Sheriff Colt Western Großband 1/2020 - 4 Wildwest-Romane - Pete Hackett - E-Book

Sheriff Colt Western Großband 1/2020 - 4 Wildwest-Romane E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Western: Timothy Kid: Flammen über Minnesota Pete Hackett: Stern im Schatten des Galgens Pete Hackett: Im Schatten der Mörder-Ranch John F. Beck: Der Schießer-Doc Der berüchtigte Bandit Flint Teggard wird bei seinem Ausbruch aus dem Gefängnis verletzt und versteckt sich mit seiner Bande in den Elk Mountains. Da die Banditen seine Brenda entführt haben, reitet Doc Jeff Clanton in die Berge, um sie aus den Klauen der kriminellen Männer zu befreien. Weil er sich dem Eid verpflichtet fühlt, holt er die Kugel aus Teggards Bein. Zu schnell erholt sich der Bandit, reitet mit seiner Crew nach Blue Valley Town und erschießt den Sheriff, Brendas Bruder. Brendas Hass trifft Jeff, und sie hetzt ihre Mannschaft der Scott-Ranch hinter ihm her. So wird aus Doc Jeff Clanton der Schießer-Doc, denn er ist nun Jäger und Gejagter zugleich ...

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Pete Hackett, John F. Beck, Timothy Kid

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Inhaltsverzeichnis

Sheriff Colt Western Großband 1/2020 - 4 Wildwest-Romane

Copyright

FLAMMEN ÜBER MINNESOTA

Stern im Schatten des Galgens

Im Schatten der Mörder-Ranch

Der Schießer-Doc

Sheriff Colt Western Großband 1/2020 - 4 Wildwest-Romane

Pete Hackett, John F. Beck, Timothy Kid

Dieser Band enthält folgende Western:

Timothy Kid: Flammen über Minnesota

Pete Hackett: Stern im Schatten des Galgens

Pete Hackett: Im Schatten der Mörder-Ranch

John F. Beck: Der Schießer-Doc

Der berüchtigte Bandit Flint Teggard wird bei seinem Ausbruch aus dem Gefängnis verletzt und versteckt sich mit seiner Bande in den Elk Mountains. Da die Banditen seine Brenda entführt haben, reitet Doc Jeff Clanton in die Berge, um sie aus den Klauen der kriminellen Männer zu befreien. Weil er sich dem Eid verpflichtet fühlt, holt er die Kugel aus Teggards Bein. Zu schnell erholt sich der Bandit, reitet mit seiner Crew nach Blue Valley Town und erschießt den Sheriff, Brendas Bruder. Brendas Hass trifft Jeff, und sie hetzt ihre Mannschaft der Scott-Ranch hinter ihm her. So wird aus Doc Jeff Clanton der Schießer-Doc, denn er ist nun Jäger und Gejagter zugleich ...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / Cover Werner Öckl

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

FLAMMEN ÜBER MINNESOTA

von Timothy Kid

Der großen Aufstand der Santee-Sioux

IMPRESSUM

© dieser Digitalausgabe by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.alfredbekker.de

[email protected]

EDITION BÄRENKLAU, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius

Roman © by Timothy Kid und Edition Bärenklau, 2015

Cover © by Steve Mayer mit Hugo Kastner sen. und einem Motiv von arinahabich/123RF

Der Umfang dieses E-Book entspricht 120 Taschenbuchseiten.

Die in Minnesota beheimateten Santee-Sioux galten lange Zeit als einer der friedlichsten Stämme überhaupt. Das änderte sich schlagartig, als der Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten mehr und mehr Gelder verschlang, die eigentlich für die Versorgung der Indianer vorgesehen waren. Der schon länger schwelende Unmut der Sioux entlud sich in einem blutigen Aufstand, dem unzählige Farmer zum Opfer fielen und der im Angriff auf die von Deutschen gegründete Stadt Neu-Ulm seinen dramatischen Höhepunkt fand.

Für den Farmer Luke Stewart wurde der Sioux-Krieg zu einer Bewährungsprobe der besonderen Art. Seine Frau war eine Squaw vom Stamm der Santees – und die holten sie mit Gewalt zurück, kaum dass der Aufstand ausgebrochen war. Die Kriegstrommeln der Sioux hallten über das Land, als Luke Stewart aufbrach, um seine Frau zu befreien…

1

Luke Stewart zügelte seinen Falben vor dem Tor des Corrals, der den Hof der McFarley-Farm umgab. So wie jede Woche wollte er auch heute seinen Nachbarn einen kurzen Besuch abstatten.

Seinen Augen bot sich das übliche vertraute Bild: Hinter dem hölzernen Wohnhaus mit der überdachten Veranda erstreckten sich die sanften Hügel der Maisfelder im goldenen Schein der Sonne, der Hof der Farm lag im Schatten des Ahorns, der am Rand des Corrals seine Äste ausbreitete. Es war ein Bild der Ruhe und des Friedens an einem heißen Augusttag des Jahres 1862.

Und doch – winzige Details störten an diesem Bild. Die Tür des Wohnhauses stand offen, aber niemand eilte ins Freie. Obwohl es auf Mittag zuging, drang kein Rauch aus dem Schornstein des Hauses. Nicht ein Vogel trällerte im Blattwerk des Baumes sein Lied.

Die McFarley-Farm erschien Luke plötzlich wie eine trügerische Kulisse, hinter der das Unheil schon auf ihn lauerte – aber er fest entschlossen, hinter diese Kulisse zu blicken, um zu erfahren, was sich dort wirklich verbarg.

Luke erwog kurz, Mark McFarley beim Namen zu rufen, verwarf diesen Gedanken aber wieder. Wenn sich Fremde mit schlechten Absichten auf der Farm aufhielten, würde er sich so nur selbst verraten. Vielleicht war seine Ankunft durch das Klappern der Pferdehufe aber sowieso schon bemerkt worden.

Und dennoch war niemand ins Freie getreten. Weder Mark McFarley noch seine deutschstämmige Frau Linda, und auch nicht Ben und Anne, die beiden fast schon erwachsenen Kinder des Paares.

Natürlich hätte Luke jetzt auch zum Sheriff von Neu-Ulm reiten können, in dessen Zuständigkeit die McFarley-Farm fiel, um mit einem bewaffneten Aufgebot hierher zurückzukehren. In diesem Fall aber wäre wertvolle Zeit verstrichen, und jetzt zählte jede Minute. Wenn die McFarleys tatsächlich seine Hilfe brauchten, musste Luke auf der Farm sofort nach dem Rechten sehen.

Vielleicht aber, so versuchte er sich jetzt einzureden, gab es für alles auch eine völlig harmlose Erklärung? Vielleicht würde er der unversehrten Farmersfamilie schon gleich gegenüberstehen, und alle Befürchtungen und Ängste würden sich in einem erleichterten Lachen auflösen?

Wie dem auch war, mit langen Grübeleien war niemandem geholfen. Wenn Luke sich Klarheit verschaffen wollte, musste er das Haus betreten. So schwang er sich aus dem Sattel, verzichtete aber darauf, Sandy am Corral anzuleinen. Falls er rasch wieder von hier fliehen musste, hätte ihn das Losbinden der Zügel nur Zeit gekostet.

Luke trat durch das offen stehende Gattertor und wurde im selben Moment von dem Gefühl beschlichen, nun unweigerlich in eine Aura der Gefahr vorzudringen. Langsam, mit äußerster Aufmerksamkeit, ging er auf das Wohnhaus zu. Das Geräusch seiner eigenen Schritte auf dem sandigen Hof kam ihm unnatürlich laut vor, Schweiß zog feuchte Bahnen über sein gebräuntes Gesicht – und Luke wusste, dass dieses Schwitzen nicht nur von der Hitze des Hochsommertages herrührte. Seine Rechte hob sich unwillkürlich etwas an und verhielt mit gespreizten Fingern über dem Kolben des Revolvers an seiner Hüfte.

Luke Stewart war wie auch die McFarleys Farmer. Er hatte diesem wilden, aber auch äußerst fruchtbaren Land ein Stück Boden abgerungen, darauf ein Haus für sich und seine indianische Frau Elk Woman errichtet und die Prärie um sein Heim in Maisfelder verwandelt. Das alles war harte körperliche Arbeit gewesen – war es immer noch -, und Luke war stolz auf das, was er sich mit seinen Händen ehrlich erschaffen hatte. Gleichzeitig hatte er immer gewusst, dass es nicht genügte, den Boden umzugraben und einen Zaun um sein Grundstück zu errichten. Man musste auch bereit sein, seinen Besitz mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Luke war beileibe kein Revolverheld, der nur auf einen Anlass lauerte, bei dem er seine Schießfertigkeit unter Beweis stellen konnte, aber der Umgang mit dem Colt war ihm durchaus vertraut. Auch mit Anfang vierzig strahlte er noch eine ungebrochene Vitalität aus.

Durch die körperliche Arbeit verfügte er über einen schlanken und sehnigen Körperbau, seine Haut wies eine gesunde Bräune auf. Das dichte braune Haar reichte ihm bis auf die Schultern, die vereinzelten Falten in seinem scharf geschnittenen Gesicht sprachen für die Erfahrung eines Mannes, der mit beiden Beinen fest im Leben stand. Das Blau seiner Augen erinnerte an das Wasser der zahlreichen Seen, die überall in Minnesota das Bild der Landschaft prägten. Lukes Kleidung bestand in ausgewaschenen Levishosen, Cowboystiefeln und einem karierten Hemd, über dem er eine hellbraune lederne Jacke trug.

Das Wohnhaus war mittlerweile nur mehr wenige Yards von Luke entfernt. Jede seiner Bewegungen verriet Kraft und Geschmeidigkeit, als er sich zielstrebig der Treppe näherte, die zu der überdachten Veranda führte.

