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Die Neuerzählung einer chinesischen Legende: Shelley Parker-Chan zeichnet den Aufstieg Zhu Yuanzhangs nach, jenes armen Bauern, der einst die Mongolenherrschaft stürzte und die Ming-Dynastie gründete. Ein Dorf im staubigen Flachland, geplagt von einer Hungersnot. Ein Seher offenbart zwei Kindern ihre Zukunft: Den Jungen erwartet ein bedeutendes Schicksal, das Mädchen dagegen – nichts. Im Jahr 1345 steht China unter der brutalen Herrschaft der Mongolen. Plünderer ziehen durch das Land und überfallen die armen Bauern. Auch ins Dorf der Kinder kommen sie und machen die beiden zu Waisen. Während Zhu Chongba verzweifelt und aufgibt, fasst das Mädchen jedoch den Entschluss, sein Schicksal zu ändern. Sie nimmt die Identität ihres toten Bruders an. Kann Zhu dem entkommen, was doch in den Sternen geschrieben steht? Oder kann sie das bedeutende Schicksal ihres Bruders für sich selbst beanspruchen – und letztlich so hoch aufsteigen, wie sie nur träumen kann? Eine epische Geschichte über Liebe, Verlust, Verrat und Triumph von einer eindringlichen neuen Erzählerstimme! "She Who Became the Sun" gewann den British Fantasy Award in zwei Kategorien – sowohl für den besten Roman als auch für das beste Nachwuchstalent – und war Finalist für den Lambda Literary Award for Transgender Fiction und den Hugo Award für den besten Roman.
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Seitenzahl: 664
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Alles, ihr Mönche, steht in Flammen … Und wie brennt es? Es brennt mit den Flammen der Leidenschaft, sage ich, mit den Flammen des Hasses und der Verblendung; es brennt mit den Flammen der Geburt, des hohen Alters, des Todes, des Leids, des Jammers, des Elends, der Trauer und der Verzweiflung.
ADITTAPARIYAYA SUTTA: Die Feuerpredigt
HISTORISCHE ANMERKUNG
ERSTER TEIL 1345–1354
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
ZWEITER TEIL 1354–1355
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
DRITTER TEIL 1355–1356
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
FORTSETZUNG FOLGT IN: HE WHO DROWNED THE WORLD
Danksagungen
Die Yuan-Dynastie (1271–1368) sticht unter den vielen Dynastien des Kaiserreichs China hervor: Es war eine recht kurze Ära, in der China von mongolischen Eroberern regiert wurde. Die Handlung des Romans ist am Ende dieser faszinierenden, stürmischen Epoche angesiedelt.
Vor der Eroberung durch die Mongolen war China bereits zweigeteilt: Nordchina wurde von fremdländischen Besatzern aus der Mandschurei beherrscht, den Jurchen. Südchina unterstand noch dem chinesischen Kaiserhaus, der Song-Dynastie: Nachdem die Jurchen 1127 ihre Hauptstadt in Zentralchina an sich gebracht hatten, waren die Songs gezwungen gewesen, sich in den Süden zurückzuziehen.
Der Aufstieg der Mongolen, eines nomadischen Reitervolks aus der asiatischen Steppe, begann im 13. Jahrhundert unter der Führung Dschingis Khans. Während der ersten Hälfte des Jahrhunderts eroberten mongolische Heere große Gebiete in Zentralasien und Europa – sie kamen bis nach Polen. Nach dreiundzwanzigjährigem Krieg mit den Jurchen besetzten sie erfolgreich Nordchina. Die Song-Dynastie in Südchina hielt einige Jahrzehnte länger durch, musste sich aber schließlich, im Jahr 1271, Dschingis Khans Enkel geschlagen geben, Kublai Khan. So wurden Nord- und Südchina unter mongolischer Herrschaft wiedervereint, und Kublai Khan war der erste Herrscher der Yuan-Dynastie.
Die mongolischen Khans waren zwar Ausländer, erhoben aber dennoch Anspruch auf die chinesische Herrschaftslegitimation, das Himmelsmandat. Sie etablierten ihre Yuan-Dynastie als rechtmäßige Nachfolge der vorigen chinesischen Herrscherhäuser, und die Großkhane gerierten sich entsprechend der chinesischen Tradition als Kaiser. In anderer Hinsicht brach ihre Herrschaft jedoch mit der Vergangenheit.
Die Mongolen zergliederten China in Landgüter, die Fürsten und anderen mongolischen Adeligen zugeteilt wurden. Sie schafften die klassischen chinesischen Beamtenprüfungen ab und teilten die Bevölkerung in vier Klassen mit abgestuften Rechten ein. Die Mongolen selbst als herrschendes Staatsvolk bildeten die oberste Schicht, gefolgt von Nichtchinesen – anderen Steppenvölkern und Verbündeten der Mongolen wie den Uiguren, Persern und Türken (Semuren). Als Nächstes kam die Gruppe der Nordchinesen (Hanren). Ganz unten stand die zahlenmäßig größte Gruppe, die Einwohner des früheren Süd-Song-Reiches, die Südchinesen (Nanren). Ihnen blieben alle wichtigen Ämter versperrt, sie durften keine Waffen tragen und zahlten die höchsten Steuern. Viele kluge, ehrgeizige junge Südchinesen – wie die Protagonisten des Romans – hatten keine andere Wahl, als ihr Leben als Bauern zu fristen.
Die Yuan-Dynastie war eine Zeit des technischen Fortschritts und der schönen Künste, doch war sie auch gekennzeichnet von einer destabilisierenden raschen Sukzession, von krasser Misswirtschaft und galoppierender Inflation. Die Handlung des Romans setzt in den 1340er-Jahren ein. Zu der Zeit war Zentralchina von einer ganzen Reihe Naturkatastrophen betroffen. Die Regierung bekam die Lage nicht in den Griff, und das führte zu einem vollkommenen Verlust lokaler Kontrolle. Schnell füllten Kriegsherren, Kultführer und Banditen das Machtvakuum; Bauernaufstände brachen los. Das war der Anfang vom Ende des Yuan-Reiches. 1368 wurden die Mongolen besiegt und vertrieben, und auf die untergegangene Yuan- folgte die Ming-Dynastie: eine zweihundertfünfundsiebzig Jahre währende Ära einheimischer Herrschaft, bevor China erneut Eroberern aus dem Norden zum Opfer fiel.
She Who Became the Sun orientiert sich an historischen Ereignissen, und eine Reihe realer Personen, die zu jener Zeit gelebt haben, spielen eine Rolle. Trotzdem nimmt die Geschichte sich überall Freiheiten heraus – so wie die chinesischen Kostümdramen, von denen man nie wieder loskommt und die sie inspiriert haben! Aber hoffentlich bietet diese Anmerkung ein wenig hilfreichen Kontext.
Still lag das Dorf Zhongli in der brütenden Sonne. Ringsum gab es nichts als rissige gelbe Erde, aufgebrochen im Muster eines Schildkrötenpanzers. In der Luft hing der Geruch nach heißem Staub wie nach ausgeblichenem Gebein.
Vier Jahre hielt die große Trockenheit nun schon an. Die Bauern wussten um die Ursache für ihr Elend und verfluchten ihren barbarischen Kaiser in seiner fernen, nördlich gelegenen Hauptstadt. Es war wie mit allen gleichartigen Dingen, die durch einen Faden Qi miteinander verbunden waren: Die Umstände des einen beeinflussten die des anderen. So bestimmte die Eignung eines Regenten das Schicksal seines Landes. War ein Kaiser seines Amtes würdig, dann war sein Reich mit guten Ernten gesegnet; war er dagegen unwürdig, so wurde es von Überschwemmungen, Dürren und Seuchen heimgesucht. Gegenwärtig wurde das Hoheitsgebiet der glorreichen Yuan-Dynastie von einem Mann beherrscht, der nicht nur Kaiser, sondern zugleich auch Großkhan war: Es handelte sich um den zehnten Nachkommen des mongolischen Eroberers Kublai Khan, der vor siebzig Jahren das letzte einheimische Herrschergeschlecht gestürzt hatte. Seit elf Jahren verfügte er nun schon über das göttliche Licht des Himmelsmandates, und es gab Kinder im Reich, die nichts anderes kannten als Not.
In jenem ausgedörrten Jahr des Hahns war die zweitgeborene Tochter der Familie Zhu ungefähr zehn. Die Jungen des Dorfes rannten auf das Feld des verstorbenen Nachbarn zu, und das Mädchen lief ihnen hinterher. Dabei dachte es ans Essen. Es erinnerte ein wenig an eine Heuschrecke der Gattung Locustana pardalina: Nicht nur hatte es eine breite Stirn und eine ausgeprägte Kinnlade, seinem Gesicht fehlte außerdem jede Spur der weichen Rundlichkeit, die den Liebreiz kleiner Kinder ausmacht. Wie das Insekt hatte auch das Mädchen nichts anderes im Sinn als Nahrung. Allerdings war es mit der einförmigen Kost der Bauern aufgewachsen; dass es irgendwo auf der Welt Besseres geben könnte, war kaum mehr als ein unbestimmter Verdacht. Folglich war seine Vorstellungskraft auf die bloße Menge beschränkt. Gerade stellte es sich eine Schale Hirsebrei vor: Sie war so voll, dass der Brei sich wie ein bebender Hügel über die Ränder erhob, nur zusammengehalten von der straff gespannten Haut. Das Mädchen setzte einen Fuß vor den anderen und fragte sich mit lüsterner, banger Versonnenheit, wie es den ersten Löffel nehmen könnte, ohne einen Tropfen zu verschütten. Von oben (aber dann könnten die Flanken nachgeben) oder gleich von der Seite (was höchstwahrscheinlich in einer Katastrophe enden würde); mit starker Hand oder ganz behutsam? So vertieft war es in sein ausgedachtes Mahl, es hörte kaum die Schaufel des Totengräbers scharren.
