu den Seminarräumen stehen. Verständnislos blinzelte er eine vorbeihuschende Kommilitonin an, ehe er wenig einfallsreich nachhakte: »Wie ... ein Rennpferd?«
»Na, ein Rennpferd eben«, gab Cielo zurück und klang dabei leicht genervt, als sei es vollkommen unverständlich, dass sein Bruder nicht sofort die Zusammenhänge begriff. Mit einem Seufzen fügte er schließlich hinzu: »Einen Galopper. Einen ausgemusterten, quasi. Irgendeine ihrer Freundinnen hat ihn gekauft und kommt nicht mit ihm klar, da hat Mamá sich erbarmt.«
Die Stirn in Falten gelegt, fuhr Thiago sich mit gespreizten Fingern über das kurz geschorene Haar. Noch immer verstand er kein Wort von dem, was Cielo ihm da zu erklären versuchte. Was daran liegen mochte, dass sein Hirn gerade überhaupt nicht auf irgendwelchen Pferdekram eingestellt war, sondern auf Gedanken zu Risiko- und Belastungsfaktoren für problematische Entwicklungs- und Lernprozesse bei Kindern mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung. Die letzte und auch wichtigste Klausur für dieses Semester stand an und Thiago hatte demnach eigentlich überhaupt keinen Nerv dafür, ausgerechnet jetzt über den neuesten Mitleidskauf seiner Mutter nachzudenken. Zumindest ging er davon aus, dass es sich hierbei um einen solchen handeln musste – und es wäre weiß Gott nicht der Erste.
»Bist du noch dran?«
»Ja«, entgegnete er schnell und setzte sich wieder in Richtung Seminarraum in Bewegung, »bin noch da. Also ... Mamá hat einer ihrer Freundinnen ein Ex-Rennpferd abgenommen und mit zu sich auf den Hof genommen, ja?«
»Exakt.«
Thiago konnte das Grinsen spüren, das an seinen Lippen ziepte. »Typisch Mamá.«
»Allerdings«, pflichtete Cielo ihm bei und klang dabei alles andere als amüsiert. »Mich wundert, dass du bislang nichts davon wusstest. Wann warst du das letzte Mal zu Hause?«
Wunder Punkt! Thiago seufzte leise und ließ sich rücklings mit dem Hintern gegen den Heizkörper gegenüber der offenstehenden Tür zum Seminarraum sinken. Normalerweise fuhr er jedes zweite oder wenigstens jedes dritte Wochenende die rund 50 Kilometer von Hamburg, wo er in einer kleinen Studenten-WG lebte, nach Barnitz, auf den Hof seiner Mutter.
»Vor über einem Monat«, gab er zerknirscht zu und fragte sich unweigerlich, wann er und sein Bruder sich zuletzt gesehen hatten. Es musste an die acht Wochen her sein, vielleicht sogar länger. Schwer vorstellbar, wenn man bedachte, wie viel Zeit sie bis vor gut einem Jahr miteinander verbracht hatten. Aber seit Cielo in Köln lebte und Thiago für sein Studium in die Hamburger City gezogen war, weil er das Pendeln leid war ...
»Ich war mitten in der Klausurphase«, schob er wie zur Entschuldigung hinterher, obwohl er wusste, dass Cielo der Letzte wäre, der ihm Vorwürfe machen würde. »Aber heute ist die letzte. Ich habe vor, am Samstag zu fahren.«
»Perfekt!« Durch die Verbindung nahm er ein Geräusch wahr, als schnalzte Cielo zustimmend mit der Zunge. »Ich habe am Sonntag ein Meeting in Berlin und werde von Freitag auf Samstag oder bis Sonntagmorgen bei Mamá übernachten. Dann kann ich mir auch dieses Pferd mal ansehen. Das heißt, wir sehen uns am Samstag? Du kommst doch schon morgens, oder?«
Wenn Thiago wusste, dass sein Bruder auf dem adoptivelterlichen Hof sein würde, würde er es sich natürlich einrichten, rechtzeitig dort zu sein – und Cielo wusste das ganz sicher auch.
»Klar«, entgegnete er dennoch, schielte aus dem Augenwinkel in den Raum hinein und auf die große Wanduhr. Noch blieben ihm ein paar Minuten. »Was für ein Meeting?«, schob er daher hinterher, obwohl er ahnte, welche Antwort folgen würde. »Nicht geschäftlich, nehme ich an.«
Cielo schnaufte schwer, das Geräusch klang knisternd durch die Verbindung. »Du sagst das schon wieder so vorwurfsvoll«, stellte er fest, statt zu antworten. Was im Endeffekt auch Antwort genug war. Thiago seufzte leise, ersparte sich selbst und auch seinem Bruder jedoch jeglichen Kommentar.
Im Grunde fand er es lobenswert, dass Cielo sich mit so viel Feuereifer in einer Tierschutzorganisation engagierte und das Herzblut, mit welchem er stets bei der Sache war, war im Grunde bewundernswert. Allerdings waren besagte Meetings oft keine normalen Treffen, um Informationen auszutauschen, sondern eine reichlich beschönigende Bezeichnung für irgendwelche nicht wirklich legalen Undercover-Missionen.
»Also sehen wir uns übermorgen?«, hakte Cielo noch einmal nach und Thiago nickte, dankbar über den Themenwechsel.
»Thio?«
»Hmm? Ja, klar! Ich freu mich. Ich muss Schluss machen, die Klausur geht gleich los.«
»Okay. Daumen sind fest gedrückt. Viel Erfolg!«
»Danke. Bis Samstag.«
Rasch ließ Thiago sein Handy zurück in seine Umhängetasche gleiten, nur um es gleich darauf noch einmal herauszuholen und zu überprüfen, dass es auch wirklich auf lautlos gestellt war. Als er sich halb umwandte, sah er bereits seinen Dozenten mit einem Stapel Klausurblätter unter dem Arm über den Flur schlendern und beeilte sich, in den Seminarraum zu kommen.
~*~*~*~*~*~
Barnitz, Samstag, 6. Juli 2019
Nur flüchtig schweifte sein Blick über die Koppel, auf der fünf Pferde weideten. Eines von ihnen stand ein wenig abseits, während die anderen in nächster Nähe zueinander grasten oder sich gegenseitig mit ihren Schweifen die Fliegen aus dem Gewicht wedelten. Der Gedanke, ob der schlanke Braune absichtlich oder nur zufällig so weit von seinen Artgenossen entfernt stand, verflog, noch ehe Thiago ihn richtig zu greifen bekam. Stattdessen hörte er, wie eine ihm allzu vertraute und dennoch zu lange vermisste Stimme seinen Namen rief. Mit einem Lachen auf den Lippen wandte er sich um und sah Cielo quer über den Hof auf ihn zulaufen.