Das Gefühl, vom Inneren des hölzernen Gebäudes aus beobachtet zu werden, wurde plötzlich übermächtig in Luke. Sein Blick flog die Reihe der Fenster entlang, ohne dahinter eine verdächtige Bewegung auszumachen. Das eigenartige Gefühl blieb trotzdem. Langsam schritt Luke weiter, vorangetrieben von Neugierde und Entschlossenheit. Er hatte sich entschieden, nun gab es kein Zurück mehr.

Bei der Treppe angekommen, setzte er vorsichtig einen Fuß auf die unterste Stufe. Soweit er sich erinnern konnte, hatte keines der Bretter je geknarrt, aber er hatte auch nie besonders darauf geachtet. Wozu auch? Dass er einmal in eine Situation wie diese geraten könnte, wäre ihm nicht im Traum eingefallen.

Die Stufe knarrte nicht, auch beim Auftreten auf die übrigen Bretter entstand kein verräterisches Geräusch. Zwei lautlose Schritte über die Veranda brachten Luke vor die Eingangstür des Hauses.

Die Tür stand nur einen Spalt breit offen, dahinter gähnte Dunkelheit. Es war Luke nicht möglich, ins Innere des Hauses zu sehen. Seine Spannung wuchs ins Unermessliche, als er die Tür langsam nach innen drückte.

Ein Teil der rustikalen Einrichtung wurde sichtbar, nahm gleich darauf Lukes gesamtes Blickfeld ein. Nichts deutete auf eine Gefahr hin. Dennoch blieb Luke misstrauisch. Er schritt vorsichtig über die Schwelle, zog seinen Colt und verhielt nach knapp einem Yard in der Bewegung. Aufmerksam wanderte sein Blick von rechts nach links durch den Raum.

Luke sah die halb geöffnete Tür an der Rückwand des Raumes, den gemauerten Kamin und den Tisch sowie die Stühle in der Mitte des Zimmers. Sein Blick glitt weiter – und dann sprang ihn das Entsetzen wie ein reißender Puma an!

2

Lukes düstere Ahnung, dass auf der Farm ein Unglück geschehen war, wurde im selben Moment Gewissheit, als er Mark McFarleys Leiche sah.

»Allmächtiger!«, flüsterte er ergriffen und trat zu dem Toten.

Der Farmer lag bäuchlings auf den Dielen vor einem offenen Fenster, die Arme und Beine angewinkelt, eine klaffende Wunde wie von einem Tomahawk im Rücken. Sein kahler Kopf war rot vor Blut, das neben seinem Gesicht eine dickflüssige, glänzende Pfütze gebildet hatte. Eine Handbreit von dem skalpierten Toten entfernt lag sein Revolver, mit dem er vergeblich versucht hatte, sich und seine Frau gegen die Indianer zu verteidigen.

Linda McFarley saß zur Rechten der Leiche mit ausgestreckten Beinen vor der hölzernen Rückwand des Raumes, die ihre schmalen Schultern stützte. Direkt neben ihr befand sich der Gewehrständer, in dem eine Waffe fehlte. Die zarten Hände der Frau hielten noch im Tod das auf ihrem Schoß liegende Gewehr umklammert, der starre Blick ihrer glasigen Augen war auf den aus ihrer Brust ragenden Pfeil gerichtet. Die Lippen der blonden Farmerin waren wie im Erstaunen leicht geöffnet, ein dünner Blutfaden zog seine Spur vom einem Mundwinkel der Toten bis zum Ausschnitt ihres grünen, knöchellangen Kleides.

Luke Stewart stand wie erstarrt im leichten Luftzug, der die Vorhänge vor dem offenen Fenster bauschte und den Schweiß auf seinem Gesicht trocknete. Das grausige Bild krallte sich in seinem Gehirn fest und lähmte für Sekunden seinen Körper ebenso wie seinen Verstand. Schließlich überwand er sein Entsetzen mit einem würgenden Schlucken und dachte wieder in klaren, logischen Bahnen.

Die Inneneinrichtung des Hauses war nicht zerstört, alle Fensterscheiben intakt. Das ließ nur den Schluss zu, dass die Indianer das Gehöft nicht im Sturm genommen, sondern es ungehindert betreten hatten – ein Umstand, den Luke durchaus nachvollziehen konnte.

Weiße und Indianer pflegten in Minnesota seit jeher ein friedliches Nebeneinander, blutige Konflikte zwischen den beiden Völkern hatte es hier im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten nie gegeben. Die in diesem Landstrich ansässigen Santee-Sioux hatten ihre Jagdgründe schon vor Jahren an die Weißen verkauft und waren in die Upper-Reservation gezogen, wo sie Ackerbau betrieben und auch finanzielle Zuwendungen erhielten, um sich mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Werkzeug einzudecken. Dadurch waren schon bald freundschaftliche Kontakte zwischen Sioux und Weißen entstanden, Besuche der Indianer bei Farmern und Ranchern gehörten fast schon zur Tagesordnung. Auch Luke, den die Santees wegen seines für einen Weißen ungewöhnlich langen Haares »Long Hair« nannten, hatte bereits mehrmals Sioux auf seiner Farm empfangen und mit ihnen sogar kleine Tauschgeschäfte betrieben. Im Gegenzug war er immer ein gern gesehener Gast in der Upper-Reservation gewesen, wo er schließlich Elk Woman kennen gelernt hatte, eine junge Sioux-Squaw, die bald schon seine Frau geworden und auf seine kleine Farm gezogen war. Dass die Indianer einmal seine Feinde sein könnten, hatte er nie in Erwägung gezogen – und die McFarleys hatten wohl auch mit keiner Gefahr gerechnet, als die Santees wie schon so oft zuvor auf ihrer Farm erschienen waren.

Sicher, was die Zustände in der Reservation betraf, hatten sich die Beschwerden der Indianer in letzter Zeit gehäuft. Seit knapp einem Jahr tobte der Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten, und die Ausrüstung und Verpflegung der Soldaten verschlang Unmengen an Geldern, die eigentlich für die Sioux vorgesehen waren. Luke hatte bereits bemerkt, dass die Indianer an Hunger litten, er kannte Little Crow, den Häuptling der Santee-Sioux, aber auch als klugen Stammesführer, der stets bemüht war, jegliche Eskalation zu vermeiden. Was auch immer die Sioux zu der Gewalttat veranlasst hatte, Luke konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Überfall mit Little Crows Zustimmung stattgefunden hatte.

Zwei Fragen beschäftigten Luke in diesen Sekunden: Lebten Anne und Ben noch, die Kinder des Paares? Und warum hatten die Sioux das Haus nicht in Brand gesteckt, wie Indianer es bei ihren Überfällen üblicherweise taten?

Zumindest, was die zweite Frage betraf, fuhr Luke die Antwort durch den Kopf, kaum dass der Gedanke geboren war.

Die Sioux hatten kein Feuer entfacht, weil er hier plötzlich aufgetaucht war! Sie wollten sich zuerst auch noch seinen Skalp holen, bevor sie die Farm in Schutt und Asche legten. Dass das Ehepaar erst kürzlich ermordet worden war, bewies auch das noch nicht zur Gänze geronnene Blut ihrer Wunden. Folglich mussten die Indianer noch hier sein, in Lukes unmittelbarer Nähe!

Die Erkenntnis war kaum durch sein Gehirn gerast, als er auch schon herumwirbelte. Im selben Moment sah er den Sioux.

Der Krieger, der bisher hinter der Tür gelauert hatte, stand nur wenige Schritte von ihm entfernt. Er war ganz in dunkles Wildleder gehüllt, über sein Gesicht zog sich ein weißer Streifen von einem Jochbein bis zum anderen. Der auf die Sehne seines Bogens gespannte Pfeil zielte genau auf Luke.

Der Farmer reagierte in Sekundenbruchteilen. Er hechtete zur Seite, schlug den Hahn der schräg nach oben gerichteten Waffe noch im Sprung mit der linken Handkante zurück und zog den Stecher durch. Nahezu zeitgleich schoss auch der Sioux.

Der Pfeil sauste über Luke hinweg und bohrte sich in die hölzerne Zimmerwand, auf dem Jagdhemd des Indianers breitete sich plötzlich ein roter Fleck aus. Der Krieger verlor seinen Bogen und taumelte zurück, ehe er rücklings zu Boden stürzte.

Luke rollte sich über die Schulter ab und stemmte sich auf die Knie, noch im Aufrichten des Oberkörpers spannte er abermals den Waffenhahn. Sein gehetzter Blick flog durch den vom Pulverdampf durchzogenen Raum – und erfasste den Indianer, der plötzlich im Türrahmen an der Rückwand des Zimmers verhielt. Deutlich waren die Muskelpakete seines nackten, bronzefarbenen Oberkörpers zu erkennen, seine Rechte umklammerte einen klobigen, blutverschmierten Tomahawk – die Waffe, mit der er Mark McFarley getötet hatte.

Für Luke war der Indianer kein Unbekannter. Er hieß Yellow Bear und hatte ihn schon mehrmals auf seiner Farm besucht. Damals war der junge Sioux zu Luke immer freundlich gewesen, aber jetzt war davon nichts zu merken. Grenzenloser Hass loderte in seinen Augen unter der grellen Maske der Kriegsbemalung, während er die Rechte mit dem Tomahawk hochschwang.

Er oder ich!, dachte Luke, der wusste, dass jegliche Freundschaft zwischen ihm und den Sioux endgültig erloschen war. Dieser Krieger war sein Feind, und als einen solchen musste er ihn auch behandeln. Andernfalls würde er gleich der nächste Tote sein, der hier auf den Dielen lag.

Luke stieß im Knien beide Arme nach vorne, die Finger seiner Linken umklammerten das rechte Handgelenk, um zu verhindern, dass der Rückstoß der Waffe die Kugel aus der Bahn lenkte. Dann drückte er ab.

Aus der Mündung des Colts stach eine Feuerlanze, der Schuss brach sich dröhnend an den Wänden des Raumes. Das Projektil fetzte fingerlange Holzsplitter aus dem Rahmen der Tür, die dort durch die Luft wirbelten, wo der Sioux eben noch gestanden war.