Dann war das Mädchen an ihm vorbei und auf dem Feld. Geradewegs lief es auf die enthaupteten Ulmen zu, die das andere Ende säumten. Einst waren die Bäume schön gewesen, aber das Mädchen empfand keine Wehmut beim Anblick der kahlen Strünke. Im dritten Jahr der Missernten hatten die Bauern herausgefunden, dass sie ihre prachtvollen Ulmen schlachten und essen konnten wie jedes andere Lebewesen auch. Das war der Erinnerung wert: sechsmal gekochte Ulmenwurzel, beißend und herb auf der Zunge. Hinterher war einem zum Andenken an die Mahlzeit ein wenig übel, und die Innenseiten der Wangen fühlten sich geriffelt an. Und besser noch: Ulmenrindenmehl, mit Wasser und gehäckseltem Stroh verknetet, zu Brötchen geformt und langsam über einem niedrigen Feuer gebacken. Doch nun war an den Ulmen schon lange nichts Genießbares mehr, und die Dorfkinder scherten sich bloß noch um sie, weil sich in den Baumruinen Mäuse, Grashüpfer und andere derartige Leckerbissen fanden, die dort Unterschlupf gesucht hatten.
Seit einer Weile war das Mädchen nun schon das einzige Mädchen im Dorf. Seit wann genau, hätte es nicht sagen können, und es dachte auch nicht gern darüber nach. Dazu bestand auch keine Notwendigkeit: Es wusste nur zu gut, was geschehen war. Gab es in einer Familie einen Sohn und eine Tochter, aber kaum etwas zu essen, wer würde da etwas an ein Mädchen verschwenden? Da müsste es schon ganz außergewöhnlich nützlich sein. Aber das Mädchen hatte keine Illusionen: Nützlicher als die toten Mädchen war es nicht. Noch dazu war es hässlicher. Es presste die Lippen aufeinander und ging neben dem ersten Ulmenstrunk in die Hocke. Nur in einer einzigen Hinsicht war es anders als die anderen: Es hatte gelernt, sich selbst etwas zu essen zu fangen. Doch kam ihm dieser Unterschied zu klein vor, um ein gegenläufiges Schicksal zu rechtfertigen.
Die Jungen waren vorausgerannt, um sich die besten Jagdgründe zu sichern. Plötzlich schrien sie und johlten: Sie hatten ein Beutetier entdeckt. Zwar hatten sie noch nie großen Erfolg mit ihrer Methode gehabt, aber das hielt sie nicht davon ab, es wieder zu versuchen. Um das Tier aufzuscheuchen, stocherten sie mit Stöcken in den Höhlungen des Strunks und zwischen den Wurzeln herum und machten ordentlich Lärm. Immerhin waren sie auf diese Weise abgelenkt. Das Mädchen wusste den Moment zu nutzen: Es holte seine Falle aus dem Versteck. Schon immer hatte es geschickte Hände gehabt; früher, als solche Fertigkeiten noch von Bedeutung gewesen waren, hatte es viel Lob für seine Körbe erhalten. Und nun saß in der geflochtenen Falle ein Fang, der jeden neidisch gemacht hätte: eine Eidechse, so lang wie der Unterarm des Mädchens. Augenblicklich vergaß es den Hirsebrei. Es schlug den Kopf der Eidechse auf einen Stein, klemmte sich das tote Tier zwischen die Knie und überprüfte die übrigen Fallen. Kurz hielt es inne, als es eine Handvoll Grillen fand. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen: Zuerst würden sie zwischen den Zähnen knacken, und dann käme der nussige Geschmack … Das Mädchen nahm sich zusammen, wickelte die zappelnden Grillen in ein Tuch und steckte es in die Tasche.
Dann stellte es die Fallen wieder auf und kam auf die Füße. Über der Straße, die sich durch die Hügel hinter dem Dorf schlängelte, hing eine Wolke aus goldenem Löss. Unter azurblauen Bannern – das war die Farbe des Himmelsmandates der mongolischen Herrscherfamilie – wälzte sich ein dunkler Strom aus Soldaten in Lederrüstungen durch den Staub gen Süden. Jeder in der Flussniederung des Huai kannte das Heer des Fürsten von Henan. Schon doppelt so viele Jahre, wie das Mädchen alt war, schlug der mongolische Adelige jene Bauernaufstände nieder, die hin und wieder in der Gegend aufflammten. Im Herbst marschierte sein Heer nach Süden, und im Frühling kehrte es zu den Garnisonen im Norden der Provinz Henan zurück, so verlässlich wie der Kalender selbst. Nie kamen die Soldaten Zhongli näher als jetzt, und niemand aus Zhongli hatte sich ihnen je von sich aus genähert. Die Sonne blitzte auf den Metallbeschlägen der Rüstungen, funkelte auf diesem dunklen Fluss, der sich da über den falben Hang ergoss. Der Anblick hatte so wenig mit dem Leben des Mädchens zu tun, dass er ihm beinahe unwirklich erschien, so fern wie der klagende Ruf der Wildgänse, die manchmal hoch am Himmel vorbeiflogen.
Es war hungrig, und die Hitze hatte es ermattet. Sein Interesse erlosch. Mit der Eidechse im Arm wandte es sich heimwärts.
Um die Mittagszeit ging das Mädchen mit seinem Tragjoch und einem Eimer zum Brunnen und kam heftig schwitzend zurück. Jedes Mal wog der Eimer schwerer, weil weniger Wasser, dafür aber mehr ockerbrauner Grundschlamm darin war. Das Erdreich hatte ihnen die Nahrung vorenthalten, drängte sich dafür nun aber selbst auf mit jedem körnigen Bissen. Einmal hatten ein paar Leute im Dorf sogar versucht, Fladen aus Matsch zu essen. Bei der Erinnerung regte sich Mitleid im Herzen des Mädchens. Wer würde nicht alles tun, um die Hungerqualen zu lindern? Vielleicht hätten noch andere das Experiment gewagt, wären nicht die Glieder und Bäuche der Matschfladenesser angeschwollen. Dann waren sie gestorben, und das war dem Rest der Dorfgemeinschaft eine Lehre gewesen.
Die Familie Zhu lebte in einer Hütte mit nur einem Zimmer, erbaut zu einer Zeit, in der es noch mehr Bäume gegeben hatte. So lange war das her, dass das Mädchen sich nicht daran erinnern konnte. Nach vier Jahren ständiger Trockenheit waren die Bretter rissig, wodurch es drinnen so luftig war wie draußen. Da es nie regnete, machte das nichts. Früher hatte die Hütte eine ganze Familie beherbergt: die Großeltern väterlicherseits, das Elternpaar und sieben Kinder. Doch die Dürrejahre hatten ihre Zahl verringert, und nun waren sie nur noch zu dritt: das Mädchen, sein nächstälterer Bruder Chongba und der Vater der Kinder. Chongba war elf und in seiner Generation männlicher Verwandter der glückliche Achtgeborene, weshalb er immer schon in hohem Ansehen gestanden hatte. Nun war er auch noch der einzige Überlebende – es stand also fest, dass er gesegnet war.
Das Mädchen schleppte den Eimer um die Hütte herum. Die Küche war ein angebauter Unterstand mit einem wackeligen Regal und einem Haken in der Decke, von dem man den Topf übers Feuer hängen konnte. Der Topf und zwei Tonkrüge voll gelber Bohnen standen im Regal. An einem Nagel hing ein Fetzen altes Fleisch – mehr war nicht übrig von Vaters Ochsen. Das Mädchen rieb den Topf mit dem Fleisch aus, weil die Mutter das immer getan hatte. Es sollte der Suppe Geschmack geben. Insgeheim dachte das Mädchen, man könne genauso gut hoffen, ein gekochter Sattel würde wie gegartes Fleisch schmecken. Es schlüpfte aus seinem Rock, spannte ihn über den Topf und goss Wasser aus dem Eimer durch den Stoff. Dann kratzte es den runden Matschfleck vom Rock und zog ihn wieder an. Er war nicht dreckiger als vorher, und wenigstens war das Wasser nun ein wenig sauberer.
Das Mädchen entfachte gerade das Feuer, da kam der Vater vorbei. Es beobachtete ihn aus dem Unterstand heraus. Er war kein auffälliger Mann. Seine Augen, seine Nase, alle seine Züge waren ganz gewöhnlich. Er war jedoch so ausgezehrt, dass sich die Haut straff über seinem Gesicht spannte. Es schien nur aus Flächen zu bestehen. Eine erstreckte sich von den Wangenknochen zum Mund, eine weitere von einer Seite des Kinns zur anderen. Hin und wieder fragte sich das Mädchen, ob sein Vater in Wirklichkeit ein junger Mann war, oder zumindest kein besonders alter. Es war schwer zu sagen.