Dieses Bild – Cielo in dreckigen Jeans und einem alten Flanellhemd, einen Strohhalm in seinem nahezu schwarzen Krauskopf – machte das Gefühl von Heimat binnen eines Herzschlages perfekt. Wärme durchflutete Thiago – und sie war sicher nicht nur der von einem nahezu wolkenlosen Himmel strahlenden Julisonne zu verdanken. Ein rauer, gleichsam befreiter Laut löste sich aus seiner Kehle, als Cielo schließlich bei ihm war und sie sich gegenseitig in die Arme schlossen.
»Hey, pequeño ... Viel zu lange her. Hab dich vermisst.«
Obwohl Thiago den mit liebevollem Klang gemurmelten Worten seines Bruders aus tiefstem Herzen zustimmen wollte, konnte er es sich doch nicht verkneifen, Cielo einmal spielerisch die Faust gegen den Oberarm zu knuffen. Warum konnte der Kerl es nie lassen, darauf herumzureiten – und wenn auch nur durch Kosenamen –, dass er ganze einhundertdreiundzwanzig Sekunden eher auf die Welt gekommen war?
»Sag, wie waren deine Klausuren?«, hakte Cielo auch prompt in Großer-Bruder-Manier nach, was Thiago dazu brachte, den Mund zu verziehen.
»Ganz gut, denke ich. Ergebnisse kommen erst Ende Juli. Aber lass uns nicht über die Uni quatschen, ich hab quasi schon Semesterferien.« Betont tief sog er die stets ein wenig nach frischem Heu und Stallmist riechende Luft ein.
»Tut gut, wieder hier zu sein«, stellte Cielo fest, als habe er denselben Gedanken gehegt.
»Mhm und wie.« Für einen Moment ließ Thiago den Blick noch einmal hinüber zu den Koppeln schweifen und als sei dies ein geheimer Code gewesen, setzte Cielo sich in genau jene Richtung in Bewegung.
Gemeinsam schlenderten sie näher an die Weiden heran, obwohl ihr Ziel eigentlich das Haus auf der anderen Seite des nur unzureichend asphaltierten Hofes sein sollte, damit Thiago endlich ihre Mamá wieder in die Arme schließen konnte. Aber gut, musste das Wiedersehen eben noch kurz warten. Ein Seitenblick hinüber zur Praxis zeigte, dass noch ein fremdes Auto davor parkte und Marita vermutlich ohnehin noch einen Patienten hatte. Also wandte Thiago sich erneut den Koppeln zu.
Die Tiere, denen Marita ihren letzten Gnadenplatz schenkte, waren ihr ein und alles – die Pferde insbesondere. Vielleicht war es also nur logisch, dass Thiago sich von den Vierbeinern wie magisch angezogen fühlte, teilten sie doch gewissermaßen ein ähnliches Schicksal. Marita hatte den Tieren ein Zuhause für den Rest ihrer teilweise knappen Lebenszeit gegeben – ganz ähnlich wie sie Thiago und Cielo ein Zuhause und eine zweite Familie geschenkt hatte. Ebenfalls auf Lebenszeit, nur schon in deren Kindheit und nicht erst im hohen Alter.
Im Gehen lehnte Thiago kurz seinen Kopf an Cielos Schulter. Sein Bruder war breiter gebaut als er selbst, aber vermutlich hätte Thiago sich auch angelehnt, wäre Cielo um ein Vielfaches schmaler gewesen. Es tat einfach gut, ihn wieder um sich zu haben, selbst wenn es nur für diesen einen Tag sein würde. Aber vielleicht würden sie in Thiagos kommenden Semesterferien ja Zeit finden, dass er seinen Bruder für ein paar Tage in Köln besuchte.
Während Cielo am Koppelzaun stehenblieb und die Unterarme auf der oberen Holzlatte verschränkte, kletterte Thiago halb über den Zaun, um sich obenauf niederzulassen. Gedankenverloren ließ er den Blick über die Weiden schweifen, die bis zum gegenüberliegenden Waldrand reichten. So gut es sich anfühlte, wieder hier zu sein, so durchzuckte ihn bei dem Gedanken daran, wie viel Arbeit seine Mutter bei der Pflege der Wiesen und Äcker und nicht zuletzt auch mit der Versorgung der Tiere hatte, ein feiner Stich. Sicher, sie hatte Hilfe von Leon, und Marita selbst war es gewesen, die ihre beiden Jungs dazu ermutigt hatte, den Hof für Job und Studium zu verlassen, aber dennoch ... Sie waren zu selten hier und ihre Mamá zu oft allein auf dem Hof. Sie würde es nicht zugeben, aber Thiago war sich sicher, dass Rolf ihr fehlte. Möglicherweise nicht so sehr als Ehemann, aber eben doch als Vertrauter und als helfende Hand.
»Vielleicht ruf ich die Tage mal Leon oder seinen Betreuer an«, sprach Thiago das aus, was ihm in diesem Moment durch den Kopf spukte. Von unten traf ihn ein Blick seines Bruders, der deutlich machte, dass Cielo sich kein bisschen über diese Aussage wunderte. Ganz so, als hätten sie wieder einmal ganz ähnliche Gedanken geteilt. Zwillinge eben ...
»Fragen, ob er einen weiteren Tag auf dem Hof helfen kann«, setzte Thiago dennoch erklärend hinzu und erntete ein zustimmendes Nicken.
»Das macht er sicher gerne. Hat er das nicht sogar schon mal angeboten? Kurz nachdem Papá ausgezogen ist?«
Thiago nickte nur, dachte mit unwohlem Gefühl im Magen an den Tag zurück, an dem Marita und Rolf sie nach dem gemeinsamen Abendessen darüber in Kenntnis gesetzt hatten, dass Mamá und Papá kein Paar mehr waren. Er und Cielo waren damals vierzehn gewesen. Um weiterhin gemeinsam für ihre beiden adoptierten Söhne da sein zu können, hatten sie noch einige Jahre gemeinsam auf dem Hof gelebt. Erst vor rund sieben Jahren, kurz vor Thiagos und Cielos Volljährigkeit, war Rolf endgültig ausgezogen.
Damals war Marita wohl einfach zu stolz gewesen, Leons Betreuer zu bitten, für den jungen Mann zusätzliche Arbeitsstunden auf dem Hof zu beantragen. Und das, obwohl Leon die Arbeit im Stall liebte und vermutlich glücklich über jede Stunde war, in der er sich nützlich machen und allen Skeptikern beweisen konnte, dass ein Mensch mit Down-Syndrom sehr wohl seinen Beitrag zur Arbeitswelt leisten konnte. Außerdem brachte Leon binnen Sekunden alle Menschen um sich herum mit seiner fröhlichen Art zum Strahlen und laut dessen Betreuer hatte er – seit er bei Marita auf dem Hof aushalf – auch deutlich mehr Freude am Sprechen gefunden.
Zugegeben, es war nicht immer leicht, Leons verwaschene Aussprache zu verstehen und ein klein wenig schämte Thiago sich immer dafür, wenn er zwei oder sogar drei Mal nachhaken musste. Immerhin wollte er Leon nicht das Gefühl geben, Kommunikation mit ihm sei besonders schwierig – was sie aufgrund von Leons Behinderung aber leider nun einmal war.