Luke atmete gepresst aus und sprang wieder empor, den rauchenden Colt in der angewinkelten Rechten. Sein Blick war weiterhin auf die Zwischentür geheftet, von wo er jederzeit einen heranwirbelnden Tomahwak erwartete. Dass der Sioux den Kampf schon aufgegeben hatte, schloss Luke aus.

Plötzlich drang von hinten ein Geräusch an seine Ohren – von außerhalb des offenen Fensters, vor dem Luke sich aufgerichtet hatte. Einen Herzschlag später packte ihn ein kräftiger Arm am rechten Handgelenk und bog es nach hinten. Gleichzeitig erschien vor seinen Augen ein brauner Unterarm, aus dessen Faust die Klinge eines Messers ragte.

Einer der Krieger musste das Haus durch ein hinteres Fenster verlassen haben und bis hierher geschlichen sein. Wahrscheinlich hatte er das Messer ursprünglich als Wurfwaffe benutzen wollen, sich aber im günstigen Moment dazu entschlossen, Luke stattdessen die Kehle zu durchschneiden.

Wie er die Waffe einsetzte, machte für Luke letzten Endes keinen Unterschied. Er musste verhindern, dass er mit dem kalten Stahl überhaupt in Berührung kam!

Der Farmer riss blitzschnell seine Linke empor und schleuderte den rechten Arm des Kriegers zur Seite. Noch im Wutschrei des Sioux fuhr Lukes Ellenbogen nach hinten, genau zwischen die Rippen des Indianers.

Wieder brüllte der Krieger auf, aber diesmal vor Schmerz. Luke spürte, wie sich der Griff um sein rechtes Handgelenk etwas lockerte, und augenblicklich flutete eine Welle neuer Hoffnung durch seinen Körper.

Seine Erleichterung währte nur Sekundenbruchteile – so lange, bis der Sioux mit dem Tomahawk wieder in den Raum sprang. Vorhin war es ihm nicht gelungen, den Weißen zu töten, aber nun wollte er nachholen, was er beim ersten Versuch nicht geschafft hatte! Sein bemaltes Gesicht verzog sich unter einem triumphierenden Grinsen, als er die Rechte zum Wurf mit dem Kriegsbeil hob.

»Du, Weißauge – sterben jetzt!«, presste er hasserfüllt über die Lippen.

Es gelang Luke mit einer kraftvollen Bewegung seines rechten Armes, sich aus der Umklammerung vollends zu befreien. Das war der Augenblick, in dem der zweite Indianer das Kriegsbeil schleuderte.

Luke warf sich zu Boden, der Tomahawk überschlug sich einmal in der Luft und flog haarscharf über ihn hinweg. Das stählerne Blatt des Kriegsbeils grub sich genau in die Stirn des Sioux, der vor dem Fenster im Freien stand.

Die Augen des getroffenen Roten wurden größer und größer, dann breitete er seine Arme aus und kippte mit blutüberströmtem Gesicht langsam hintenüber. Gleichzeitig sprang Luke wieder auf die Beine.

Aus dem Gesicht des vor ihm stehenden Kriegers war plötzlich jeglicher Triumph verschwunden. Ungläubiges Erstaunen zeichnete jetzt seine Züge, grenzenloses Entsetzen darüber, dass er seinen eigenen Stammesbruder ermordet hatte.

Einen Lidschlag später wich dieses Entsetzen der jähen Erkenntnis, dass er dem Toten gleich in die Ewigen Jagdgründe folgen würde, wenn es ihm nicht gelang, den immer noch mit dem Colt bewaffneten Weißen zu überwältigen.

Der Indianer stieß einen gellenden Schrei aus, seine Rechte fuhr zum Lendenschurz und kam mit einem Messer wieder hoch. Schon griffen die Finger seiner linken Hand nach der Spitze der scharfen Klinge, um die Waffe nach dem Bleichgesicht zu schleudern.

Luke stieß die Rechte nach vorn und drückte ab. Sein Colt spie dem Krieger eine Mündungsflamme entgegen, das Projektil drang ihm in die Brust, ehe er das Messer werfen konnte. Die Faust des Indianers löste sich vom Griff der Waffe, nach einem schleppenden Schritt vorwärts kippte er kopfüber zu Boden – nur unweit entfernt von jenem Sioux, den Luke zuerst ins Reich der Geister geschickt hatte.

Hinter der Stirn des Mannes überschlugen sich die Gedanken. Hatte er bereits alle Indianer erledigt, oder befanden sich noch weitere Gegner im Haus? Außerdem brannte in ihm die Frage, was mit den erwachsenen Kindern der McFarleys passiert war. Solange er über ihr Schicksal nicht Bescheid wusste, würde er die Farm auch nicht verlassen.

Luke warf einen raschen Blick nach draußen und widmete seine Aufmerksamkeit gleich darauf wieder der rückseitigen Tür. Nirgendwo war eine verdächtige Bewegung ausmachen, aber gerade diese gespenstische Ruhe zerrte an seinen Nerven. Dünne Schwaden aus Pulverdampf trieben durch das Fenster ins Freie.

Lukes rechter Daumen zog den Hahn des Colts in die Feuerrast, das metallische Klacken schnitt bedrohlich durch die Stille. Dann schlich er vorsichtig auf die Tür an der Rückwand des Zimmers zu, vorbei an den Leichen der Weißen und Indianer, dabei immer wieder misstrauisch um sich blickend.

Bereit, sofort einen Schuss aus seinem Colt zu jagen, drückte er die halb offene Tür mit dem rechten Fuß auf.

Auf dem dahinter liegende Korridor, knapp drei Schritte von Luke entfernt, lag Anne McFarley – rücklings, mit weit von sich gestreckten Armen und Beinen. Ihre Lider waren geschlossen, in Brusthöhe ihrer hellen Bluse prangte ein dunkelroter Fleck.

Luke glaubte plötzlich einen unsichtbaren Kloß in der Kehle zu spüren. Anne war noch so jung gewesen, und trotzdem hatte sie sterben müssen! Der Tod hatte sie zu sich geholt, kaum dass sie vom Mädchen zur jungen Frau gereift war. Trauer und Wut drohten Luke in diesem Moment hinwegzuschwemmen wie eine riesige Woge.

Gleich darauf hatte er seine Emotionen wieder unter Kontrolle, waren all seine Sinne auf eine mögliche Gefahr gerichtet. Eine der Türen zu Lukes Linker stand eine Hand breit offen, und das musste nicht unbedingt Zufall sein. Vielleicht beobachteten ihn aus dem Raum heraus bereits dunkle Augenpaare in bemalten Gesichtern? Vielleicht war das Ganze aber auch eine Falle, um seine Aufmerksamkeit auf den falschen Punkt zu lenken. Möglicherweise würde ein Pfeil oder eine Kugel in seinen Rücken fahren, kaum dass er das Zimmer betreten hatte.

Während er noch überlegte, wie er weiter vorgehen sollte, drang das Klappern unbeschlagener Pferdehufe an seine Ohren.

Nun gab es für Luke kein Halten mehr. Er wirbelte herum, warf sich gegen die Tür und stürmte über die Schwelle.

Luke hatte die Tür etwa zur Hälfte aufgestoßen, als ein heftiger Widerstand sie jäh stoppte – der Körper des Toten, der hinter der Schwelle bäuchlings am Boden lag, einen gefiederten Pfeil zwischen den Schulterblättern.

Beinahe wäre Luke über Ben McFarleys Leiche gestolpert. Er hielt gerade noch sein Gleichgewicht und sprang über den Toten hinweg in das Zimmer, in dem sich ein Bett samt Kommode sowie ein Schrank befanden, wie Luke mit einem raschen Blick feststellte. Indianer lauerten keine in dem Raum.

Luke hastete zum Fenster an der Rückwand und spähte durch die Scheibe ins Freie.

Zwei berittene Sioux galoppierten soeben auf die bewaldeten Hügel zu, die sich hinter den Maisfeldern vor dem Azurblau des Himmels erhoben. Ihre Füße trommelten wie verrückt gegen die Flanken der Ponys, drei ledige Pferde mit bunten Satteldecken preschten ihnen hinterher.

»Feige Mörder«, zischte Luke und stieß den Revolver nach vorne. Sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug, das Projektil durchschlug die Glasscheibe, dass einige Splitter bis auf Lukes Handrücken regneten.

Die beiden Krieger rissen kurz die Köpfe herum, riefen sich in ihrer kehligen Sprache ein paar Wortfetzen zu und jagten weiter auf die Hügel zu, die Oberkörper nun dicht an die Mähnen der Ponys gepresst.

Luke zerbiss einen Fluch auf den Lippen und feuerte ein zweites Mal, konnte aber abermals keinen Treffer landen.

Einen Augenblick später ließ er den Colt wieder sinken. Jeder weitere Schuss wäre reine Munitionsverschwendung gewesen, die Indianer und ihre Pferde waren soeben in einer Staubwolke zwischen der Hügelkette verschwunden.

3

Das Trommeln der Pferdehufe verebbte in der Ferne, die Staubschleier zerfaserten. Abgrundtiefe Stille senkte sich über die kleine Farm in Minnesota, auf der noch vor Kurzem das Leben pulsiert hatte und die nun so unversehens vom Tod heimgesucht worden war.

Luke atmete hörbar aus und wischte sich mit der Linken den Schweiß von den Stirn. Dann ließ er den Colt, der ihm plötzlich unnatürlich schwer schien, wieder ins Holster gleiten.

Wie lange lag es zurück, dass er mit der Waffe auf einen Menschen geschossen hatte? Ein, zwei Jahre sicher, wahrscheinlich aber noch länger. Kämpfe gegen Indianer hatte es in Minnesota bisher nicht gegeben, und auch die meisten hier ansässigen Weißen lösten ihre Konflikte längst nicht mehr mit Gewalt – mit ein Grund dafür, dass sich Neu-Ulm bei den Zuwanderern wachsender Beliebtheit erfreute und stetig wuchs. Die Schießübungen, die Luke regelmäßig auf seiner Farm abhielt, hatten für ihn immer nur Sportcharakter besessen, sie waren reine Vorsichtsmaßnahmen gewesen, um für den Fall der Fälle nicht aus der Form zu geraten. Und obwohl er ein entschiedener Gegner der Sklaverei war, wäre er niemals auf die Idee gekommen, Soldat zu werden, gegen die Armee der Südstaaten in den Krieg zu ziehen und dabei Angehörige seines eigenen Volkes zu töten.