Er trug einen kleinen Wachskürbis unter dem Arm, nicht größer als ein Neugeborenes. Das pudrig weiße Wachs auf der Schale war staubig: Der Kürbis war beinahe zwei Jahre lang vergraben gewesen. Auf Vaters Gesicht lag ein weicher Ausdruck, der überraschend war. Das Mädchen sah ihn zum ersten Mal, aber deuten konnte es ihn trotzdem: Dies war der letzte Kürbis der Familie.
Der Vater hockte sich vor den ebenen Baumstumpf, auf dem sie früher Hühner geschlachtet hatten, und legte den Kürbis darauf, als sei er eine Opfergabe für die Ahnen. Er nahm das Hackbeil in die Hand, aber dann zögerte er. Es war nicht schwer zu erraten, was er dachte: Ein aufgeschnittener Kürbis hielt sich nicht lange. Widersprüchliche Gefühle stürmten auf das Mädchen ein. Sie würden etwas zu essen haben, wenn auch nur für ein paar wundervolle Tage. Eine Erinnerung stieg auf: Suppe, gekocht aus Schweineknochen und gewürzt mit Salz, auf der Tropfen goldenen Öls schwammen. Das beinahe gallertartige Fruchtfleisch des Kürbisses, durchscheinend wie das Auge eines Fisches, das bereitwillig unter den Zähnen nachgab. Doch war der Kürbis erst gegessen, gab es nur noch die gelben Bohnen. Und nach den Bohnen gar nichts mehr.
Das Beil fuhr nieder, und einen Augenblick später kam der Vater in die Küche und hielt dem Mädchen ein Stück Kürbis hin. Jetzt war sein Gesicht nicht mehr weich. »Für die Suppe«, sagte er knapp und ging wieder.
Das Mädchen schälte den Kürbis und schnitt das harte weiße Fruchtfleisch klein. Es hatte vergessen, wie Kürbisse rochen: nach Kerzenwachs und grünen Ulmenblütentrieben. Plötzlich spürte es ein wildes Verlangen danach, sich alles in den Mund zu stopfen: das Fruchtfleisch, die Kerne, ja selbst noch die harte, trockene Schale. Mit vollen Backen kauen, schmecken, überkommen von der jubelnden Ekstase, den Hunger zu stillen … Das Mädchen schluckte schwer. Es kannte den Wert, den es in den Augen seines Vaters hatte, und wusste um die Gefahr, die ein solcher Diebstahl mit sich gebracht hätte. Nicht all die toten Mädchen des Dorfes waren verhungert. Mit schmerzlichem Bedauern gab es die Kürbiswürfel zusammen mit ein paar Bohnen in den Topf. Dann wartete es, bis das Feuer niedergebrannt war, nahm die beiden gefalteten Stücke Rindenschale, die es als Topflappen verwendete, und trug die Suppe in die Hütte.
Chongba saß neben Vater auf dem nackten Boden. Das Oberhaupt der Familie Zhu mochte ein unscheinbares Äußeres haben, doch dasselbe galt nicht für seinen Sohn. Chongba hatte ein ausgeprägtes, quadratisches Kinn, und seine Stirn war so buckelig wie eine Walnuss. Er war so auffallend hässlich, dass die Leute ihn unwillkürlich anstarrten. Nun nahm er dem Mädchen den Löffel ab und schöpfte Suppe in Vaters Schale. »Ba, bitte iss.« Dann bediente er sich selbst, und ganz zum Schluss bekam seine Schwester ihre Portion.
Sie blickte in ihre Schale: hauptsächlich Wasser, in dem nur wenige Bohnen schwammen. Wortlos starrte sie Chongba an, doch der aß bereits und merkte nichts. Gedankenlos löffelte er sich ein Stück Kürbis in den Mund. In seinem Gesicht spiegelte sich nicht eine Spur Grausamkeit, sondern nichts als selige Zufriedenheit. Es war der Ausdruck eines Menschen, der ganz und gar mit sich selbst beschäftigt ist. Das Mädchen wusste: Väter und Söhne bestimmten die Ordnung in der Familie, und die Ordnung in der Familie bestimmte die Ordnung des Universums. Allem Wunschdenken zum Trotz hatte es nie ernsthaft damit gerechnet, den Kürbis kosten zu dürfen. Dennoch machte es ihm zu schaffen. Es nahm einen Löffel Suppe, und ihm war, als müsste es ein Stück glühende Kohle hinunterschlucken.
Mit vollem Mund sagte Chongba: »Ba, beinahe hätten wir heute eine Ratte gefangen! Aber zum Schluss ist sie uns doch noch entwischt.«
Das Mädchen erinnerte sich daran, wie die Jungen auf den Baumstrunk eingedroschen hatten, und dachte verächtlich: Beinahe!
Chongba schaute seine Schwester auffordernd an. Glaubte er wirklich, sie würde freiwillig etwas sagen? Da konnte er lange warten. Nach einer kleinen Weile wurde er ungeduldig.
»Ich weiß, dass du was gefangen hast«, sagte er ohne Umschweife. »Her damit!«
Das Mädchen hielt den Kopf über seine Schale gesenkt. Es holte das Tuch mit den Grillen hervor und gab es dem Bruder. Die glühende Kohle im Bauch schien heißer zu werden.
»Das ist schon alles, du unnützes Mädchen?«
Da blickte es doch auf, und Chongba zuckte leicht zusammen. Erst vor Kurzem hatte er angefangen, seine Schwester so zu nennen, wie der Vater es tat. Ihr Magen war jetzt so verkrampft wie eine geballte Faust. Sie dachte an die Eidechse, die sie in der Küche versteckt hatte. Heimlich würde sie sie trocknen und essen – ganz allein. Das würde reichen. Musste reichen.
Schweigend aßen sie auf. Während das Mädchen seine Schale ausleckte, legte Vater zwei Kürbiskerne auf den kruden Familienschrein: einen für die Ahnen, den anderen für die umherstreichenden Hungergeister, die keine eigenen Angehörigen mehr hatten.
Eine Weile lang verharrte er in steifer, ehrerbietiger Haltung vor dem Altar, dann wandte er sich seinen Kindern zu. »Schon bald werden unsere Ahnen einschreiten, um diesem Elend ein Ende zu setzen«, sagte er mit stiller Heftigkeit. »Ganz bestimmt!«
Das Mädchen glaubte ihm. Er war älter und weiser. Aber als es versuchte, sich die Zukunft auszumalen, gelang es ihm nicht. Es besaß keine Erfahrungen, die ihm ermöglicht hätten, sich etwas anderes vorzustellen als die gestaltlosen, eintönigen Tage des Hungerns. Das Leben schien einen Wert zu haben, also klammerte sich das Mädchen an seines, auch wenn es sonst niemandem wertvoll erschien. Dachte es jedoch länger darüber nach, so konnte es sich nicht erklären, worin dieser Wert bestehen sollte.
Chongba und das Mädchen hockten apathisch im Eingang der Hütte und schauten nach draußen. Eine Mahlzeit am Tag war nicht genug, um den Tag herumzubringen. Am späten Nachmittag war die Hitze am schlimmsten. Es war, als verpasste die Sonne dem Dorf eine zweite Ohrfeige, dieses Mal mit dem Handrücken. Sie war dann so glühend rot wie das Himmelsmandat des letzten einheimischen Kaisers. Am Abend, wenn sie endlich untergegangen war, wurde es erträglicher, wenn sich auch kein Lüftchen regte. Eine breite Lehmstraße zog sich zwischen den Hütten hindurch, die in diesem Teil des Dorfes weit auseinander standen. Die Dämmerung sank rasch herab, und nirgends war Bewegung zu erkennen. Chongba fummelte an seinem buddhistischen Amulett herum und stocherte mit den Fußspitzen in der Erde. Das Mädchen blickte zu dem Schattenriss der fernen Hügel, über denen sich der Sichelmond erhob.
Beide Kinder waren erstaunt, als ihr Vater um die Ecke der Hütte kam. In einer Hand hielt er ein Stück Kürbis. Ein schwach fauliger Geruch ging davon aus, obwohl er doch frisch aufgeschnitten war.
»Weißt du, welcher Tag heute ist?«, fragte er Chongba.
Es war nun schon lange her, dass die Bauern die Jahreszeitenfeste begangen hatten. Chongba grübelte eine Weile. Schließlich riet er einfach.
»Mittherbstfest?«
Im Stillen machte das Mädchen sich über ihn lustig. Hatte er keine Augen im Kopf? Sah er den Mond nicht?
»Der zweite Tag des neunten Monats«, sagte der Vater. »Heute im Jahr des Schweins wurdest du geboren, Zhu Chongba!« Er schritt auf die Straße zu. »Komm mit mir.«
Chongba lief ihm eilig nach. Das Mädchen zögerte, dann folgte es ihnen. Die Silhouetten der Hütten am Straßenrand waren noch schwärzer als der Himmel. Früher hatte das Mädchen Angst davor gehabt, im Dunkeln die Lehmstraße entlangzugehen, weil es so viele wilde Hunde in der Gegend gegeben hatte. Doch nun war die Nacht still und leer. Die überlebenden Bauern sagten, sie sei von Geistern bevölkert; diese Behauptung ließ sich jedoch unmöglich überprüfen, da Geister so unsichtbar waren wie der Atem oder das Qi. Dem Mädchen kamen sie gerade deswegen weniger bedrohlich vor: Es fürchtete sich bloß vor Dingen, die es sehen konnte.