»Ich werde ihn am Montag anrufen«, beschloss Thiago, zögerte dann einen Moment. »Oder kommt er am Montag sowieso? Das könnte sein ...«
»So oder so, ich fände es gut, wenn du mit ihm redest. Mamá kann Unterstützung wirklich dringend gebrauchen.« Noch während Cielo sprach, wanderte sein Blick die Koppel entlang, blieb auf einem der Pferde hängen. »Besonders jetzt, da sie sich um den dort kümmern muss.«
Unweigerlich folgte Thiago Cielos Blick, musterte nachdenklich den dunkelbraunen Wallach, der ihm vorhin bereits ins Auge gestochen war. Und das nicht nur, weil er neu war.
»Ich frage mich wirklich, ob sie ihn wieder hinbekommt«, setzte Cielo leise hinzu und schürte damit das eben erst verflogene Unwohlsein in Thiagos Magen.
Das Pferd stand zwar in vermeintlich entspannter Pose, ein Hinterbein im Ruhemodus angewinkelt, und man hätte das Schlagen seines Schweifes für eine simple Abwehrreaktion gegenüber den Fliegen halten können. Doch auf Thiago wirkte es eher so, als peitschte der Schweif in Unruhe hin und her. Um die Nüstern des Wallachs lag ein verkniffener Zug, selbst auf die Distanz mehrerer Meter zu erkennen.
Leise, wie um das Tier nicht aufzuscheuchen, hakte Thiago nach: »Was meinst du?«
Cielo seufzte neben ihm. »Sieh ihn dir an. Dass er jetzt so dasteht, ganz in unserer Nähe, ist laut Mamá fast schon ein kleines Wunder. Du hättest ihn bei seiner Ankunft sehen sollen – sie hat mir Videos gezeigt, hat jeden Tag festgehalten. Er war vollkommen verstört, allein ihn vom Hänger rüber in den Stall zu bringen, muss ein mittelmäßiges Drama gewesen sein. Auf dem Weg zur Koppel am nächsten Morgen hat er sich losgerissen. Es war ein einziges Glück, dass er nicht davongeprescht und bis auf die Straße gelaufen ist. Tagelang ist es niemandem gelungen, ihn von der Koppel zu holen. Keiner kam an ihn ran. Nicht mal Leon.«
Tatsächlich war es Cielos letzter Zusatz, der Thiago schlussendlich vor Augen führte, wie prekär die Situation mit dem Wallach tatsächlich gewesen sein musste. Es mochte an Leons unbefangener Art liegen, sich jedem Tier wie selbstverständlich und dennoch mit einer besonderen Sanftheit zu nähern, die bewirkte, dass nahezu jedes Tier schnell Vertrauen zu ihm fasste. Bei dem Dunkelbraunen sollte ihm das nicht gelungen sein?
»Mamá hatte wohl die Hoffnung«, fuhr Cielo fort, »er würde sich den übrigen Pferden anschließen und man könnte ihn irgendwann wenigstens mit der Herde in den Stall oder auf eine andere Weide treiben, aber Fehlanzeige. Ich habe ihn gestern Abend noch lange beobachtet. So misstrauisch er Menschen gegenüber ist, so wenig Sozialverhalten hat er anscheinend seinen Artgenossen gegenüber erlernt. Er steht manchmal stundenlang nur in einer Ecke der Koppel, schaut ratlos zu den anderen Pferden, aber ohne in irgendeiner Weise mit ihnen interagieren zu können. Es ist, als hätte er nie deren Sprache gelernt.«
Thiago schluckte schwer, den Blick dabei nach wie vor auf den Wallach gerichtet. Mit einem Mal ergab es Sinn, dass er schon die ganze Zeit so weit von den übrigen Pferden entfernt stand. Der Wunsch in Thiago, zu dem Tier hinüberzugehen, nur um ihm ins Ohr zu flüstern, dass es sich nicht fürchten brauchte, drängte in ihm nach oben. Doch er blieb reglos auf dem Gatter hocken, ebenso wie der Wallach reglos dort drüben stand und zu ihnen herübersah. Seine Nüstern zuckten, die Ohren spielten interessiert, aber auch nervös vor und zurück. Und um sein Maul schienen kleine Fältchen eingegraben zu sein. Kerben, die sich nicht mehr glatt streicheln ließen.
»Er sieht so ... verletzt aus«, stellte Thiago leise fest, seine Stimme kratzte in seinem Hals. In sein unterdrücktes Husten mischte sich Cielos hörbares Schnaufen.
»Das trifft es ziemlich gut, ja. Mamá hat es mit Leons Hilfe inzwischen immerhin geschafft, ihn aufzuhalftern und zu untersuchen. Sie haben ihn kaputtgeritten. Sehnen, Bänder ... alles im Eimer. Und wenn ich ihn mir so ansehe, wird es noch Wochen dauern, bis sie überhaupt so weit an ihn rankommt, dass sie ihn behandeln kann. Ihre Massagen und Übungen würden ihm sicher guttun und tja, du kennst Marita, sie wird keine Ruhe geben, bis sie ihm helfen kann. Aber er wird nie wieder einen Reiter tragen können – ganz unabhängig davon, ob er es jemals zulassen würde. Hast du eine Ahnung, wie alt er ...?«
»Wer sind sie?«, fiel Thiago seinem Bruder ins Wort. »Entschuldige. Wo genau hat Mamá ihn her, beziehungsweise ihre Freundin?« Er fragte, obwohl er die Antwort längst zu kennen glaubte und Cielo sie ihm vor wenigen Tagen zumindest oberflächlich gegeben hatte. Eingehend musterte er den Wallach. Der feine Kopf mit den geblähten und daher noch größer wirkenden Nüstern, der geschwungene Hals, die lang gestreckten, schrägen Schulterblätter, der schlanke Rumpf, die hohe Kruppe und die kräftigen, sehnigen Beine ... Läuferbeine. Stark und zäh und doch nicht stark genug ...
»Frag nicht.« Ein schnaufendes Lachen begleitete Cielos Worte. »Irrsinnige Geschichte. Anke war wohl mit einigen Freundinnen zum Weiber-Wochenende in Köln. Sie kamen auf die glorreiche Idee, sich einen netten Tag auf der Rennbahn zu machen.«
All das sagte Cielo mit einer solch abschätzigen Kühle in der Stimme, dass Thiago in diesem Moment beinahe selbst davon überzeugt war, ein Rennbahnbesuch sei das Widerwärtigste, was man an einem freien Wochenende tun konnte. Und das, obwohl er eigentlich keine Ahnung von Pferderennen hatte. Er selbst hatte sich bislang keine großartige Meinung über Pferderennen gebildet. Er mochte Pferde. Tiere allgemein. Hatte es geliebt, umringt von ihnen aufzuwachsen. Was jedoch draußen in der Welt des Pferdesports vor sich ging, hatte ihn nie besonders interessiert.