Nun jedoch war das alles Vergangenheit. Es gab keinen Frieden mehr in Minnesota, das friedliche Nebeneinander von Weiß und Rot war Geschichte. Die Zukunft dieses Staates würde mit Blut geschrieben werden, dessen war sich Luke sicher. Die Weißen würden auf den unvermuteten Gewaltausbruch der Indianer ebenfalls mit Gewalt reagieren, und die Sioux würden es bestimmt nicht bei einer Bluttat belassen. Weitere Überfälle würden folgen, hatten vielleicht sogar schon stattgefunden.

Plötzlich vermeinte Luke von einer eiskalten Hand am Nacken gepackt zu werden. Die nächstgelegene weiße Siedlung war nicht irgendein Gehöft – es war seine Farm, die sich nur einen knapp zweistündigen Ritt vom Hof der McFarleys entfernt befand!

Vor seinem geistigen Auge entstand jäh eine Vision: Er sah sich in den rauchenden Trümmern seines Hauses stehen, den fassungslosen Blick auf die blutige Leiche seiner geliebten Frau gerichtet, die inmitten der verkohlten und mit Pfeilen gespickten Balken lag – ermordet von den Sioux, die auch keine Skrupel gekannt hatten, Linda und Anne McFarley zu töten.

Luke schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein, so weit würden die Santees nicht gehen. Mochten sie auch die mit ihnen stets befreundeten McFarleys getötet haben, vor einem Mord an Elk Woman würden sie zurückschrecken, handelte es sich bei ihr doch um eine Angehörige des roten Volkes. Die Squaw lebte zwar in einem »hölzernen Tipi«, wie die Sioux die Blockhäuser nannten, und sie hatte einen Weißen, einen »Wasichu«, zum Mann genommen, das alles änderte aber nichts an der Tatsache, dass in ihren Adern Siouxblut floss. Andererseits waren die Santees wie auch alle anderen Stämme des Westens absolut unberechenbar. Ihre Begriffe von Ehre und Tapferkeit würde ein Weißer nie ganz durchschauen, oft genügte eine unbedachte Kleinigkeit, um ihren grenzenlosen Zorn heraufzubeschwören...

Der von Zweifeln geplagte Mann riss seine Augen wieder auf, und über den vor ihm liegenden Maisfeldern formte sich in der Luft des Hochsommertages das Antlitz einer Frau. Rabenschwarzes, zu zwei Zöpfen geflochtenes Haar umrahmte ein bronzefarbenes Gesicht, das vor allem von den dunklen, leicht schräg stehenden Augen beherrscht wurde. Kühn geschwungen war die schmale Nase, von einem Lächeln umspielt die vollen Lippen des kleinen Mundes. Es war das Gesicht von Elk Woman...

Die Sorge um die Indianerin wurde übermächtig in Luke. Die Bestattung der Toten, die Benachrichtigung des Sheriffs, das alles war jetzt zweitrangig. Zuerst musste er sich Gewissheit über Elk Womans Schicksal verschaffen, alles Weitere konnte warten. Er hetzte aus dem Zimmer und lief durch den Korridor und den Wohnraum, ohne auf die Toten zu achten, die überall in dem Haus von den zurückliegenden Kämpfen kündeten. Die Stufen der Veranda übersprang er mit einem einzigen, geschmeidigen Satz, wenige Sekunden später war er schon bei seinem Pferd angelangt. Er schwang sich in den Sattel, schnalzte kurz mit den Zügeln, und der Hengst preschte los, trug seinen Herrn im gestreckten Galopp einem vertrauten Ziel entgegen, von dem Luke dennoch nicht wusste, was es für ihn bereithielt....

4

Luke Stewart jagte über das weite Land, als wären bereits sämtliche Sioux von Minnesota hinter ihm her.

Sein Pferd folgte in voller Karriere dem schmalen Band der Straße, die sich in zahlreichen Biegungen durch die niederen Hügel wand. Stumme Wälder, saftig grüne Wiesen und kleine Seen flogen nur so an Luke vorbei, aufgewirbelter Staub begleitete ihn als dichte, weiße Wolke. Der Reitwind trocknete den Schweiß auf seinem Rücken, das Trommeln der Pferdehufe brandete gegen Lukes Ohren.

Vorwärts, nur vorwärts!, hämmerte es hinter der Stirn des Mannes, während seine Fersen unermüdlich die Flanken des Tieres bearbeiteten. Nur der Gedanke an Elk Woman erfüllte jetzt noch Lukes Inneres, seine Hände umklammerten die Zügel ebenso fest wie seine Gedanken die Hoffnung, die Squaw unversehrt vorzufinden.

Die Meilen schmolzen unter Sandys Hufen dahin, bis sich nach knapp eineinhalb Stunden zur Rechten des Reiters die grüne Wand einer Waldzunge heranschob. Hinter dieser Waldzunge, in einem lieblichen, von einem Bach durchflossenen Tal, befand sich Lukes Farm – und dort würde er gleich erfahren, ob sich seine Befürchtung bewahrheitete.

Dass Luke über den Baumwipfeln keine Rauchfahne ausmachen konnte, stärkte augenblicklich seinen Optimismus. Die Gebäude der Farm standen also noch, kein Sioux hatte sein und Elk Womans Heim in Flammen gesteckt!

Der Falbe preschte die letzte Biegung des Weges entlang, dann wich der Waldrand zu Lukes Rechter zurück und gab den Blick frei auf das Gelände seiner Farm.

Das Areal lag friedlich und unberührt im Schein der Sonne, die reifen Kolben des mannshohen Maises wogten sanft im Sommerwind. Wieder wuchs Lukes Zuversicht, dass Elk Woman, angelockt vom Hufschlag des Pferdes, gleich ins Freie eilen würde, so wie sie es immer tat, wenn er nach einem Ausritt heimkehrte. Gleichzeitig meldete sich in seinem Inneren eine warnende Stimme, dass ihn heute schon einmal der Schein getrügt hatte…

Luke galoppierte bis auf den Hof der Farm, wo er den Falben plötzlich so hart zügelte, dass er bis auf die Hinterhand sank. Die Hände auf das Sattelhorn gestützt, heftig ein- und ausatmend, starrte er fassungslos auf die in den Boden getriebene Lanze vor den Hufen seines Pferdes. Nahezu zwei Meter lang und mit Federn geschmückt, war sie nicht nur ein Hinweis darauf, dass die Sioux die Farm doch aufgesucht hatten. Sie schien ihm wie ein Hohn des Schicksals, dass er trotz seiner Hast zu spät gekommen war...

5

Lukes Blick schien sich an dem Speer regelrecht festzusaugen. Er sah den hölzernen Schaft der Waffe, das unter der Spitze befestigte Federbündel, das leicht im Wind flatterte – und er sah den von der Lanze am Boden festgenagelten Lederfetzen, der die Abbildung eines roten Büffels zeigte. Neben dem Lederstück, nur eine Handbreit von ihm entfernt, lag eine abgerissene Schnur, die durch das Loch eines kleinen flachen Steins gefädelt war, den die stilisierte Zeichnung einer Elchkuh zierte.

Luke glaubte plötzlich einen unsichtbaren Kloß in der Kehle zu spüren. Sein Herz schlug einen rasenden Trommelwirbel, ein Zittern durchlief seinen sehnigen Körper. Er kannte die Santees, und ihre Botschaft war eindeutig. Die Lanze, der Lederfetzen und die abgerissene Schnur mit dem Stein sprachen eine symbolhafte, aber klare Sprache für den Mann, der mit den Bräuchen und Ritualen der Indianer bestens vertraut war.

Lukes schlimmste Befürchtungen waren nicht eingetreten, sowohl die Farm als auch seine Frau waren unversehrt – aber um welchen Preis! Die Lanze im Zentrum des Farmhofes war ein von den Sioux absichtlich hinterlassener Hinweis, dass sie auf Lukes Gehöft gewesen waren. Nun befanden sie sich nicht mehr auf der Farm – genauso wenig wie Elk Woman, seine indianische Frau! Sie war von den Kriegern entführt worden, das symbolisierte die abgerissene Schnur, bei der es sich um die Kette handelte, die Elk Woman immer um ihren Hals trug und die auch ihr Totem zeigte. Auch die Abbildung des roten Bisons auf dem Lederstück war ein Totem, und der Krieger, der dieses Totem für sich beanspruchte, war für Luke durchaus kein Unbekannter.

Red Buffalo – Roter Büffel. So lautete der Name des Sioux, der Elk Woman entführt hatte. Und so lautete auch der Name ihres Bruders, der sich von Anfang an dagegen gewehrt hatte, dass die Indianerin die Frau eines Bleichgesichts geworden war!

Elk Womans Bruder war immer schon ein unversöhnlicher Weißenhasser gewesen, der vom Frieden nichts wissen wollte. Mit dem Leben in der Reservation hatte er sich nie abfinden können, in seinen Augen waren alle Amerikaner gemeine Landräuber und Betrüger. Auch Luke war er von Anfang an mit offener Feindseligkeit begegnet, und diese Feindseligkeit hatte sich zum grenzenlosen Hass gesteigert, als Elk Woman Luke das Ja-Wort gegeben hatte. Dass ausgerechnet seine Schwester die Frau eines Weißen geworden war, empfand er als Schmach, die sich mit der Ehre eines Kriegers unmöglich vereinbaren ließ. Damals hatte er die Heirat nicht verhindern können, weil Little Crow, der Häuptling der Santees, die Eheschließung als Akt der Freundschaft zwischen den beiden Völkern ausdrücklich begrüßt hatte. Nun aber, da die Sioux gegen die Weißen in den Krieg gezogen waren, gab es diese Freundschaft nicht mehr, jetzt verliefen die Fronten zwischen Rot und Weiß klarer als je zuvor. Für Red Buffalo musste es die lang ersehnte Gelegenheit schlechthin sein, die Dinge endlich ins rechte Lot zu rücken.