Sie verließen die Hauptstraße. Vor ihnen glomm ein kleines Licht, kaum heller als die Blitze, die man manchmal vor geschlossenen Augen aufflackern sieht. Es drang aus der Hütte des Wahrsagers. Der Vater der Kinder trat ein, und da begriff das Mädchen, weshalb er den Kürbis aufgeschnitten hatte.
Zuerst sah es nur die Kerze. Es gab so wenige in Zhongli, dass ihr strahlender Schein geradezu märchenhaft wirkte. Die Flamme war handhoch, und die Spitze zuckte wie der Schwanz eines Aals. Wunderschön war sie, aber auch verstörend. Zu Hause war es immer dunkel, daher hatte das Mädchen die Finsternis draußen noch nie so richtig wahrgenommen. Hier befanden sie sich jedoch in einer Lichtblase, umgeben von gähnendem Dunkel. Die Kerze machte das Mädchen blind für alles, was außerhalb des Lichtscheins lauern mochte.
Den Wahrsager hatte es bisher stets bloß aus der Ferne gesehen. Nun zeigte sich, dass Vater wirklich noch nicht alt war. Der Wahrsager hingegen war so betagt, dass er sich vielleicht sogar an die Zeit vor den Barbarenkaisern erinnerte. Auf seiner runzeligen Wange prangte ein Muttermal, aus dem ein langes schwarzes Haar spross. Es war doppelt so lang wie die dünnen weißen Barthaare an seinem Kinn. Das Mädchen starrte ihn an.
»Höchst ehrsamer Onkel.« Der Vater der Kinder verneigte sich und überreichte dem Wahrsager das Stück Kürbis. »Vor dich bringe ich den achten Sohn der Familie Zhu, Zhu Chongba, unter den Sternen seiner Geburt. Kannst du uns sein Schicksal offenbaren?«
Der Wahrsager nahm Chongbas Gesicht in seine faltigen Hände und neigte es mal hierhin und mal dorthin. Er drückte dem Jungen die Daumen in Stirn und Wangen, maß Augenhöhlen und Nase und betastete den Schädel. Dann ergriff er Chongbas Handgelenk und fühlte seinen Puls. Seine Lider sanken herab, und er schien in eine Trance zu sinken, als lauschte er einer fernen Botschaft. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
Der Augenblick kam dem Mädchen endlos lang vor. Die Kerzenflamme züngelte, und es war, als kröche die Finsternis näher und näher heran. Dem Mädchen stellten sich die Nackenhaare auf.
Alle drei fuhren zusammen, als der Wahrsager urplötzlich Chongbas Handgelenk losließ.
»Bitte sag uns, was du gesehen hast, geschätzter Onkel!«, drängte der Vater der Kinder.
Bestürzt blickte der Wahrsager auf. »Dieser Junge ist zu Höherem bestimmt«, flüsterte er mit bebender Stimme. »Ein großes Schicksal erwartet ihn … Wie deutlich ich es sehen konnte! Seinetwegen wird der Name deiner Familie noch in einhundert Generationen geehrt werden.« Zum Erstaunen des Mädchens rappelte er sich auf, eilte zum Vater und kniete zu dessen Füßen nieder. »Wie tugendhaft du in deinen früheren Leben gewesen sein musst, dass du mit solch einem Sohn gesegnet wurdest! Herr, es ist mir eine Ehre, dir begegnet zu sein.«
Überwältigt schaute der Vater der Kinder auf den Alten hinab. »Ich erinnere mich gut an den Tag seiner Geburt«, sagte er endlich. »Der Junge war zu schwach, um zu trinken, also bin ich zu Fuß zum Kloster Wuhuang gegangen, um eine Opfergabe darzubringen: einen Zwanzig-Jin-Sack gelbe Bohnen und drei Kürbisse. Ich habe den Mönchen sogar versprochen, ich würde ihn an seinem zwölften Geburtstag ins Kloster geben, sollte er überleben.« Seine Stimme brach. Ihm waren gleichzeitig Verzweiflung und Glückseligkeit anzusehen. »Alle haben sie mich einen Narren geschimpft!«
Zu Höherem bestimmt. Diese Worte wirkten in Zhongli fehl am Platz. Das Mädchen kannte sie nur aus Vaters Geschichten über jenes goldene, tragische Zeitalter, ehe die Barbaren ins Land eingefallen waren. Das Zeitalter der Kaiser, Könige und Feldherren war es gewesen, der Schlachten, des Verrats und Triumphes. Und nun sollte der durch und durch gewöhnliche Zhu Chongba zu Höherem bestimmt sein? Wie sein hässliches Gesicht strahlte! Das hölzerne buddhistische Amulett um seinen Hals glomm golden im Kerzenlicht und verwandelte ihn in einen König.
Der Vater und Chongba verabschiedeten sich, aber das Mädchen blieb im Dunkeln auf der Schwelle stehen und schaute sich nach dem Alten in seinem See aus Licht um. Irgendetwas trieb es dazu, sich zu ihm zurückzuschleichen. Es sank vor ihm nieder und machte sich ganz klein, bis es mit der Stirn beinahe den Boden berührte. Der tote Kalkgeruch des Drecks stach in der Nase.
»Hochverehrter Onkel … Sagst du auch mir, was mein Schicksal ist?«
Wie es sich davor fürchtete, zu ihm aufzusehen! Woher kam nur plötzlich diese Frage? Die glühende Kohle im Bauch des Mädchens war erloschen. Sein Puls raste, und es dachte an Chongba, an das bedeutende Schicksal, vergraben in seinem Inneren. Wie fühlte es sich wohl an, den Samen großer Möglichkeiten in sich zu tragen? Und konnte es nicht sein, dass das Mädchen selbst einen solchen Samen in sich barg? Vielleicht hatte es ja nur nicht gewusst, wonach es suchen musste, hatte es bloß nie benennen können.
Der Wahrsager schwieg lange Zeit. Das Mädchen fröstelte, bekam eine Gänsehaut. Es kauerte sich noch kleiner zusammen, als könnte es sich so der dunklen Angst entziehen, die es ergreifen wollte. Die Kerzenflamme lohte.
Wie aus weiter Ferne erklang die Stimme des Wahrsagers: »Nichts.«
Da verspürte das Mädchen einen tiefsitzenden, dumpfen Schmerz. Dies also war sein Samen, sein Schicksal … Es musste sich eingestehen, dass es das immer schon gewusst hatte.
Die Tage schleppten sich dahin. Die gelben Bohnen der Familie Zhu wurden weniger, das Wasser konnte man kaum noch trinken, und in den geflochtenen Fallen des Mädchens fing sich immer seltener etwas. Viele der verbliebenen Bauern ließen Haus und Hof zurück und trotteten über die Hügelstraße davon, die zum Kloster führte und noch weiter; dabei wusste jeder, dass man sich so den Hungertod nur ersparte, weil man vorher von Wegelagerern ermordet wurde. Allein der Vater der Kinder schien neue Kraft geschöpft zu haben. Jeden Morgen stand er draußen unter dem makellosen rosigen Himmelsgewölbe und sagte, als spräche er ein Gebet: »Der Regen kommt. Wir brauchen bloß Geduld. Der Himmel wird Zhu Chongbas Schicksal erfüllen!«
Eines Morgens erwachte das Mädchen in der Mulde neben dem Haus, in der es mit Chongba schlief und blinzelte erschrocken: Es hatte etwas gehört! Im Dorf wusste man kaum noch, wie das Leben klang. Die Kinder liefen zur Straße, und was sie dort sahen, war noch erstaunlicher als der Lärm: Bewegung! Sie hatten noch gar nichts begriffen, da donnerte die Woge auch schon an ihnen vorbei, so gewaltsam, dass der Staub hoch aufwirbelte: Männer auf schmutzigen Pferden.
Dann waren sie vorbei, und Chongba fragte leise und furchtsam: »War das die Armee?«
Das Mädchen schwieg. Konnten diese Männer wirklich jenem dunklen Strom entstammen, der schön, doch immer bloß in weiter Ferne vorbeigeflossen kam?
Hinter ihnen sagte ihr Vater: »Banditen.«
Am Nachmittag kamen drei Männer zur Familie Zhu. Unter dem durchhängenden Türsturz mussten sie die Köpfe einziehen. Das Mädchen kauerte mit dem Bruder auf dem Bett. Die Männer stanken und wirkten riesig; die ganze Hütte schienen sie auszufüllen. Ihre zerrissenen Kleider hingen in Fetzen, und ihr ungebundenes Haar war verfilzt. Das Mädchen hatte noch nie zuvor Leute gesehen, die Stiefel trugen.
Der Vater hatte sich darauf vorbereitet, dass die Banditen kommen würden. Nun erhob er sich und trat vor sie, einen Tonkrug in den Händen. Seine Miene war ausdruckslos. »Ehrenwerte Gäste. Wir haben nur sehr wenig, und leider nichts von guter Qualität, aber bitte nehmt, was wir euch geben können.«
Einer der Banditen nahm den Tonkrug und schaute hinein. Er lachte spöttisch. »Onkel, warum bist du so knickerig? Das kann nicht alles sein!«
Der Vater der Kinder versteifte sich. »Ich schwöre euch, mehr haben wir nicht. Seht selbst: Meine Kinder haben nicht mehr Fleisch auf den Knochen als ein kranker Hund! Wir essen schon lange nichts als Steine, mein Freund.«
Der Mann lachte wieder. »Versuch nicht, mich zu verscheißern! Wie könnt ihr Steine gegessen haben? Ihr seid doch noch am Leben!« Mit der lässigen Grausamkeit einer Katze versetzte er dem Vater des Mädchens einen Stoß, der ihn taumeln ließ. »Ihr Bauern seid alle gleich: Bietet uns ein Huhn an und glaubt, wir würden das fette Schwein in der Speisekammer übersehen. Geh schon, du Fotze, und hol den Rest!«
Der Vater fing sich. Irgendetwas in seinem Gesicht veränderte sich. Verblüffend behände sprang er herbei und packte das Mädchen am Arm. Es schrie auf, als er es vom Bett zerrte; sein Griff war eisern und tat weh.