Neben ihm stieß Cielo zischend den Atem aus. »Wie auch immer ... Anke wusste wohl selbst nicht viel über ihn. Nur, dass er von einem Züchter aus England stammt und irgendwann an einen deutschen Trainer nach München verkauft wurde. Für den ist er in Köln gestartet, aber nicht durchs Ziel gelaufen.«
»Oh, verdammt!« Alarmiert wandte Thiago den Kopf. »Ist er gestürzt?«
»Nein, Gott sei Dank nicht. Sein Jockey muss der Einzige mit Hirn bei dieser Veranstaltung gewesen sein. Anscheinend hat er während des Rennens gespürt, dass etwas nicht stimmt, und den Lauf abgebrochen. Anke ist das Ganze wohl nicht mehr aus dem Kopf gegangen und sie ist über das halbe Rennbahngelände gelaufen, bis sie das Pferd und den Besitzer gefunden hatte. Anscheinend hätte er eingeschläfert werden sollen. Und was macht Anke? Hat ihn für ein paar Hunderter abgekauft und in irgendeinem Reitstall untergestellt. Dachte wohl, sie könnte ein nettes Freizeitpferd aus ihm machen. Tja ... hat nicht geklappt. Anfangs ging es wohl noch ganz gut, aber er muss ziemlich schnell unhändelbar geworden sein. Und nun steht er hier. Mamá konnte ja nicht zulassen, dass Anke ihn an irgendjemanden abgibt.«
So bitter die Geschichte auch war, Thiago musste bei Cielos letzten Worten lachen.
»Das ist so typisch Mamá«, murmelte er mit einem Glucksen und sah fragend zu seinem Bruder hinab. »Und jetzt?«
Cielo hob in einer ratlosen Geste die breiten Schultern. »Ich hoffe einfach, Mamá weiß, was sie da tut und bekommt ihn wieder halbwegs auf Spur. Ein nettes Pferdchen zum Ausreiten wird er vermutlich nie werden, aber so lange man ihn vom Boden aus händeln kann, wird er hier ein schönes Rentnerleben haben.« Bei seinen letzten Worten stieß Cielo sich vom Koppelzaun ab und ging einige Schritte in Richtung Hof. Hinter ihnen beiden rumpelte der VW, der vorhin vor der Praxis geparkt hatte, über die Hofeinfahrt.
»Kommst du?«
Aus dem Augenwinkel sah Thiago, wie Cielo ihm zuwinkte.
»Mamá wird sich freuen, dass du nun auch da bist. Ich konnte sie gestern nicht davon abhalten, extra noch einen Kuchen zu backen.«
Die Vorstellung von Kuchen und gemeinsamem Tee trinken wollte nur langsam in Thiagos Bewusstsein gleiten. Sein Blick hing noch immer auf dem dunkelbraunen Wallach. Unter dem schwarzen Stirnschopf erkannte Thiago ein winziges Abzeichen. Sichelförmig, aber mit einem Knick in der Mitte, als würde dort ein Teil der weißen Haare fehlen. Mit einem Ruck wandte Thiago sich ab und schwang ein Bein zurück über die Zaunplanken.
»Wie heißt er eigentlich?«, rief er Cielo hinterher.
»Shattered Crescent!«
Noch einmal flatterte Thiagos Blick zurück zu dem Pferd. Lautlos murmelte er den Namen des Wallachs. Er passte zu ihm und war wohl am ehesten dem Stirnabzeichen als etwas anderem, etwas Innerem, geschuldet. Aber was half schon ein hübscher Name, wenn der Blick des Tieres wie zerbrochen schien?
~*~*~*~*~*~
Im Dämmerlicht wirkten die Silhouetten der Pferde ein wenig wie verschwommene Geistergestalten, die sich nur unzureichend vom Dunkel der Bäume abhoben. Direkt hinter den Koppeln begann ein Waldstück, weshalb Cielo sich in Kindertagen nie des Nachts auf die Weiden getraut hatte – und das, obwohl er doch der Ältere von beiden war. Ganz im Gegensatz zu Thiago. Er hatte es geliebt, sich gegen Mitternacht aus dem Haus und hinüber zu den Tieren zu schleichen. Nicht nur einmal war er mitten auf einer der Koppeln eingeschlafen und erst am Morgen wieder wach geworfen, weil ihn die Sonne in der Nase kitzelte oder weil Maggie ihm mit breiter Zunge übers Gesicht schlabberte. Die Schäferhündin war längst tot. Neben dem Brunnen hatte Marita ihr eine kleine Gedenkstätte errichtet – Grabstein inklusive. Die Asche der Hündin allerdings hatten Thiago und Cielo in den Wind gestreut, und wenn nun eines der Pferde mit den Hufen über den trockenen Boden scharrte, sah es im stetig schwindenden Licht so aus, als wirbelte Maggies letztes Andenken durch die Luft.
Thiago schauderte und zog die Wolldecke über seinen Beinen höher. Was hatte er denn da für merkwürdige Gedanken?
»Willst du auch einen Pullover?« Mit einer Strickjacke in der Hand war Cielo zurück auf die Terrasse getreten und warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Nee, geht schon. Außerdem macht der hier auch warm.« Mit einem Kopfnicken deutete er auf den Whiskey, der auf dem schmalen Gartentischchen zwischen den beiden Rattansesseln stand. Um Cielos Mund spielte ein schiefes Grinsen. Thiago wusste, dass sein Bruder – mehr noch als er selbst – nur selten Alkohol trank. Aber der gemeinsame Whiskey an lauen Sommerabenden auf der Terrasse hatte sich in den letzten Jahren irgendwie zwischen ihnen eingebürgert. Marita setzte sich nur selten zu ihnen, auch heute war sie bereits vor rund einer Stunde zu Bett gegangen. Nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass ihre Tage in aller Regel bereits um halb fünf begannen.
»Wann fährst du morgen?«, fragte Thiago an Cielo gewandt, während er drei Finger breit Whiskey in die bauchigen Gläser einschenkte.
»Ich will sehen, dass ich spätestens um sieben loskomme.«
»Okay. Ich werde auch gleich in der Früh mit Mamá aufstehen. Wenn ich endlich mal wieder hier bin, kann ich ihr auch bei der Stallarbeit helfen.«
Cielo nickte zustimmend und schlang sich die Strickjacke um die Schultern, ehe er sich in den Rattansessel neben Thiago fallen ließ. Von der Seite teilten die beiden ein vertrautes Lächeln. Wohlige Wärme breitete sich in Thiagos Bauch aus und das, noch bevor er einen einzigen Schluck Whiskey getrunken hatte. Es tat einfach gut, wieder zu Hause zu sein.