»Dieser Schuft!«, zischte Luke, während er wutentbrannt die Fäuste ballte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Die Vorstellung, dass seine Frau in einem Lager skalplüsterner Krieger festgehalten wurde, gefangen in einem Tipi, bewacht von ihrem hasserfüllten Bruder, jagte Schauer der Verzweiflung durch seinen Körper. Aber wenn Red Buffalo glaubte, mit der Entführung von Elk Woman schon alles entschieden zu haben, unterlag er einer Fehleinschätzung. Luke würde um die Squaw kämpfen, wie er noch nie zuvor um etwas gekämpft hatte. Wenn nötig, würde er bis in die Hölle reiten, um sie dem Teufel persönlich zu entreißen. Und Luke zweifelte keine Sekunde daran, dass ihn im Dorf der Santees tatsächlich die Hölle erwartete.

Der Entschluss, ins Indianerreservat zu reiten, war in ihm gefallen, kaum dass er aus den eindeutigen Hinweisen den Hergang der dramatischen Geschehnisse rekonstruiert hatte. Luke war sich im Klaren, dass sein Plan an blanken Wahnsinn grenzte, dennoch stand seine Entscheidung unumstößlich fest. Sobald er die nötigen Vorkehrungen getroffen hatte, würde er seine Farm wieder verlassen.

Er glitt aus dem Sattel, führte Sandy zu dem hölzernen Trog vor dem Stall, damit das Pferd nach dem anstrengen Ritt seinen Durst löschen konnte, und ging dann ins Haus. Dessen Einrichtung war unversehrt, nur zwei umgeworfene Stühle in der Küche kündeten vom Kampf zwischen Elk Woman und ihrem Entführer. Hatte Red Buffalo die Farm nur deshalb nicht verwüstet, weil er den Ort seines Verbrechens so rasch wie möglich wieder verlassen wollte, oder ging es ihm ausschließlich darum, seine Schwester zu ihrem Volk zurückzuholen? Luke wollte sich darüber nicht weiter den Kopf zerbrechen und verzichtete auch darauf, die Stühle wieder aufzustellen. Er versorgte sich nur rasch mit Munition für das Henry-Gewehr und den Revolver, versperrte anschließend die Eingangstür und füllte seine Feldflasche am Brunnen auf.

Ein Blick zum Himmel verriet Luke, dass die Sonne bereits weit nach Westen gewandert war. In etwa drei Stunden würde die Dämmerung einsetzen, und so lange würde Luke auch brauchen, um die Grenze zum Indianerreservat zu erreichen. Dass er erst bei Nacht in der Upper-Agentur eintraf, konnte sich dabei durchaus als Vorteil erweisen. Vielleicht war es ihm im Schutz der Dunkelheit ja eher möglich, unbemerkt in das Santee-Dorf vorzudringen. Andererseits ging Luke auch davon aus, dass die aufständischen Sioux überall Wachtposten aufgestellt hatten, um die Grenzen ihres Territoriums Tag und Nacht zu sichern.

Egal, mit Grübeleien kam er jetzt sowieso nicht weiter, nun galt es zu handeln. Luke schritt entschlossen zu seinem Pferd, schwang sich in den Sattel und galoppierte los, einem übermächtigen Feind entgegen, dem er nur eines zu bieten hatte: den unbändigen Willen, seine Frau auf Biegen und Brechen aus ihrer verzweifelten Lage zu befreien!

6

Knapp drei Stunden später, über dem Land lag bereits die Dunkelheit, hatte Luke sein Ziel erreicht.

Er war von Westen her in das Reservat eingedrungen und somit aus jener Richtung, die der Straße und den Verwaltungsgebäuden entgegengesetzt war. Dieser Umweg hatte ihn zwar zusätzliche Zeit gekostet, allerdings hoffte er, so von den Sioux nicht sofort bemerkt zu werden.

Wo sich die Indianer versammelt hatten, war nicht schwer zu erraten. Schon von Weitem konnte Luke das dumpfe Dröhnen der Trommeln hören, die unaufhörlich einen monotonen Rhythmus über das Land sandten. Luke kam das auf- und abschwellende, immer lauter werdende Tamtam wie der erhöhte Schlag seines Herzens vor, das vor Aufregung wild in seiner Brust pochte.

Die Nacht war warm, fast schwül, am Himmel stand der Vollmond wie ein riesiger, bleicher Schild. Sein fahler Schein tauchte die bewaldeten Hänge und felsigen Schluchten in ein silbernes Licht und ließ den Schweiß auf Lukes Gesicht glänzen. Als der einsame Reiter einen raschen Blick zum Himmel warf, glaubte er in dem Erdtrabanten das Antlitz von Elk Woman zu erkennen, die mit einem Ausdruck grenzenloser Trauer auf ihn herabsah.

Gleich darauf verformten sich die Züge des Gesichts, nahmen sie einen härteren, scharf geschnittenen Ausdruck an. Nun sah Luke nicht mehr die Squaw, sondern ihren Bruder Red Buffalo, der ihn höhnisch anzustarren schien. Die Lippen seines Gesichts verzogen sich unter einem spöttischen Grinsen, dann stieß der Krieger ein gemeines Lachen aus, das weit durch die Nacht schallte und sich als schauriges Echo an den umliegenden Höhenzügen brach.

Mach dich nicht selbst verrückt!, dachte Luke und verdrängte seine düsteren Assoziationen. Im nächsten Augenblick erkannte er, dass es sich bei dem gellenden Lachen nicht ausschließlich um eine Einbildung handelte.

Durch die Nacht hallte ein abgehackt klingender Gesang, ausgestoßen von unzähligen Kehlen. Immer lauter wurde dieser Gesang, immer intensiver brandete er gegen Lukes Ohren, je weiter er voranritt.

Sie führen ihren Kriegstanz auf!, durchfuhr es Luke, der nun auch das Stampfen zahlloser Füße hören konnte. Die Vibrationen des Bodens unter den Sprüngen der roten Tänzer glaubte er bis in die Haarwurzeln zu spüren.

Luke erkannte, dass er sich dem Geistersee näherte. Dort, an den Ufern des Gewässers, mussten sich die Indianer versammelt haben. Nun galt es besondere Vorsicht walten zu lassen, wollte er nicht vorzeitig von den Sioux entdeckt werden.

Er parierte Sandy vom Galopp in den Trab, um sich durch den Hufschlag des Pferdes nicht selbst zu verraten, und folgte zielstrebig der immer lauter werdenden Geräuschquelle vor ihm. Wie eine Statue kerzengerade im Sattel sitzend, blickte er dabei aufmerksam um sich, die Zügel fest in den Händen haltend.

Rings um den Reiter herrschte ein diffuses Wechselspiel aus Lichtinseln, Dunkelheit und Halbschatten, in dem tausend Gefahren lauern konnten. In der Phantasie des Farmers gebar die nächtliche Natur unzählige Gespenster, die seinem Gehirn bedrohliche Trugbilder vorgaukelten.

Wogte das hüfthohe Büffelgras auf dem mondbeschienen Hang dort drüben wirklich nur im Nachtwind, oder teilte es sich unter dem Körper eines schlangengleich über den Boden kriechenden Sioux? Hatte sich der Strauch vor ihm nicht eben noch an anderer Stelle befunden? Stammte der schaurige Ruf des Käuzchens, der von der Silhouette der Tannengruppe zu Luke herüberwehte, wirklich von einem Vogel, oder hatte ihn ein Krieger ausgestoßen, dessen begehrteste Beute der Skalp des weißen Eindringlings war?

Nachdem Luke den Kamm eines Hügels überquert hatte, gewahrte er durch das Buschwerk des flach abfallenden Hanges vor sich mehrere flackernde rote Flecken – die Feuer der Sioux! Gleich riesigen roten Augen leuchteten sie durch die Schwärze der Nacht. Sofort zügelte er sein Pferd und trieb es mit einem leichten Schenkeldruck hinter den mächtigen Stamm einer Hickory-Eiche. Von ihrem Schutz aus starrte er wie gebannt zum Ufer des Sees hinab, wo sich ein breiter, baumfreier Streifen erstreckte, auf dem sich Luke ein Bild von barbarisch anmutender Schönheit bot. Gleichzeitig wusste er, dass dort unten der Tod seine letzten Vorbereitungen für eine reiche Ernte unter allen Weißen Minnesotas traf.

Entlang des gewundenen Seeufers brannten mehrere Feuer, deren rötlicher Schein sowohl die spiegelglatte Wasserfläche als auch die zahlreichen Tipis überzog. Um die mannshoch lodernden Flammen führten die Krieger ihre Tänze auf, bewegten sie ihre halb nackten, bemalten Körper wie in Ekstase. Manche Sioux waren in Tierfelle gehüllt, was ihnen ein geradezu dämonisches Aussehen verlieh, alle aber hielten Lanzen oder Tomahawks in Händen. Immer wieder reckten sie ihre Waffen empor, dabei ununterbrochen ihre gellenden Gesänge ausstoßend. Andere Indianer hockten derweilen mit untergeschlagenen Beinen vor ihren Trommeln, auf die sie pausenlos einschlugen und so jenen monotonen Rhythmus erzeugten, der Luke bis hierher geführt hatte. Ein grässlich bemalter Medizinmann, der eine hölzerne Maske vor dem Gesicht trug, sprang etwas abseits wie verrückt umher und schlug unentwegt mit seiner Rassel um sich, um so den Beistand des Großen Geistes für die bevorstehenden Kämpfe zu erflehen. Little Crow, der Häuptling der Santees, stand in vollem Kriegsschmuck im Zentrum des Wiesenstücks vor einem prächtig bemalten Tipi und betrachtete mit sichtlicher Zufriedenheit das wilde Treiben seiner Krieger.