»Ich gebe euch das Mädchen!«
Zuerst begriff das Mädchen nicht, was das bedeuten sollte. Dann dämmerte es ihm. So lange hatte seine Familie es unnütz genannt, aber nun hatte der Vater doch noch einen Nutzen gefunden: Er konnte das Mädchen zum Vorteil derer einsetzen, die von Bedeutung waren. Entsetzt starrte es die Banditen an. Was konnten sie mit ihm anfangen?
Der Bandit schien sich dieselbe Frage zu stellen. »Die kleine schwarze Grille da? Wenn du eine Tochter hättest, die fünf Jahre älter und um einiges hübscher wäre …« Dann brach er ab und lachte. »Oh weia, Onkel! Also stimmt es: Wenn ihr Bauern nur verzweifelt genug seid, fresst ihr alles.«
Dem Mädchen wurde schwindelig. Entsetzt erinnerte es sich daran, was die Kinder des Dorfes einander zugeflüstert hatten: In anderen Dörfern, in denen es noch schlimmer war, hätten Nachbarn ihre jüngsten Kinder miteinander getauscht, um sie zu essen. Die Geschichte hatte den Kindern Schauer über die Haut gejagt, aber keins hatte wirklich geglaubt, die Gerüchte könnten wahr sein.
Doch nun wich der Vater des Mädchens seinem Blick aus und es begriff, dass sie sich getäuscht hatten. Panisch wand und sträubte es sich, aber Vater packte bloß fester zu, und dann weinte es so heftig, dass es keine Luft mehr bekam. Jetzt wusste es, was es bedeutete, kein Schicksal zu haben. Nicht dass es nie jemand von Wichtigkeit sein würde, das nicht.
Es bedeutete den Tod.
Während es noch zappelte, heulte und schrie, kam der Bandit zu ihnen herüber und entriss es dem Vater. Das Mädchen schrie lauter – da stieß der Bandit es von sich. Es landete rücklings auf dem Bett, so hart, dass es ihm den Atem verschlug.
»Hunger hab ich schon, aber deinen Müll fress ich bestimmt nicht«, sagte der Bandit angewidert. Dann rammte er dem Vater die Faust in den Magen. Der krümmte sich zusammen. Das Mädchen machte den Mund auf, brachte aber keinen Ton hervor. Chongba neben ihm schrie.
»Hier gibt’s noch was!«, rief einer der Räuber aus der Küche. »Er hat’s vergraben.«
Der Vater der Kinder fiel zu Boden. Der Räuber trat ihm in die Rippen. »Du glaubst, du kannst uns an der Nase rumführen, du verlogener Sohn einer Schildkröte? Du hast bestimmt noch mehr versteckt.« Wieder trat er ihn. Wieder. »Wo ist es?«
Das Mädchen stellte fest, dass es wieder Luft bekam: Zusammen mit Chongba schrie und kreischte es, dass die Banditen aufhören sollten. Das dumpfe Geräusch der Tritte tat dem Mädchen so weh, als würde es selbst getreten. Auch wenn er gerade erst bewiesen hatte, wie wenig seine Tochter ihm bedeutete, war er immer noch ihr Vater. Die Schuld der Kinder ihren Eltern gegenüber war unermesslich; sie konnte nie beglichen werden. »Wir haben sonst nichts!«, schrie das Mädchen. »Bitte, wir haben nichts! Gar nichts …«
Endlich ließ der Bandit von seinem Opfer ab, aber das Mädchen glaubte nicht, dass sie ihn mit ihrem Flehen erweicht hatten. Reglos lag der Vater da. Der Bandit packte ihn am Haarknoten und hob seinen Kopf an. Blutiger Schaum hing an seinen Lippen, und sein Gesicht war totenbleich. Der Bandit schnaubte verächtlich und ließ Vaters Kopf zurück auf den Boden fallen.
Die anderen beiden Männer kamen mit dem zweiten Krug Bohnen herein. »Sieht aus, als war’s das.«
»Scheiße, bloß zwei Krüge? Sieht aus, als wären die tatsächlich bald verhungert.« Der Bandit zuckte mit den Schultern, stand auf und ging. Die beiden anderen folgten ihm.
Entsetzt und erschöpft klammerten sich das Mädchen und Chongba aneinander. Ihr Vater lag auf dem aufgewühlten Erdboden, der blutige Leib so klein zusammengerollt wie ein Kind im Mutterleib: Er war schon auf die Wiedergeburt vorbereitet aus der Welt geschieden.
Die Nacht war lang und von Albträumen erfüllt. Das Erwachen war schlimmer. Vor dem Bett lag reglos die Leiche des Vaters. Das Schicksal des Mädchens war das Nichts, und Vater hätte es wahr gemacht. Nun war er nicht mehr.
Das Mädchen erbebte, so stark war das Schuldgefühl, das diesen Gedanken begleitete. Gleichzeitig wusste es, dass sich nichts geändert hatte. Sie hatten keinen Vater und nichts zu essen mehr. Das Nichts wartete noch immer.
Das Mädchen schaute Chongba an und erschrak: Seine Augen waren zwar offen, aber blicklos zur Strohdecke gekehrt. Er atmete kaum. Dem Mädchen schnürte sich die Kehle zu, aus Angst, er könnte ebenfalls tot sein, doch als es an ihm rüttelte, seufzte er leise und blinzelte. Da erst fiel dem Mädchen ein, dass er gar nicht sterben konnte – wie hätte sich sonst seine Bestimmung erfüllen sollen? Trotzdem hatte es sich noch nie in seinem Leben so einsam gefühlt. Immer war es von Menschen umgeben gewesen und hatte sich noch nie vorgestellt, wie es wohl wäre, ganz allein zu sein.
Es wäre Chongbas Aufgabe gewesen, diese letzte Pflicht dem Vater gegenüber zu erfüllen. Doch da er sich nicht rührte, nahm das Mädchen die Hände des Toten und zerrte ihn aus der Hütte. Er war so ausgezehrt, dass es ihn gerade so bewegen konnte. Als er hinter der Hütte auf der gelben Erde lag, nahm das Mädchen seine Hacke und begann zu graben.
Die Sonne ging auf und dörrte das Land. Langsam schabte das Mädchen eine Staubschicht nach der anderen ab, wie ein Fluss, der über Jahrhunderte das Gestein auswäscht. Die Schatten verkürzten sich erst und wurden dann wieder länger. Das Grab vertiefte sich kaum merklich. Allmählich wurde dem Mädchen bewusst, wie hungrig und durstig es war. Im Eimer stand noch ein wenig schlammiges Wasser; das Mädchen schöpfte es mit den Händen heraus und trank. Schaudernd aß es das Fleisch zum Ausreiben des Topfes. Wie faulig es schmeckte! Dann ging es in die Hütte und schaute lange die beiden Melonenkerne auf dem Ahnenschrein an. Die Leute sagten, man dürfe unter keinen Umständen Opfergaben essen, weil die Geister sich dann rächen würden: Sie konnten einen so krank machen, dass man daran starb. Aber entsprach das überhaupt der Wahrheit? Soweit das Mädchen wusste, war das noch nie jemandem im Dorf passiert. Und woher wollten die Leute überhaupt wissen, was Geister taten, wenn sie doch unsichtbar waren? Die Unschlüssigkeit war eine Qual. Schließlich ließ das Mädchen die Kerne liegen, ging nach draußen, wühlte im Erdnussbeet des vergangenen Jahres herum und fand ein paar hölzerne Triebe.
Die Hälfte verschlang es sofort, dann betrachtete es grübelnd die übrigen Triebe. Sollte es sie Chongba geben oder darauf vertrauen, dass der Himmel für ihn sorgen würde? Schließlich konnte es nicht anders, als ihm mit den Trieben vor der Nase herumzuwedeln. Bei dem Anblick schien etwas in ihm aufzuflackern. Dem Mädchen war, als sähe es ihn zum Leben erwachen, befeuert von der Empörung eines Königs: Wie hatte seine Schwester es wagen können, ihm nicht alles zu bringen? Dann erlosch der Funke. Seine Augen verloren ihren Blick. Das Mädchen wusste nicht, was es zu bedeuten hatte, dass er nur dalag, ohne etwas zu essen oder zu trinken. Es ging wieder nach draußen und arbeitete weiter.
Als die Sonne unterging, war das Grab nur knietief. Die harte Erde darin war ebenso gelb wie an der Oberfläche. Womöglich ging es immer so weiter, selbst wenn man sich ganz bis zu den Gelben Quellen – dem Reich der Geister – durchgrub. Das Mädchen streckte sich neben dem Bruder im Bett aus und schlief. Am Morgen waren Chongbas Augen offen. Hatte er geschlafen und war früh erwacht, oder hatte er die ganze Nacht über an die Decke gestarrt? Das Mädchen schüttelte ihn wieder, und er atmete ein wenig schneller. Aber selbst das wirkte wie ein bloßer Reflex.