»Denkst du in solchen Momenten hier eigentlich auch an Paola?«
Verwundert blinzelte Thiago seinen Bruder an. »Natürlich.« Wie hätten seine Gedanken bei dem Wort Zuhause auch nicht zu ihrer leiblichen Mutter wandern können? Es überraschte ihn eher, dass offenbar auch Cielo in Erinnerungen an ihre frühe Kindheit in Peru festhing. Cielo hatte die Adoption und die Veränderungen, die damit einhergegangen waren, weitaus besser und schneller verkraftet als Thiago – oder wenigstens war er all die Jahre überzeugt davon gewesen, dass es so war.
Das Klirren, als die Gläser aneinanderstießen, übertönte für einen kurzen Moment das Brabbeln des Fernsehers im Hintergrund. Drinnen im Wohnzimmer liefen die 22-Uhr-Nachrichten. Theoretisch hätte Thiago ja gerne zugehört, praktisch drückte die Müdigkeit schwer auf seine Augenlider und der Whiskey brannte in seiner Kehle, Raucharomen kribbelten im Rachen. Das Zeug war wirklich gut!
Auch in seiner Brust schien sich ein Brennen einzunisten, weniger angenehm als das des Alkohols. Eine seltsame Melancholie, die ihn überfiel. Es erschien ihm schön und schmerzlich zugleich, mit Cielo hier zu sitzen, Whiskey zu trinken und zuzusehen, wie die Nacht zunächst den Hof und dann das gesamte Dorf umarmte und unter ihrem dunklen Mantel barg.
Es fühlte sich so seltsam an, wieder hier zu sein. Und das Seltsame war, dass es sich seltsam anfühlte. Thiago war in den letzten Monaten seltener heimgefahren als für ihn üblich, aber dennoch ... Mit dem Daumennagel kratzte er am Rand des Glases entlang, fand keine Unebenheit. Er selbst hingegen fühlte sich irgendwie angekratzt, wenn auch nicht gänzlich zerbrochen. Genau so hatte er sich als Kind und als Teenie oft gefühlt. So lange, bis er sich endlich darauf hatte einlassen können, in Marita und Rolf eine neue, eine zweite Familie zu haben. Eine bessere?
Er wollte nicht so denken. Noch immer nicht. Seine leibliche Mutter hatte ihn und Cielo geliebt. Tat es vermutlich noch immer. Dennoch ging es ihnen hier, in Deutschland, so viel besser.
Seine Adoptivfamilie hatte dafür gesorgt, dass innere Wunden heilten. Stück für Stück hatten sie seine zerschrammte Kinderseele zusammengesetzt. Hatten gestreichelt und getröstet und gelacht. Geredet und zugehört. Geschwiegen und einfach verstanden. Einfach geliebt.
Und trotzdem fühlte es sich an, als sei noch immer irgendetwas in ihm ausgerissen. Nicht nur eingerissen, sondern auf eine Art verletzt, die sich nicht mehr kitten ließ, weil ein winziger Fetzen fehlte.
Meine Güte ... anscheinend vertrug er keinen harten Alkohol mehr! Als müsste er sich vom Gegenteil überzeugen, nahm er einen weiteren Schluck, spürte dem rauchigen Brennen nach. Sein Blick schweifte zurück zur Koppel, hin zu den Pferden, die dösend unter einem der großen Laubbäume standen. Alle – bis auf eines.
Shattered Crescent stand nicht am anderen Ende der Weide, aber eben doch weit genug von seinen Artgenossen entfernt, um deutlich zu machen, dass er noch nicht angekommen war. Weder in der Herde noch auf dem Hof, geschweige denn bei sich selbst. Konnte ein Pferd so fühlen? Fühlte der Wallach sich ebenso innerlich zerbrochen, wie Thiago es all die Jahre getan hatte?
Meine Güte, wollte er sich selbst im Stillen einreden, es ist ein Pferd, kein Mensch. Sicher hat es Gefühle, aber es kann sie nicht so zuordnen, wie du selbst es kannst.
Thiago nahm einen weiteren Schluck Whiskey, während sein Blick noch immer auf dem Wallach ruhte.
Andererseits war er selbst damals noch ein Kind gewesen. Nicht fähig, zu begreifen, geschweige denn zu benennen, was es war, das so an ihm riss und zerrte. Diese Wunden in seine Seele schürfte. Erst Jahre später, als er längst zu heilen begonnen hatte, hatte er begriffen, was ihm gefehlt hatte: eine Kindheit.
»Wie alt ist er?«
»Hmm?«
Hatte er wirklich gefragt? Cielos Reaktion ließ es vermuten. Irritiert sah er zu ihm herüber. In einer Hand hielt er die Fernbedienung. Anscheinend hatte er bis eben die Nachrichten verfolgt, während er seinen Gedanken nachgehangen war.
»Shattered Crescent ... Wie alt ist er?«
»Sechs.« Nun wandte auch Cielo seinen Blick hinüber zur Koppel. »Stell dir das vor: erst sechs und schon ein Invalide. Wenn du wüsstest, wie viele Pferde ich gesehen habe, die fünfundzwanzig oder sogar dreißig waren und nicht annähernd so kaputt wie er.« Wieder lag da diese Bitterkeit in seiner Stimme, die einerseits nicht recht zu Cielos Teddybärenoptik passen wollte, die er jedoch andererseits schon oft genug vernommen hatte: immer dann, wenn Cielo über eine seiner Tierschutzkampagnen sprach.
»Und das kommt nur von den Rennen?«
Cielo schnaubte. »Nur ... Gott, weißt du, wie mit den Tieren in diesem Sport umgegangen wird? Das ist ... Da!« In einer ruppigen Geste deutete er mit der Hand, in der er die Fernbedienung hielt, durch die offenstehende Terrassentür ins Wohnzimmer. Auf dem Bildschirm flimmerte eine Szene aus einem Galopprennen. Rasch schaltete Cielo den Ton lauter.
»... bereits am vergangenen Mittwoch wurde der überlegene Sieg von Siegerlohn im siebten und letzten Rennen dieses Tages von einem folgenschweren Unfall überschattet. Beim legendären Seejagdrennen verloren zwei Pferde im Wasser ihre Jockeys. Während Ivano direkt nach Verlassen des Wasserhindernisses eingefangen werden konnte, galoppierte Captain Hook reiterlos mit dem Feld mit, bis er gegen eine Absperrung krachte. Beim Eintreffen der Tierärzte und Rennbahnhelfer war der Wallach bereits tot. Allem Anschein nach starb Captain Hook an Genickbruch. Dies ist bereits ...«
Das Bild wurde schwarz. Cielo hatte den Fernseher ausgeschaltet.
»Reicht dir das als Antwort?«
Thiago blinzelte gegen den nun stillen und blinden Bildschirm. Er brauchte einige Sekunden, ehe er die Bilder und Worte annähernd in seinem Kopf sortiert hatte. Das Pferd war vom Kurs abgekommen und beim Versuch, über die Seitengeländer zu springen, in die Absperrungen hineingesprungen. Sofort danach hatte das Bild wieder zu den noch auf der Bahn verbliebenen Pferden geschwenkt. All das nur aus der Entfernung. Noch einmal blinzelte Thiago, ehe er sich erneut seinem Bruder zuwandte.