Der Anblick bannte Luke förmlich auf der Stelle. Wie sollte es ihm hier nur gelingen, seine Frau zu befreien? Abgesehen davon, dass er keine Ahnung hatte, wo genau sich Elk Woman befand, war es fast unmöglich, sich den Indianern unbemerkt zu nähern. Wenn er bei seiner waghalsigen Aktion aber entdeckt wurde, hatte er gegen die Krieger nicht die geringste Chance. Dort unten mussten sich einige hundert Sioux versammelt haben, Little Crow hatte alles um sich geschart, was sein Volk an Kämpfern aufzubieten hatte!

Ein Geräusch zu seiner Rechten riss Luke jäh aus seinen Gedanken.

Er warf den Kopf herum, sah die aus dem Schatten eines Busches emporschnellende Gestalt und spürte im nächsten Moment, wie sich zwei kräftige Arme um sein rechtes Bein schlangen. Die hellen Streifen im Gesicht des Indianers leuchteten gespenstisch in der Dunkelheit.

Luke zog den rechten Stiefel aus dem Steigbügel, um nach dem Sioux zu treten, als es plötzlich auch links von ihm lebendig wurde. Einem kurzen Rascheln im Gras folgte ein trillender Aufschrei, dann blitzte die Klinge eines Messers frostig im Schein des Mondes. Luke stieß mit dem Ellenbogen zu und traf auf Widerstand, der Krieger taumelte mit einem Schmerzensschrei zurück. Gleichzeitig begann Sandy, nervös schnaubend hin- und herzutänzeln.

Der Sioux zu seiner Rechten wollte ihm den Colt aus dem Holster reißen, und Luke schlug mit der Faust nach dem Indianer. Seine Rechte fuhr über den Krieger hinweg, der sich zu Boden fallen ließ, kaum dass er Luke den Revolver entwendet hatte.

Sandy scheute nun vollends, vollführte einen gewaltigen Satz, und Luke, der in diesem Moment beide Hände von den Zügeln genommen hatte, geriet jäh aus dem Gleichgewicht. Er wollte noch nach der Mähne des Hengstes greifen, da kippte er schon seitwärts aus dem Sattel.

Luke riss geistesgegenwärtig auch den zweiten Fuß aus dem Steigbügel, um von Sandy nicht über Stock und Stein geschleift zu werden, einen Lidschlag später befand er sich bereits im freien Fall. Das rettete ihm das Leben, denn ein hinter ihm abgeschleuderter Speer pfauchte nun dort durch die Luft, wo sich eben noch sein Oberkörper befunden hatte. Die Lanze fegte den Hang hinab, fetzte einige Zweige und Blätter von den Sträuchern und verschwand im Dunkel der Nacht.

Luke prallte auf den Boden, das weiche Gras nahm dem Aufschlag die ärgste Wucht. Dennoch hielt ihn für Sekunden eine bleierne Benommenheit umfangen, als er sich rücklings auf den Ellenbogen aufrichtete. An seine Ohren drang der leiser werdende Hufschlag seines Pferdes, das Keuchen seiner Gegner – und das metallische Klacken, das entstand, als der Hahn seines Colts in die Feuerrast gezogen wurde! Das Geräusch schnitt Luke durch Mark und Bein.

Sein Kopf wirbelte zur Seite, und nun sah er den Krieger, der soeben den Lauf von Lukes Colt auf ihn richtete. Der blanke Stahl schimmerte bläulich im Licht des Mondes.

Luke rollte sich noch im Peitschen des Schusses um die eigene Achse, der Mündungsblitz erhellte für Sekundenbruchteile die Dunkelheit. Die Kugel pflügte einen halben Yard neben Luke den Boden und wirbelte Grasbüschel und Erdbrocken empor.

Auf dem Rücken liegend, riss Luke wieder die Augen auf. Genau über ihm stand der Mond am Himmel, ein stummer nächtlicher Beobachter des Kampfes auf Leben und Tod.

Plötzlich schoben sich die Konturen eines Kriegers vor die riesige gelbe Scheibe. Aus der erhobenen Rechten des Indianers ragte die Klinge eines Messers.

Der Sioux stieß einen gellenden Schrei aus, im nächsten Moment flog sein Körper mit vorgestreckten Armen auf Luke zu. Der riss rasch seine Beine hoch, stemmte sie dem Krieger vor die Brust und katapultierte ihn über sich hinweg. Noch während der wütend aufbrüllende Indianer im taufeuchten Gras landete, sprang Luke auf die Beine und hetzte mit rudernden Armen die bergab führende Strecke zurück, die er vorhin geritten war. Sein Ziel war die schwarze Wand des Waldes zu seiner Rechten, die sich wie ein Scherenschnitt vor dem helleren Nachthimmel abzeichnete. Knapp zehn Yards trennten ihn von ihr – doch zehn Yards konnten verdammt lang sein, wenn man den Lauf eines Colts auf seinen Rücken gerichtet wusste! Luke erwartete jeden Moment das erneute Krachen des Revolvers zu hören, das ihn unweigerlich zur Hölle schicken würde.

Der Schuss blieb aus, kein Projektil jaulte durch die Luft. Einen Herzschlag später begriff Luke, weshalb der Rote nicht feuerte.

Der Indianer sprang so unvermittelt zwischen den Bäumen hervor, dass Luke beinahe gegen ihn gerannt wäre. Es musste jener Sioux sein, der ihn vorhin nur haarscharf mit der Lanze verfehlt hatte. Bisher hatte er verhindert, dass der mit Lukes Colt bewaffnete Krieger geschossen hatte – zu groß wäre das Risiko gewesen, anstatt des Weißen den eigenen Stammesbruder zu treffen. Jetzt aber wurde er für Luke zur tödlichen Gefahr. Der Farmer sah die Gestalt des Kriegers nur undeutlich, aber er erkannte trotzdem den zum tödlichen Schlag mit dem Tomahawk erhobene Arm.

Luke stoppte abrupt seinen Lauf und riss schützend die Linke vor das Gesicht. Der hölzerne Griff des Kriegsbeils donnerte gegen sein Handgelenk, durch das jäh eine Welle stumpfen Schmerzes schoss. Luke taumelte zurück, stürzte zu Boden, und das bewahrte ihn vor dem nächsten Hieb mit dem Tomahawk, der mit einem schneidenden Geräusch durch die Luft fuhr.

Er wollte wieder auf die Beine springen, als ihn ein kräftiger Fußtritt erneut niederwarf. Diesmal hatte ihn der mit dem Messer bewaffnete Krieger attackiert, der mittlerweile zu Luke aufgeschlossen war. Hinter sich hörte er den dritten Sioux heranhasten, der mit seinem Colt bewaffnet war.

Aus und vorbei!, fuhr es Luke durch den Kopf. Völlig wehrlos drei Gegnern ausgeliefert, blieb nur noch die Frage offen, wie er von dieser Welt scheiden würde: durch einen Stoß mit dem Messer, durch einen Hieb mit dem Tomahawk oder durch eine Kugel aus seinem eigenen Colt!

»Ich bin Long Hair, der Mann von Elk Woman!«, schrie er da plötzlich in der ihm durchaus vertrauten Sprache der Santees. »Bringt mich zu Little Crow, ich will mit eurem Häuptling sprechen!«

Luke hatte diese Worte hinausgebrüllt, ohne sich dessen recht bewusst zu sein. Es war ein spontaner Aufschrei seiner Seele gewesen, der sich über seine Lippen artikuliert hatte, ein letztes verzweifeltes Aufbäumen gegen sein und Elk Womans Schicksal – und es zeigte Wirkung.

Keine Waffe durchtrennte Lukes Lebensfaden, die drei Sioux verhielten jäh in der Bewegung und warfen einander erstaunte Blicke zu.

Verblüffte sie die Tatsache, dass Luke ihre Sprache beherrschte, lag es am Umstand, dass er behauptete, eine Santee zur Frau zu haben, oder wagten sie ihn bloß nicht zu töten, weil er verlangte, zu ihrem Häuptling geführt zu werden? Luke wusste es nicht, und es war jetzt auch nicht wichtig. Was allein zählte, war die Tatsache, dass die Indianer auf seine Forderung eingingen.

»Ich habe schon von dir gehört«, sagte jetzt der Krieger mit dem Tomahawk und ließ seine Waffe wieder sinken. »Du musst ein mutiger Mann sein, wenn du heute Nacht alleine ins Dorf der Santees reitest, und deshalb werden wir dir deinen Wunsch erfüllen. Aber triumphiere nicht zu früh, Long Hair, denn es wird dein letzter Wunsch sein! Nach dem Willen des Großen Geistes soll dieses Land schon bald wieder das Land des roten Mannes sein, nichts wird hier noch an die Wasichun erinnern. Du wirst deine Squaw zu Gesicht bekommen, und du wirst auch zu Little Crow sprechen können – danach aber wirst du sterben wie alle Bleichgesichter, die uns viel zu lange belogen und betrogen haben und deren Worten wir keinen Glauben mehr schenken!«

7

Zumindest eines der Probleme, über das sich Luke noch vor wenigen Minuten den Kopf zerbrochen hatte, erledigte sich so von selbst: Er brauchte nicht lange nach Elk Woman zu suchen, sondern würde von den Indianern zu ihr gebracht werden. Dass er ihr als Gefangener gegenübertreten würde und sich somit in der gleichen Situation wie sie befand, stand auf einem anderen Blatt. Noch aber hatte Luke nicht aufgegeben – auch wenn ihm die Sioux den Tod versprochen hatten. Im Gegenteil, dass er dem Sensenmann eben von der Schippe gesprungen war, stärkte noch seine Zuversicht, die Dinge doch noch zum Guten wenden zu können. Sein Wille, das Reservat gemeinsam mit Elk Woman wieder zu verlassen, war ungebrochen.