Wieder grub das Mädchen den ganzen Tag und machte nur kurze Pausen, um Wasser zu trinken und Erdnusstriebe zu essen. Immer noch lag Chongba still da und regte sich nicht einmal, als die Schwester ihm Wasser brachte.
Am Morgen des dritten Tages erwachte das Mädchen vor der Dämmerung. Ein bestürzendes Gefühl der Verlassenheit bemächtigte sich seiner, gewaltiger als alles, was es je empfunden hatte. Das Bett war leer: Chongba war fort.
Das Mädchen fand ihn hinter der Hütte. Im Mondlicht sah es zuerst nur eine verschwommene blasse Gestalt neben dem dunklen Haufen liegen, der einmal der Vater der Kinder gewesen war. Das Mädchen dachte, er müsse schlafen; selbst als es schon niedergekniet war und ihn berührt hatte, begriff es nicht gleich. Denn wie war das möglich? Chongba hätte Größe erlangen, dem Familiennamen Ehre machen sollen. Aber er war tot.
Das Mädchen erschrak vor seiner eigenen Wut. Der Himmel hatte Chongba mit einer höheren Bestimmung gesegnet, mit Zeit, und was hatte er getan? Er hatte sein Leben aufgegeben, als wäre es nichts. Hatte aus freien Stücken jenes Schicksal gewählt, dem das Mädchen nicht entrinnen konnte: nicht mehr zu sein. Wie es ihn anschreien wollte! Im Gegensatz zu ihm hatte es keine Wahl.
Lange kniete das Mädchen nur da. Schließlich erblickte es das buddhistische Amulett an Chongbas Hals und erinnerte sich an Vaters Geschichte, wie er damals zum Kloster Wuhuang gegangen war. Er hatte um Chongbas Rettung gebetet und ein Versprechen gegeben: Sollte sein Sohn überleben, würde er ihn als Novizen ins Kloster schicken.
Ein Kloster – dort würde es etwas zu essen geben und einen sicheren Schlafplatz.
Ein Gedanke nahm Gestalt an. Das Mädchen war sich seines eigenen Lebens bewusst, dieses zerbrechlichen, auf unbegreifliche Weise wertvollen Dings, an das es sich immer schon stur geklammert hatte. Wie man es freiwillig aufgeben konnte, wollte ihm nicht in den Kopf. Wie hatte Chongba den Tod erträglicher finden können als das Leben? Das Mädchen konnte sich nichts Schrecklicheres vorstellen, als ausgelöscht zu werden. Nicht einmal die Furcht vor Hunger, Schmerz und Leid wog schwerer.
Es berührte das Amulett. Chongba war nicht mehr. Zu sterben war mein Schicksal, aber nun ist er tot. Vielleicht kann ich ja an seiner Stelle weiterleben?
Es dauerte lange, bis das Mädchen die Leiche seines Bruders entkleidet hatte, so heftig zitterten ihm die Hände. Es hatte Angst – am meisten vor dem Nichts, aber auch vor dem, was vor ihm liegen mochte. Es schlüpfte aus seinem Rock und zog Chongbas knielange Robe und seine Hose an. Dann löste es den Haarknoten, sodass sein Haar wie das eines Jungen offen über seinen Rücken fiel. Zuletzt nahm es Chongba das Amulett ab und hängte es sich selbst um.
Danach wälzte es die beiden Leichen ins Grab. Noch im Tode umarmte der Vater den Sohn. Die beiden zuzudecken, war nicht leicht; in schimmernden Wolken stob die gelbe Erde im Mondlicht auf. Schließlich legte das Mädchen die Hacke hin, richtete sich auf – und fuhr angstvoll zurück, als es die beiden reglosen Gestalten auf der anderen Seite des Grabes sah.
Vater. Chongba. Sie hätten es sein können, ins Leben zurückkehrt. Doch so, wie ein frisch geschlüpfter Vogel den Fuchs erkennt, erkannte das Mädchen die schaurigen Erscheinungen als das, was sie waren: nicht von dieser Welt. Im Angesicht der Toten duckte es sich klein zusammen, und der Atem stockte ihm.
Die Geister glichen den Verstorbenen nicht in jeder Hinsicht. Ihre einstmals braune Haut war bleich und pudrig, als wäre sie mit Asche bestäubt worden, und sie trugen Lumpen, so weiß wie ausgeblichene Knochen. Das Haar des Vaters war nicht wie üblich zu einem Knoten aufgesteckt, sondern hing ihm strähnig über die Schultern. Die Geister rührten sich nicht, ihre Füße schwebten knapp über dem Boden. Ihre leeren Augen schauten ins Nichts. Unverständliches Gemurmel drang zwischen ihren starren Lippen hervor.
Das Mädchen starrte sie an, vor Grauen wie gelähmt. Die Nächte waren drückend warm, doch von den Geistern ging eine schneidende Kälte aus. Das Mädchen schlotterte. Es musste an die dunkle, kalte Ahnung denken, die es gestreift hatte, kurz bevor ihm sein Schicksal enthüllt worden war. Seine Zähne klapperten. Wieso konnte es mit einem Mal die Toten sehen? Wollte der Himmel es daran erinnern, dass es selbst nicht sein sollte?
Bebend riss es den Blick von den Geistern los und schaute dorthin, wo im Schatten der Hügel die Straße verborgen lag. Noch nie hatte es daran gedacht, Zhongli zu verlassen. Aber es war Zhu Chongbas Schicksal, fortzugehen und zu überleben.
Das Mädchen erschrak, als etwas Kühles über ihre Wange strich. Sanft und nass, ein Gefühl, das es beinahe vergessen hatte und nun kaum wiedererkannte. Es war wie in einem Traum.
Das Mädchen ließ die murmelnden Geister mit den leeren Augen im Regen zurück und ging auf die Straße zu.
An einem regnerischen Morgen erreichte das Mädchen das Kloster Wuhuang. Es war an einem Berghang erbaut und ragte darüber auf wie eine steinerne Stadt, die in den Wolken schwebte. Die geschwungenen glasierten grünen Dachziegel fingen das Licht ein. Das Tor war geschlossen.
Bald fand das Mädchen heraus, wie wenig Interesse die Mönche am Versprechen eines Bauern hatten, seinen Sohn in ihre Obhut zu geben. Eine ganze Flut verzweifelter Jungen hatte sich vor den Toren versammelt: Sie bettelten und flehten unter Tränen, man möge sie einlassen. Am Nachmittag kamen Mönche in grauen Roben aus dem Kloster und brüllten sie an, sie sollten verschwinden. Diejenigen, die schon länger da waren und begriffen hatten, dass Warten zwecklos war, taumelten davon. Die Mönche sammelten die Toten ein und zogen sich zurück. Das Tor fiel hinter ihnen zu.
Das Mädchen blieb. Es lag auf den Knien, die Stirn auf den kalten Stein gedrückt. Die Nacht verging, dann eine zweite. Eine dritte. Es regnete und wurde zunehmend kälter. Das Mädchen war nur noch halb bei Bewusstsein. Manchmal glaubte es, aus den Augenwinkeln kalkweiße Füße vorbeigleiten zu sehen, aber es war nie sicher, ob es wachte oder träumte. Wenn sein Elend am größten war, dachte es an seinen Bruder. Hätte Chongba überlebt, wäre er hierhergekommen und hätte anstelle des Mädchens vor dem Kloster gewartet. Und falls dies eine Prüfung war, die Chongba hätte bestehen sollen – der schwache, verwöhnte Chongba, der nicht mehr hatte leben wollen, kaum dass er zum ersten Mal Leid erfahren hatte –, dann würde das Mädchen es ebenfalls schaffen.
Die Mönche stellten fest, dass eins der Kinder sich nicht vertreiben ließ, und verdoppelten ihre Bemühungen. Da Gebrüll keine Wirkung zeigte, schleuderten sie ihm Flüche entgegen; als es sich unbeeindruckt zeigte, schlugen sie es. Das Mädchen ertrug alles. Sein Leib war zu einer Muschel geworden, festgewachsen am Stein, am Leben. Das Mädchen blieb, wo es war. Es konnte nichts anderes mehr tun.
Am vierten Nachmittag kam ein neuer Mönch aus dem Kloster und baute sich vor dem Mädchen auf. Er trug eine rote Robe, deren Säume mit Goldfaden bestickt waren, und strahlte Autorität aus. Alt war er nicht, hatte aber bereits schlaffe Wangen. In seinem scharfen Blick las das Mädchen keine Güte, wohl aber etwas anderes, das es in seiner Benommenheit nur schwerfällig deuten konnte: Interesse.