»Das war ...«, setzte er gedehnt an, »ein Unfall. Das kann ...«
»Darf es aber nicht, verdammt! Und es ist bei weitem kein Einzelfall. Hast du eine Ahnung, wie viele Pferde in den letzten Jahren auf deutschen Rennbahnen gestorben sind? Meist an Knochenbrüchen aufgrund von gnadenlosen Überbelastungen. Die Dunkelziffer derer, die im Training sterben, dürfte ungleich höher sein. Von den toten Pferden im Ausland, vor allem in England und den USA, will ich gar nicht anfangen. Und das da ...«, in einer gleichsam zittrigen wie energischen Geste wies Cielo in Richtung Shattered Crescent, »war mit Sicherheit nicht einfach nur ein Unfall. Dieses Pferd wurde über Monate hinweg kaputtgeritten und schließlich aussortiert, als es nicht mehr lief.«
Cielo verstummte, presste die Lippen aufeinander und dennoch bemerkte Thiago das Zucken in seinen Mundwinkeln. Die Tränen, die in seinen Augen glänzten. Der Anblick ließ das unterschwellige Brennen in seinem Brustkorb zu einem Lodern aufwallen. Cielo war nicht nur der ältere und breiter gebaute von ihnen beiden, sondern auch immer der stärkere gewesen. Ihn so emotional und verwundbar zu sehen, kratzte in Thiago. Nicht zuletzt deshalb, weil auch Cielo jedes Recht hatte, einmal zornig oder traurig zu sein.
Betreten wandte Thiago den Blick ab, sah zum unzähligsten Mal an diesem Abend zu dem Wallach hinüber, der in einiger Entfernung zu den anderen Pferden döste und dennoch stets so aussah, als sei er jederzeit zur Flucht bereit.
»Dieses Seejagdrennen war am Mittwoch, ja?«, murmelte er dumpf in Richtung seines Bruders. »In Hamburg, oder?«
Cielo nickte, noch immer mit zusammengebissenen Zähnen. Die Tränen hatte er fortgeblinzelt. In einer energischen Geste kippte er den letzten Schluck Whiskey hinunter, als müsse er die bitteren Bilder fortspülen.
»Diese verdammten Jagdrennen ... Bleibt nur zu hoffen, dass die restlichen Flachrennen am Wochenende wenigstens keine Todesopfer fordern.«
»Noch mehr Rennen?«
»Klar, es ist Rennwochenende in Hamburg-Horn. Dass du das als Wahl-Hamburger nicht mitbekommst ...« Da, endlich spielte um seine Lippen ein kleines Schmunzeln, auch wenn es verkniffen wirkte.
Thiago hob die Schultern. »Du weißt, ich interessiere mich nicht für Pferdesport.«
»Ist auch besser so.«
»Allerdings ...« Er brachte den Satz nicht zu Ende. In seinem Hirn ratterte es, sein Blick hing nachdenklich in der Ferne. Auf den Pferden. Auf dem Waldrand.
»Allerdings, was?«
»Sind morgen auch noch Rennen?«
»Klar, morgen ist Derbytag.«
Als ob ihm das etwas sagen würde ... Mit einem scharfen Ausatmen ließ Thiago sich in dem Rattansessel zurücksinken. »Ich glaube, ich fahre morgen dahin.«
»Wohin?«
»Na, zur Rennbahn.«
»Bitte? Warum ...? Mann, du weißt schon, dass du mit einem Ticketkauf diesen ganzen Scheißbetrieb unterstützt. Wenn du diesen Mist unbedingt live sehen willst, kann ich dich ...«
»Ist mir klar«, gab Thiago brummend zurück, das nicht zu Ende ausgesprochene und vermutlich nicht ganz legale Angebot seines Bruders geflissentlich ignorierend. »Keine Sorge, ich werde sicher nicht wetten und nicht zum Rennsportanhänger mutieren. Ich will mir einfach mal mit eigenen Augen ansehen, was da so abgeht. Ich will ...« Für einen Moment blieben ihm die Worte im Hals stecken, seine Kehle wurde schlagartig trocken, als sein Blick zurück auf Shattered Crescent fiel. »Ich will verstehen«, setzte er nach langen Sekunden und beinahe nur flüsternd hinzu, »was ihn so fertig gemacht hat.«
Wie konnte ein nach außen so schönes Pferd aus seinem Inneren heraus eine solche Verletztheit ausstrahlen?
Hamburg, Sonntag, 7. Juli 2019
Das letzte Pferd betrat die Startbox und für einen Moment hatte Thiago das Gefühl, die gesamte Rennbahn würde den Atem anhalten. Gespannte Stille herrschte auf den Zuschauertribünen. Selbst die beiden fein herausgeputzten Ehepaare neben ihm, die bis eben noch so lauthals über Favoriten und mögliche Außenseiterchancen debattiert hatten, dass es klang, als herrschte ein handfester Ehestreit, sahen gebannt und schweigend auf den großen Bildschirm, der das Geschehen an der Startmaschine einfing.
Auch Thiago ertappte sich selbst dabei, wie er die Luft anhielt und die Fingerspitzen nervös aneinanderrieb. Allerdings waren es bei ihm weniger Vorfreude und schon gar keine Aufregung, ob er auf das richtige Pferd gesetzt hatte, die ihm ein unruhiges Kribbeln im Magen bescherten. Er hatte nicht gewettet, natürlich nicht.
Der Hamburger Stutencup des Gestüts Röttgen war bereits das sechste Rennen an diesem Rennsonntag, jedoch das erste, welches Thiago live mitverfolgte. Vor rund einer Stunde war er an der Rennbahn Hamburg-Horn eingetroffen und hatte sich erst mal ein wenig Zeit genommen, sich auf dem Gelände umzusehen und die unweigerlich folgende Reizüberflutung in sich aufzusaugen und zu verarbeiten. Zugegeben, auch wenn er selbst keinen Gefallen an übermäßig zur Schau getragenem Prunk fand, so war es doch schwer, sich der beinahe royalen und gleichsam adrenalingeladenen Stimmung zu entziehen.
Auch jetzt – Sekunden vor dem Start des Rennens – fühlte er diese kribbelige Mischung aus neugieriger Aufregung und nervöser Unruhe. Cielo hatte ihm mehrfach einzuschärfen versucht, was ihn hier auf der Rennbahn erwarten würde. Kurz gesagt: Tierquälerei.
Thiago konnte nicht leugnen, dass er sich davor scheute, so etwas mitanzusehen. Und im selben Moment war er noch nicht gewillt zu glauben, dass sich der Galopprennsport allein auf zugrundegerichtete Tiere herabbrechen ließ. So blind konnten all diese Menschen neben ihm doch nicht sein.
Die Startgatter öffneten sich, nur einen Herzschlag später schossen die sechs Stuten wie von der Sehne schnellende Pfeile daraus hervor.