Luke betrat das Lager flankiert von den beiden Indianern, die ihn vorhin mit Lanze und Revolver hatten töten wollen. Der Lauf des Colts war ebenso auf ihn gerichtet wie die Spitze des Speers, nur der Krieger mit dem Messer bedrohte ihn nicht mit seiner Waffe. Er schritt dicht hinter Luke und führte Sandy am Zügel, den einzufangen dem Indianer nicht weiter schwergefallen war. Normalerweise hätte ein Pfiff von Luke genügt, um den bestens dressierten Falben schleunigst das Weite suchen zu lassen, jetzt aber wäre das nicht in Lukes Interesse gewesen. Wenn er rasch wieder von hier fliehen wollte, war er auf sein Pferd angewiesen...

Am Seeufer hatten die Kriegstänze mittlerweile aufgehört, der dumpfe Rhythmus der Trommeln war ebenso verstummt wie die monotonen Gesänge und die Rasseln des Medizinmannes. Nur das Prasseln der Feuer schnitt durch die gespenstisch anmutende Stille, als Luke in Begleitung seiner Bewacher durch das Lager schritt. Dort wandten sich ihm jetzt sämtliche Gesichter wie auf ein geheimes Kommando hin zu, folgte ein Zug aus bemalten und federnbehangenen Gestalten dem einzelnen Weißen. Luke konnte die Verachtung in den Blicken der Krieger beinahe körperlich spüren, die ihm entgegenschlagende Feindschaft lag förmlich in der Luft.

Sandy wurde zu den etwas abseits stehenden Indianerponys gebracht, Luke bis zu jenem Tipi geführt, vor dem Little Crow mit vor der Brust verschränkten Armen verhielt. Seine beiden Bewacher hießen Luke anzuhalten, und sofort bildete sich eine Mauer aus braunen Körpern um ihn und den Häuptling. Der trat nun einen Schritt zur Seite, sodass er genau vor dem Feuer stand, dass hinter seinem Rücken brannte. Eingehüllt von dem rötlichen Schein, wirkte er wie ein der Hölle entstiegener Dämon, als er Luke aus seinen dunklen Augen eindringlich musterte. Luke erwiderte den Blick und kam einmal mehr nicht umhin, vor diesem Mann unwillkürlich Respekt zu empfinden. Little Crow war nicht umsonst zum Häuptling der Santees gewählt worden, er galt zu Recht sowohl als tapferer Kämpfer als auch als scharfer Denker.

Der Häuptling war von hochgewachsener Gestalt und strahlte in seiner ganzen Erscheinung eine unverhohlene Würde aus. Sein scharf geschnittenes Gesicht wurde vor allem von der weit vorspringenden Adlernase beherrscht, das zu zwei Zöpfen geflochtene Haar fiel ihm bis auf die Brust. Little Crows Kleidung bestand in einem fransenbestückten, mit bunten Stickereinen verzierten Jagdhemd und hirschledernen Leggins, auf seinem Kopf saß eine bis zum Rücken reichende Federkrone.

Doch mochte die Haltung des Häuptlings auch noch so stolz sein, mochte sein prächtiger Aufputz auch noch so beeindruckend wirken, das alles konnte Luke nicht darüber hinwegtäuschen, dass er hier vor einem vom Leben enttäuschten Mann stand. Demütigung und Verbitterung hatten tiefe Falten in das Antlitz des Indianers gegraben, ein matter Glanz lag im Blick seiner dunklen Augen. Luke konnte sich noch sehr gut an Zeiten erinnern, als Little Crow umsichtig und gütig gewirkt hatte – doch diese Zeiten waren endgültig vorbei.

»Long Hair wird zum Zeugen eines bedeutenden Ereignisses«, erklärte der Häuptling in kehligem Amerikanisch und beschrieb mit seiner Rechten eine weit ausholende Geste. »Das Volk der Santees löst sich von seiner Vergangenheit und trifft die letzten Vorbereitungen für eine bessere Zukunft.«

»Wann hat Krieg je eine bessere Zukunft geschaffen?«, erwiderte Luke ernst. »Krieg schafft nur Leid, Zerstörung und Tote! Ist es das, was du willst, Little Crow?«

»Du tust Recht, wenn du von Leid sprichst«, antwortete der Häuptling. »Sieh dich in unseren Dörfern um, und du wirst erkennen, was Leid bedeutet. Unsere Squaws und Kinder müssen hungern und frieren, weil wir kein bedrucktes Papier erhalten, dass wir gegen eure Lebensmittel eintauschen können! Wie lästige Bettler hat man uns fortgejagt, als wir vor euren hölzernen Tipis um Nahrung und Decken baten! Wenn wir hungrig wären, sollten wir doch Grass fressen – das waren die Worte, die wir zu hören bekamen! Verspottet und verhöhnt habt ihr unsere Krieger, denen einst alles gehörte im Land der vielen Seen, das ihr euch genommen und dem ihr sogar unseren Namen gegeben habt!«

Während seiner letzten Worte hatte sich Little Crows Lautstärke zusehends gesteigert, die in seiner Stimme mitschwingende Erregung war unüberhörbar. In der Tat war und ist Minnesota oder »Min-ne-so-ta«, wie die Indianer es betonen, ein Ausdruck aus der Sioux-Sprache und heißt nichts anderes als »Land der vielen Seen.«

»Ich weiß, dass deinem Volk viel Unrecht geschehen ist«, pflichtete Luke dem Häuptling bei. »Aber glaubst du wirklich, dass du die Sioux in eine bessere Zukunft führst, wenn deine Krieger den Pfad der Vergeltung beschreiten und Unschuldige abschlachten? Heute wurde nicht nur eine weiße Familie ausgelöscht, die euch stets freundlich gesinnt war, heute wurde auch meine Frau entführt, in deren Adern Siouxblut fließt! Hat Little Crow alle Freundschaft vergessen, die je zwischen mir und den Santees bestand?«

»Wenn ich das vergessen hätte, wärst du längst nicht mehr am Leben, Long Hair!«, stieß der Häuptling grimmig hervor. »Und führt nicht auch dein Volk gerade einen großen Krieg, in dem sich die Bleichgesichter gegenseitig töten, nur weil die einen blaue Jacken tragen und die anderen graue?«

»Ich habe diesen Krieg nicht gewollt, und ich nehme an ihm auch nicht teil«, entgegnete Luke. »Allerdings bekämpfen wir uns nicht sinnlos, der Krieg wird zur Befreiung der Schwarzen geführt, die im Süden der Vereinigten Staaten als Sklaven gehalten werden, als rechtlose Menschen, deren Knechtschaft wir beenden wollen.«

»Die Büffelmenschen wollt ihr befreien, uns aber habt ihr selbst versklavt«, höhnte der Häuptling. »Büffelmenschen« nannten die Sioux die Schwarzen wegen ihres krausen, an die Mähne eines Bisonbullen erinnernden Kopfhaares. »Aber diesmal habt ihr euch getäuscht, eure Rechnung wird nicht aufgehen. Wir wissen, dass zurzeit nur wenige Blauröcke in Minnesota sind, weil die meisten Langmesser weit im Süden kämpfen, und das wird euch zum Verhängnis werden. Alle Bleichgesichter im Land der vielen Seen werden sterben, noch bevor sie überhaupt begriffen haben, wie ihnen geschieht!«

»Was du vorhast, ist Wahnsinn«, hielt Luke Little Crow entgegen. »Findet das Töten Unschuldiger wirklich deine Zustimmung? Und glaubst du tatsächlich, deine Krieger könnten mühelos den Sieg erringen? Irgendwann werden die Weißen erbarmungslos zurückschlagen, und dann werden für jedes getötete Bleichgesicht zehn Santees sterben! Darüber musst du dir doch im Klaren sein, Little Crow, wenn du nicht allen Weitblick verloren hast, für den du stets bekannt und geachtet warst!«

Luke hatte all seine Überzeugungskraft in diese Worte gelegt, er hatte eindringlich an den Verstand des Häuptlings appelliert – und er schien damit tatsächlich etwas bewirkt zu haben. Little Crow wollte bereits zu einer heftigen Erwiderung ansetzen, schluckte die ihm schon auf der Zunge liegende Antwort aber wieder hinunter. Luke sah dem Häuptling förmlich an, wie es nun hinter seiner Stirn arbeitete, wie er mit sich selbst rang. Für eine kurze Zeitspanne stand Schweigen zwischen den beiden Männern, war nur das Prasseln der Feuer zu hören.

»Wie ich schon sagte, habe ich nicht vergessen, dass du immer ein Freund meines Volkes warst«, begann Little Crow gefasst wieder zu sprechen. »Und deshalb sollst du auch erfahren, wieso ich mich dazu entschlossen habe, das Kriegsbeil auszugraben, denn dieser Schritt fiel mir wahrlich nicht leicht.« Der Häuptling atmete hörbar aus, dann klärte er Luke über die Hintergründe des unmittelbar bevorstehenden Krieges auf.

»Vor wenigen Stunden erhielt ich die Nachricht, dass sich einige junge Krieger zu eine Mutprobe der besonderen Art durchgerungen hatten: Sie waren aus dem Lager geritten, hatten eine unweit der Reservatsgrenze gelegene Farm überfallen und alle Bewohner getötet. Dies alles geschah ohne mein Wissen, dennoch kann ich den Hass, der die Krieger zu ihrer Tat trieb, nur zu gut verstehen. Zu lange wurden sie von den Bleichgesichtern gedemütigt, zu lange kannten sie die Freiheit nur aus den Erzählungen ihrer Väter. Nun, drei von ihnen bezahlten den Überfall an Ort und Stelle mit ihrem Leben, sie starben im Kampf gegen ein zufällig auf der Farm auftauchendes Bleichgesicht. Ich begriff sofort, dass die Weißen nicht nur die Bestrafung der übrigen Krieger verlangen werden. Der Überfall auf die Farm wird ihnen ein willkommener Anlass sein, das ganze Volk der Santees endgültig aus diesem Land zu vertreiben. Um dem zuvorzukommen, blieb mir gar keine andere Wahl, als den Wasichun von mir aus den Krieg zu erklären. Nur wenn wir den ersten Schlag landen, können wir auch siegen – und wir werden siegen, Long Hair. Niemals war mein Volk so entschlossen wie jetzt, denn wir haben nichts zu verlieren. Im Kampf um die Freiheit zu sterben ist besser, als in Knechtschaft zu leben!«

Der Häuptling hatte kaum geendet, als ein gellendes Geheul aus hunderten Kehlen einsetzte. Überall ringsum reckten sich geballte Fäuste empor, wurden Lanzen und Tomahawks hochgestoßen.