»Verdammt, kleiner Bruder, bist du ein sturer Brocken!« Im Ton des Mönchs schwang widerwillige Bewunderung mit. »Wer bist du?«
Seit vier Tagen kniete das Mädchen an Ort und Stelle. Es hatte nichts zu essen gehabt und nur ein wenig Regenwasser zu trinken. Nun bot es seine letzten Kräfte auf. Und dann sagte der Junge, der einmal die zweitgeborene Tochter der Familie Zhu gewesen war, so laut und so deutlich, dass selbst der Himmel die Worte hören konnte: »Ich bin Zhu Chongba!«
Novize Zhu Chongba wurde von einem einzelnen Trommelschlag geweckt, so dumpf und tief, dass es schien, als käme er aus ihrem eigenen Leib. Sie fuhr auf, da wiederholte er sich, gefolgt von einem durchdringenden hellen Ton, der ihre Knochen zum Schwingen brachte. Auf der anderen Seite des Schlafsaalpapierfensters flammte Licht auf. Ringsum war alles in Bewegung: Kahlköpfige Jungen, die schon in Hosen und Unterhemden steckten, warfen sich einfache Untergewänder über, wie die Bauern sie trugen. Darüber kam die graue Mönchsrobe mit den weiten Ärmeln, und schon schossen sie aus dem Saal wie ein Schwarm Fische. Zhu lief ihnen nach, wobei die Robe sich zwischen ihren Beinen verhedderte. Wenn sie Chongba sein wollte, musste sie so schnell rennen, wie er gerannt wäre, aber schneller denken, als er es gekonnt hätte. Sie war kleiner als die Jungen, doch davon abgesehen ähnelte sie ihnen in der langen weiten Robe wie ein Ei den anderen. Sie berührte ihren frisch geschorenen Kopf. Ihr Haar war so kurz, dass die Spitzen nicht flaumig, sondern stachelig waren, so hart unter den Fingerspitzen wie die Borsten einer Wurzelbürste.
Das Keuchen der Jungen und das Klatschen ihrer Sandalen mischte sich unter den Rhythmus der Trommel. Zhu riss die Augen weit auf. Sie staunte, als wäre sie im himmlischen Reich des Jadekaisers gelandet. Die Novizen rannten über einen dunklen Innenhof auf eine Treppe zu. Vor ihnen erhob sich eine große Halle aus schwarzem Balkenwerk; Laternen warfen ihren Lichtschein bis zu den goldenen Dachtraufen hinauf. Hinter der Halle führten weitere Stufen in die Dunkelheit empor. In der Finsternis kam Zhu das Kloster ungeheuer riesig vor. Wer konnte sagen, wie weit es am Berghang hinaufkletterte?
Die Jungen schlossen sich einer langen, gewundenen Schlange aus Mönchen an, die zu der beleuchteten Halle aufstiegen. Drinnen hatte Zhu keine Zeit, sich umzuschauen: Die Mönche verteilten sich rasch in der Halle und ließen sich mit überkreuzten Beinen nieder. Zhu, die als Letzte hereinkam, sah die gefüllte Halle vor sich: In langen Reihen saßen die Mönche da, gleichmäßig und reglos, als wären sie Statuen in einer uralten Grabstatt.
Die Trommel verstummte. Die Glocke läutete ein letztes Mal. Der unvermittelte Übergang von fliegender Hast zu vollkommener Starre war nicht weniger verstörend als alles andere zuvor. So still war es, dass die Stimme des Mannes, der endlich zu sprechen anhob, fremdartig klang. Es war der Mönch in der roten Robe, der Zhu ins Kloster eingelassen hatte. Er rezitierte. Seine geschürzten Lippen waren rund wie die Flügel eines Käfers, und seine dicken Backen hingen herab. Sein Gesicht hätte plump wirken sollen, aber stattdessen war es, als addierte sich die Schwere seiner Züge auf: Zhu war zumute, als stünde sie unter einem Felsbrocken, der recht prekär auf dem Hang balancierte. Sie war so fasziniert, dass sie beinahe vergaß zu atmen. Nach einer Weile verstummte der Mönch in Rot. Andere Stimmen setzten ein, und ein hallendes tiefes Murmeln erfüllte die riesige Halle. Dann schlug einer der Mönche gegen eine Platte, in der Ferne läutete die Glocke, und die Mönche und Novizen sprangen auf und rannten allesamt aus der Halle. Zhu stolperte ihnen hinterher.
Was als Nächstes auf der Tagesordnung stand, verriet ihr der Gestank, noch ehe sie das Latrinengebäude betreten hatte. Zhu war zwar ein Mädchen, aber unter Bauern aufgewachsen, daher war sie nicht empfindlich. Dennoch war der Anblick der einträchtig pinkelnden und kackenden Mönche und Novizen schockierend. Sie taumelte rückwärts und drückte sich gegen die Wand, bis auch der letzte wieder draußen war. Dann erleichterte sie sich in Windeseile und lief zurück in den Hof. Wo waren sie hin?
Gerade flatterte die letzte graue Robe durch einen Türbogen. Zhu rannte los. Wieder wehte ihr ein Geruch entgegen, allerdings war er ungleich angenehmer. Hier gibt’s was zu essen! Sie vergaß alles andere und stürzte durch den Türbogen – aber da packte sie jemand am Kragen und zerrte sie zurück.
»Novize! Hast du die Glocke nicht gehört? Du bist spät dran!« Der Mönch hob eine Bambusrute, und Zhu schnürte sich das Herz zusammen. Durch den Türbogen sah sie die Mönche und Novizen auf Kissen vor niedrigen Einzeltischen knien. Ein Mönch machte die Runde und stellte Schalen vor sie hin. Wie ihr der Magen schmerzte! Sie würde nichts abbekommen. Mit dieser Gewissheit ging ein grässliches Gefühl einher, das sogar die Angst in den Schatten stellte.
»Du musst neu sein«, knurrte der Mönch. »Entweder du nimmst die Strafe hin, oder du hungerst. Was ist dir lieber?«
Zhu starrte ihn an. Nie in ihrem Leben hatte sie eine dümmere Frage gehört.
»Also?«
Sie streckte die Hände aus, der Mönch ließ die Rute hinabsausen, und dann flitzte sie auch schon in den Speisesaal und ließ sich leise keuchend neben einem anderen Novizen an einem leeren Tischchen auf die Knie fallen. Kaum stand die Schale vor ihr, stürzte sie sich darauf. Noch nie hatte sie so etwas Gutes gegessen; sie glaubte, sie könnte nie genug bekommen. Gerste, sauer eingelegtes Senfgrün und Rettich, geschmort in süßer fermentierter Bohnenpaste: Jeder Bissen war eine Offenbarung. Die leere Schale wurde mit Wasser gefüllt. Zhu folgte dem Beispiel der anderen Novizen: Sie trank das Wasser in großen Schlucken und wischte die Schale dann mit dem Saum ihrer Robe aus. Die ganze Sache hatte nicht länger gedauert, als einen Topf Wasser für Tee zum Kochen zu bringen. Die Mönche erhoben sich und trampelten in großer Eile davon: Wahrscheinlich galt es, rechtzeitig irgendwo hinzukommen, wo sie wieder statuenhaft herumsitzen konnten.
Als Zhu mit den anderen Novizen zusammen aufstand, stellte sie fest, dass ihr der Bauch auf ungewohnte Art und Weise wehtat. Zuerst war sie erschrocken, aber dann begriff sie, was los war. Er ist voll, dachte sie entgeistert. Zum ersten Mal, seit sie das Dorf Zhongli verlassen hatte – nein, seit ihr Vater sie den Banditen angeboten und sie verstanden hatte, was es wirklich bedeutete, kein Schicksal zu haben –, glaubte sie daran, dass sie überleben konnte.
Die Novizen teilten sich ihrem Alter gemäß in Gruppen, die in verschiedene Richtungen davonrannten. Die ältesten waren schon erwachsene Männer um die zwanzig. Zhu erklomm mit den jüngsten endlose Steinstufen. Weiß stieg ihr Atem in die blaue Dämmerung auf. Neben ihr erhob sich der wild bewachsene Berghang. Das berauschende, durch und durch fremdartige Aroma sprießenden Lebens und faulender Blätter stieg ihr in die Nase; beinahe konnte sie es auf der Zunge schmecken.
Tief unter sich hörte sie rhythmisches hölzernes Geklapper, dann das Schlagen der Glocke. Es war jetzt hell genug, um zu sehen, dass eine Reihe Terrassen in den Berghang gehauen waren. Auf jeder einzelnen standen ineinander verschachtelte Holzgebäude mit grünen Dächern und Innenhöfen. Pfade schlängelten sich hierhin und dorthin. Aus dunklen Ecken und Nischen stieg Weihrauch auf. In einem kleinen verschatteten Schlupfwinkel erspähte Zhu einen Tisch, auf dem sich bunte Früchte türmten. Weiße Gestalten drängten sich darum herum. Noch mehr Mönche, dachte sie, aber gleichzeitig kroch ihr ein eisiger Schauer über den Rücken. Ihr rasierter Schädel kribbelte. Und dann rannte sie auch schon mit hämmerndem Herzen weiter die Treppe hoch, fort vor jener Dunkelheit.
Zu ihrer Erleichterung erreichte ihre Gruppe kurz darauf ihr Ziel auf einer der höchsten Terrassen. Die Novizen stiegen aus ihren Sandalen und betraten einen lang gezogenen, luftigen Raum. Die Holzgitterfenster auf einer Seite standen weit offen, sodass man auf das bewirtschaftete Tal hinabblicken konnte. Im Zimmer waren niedrige Schreibtische ordentlich aufgereiht. Der dunkle Holzboden war im Lauf der Jahrhunderte so blank poliert worden, dass Zhu keine Fuge unter ihren bloßen Füßen spürte, sondern nur seidige Kühle.