»... im Stutencup haben sich die Boxentüren an der 2.200-Meter-Marke geöffnet. Alle sind gut weggekommen, Spring Princess übernimmt die Führung, unter Ihrem Beifall, meine sehr verehrten Damen und Herren ...«
Erst durch die Worte des Rennbahnsprechers wurde sich Thiago des Jubels bewusst, der um ihn herum aufgebrandet war. Auf den Tribünen und auch unten, neben der Bande am Geläuf, feuerten die Rennbahngäste ihre Favoriten an oder jubelten einfach aufgrund der aufgestauten Energie, die sich nun Bahn brach. Thiago fühlte sein eigenes Herz wie verrückt in seiner Brust pochen und verzog in einer schiefen Geste die Lippen. Er hätte nicht gedacht, dass er selbst sich so schnell von dieser Begeisterung würde anstecken lassen. Und doch blieb da dieser Funken bitteres Misstrauen.
Thiago kniff die Augen zusammen und spähte über die mit ausladenden Hüten besetzten Köpfe der Damen hinweg auf die Rennbahn. Sein Blick heftete sich an das einzige helle Pferd im Feld: eine zierliche Schimmelstute. Wobei ... Nannte man ein Pferd mit grauer Melierung im weißen Fell überhaupt einen Schimmel?
Mit einem leichten Kopfschütteln wischte Thiago die unnütze Überlegung fort und versuchte anhand der Stimme des Rennbahnsprechers dem Geschehen auf dem Geläuf zu folgen.
» ... so geht es aus dem Bogen heraus und in die Gegenseite hinein. Anna Karenina führt nach wie vor mit gut zwei Längen vor Dahlia ...«
So weit nicht schwer zu überblicken. Aber wer genau war Dahlia? Die Schimmelstute oder doch die Braune an der Innenseite der Bahn? Nun verstand Thiago auch, weshalb viele der Rennbahnbesucher ein Fernglas mit sich herumtrugen – und weshalb es durchaus Sinn machte, sich vorab genau über das Starterfeld zu informieren, ganz egal, ob man zu wetten gedachte oder nicht.
Laut des Sprechers liefen die Tiere bislang in einem gleichmäßigen und eher gemäßigten Tempo. Auch innerhalb des Feldes veränderte sich kaum etwas an den Positionen, die dunkelbraune Anna Karenina führte nach wie vor, was Thiago Zeit gab, sich die einzelnen Pferde und deren Reiter genauer anzusehen. Auf die Distanz hin und auch auf dem Bildschirm war es schwer zu erkennen, aber er hatte bislang weder den Eindruck, dass die Tiere unter großem Stress liefen, noch dass irgendeiner der Jockeys seine Peitsche überhaupt eingesetzt hätte. In einem beherrscht langsamen Atemzug stieß Thiago die Luft aus. Die Pferde näherten sich dem Schlussbogen. Sicher würde das Rennen gleich an Tempo zulegen und auf den letzten paar hundert Metern auch der Kampf um die vorderen Platzierungen härter werden.
»Editha versucht jetzt die Position ein wenig zu verbessern, Dark Sword hängt sich dran. So langsam geht es in die entscheidende Phase hinein ...«
Auch auf die Entfernung von der Tribüne her und ohne ein Fernglas vor den Augen, konnte Thiago zusehen, wie die Pferde deutlich an Tempo zulegten und sich ihre sehnigen Körper streckten. Die Jockeys auf ihren Rücken arbeiteten, schickten die Tiere mit energischen Bewegungen ihrer Arme im Takt der Galoppsprünge voran. Nach wie vor blieb ein auffälliger Peitscheneinsatz jedoch aus. Um Thiago herum schwollen Anfeuerungsrufe an. Kurz hatte er Sorge, die beiden Hüte tragenden Damen neben ihm würden über die Brüstung der Tribüne springen oder mit ihren hellen Schreien die Stuten auf dem Geläuf aus dem Takt bringen. Aber natürlich geschah nichts dergleichen. Das Starterfeld jagte weiter auf die Ziellinie zu, die Galoppsprünge der Tiere dabei raumgreifend und kraftvoll.
»Mit Beginn der Zielgeraden sieht Dark Sword noch stark aus, sie kommt heran! Anna Karenina vor Dahlia, vor Editha ...«
Da! Thiago richtete sich kerzengerade auf seinem unbequemen Sitz auf. Der erste Peitschenhieb oder ... Er kniff die Augen zusammen, wünschte sich in diesem Moment sehnlichst eines dieser blöden Ferngläser. Ein paar der Jockeys schwangen die Peitschen, doch es sah vielmehr so aus, als ließen sie sie neben den Köpfen der Pferde bis hin zu den Flanken durch die Luft zischen, statt eines der Tiere damit auch nur zu berühren.
»... fünf Stuten fast in einer Linie! Dahlia geht nach vorne ...«
Neben Thiago hielt es die beiden Herren in ihren schicken Anzügen nicht mehr auf den Sitzen und wie von unsichtbarer Hand gesteuert erhob auch Thiago sich und trat einen Schritt in Richtung Bande. Er konnte die Augen nicht mehr von dem voranjagenden Feld lassen. Insbesondere nicht von der Schimmelstute, die mit einem Fuchs auf den Fersen an der Bande entlang jagte und sich an die bis dato führende Stute heranschob. Die Stimme des Rennbahnsprechers hallte in Thiagos Ohren.
»Dahlia geht nach vorne, mit Editha direkt neben ihr! Dark Sword an der Außenseite kämpft, ja, sie kämpft ...!«
Thiagos Herzschlag schien im Takt der auf den Boden donnernden Hufe zu pochen. Zu rasen. Dahlia preschte der Ziellinie entgegen, neben ihr die Fuchsstute. Doch an der Außenseite schob sich eine Braune heran.
»Dark Sword außen für Stall Lindenblüte, vom letzten Platz kommend kämpft sie sich nach vorne! Editha innen kommt heran! Außen ist aber Dark Sword vorne ...«
Dahlia war geschlagen, Thiago konnte es schon jetzt sehen und auch die Fuchsstute eine halbe Länge vor Dahlia konnte das Tempo nicht halten, mit welchem die braune Dark Sword an der Außenseite vorbeizog. Eine seltsame Mischung aus Euphorie und Enttäuschung schien Thiago zu fluten. Wie konnte es sein, dass er nur binnen weniger Sekunden so mit einem ihm vollkommen unbekannten Pferd mitgefiebert hatte? Noch immer mitfieberte. Vielleicht würde Dahlia doch noch ...