Sie setzte sich an einen leeren Schreibtisch. Ihr Entsetzen verblasste, während sie die merkwürdigen Dinge darauf betastete. Ein Pinsel mit weichen dunklen Haaren und ein weißes Viereck, das sie an Stoff erinnerte. Papier. Eine abgeschrägte Steinplatte mit einer Lache Wasser in der Vertiefung am Ende. Ein kurzes schwarzes Stäbchen – als sie es berührte, blieb Ruß an ihren Fingern haften. Die anderen Jungen hielten bereits ihre Stäbchen in den Händen und rieben die Enden an ihren Steinen. Zhu tat es ihnen nach und sah mit wachsender Begeisterung, wie das Wasser in der Vertiefung so dunkel wie ein Auge wurde. Tinte! Sie fragte sich, ob sie die Erste aus Zhongli war, die diese beinahe magischen Utensilien zu sehen bekam, die sie nur aus Geschichten kannte.
In diesem Moment kam ein Mönch hereinmarschiert. Dabei schlug er sich mit einem Bambusstab, der in der Mitte gespalten war, in die offene Hand. Es knallte so laut, dass Zhu heftig zusammenfuhr. Sofort richtete sich der Blick des Mönchs auf sie. »Sieh an, unser Neuer«, sagte er unfreundlich. »Du bist hoffentlich aus guten Gründen hier und nicht nur, weil du so hartnäckig bist wie Ameisen auf einem Knochen!«
Er hielt auf ihren Schreibtisch zu. Zhu schaute angstvoll zu ihm auf; ihre Begeisterung war verflogen. Die Bauern aus Zhongli waren unter Schichten aus Dreck allesamt tief gebräunt gewesen, doch das Gesicht des Mönchs war so bleich und runzelig wie Tofu. Verachtung und Bitterkeit hatten alle Falten nach unten gekehrt. Seine Augen lagen in dunklen Höhlen. Er ließ etwas auf ihren Schreibtisch niedersausen, und sie fuhr erneut zusammen.
»Lies!«
Zhu schaute nach unten und empfand jenes schleichende, noch ungeformte Grauen, das sie aus Albträumen kannte. Ein Buch. Langsam schlug sie es auf und blickte auf die Seiten hinab, über die senkrechte Reihen verliefen. Jedes Schriftzeichen war einzigartig wie ein Blatt und ebenso rätselhaft: Zhu kannte kein einziges.
»Natürlich«, zischte der Mönch. »Was habe ich erwartet? Der Abt schickt mir einen stinkenden, ungebildeten Bauern und setzt es als selbstverständlich voraus, dass ich einen gebildeten Mönch aus ihm mache! Wenn er auf Wunder aus ist, hätte er vielleicht lieber einen Bodhisattva als Novizenmeister bestimmen sollen!« Er schlug Zhu mit seinem Bambus auf die Hand, und sie zog sie mit einem kleinen Schmerzenslaut zurück. Nun drehte er das Buch um. »Wie sich die Ausbildung verändert hat! Als ich ein Novize war, haben uns die Mönche Tag und Nacht herumgescheucht. Wir haben geschuftet, bis wir zusammengebrochen sind, und dann hat man uns geprügelt. Eine Mahlzeit haben wir bekommen und drei Stunden Schlaf. Und so ging es immer weiter, bis wir ohne Gedanken waren, ohne Wille und ohne Selbst. Leere Gefäße waren wir, fest verankert im Jetzt. So unterrichtet man Novizen! Was soll ein Bodhisattva, ein Erleuchteter, mit weltlichem Wissen anfangen? Nur den Dharma muss er weitergeben können. Aber dieser Abt …« Er schürzte die Lippen. »Er hat andere Vorstellungen. Besteht darauf, dass seine Mönche gebildet sind. Lesen sollen sie können, schreiben, gar mit dem Abakus zurechtkommen! Als wäre unser Kloster nichts weiter als ein profaner Betrieb, in dem es nur um Pachteinnahmen und Profite geht! Doch was ich auch von alledem halten mag – bedauerlicherweise fällt mir die Aufgabe zu, dich zu unterrichten.«
Missfällig betrachtete er sie. »Was ist nur in seinem Kopf vorgegangen, dass er dich hereingelassen hat? Schau dich nur mal an! Mickrig. Eine Grille wäre größer! Wann wurdest du geboren?«
Zhu duckte sich über ihrem Schreibtisch. Das Buch roch gut, ein wenig süßlich. Es weckte Neugier. Aber sie schob sie beiseite. »Im Jahr des …« Sie hatte schon so lange nicht mehr gesprochen, dass ihre Stimme krächzte. Sie räusperte sich. »Im Jahr des Schweins.«
»Elf! Dabei kann man eigentlich erst mit zwölf aufgenommen werden.« Jetzt klang Missgunst in der Stimme des Mönchs mit. »Und nun glaubst du wohl, weil der Abt dich begünstigt hat, seist du etwas Besonderes, Novize Zhu?«
Es wäre schlimm genug gewesen, hätte er sie ihrer eigenen Unzulänglichkeiten wegen abgelehnt. Doch es war noch schlimmer: Der Abt mischte sich offenbar in Angelegenheiten des Novizenmeisters ein – und sie war die Verkörperung dieser Einmischung. Ihr wurde bang ums Herz.
»Nein«, murmelte sie. Würde er doch erkennen, dass sie die Wahrheit sagte! Ich will ganz unauffällig sein. Gewöhnlich. Ich will nur überleben!
»Es heißt: ›Nein, Präfekt Fang!‹«, fuhr er sie an. »Der Abt mag deine Aufnahme bewilligt haben, aber von jetzt an entscheide ich. Mir obliegt es zu beurteilen, ob du den Anforderungen gerecht wirst. Du hast von mir keine Nachsicht zu erwarten, nur weil du ein Jahr jünger bist! Halte also besser mit dem Unterricht und der Arbeit Schritt … Oder erspar mir Zeit und mach, dass du fortkommst!«
Fort. Vor Entsetzen riss sie die Augen auf. Wie konnte sie fortgehen, wenn jenseits der Klostermauern bloß jenes Schicksal auf sie wartete, von dem sie sich abgewandt hatte? Gleichzeitig war ihr quälend bewusst, dass sie nicht bloß ein Jahr jünger war als die jüngsten Novizen. Chongba wäre ein Jahr jünger gewesen. Sie wiederum war im Jahr der Ratte geboren, noch ein Jahr später. Zwei Jahre jünger als die anderen. Würde sie wirklich mithalten können?
Sie sah ihren Bruder vor sich, seine Miene majestätisch und selbstgerecht. Unnützes Mädchen.
Mit einer Härte, die sie selbst überraschte, dachte sie: Du wirst schon sehen: Ich bin ein besserer Zhu Chongba, als du es je warst!
Ohne vom Schreibtisch aufzuschauen, sagte sie inbrünstig: »Dieser unwürdige Novize hält Schritt!«
Der Blick des Präfekten brannte sich in ihren geschorenen Kopf. Dann stieß er ihr mit seinem gespaltenen Bambusstock vor die Brust, bis sie sich aufrichtete. Er nahm ihren Pinsel und schrieb rasch drei Schriftzeichen untereinander in die rechte obere Ecke ihres Papiers. »Zhu Chongba. Glückliche Doppelacht. Man sagt ja, Namen seien prophetisch. Ganz zweifelsohne hattest du bisher unverschämtes Glück! Meiner Erfahrung nach sind gesegnete Menschen allerdings immer auch die faulsten.« Er verzog den Mund. »Dann wollen wir doch mal sehen, wie fleißig du bist. Üb deinen Namen und die ersten hundert Schriftzeichen aus dem Lehrbuch! Morgen prüfe ich dich.« Sein Gesichtsausdruck war so erbarmungslos, dass sie zitterte. Er würde sie im Auge behalten, würde nur darauf warten, dass sie den Anschluss verlor oder einen Fehler machte. Bei ihr würde er über gar nichts hinwegsehen.
Aber ich kann unmöglich wieder fortgehen.
Sie schaute auf die Schriftzeichen hinab, die auf dem Papier trockneten. Glück hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gehabt, und faul war sie nie gewesen. Wenn sie schreiben lernen musste, um zu überleben, dann würde sie es eben lernen. Sie hob den Pinsel auf und begann. Zhu Chongba.
Sie war in ihrem ganzen Leben noch nie so erschöpft gewesen. Im Gegensatz zu Hungerqualen, die nach einer Weile zu einem dumpfen Schmerz abklangen, schien Müdigkeit mit der Zeit immer schlimmer zu werden. Der Kopf tat ihr weh, weil unentwegt Neues auf sie einprasselte. Zuerst hatte sie sich das Lied einprägen müssen, das die Bedeutung der tausend Schriftzeichen aus Präfekt Fangs Buch vermittelte. Danach hatte der Dharma-Meister eine ganz und gar unverständliche Lehrstunde erteilt, in der sie den Beginn eines Sutras hatte auswendig lernen müssen. Und gleich im Anschluss daran hatte ein gebeugter Mönch aus dem Kontor des Klosters den Umgang mit dem Abakus unterrichtet. Die einzige kurze Atempause war das Mittagessen gewesen. Mittagessen! Zwei Mahlzeiten am Tag! Zhu konnte es kaum fassen. Doch hinterher war der Unterricht weitergegangen: Gedichte, die Geschichte vergangener Dynastien und die Namen weit entfernter Orte. Zhu wusste, dass man von Zhongli aus zwei Tage wandern musste, um den Verwaltungssitz Haozhou zu erreichen – das war die größte Entfernung, die sie sich vorstellen konnte. Vielleicht hatte Präfekt Fang recht gehabt: Abgesehen von den Sutras, wozu musste ein Mönch all diese Sachen wissen?