Aber nein, die Braune zog immer weiter nach vorne, ließ das Feld mit raumgreifenden Galoppsprüngen hinter sich. Eine Länge. Dann zwei. Ihr Jockey feuerte sie mit vollem Körpereinsatz an, jedoch ohne ein einziges Mal sichtbar die Peitsche zu benutzen. Die Jockeys dahinter benutzten ihre Peitschen. Auf den ersten Blick hätte man es leicht für ein wildes auf das Pferd einprügeln halten können. Aber Thiago hatte sich vorab mit den Regularien befasst: Jedem Jockey war der Peitscheneinsatz lediglich fünf Mal im gesamten Rennen gestattet. Dazu war es Vorschrift, die Gerte am Kopf des Pferdes vorbei nach hinten zu führen, damit das Pferd den Einsatz sehen konnte. Was also wie brutale Hiebe aussah, wirkte vermutlich nur aufgrund der weiten Bewegung so ungestüm. Von der Tribüne aus vermochte Thiago nach wie vor nicht zu sagen, ob die Peitschen die Flanken der Pferde überhaupt trafen. Was er jedoch mit Sicherheit zu sagen vermochte, war, dass allein dem Rennen beizuwohnen einiges an Adrenalin freisetzte.
Neben ihm jubelten die beiden Damen und auch aus der Stimme des Rennbahnsprechers sprach Begeisterung.
»Dark Sword! Dark Sword gewinnt hochverdient ihr Listenrennen! Dahinter Editha ...«
Ein leises Seufzen entwich Thiago, welches er lediglich auf seinen Lippen spürte, da es im Jubel der Zuschauer verklang. Seine Schimmelstute war Vierte geworden, deutlich geschlagen von den Spitzenpferden.
Seine Stute?
Kopfschüttelnd trat er zwei Schritte von der Bande zurück. Verfolgte aus dem Augenwinkel, wie die Galoppsprünge der Pferde an Raum verloren. Von seiner Position auf der Tribüne aus konnte er nur noch von Ferne und von hinten sehen, wie der Jockey triumphierend eine Faust hochriss, wie die Siegerstute und ihr Reiter schließlich in Empfang genommen wurden – vermutlich von Besitzern oder Trainern. Zu gerne hätte Thiago sich den Zustand der Tiere direkt im Anschluss an das Rennen angesehen. Vielleicht sollte er sich für die kommenden Rennen doch einen Platz direkt am Geläuf suchen. Andererseits hatte er von hier oben den besseren Überblick und es würden an diesem Sonntag noch sechs weitere Rennen folgen. Daher entschied er sich, erst mal auf der Tribüne zu bleiben.
Während der rund vierzigminütigen Pausen zwischen den Rennen lauschte er den Gesprächen der Leute ringsum, die allesamt viel Zeit auf deutschen Galopprennbahnen zu verbringen schienen und zumindest für einen Laien wie Thiago den Anschein erweckten, als verstünden sie etwas von dem, worüber sie sprachen. Besonders die beiden Ehepaare neben ihm fachsimpelten ausufernd über das jeweils bevorstehende Rennen. Während die beiden Damen Dark Swords Sieg treffend vorausgesagt hatten, setzte einer der Herren im darauffolgenden Auktionsrennen auf das richtige Pferd: einen dreijährigen Hengst namens Highliner. Insiderwissen oder ein reiner Glückstreffer – Thiago vermochte es nicht zu sagen. Er hatte keine Ahnung, wie viel Wettgewinn der Herr aus Highliners Sieg schöpfte, aber der Hengst war anscheinend aufgrund einer längeren Rennpause als Außenseiter an den Start gegangen, mit einer Quote von 278 für zehn Euro. Ganz egal also, wie viel der besagte Herr auf das Pferd gesetzt hatte, sein Jubel am Ende des Rennens machte überdeutlich, was Thiago bereits vorab gewusst hatte: Beim Pferderennen ging es um verdammt viel Geld. Für Trainer und Besitzer der Tiere möglicherweise noch mehr als für wettbegeisterte Zuschauer. War es da nicht irgendwie naheliegend, dass das Pokern um hohe Gewinnsummen nicht selten auch auf dem Rücken der Pferde ausgetragen wurde? Und das in mehr als einem Sinne ...
Dieses Auktionsrennen war es auch, bei dem Thiago zum ersten Mal an diesem Tag für einen kurzen Moment ein Gefühl dafür bekam, welche potenziellen Gefahren für einen Pulk voranstürmender Rennpferde bestehen konnten. Direkt zu Beginn des Rennens, als die Pferde auf den ersten Bogen zugaloppierten, schürte der Rennbahnsprecher mit seiner Ansage einen Funken der Furcht in Thiago.
»Sieben Pferde auf einer Linie: Eastcoast außen, daneben Pompeii, dann Golden Eye ... So geht es mit Tempo auf die erste Kurve zu, hoffen wir, dass das alles gut geht ...«
Thiago hielt den Atem an. Nicht auszudenken, was passieren mochte, wenn sich die in vorderster Reihe laufenden Pferde im Bogen zu nahe kamen. Wenn eines von ihnen stürzte und das dahinter galoppierende Feld ...
»... das geht alles gut. Königserbe an der Innenseite führt, dahinter dann Golden Eye ...«
Langsam stieß Thiago die Luft aus. Er kaute auf seiner Unterlippe, während er zusah, wie das Feld von insgesamt zwölf Startern den Bogen vollends umrundete und sich die Linie aus sieben Pferden auseinanderzog. Manche legten an Geschwindigkeit zu, andere ließen sich zurückfallen oder wurden möglicherweise von ihren Jockeys gezügelt. Thiago vermochte es nicht genau zu sagen. Auch den Ansagen des Kommentators lauschte er nur noch mit halbem Ohr. Die Euphorie, die er noch beim ersten Rennen verspürt hatte, schien mit einem Mal verflogen. Schlagartig erinnerte er sich daran, weshalb er eigentlich hier war: Nicht um zu jubeln oder gar in Gedanken auf ein mögliches Siegerpferd zu setzen. Sondern allein um herauszufinden, was mit den Pferden bei Veranstaltungen wie diesen geschah, dass manche von ihnen schließlich so innerlich geschunden wirkten, wie Shattered Crescent es tat.
Und mit einem Mal war es Thiago vollkommen gleichgültig, welches der Tiere als erstes über die Ziellinie lief. Was ihn interessierte, war, wie es die Tiere zum Sieg schafften. Und dafür musste er näher ran. Himmel noch mal, er hätte wirklich ein Fernglas mitnehmen sollen!
Noch während Highliner vor Kingsize und Diego den Sieg nach Hause galoppierte, wandte Thiago sich ab und griff nach dem Rennprogramm, welches zerknittert neben ihm auf dem Sitz gelegen hatte. Ein eingehender Blick zeigte ihm, dass als nächstes ein sogenanntes Ausgleichsrennen stattfinden würde. Thiago wusste lediglich, dass dies bedeutete, dass die Pferde beim Laufen unterschiedliches Gewicht tragen würden, um allen Startern im Feld dieselben Siegchancen einzuräumen. Wie genau dies funktionierte, nach welchen Kriterien das Gewicht zugewiesen wurde, wusste er nicht, und im Grunde war es ihm an dieser Stelle auch egal. Er wollte wissen, wie es den Tieren vor, nach und vor allem während des Rennens ging – ganz unabhängig davon, welches Gewicht sie zusätzlich zu ihrem Jockey auf dem Rücken hatten.