Luke erschien das ekstatische Geschrei wie ein Hohngelächter des Schicksals. Er begriff mit schmerzhafter Klarheit, dass Little Crow den bevorstehenden Krieg nicht gewollt hatte, dass er von den dramatischen Umständen dazu gezwungen worden war. Hätte er sich jetzt für den Frieden ausgesprochen, sein Ansehen als Häuptling wäre ein für allemal dahin gewesen. Kein Santee hätte noch Achtung vor ihm empfunden, und das war wohl das Schlimmste, was einem roten Stammesführer widerfahren konnte.

Natürlich wäre es falsch gewesen, die Schuld für die begangenen Gewalttaten ausschließlich bei den Indianern zu suchen. Ja, sie hatten die McFarleys getötet, aber es wäre nie so weit gekommen, wenn die Weißen ihre Verpflichtungen gegenüber den Sioux eingehalten und sie obendrein nicht noch gedemütigt hätten. Eine Hand voll hochmütiger Regierungsagenten in der Reservation und ein paar rote Hitzköpfe waren der Funke gewesen, der ganz Minnesota in Flammen setzen würde! Die Opfer der schicksalshaften Ereignisse aber würden all die Siedler und Farmer sein, die nur ihre Felder bestellen wollten und noch nichts von dem drohenden Verhängnis ahnten, das sich über ihren Köpfen zusammenbraute!

Das alles konnte Luke nicht mehr ändern, die Dinge würden unweigerlich ihren Lauf nehmen. Eines aber war ihm möglich: Von Little Crow die Herausgabe von Elk Woman zu verlangen! Nur deshalb war er ja überhaupt in die Reservation geritten, hatte er all die Gefahren auf sich genommen!

»Wir mögen nun auf verschiedenen Seiten stehen, eines aber verbindet uns«, wandte sich Luke an den Häuptling. »Wir wurden beide vom Schicksal überrumpelt: Du, weil du dein Volk in einen Krieg führen musst, und ich, weil mir deswegen meine Frau geraubt wurde. Ich bin heute Nacht in euer Lager geritten, um Elk Woman zurückzuholen, meine Squaw, die von ihrem Bruder entführt wurde. Ich fordere dich hiermit auf, sie mir zurückgeben, denn Red Buffalo hält sie gegen ihren Willen in eurem Dorf fest!«

Für Sekundenbruchteile glaubte Luke so etwas wie Verblüffung auf den Gesichtszügen des Häuptlings zu erkennen, dann nahm sein Antlitz wieder den bisherigen, maskenhaften Ausdruck an. Wie alle Indianer von Kindheit an dazu erzogen, sich keinerlei Gemütsregung anmerken zu lassen, hatte er sich sofort wieder gefasst.

»Ich schätze deinen Mut ebenso wie die Aufrichtigkeit deiner Worte«, erwiderte Little Crow. »Jedoch steht es mir nicht an, darüber zu entscheiden, welche Squaw ein Krieger in sein Tipi holt. Wenn Red Buffalo seine Schwester zu ihrem Volk zurückgebracht hat, so muss ich diese Entscheidung akzeptieren.«

»Und die Entscheidung von Elk Woman zählt nichts für dich?«

Bevor Little Crow noch zu einer Erwiderung ansetzen konnte, drängte sich aus der umstehenden Menge ein hünenhafter Krieger nach vorne, der eine Squaw am Handgelenk gepackt hielt. Luke erkannte den Indianer, der niemand anderes als Red Buffalo war, sofort. Und auch die Squaw, deren schlanke Gestalt in einem Rehlederkleid steckte und die verzweifelt versuchte, sich aus der Umklammerung des Sioux zu befreien, war ihm nur zu vertraut: Es war Elk Woman! Bei ihrem Anblick schien sein Herz einen Sprung zu vollführen.

»Luke!«, schrie die Indianerin, der die Sprache der Weißen vertraut war wie ihre eigene, und wollte auf ihn zulaufen. Die Verzweiflung in ihrer Stimme drang ihm förmlich unter die Haut.

»Weißer Hund!«, spie Red Buffalo Luke entgegen und riss seine Schwester brutal zurück. »Elk Woman ist nicht mehr länger deine Squaw, sie gehört wieder zu ihrem Volk! Du aber wirst noch in dieser Nacht sterben, so wie die Krieger sterben mussten, die du heute ermordet hast!«

Wieder brandete ringsum Geheul auf – diesmal aber war es Wutgeheul. Little Crow riss mit einer herrischen Geste seine Rechte hoch, und das Geschrei verstummte von einer Sekunde zur anderen.

»Stimmt es, was Red Buffalo da sagt?«

»Er spricht die Wahrheit«, bekannte Luke, dem Häuptling dabei tief in die Augen blickend. »Der Weiße, der auf der Farm der McFarleys erschien und dort drei Sioux tötete – dieser Weiße war ich. Allerdings ließen mir deine Krieger keine andere Wahl. Ich musste sie töten, oder sie hätten mich getötet.«

»Worauf wartest du noch, Little Crow?«, drängte Red Buffalo. »Der Wasichu hat soeben selbst zugegeben, drei Sioux ermordet zu haben. Reicht das nicht aus, um ihn an den Marterpfahl zu stellen?«

»Wie lange hast du eigentlich auf diesen Krieg gewartet?« Luke sah Red Buffalo spöttisch an. »Dir wäre doch jeder Grund willkommen, um Elk Woman von mir zu trennen und mich endlich beseitigen zu können! Doch lass dir eines gesagt sein: Mit Gewalt wirst du rein gar nichts erreichen! Du kannst deine Schwester entführen, du kannst sie einpferchen wie ein Stück Vieh – aber ihre Gefühle für mich wirst du nicht ändern!«

»Wir werden bald sehen, ob du am Marterpfahl auch noch so große Töne spuckst«, stieß Red Buffalo hasserfüllt hervor.

»Diese Entscheidung treffe immer noch ich!«, fuhr Little Crow den Krieger an.

Der Häuptling war plötzlich in eine missliche Lage geraten. Einerseits befand sich sein Volk kurz vor einem Krieg gegen die Weißen, und Long Hair war nicht nur ein Weißer, er hatte auch drei Santees getötet. Andererseits durchschaute der kluge Stammesführer sehr wohl Red Buffalos durchsichtiges Spiel, konnte er Long Hairs Motive durchaus nachvollziehen. Mochte sich der Häuptling auch zum großen Kampf gegen die Weißen entschlossen haben, tief in seinem Inneren empfand er immer noch so etwas wie Achtung vor jenem Mann, der stets ein Freund der Santees gewesen war und sogar eine Squaw dieses Stammes zur Frau genommen hatte. Sollte er ihn jetzt einer grausamen Folter überlassen, nur weil er die Frau befreien wollte, die er liebte?

Luke erahnte augenblicklich, was in Little Crow vor sich ging. Plötzlich schoss ihm eine Idee durch den Kopf, wie er sich und Elk Woman retten konnte, ohne dass Little Crow dabei eine Schwäche zeigen musste. Wenn Lukes Plan aufging, hing sein Leben zwar immer noch am seidenen Faden, aber es würde dann an ihm liegen, zu verhindern, dass dieser Faden auch tatsächlich durchschnitten wurde!

»Ich fordere das Blutrecht!«, wandte er sich an den Häuptling, seiner Stimme dabei einen entschlossenen Klang verleihend. »Red Buffalo beansprucht Elk Woman genauso wie ich, deshalb soll ein Kampf entscheiden, wem sie tatsächlich zusteht. Wenn ich verliere, ist mein Leben verwirkt und Elk Womans Schicksal besiegelt. Sollte ich jedoch gewinnen, steht uns freier Abzug zu.«

Das Blutrecht war ein bei allen Stämmen des Westens anerkanntes Ritual, eine bestimmte Forderung mit einem Kampf auf Leben und Tod durchzusetzen. Niemand konnte einem dieses Recht absprechen, kein Herausgeforderter konnte sich ihm entziehen. Das wusste auch Red Buffalo, in dessen Augen es jetzt jäh aufflammte.

»Du bist kein Sioux, dieses Recht gilt für dich nicht!«, bellte er zornig.

»Long Hair hat nach unseren Bräuchen eine Santee zur Frau genommen, also gilt das Blutrecht auch für ihn!«, widersprach Little Crow heftig. »Wenn du nicht kämpfen willst, verlierst du auch jeden Anspruch auf deine Schwester!«

Elk Woman fasste augenblicklich neue Zuversicht, ihr Antlitz hellte sich unter einem jähen Hoffnungsschimmer auf. Red Buffalos Kiefer hingegen mahlten vor Zorn, sein stechender Blick flog zwischen Luke, der Squaw und Little Crow umher. Schon hatte er sich am Ziel aller Wünsche gewähnt, und nun machten ihm die Bräuche seines Stammes und der eigene Häuptling einen Strich durch die Rechnung! Sein Hass auf den Weißen, der den Lauf der Dinge geschickt so unerwartet gewendet hatte, wuchs ins Grenzenlose.

»Ich warte auf deine Antwort«, höhnte Luke. »Beweise mir, dass du mehr bist als ein Feigling, der nur wehrlose Squaws entführen kann! Zeige mir, dass du auch stark bist, wenn es darum geht, einen Mann im Kampf zu besiegen!«

Lukes Worte drangen wie glühende Nadelspitzen in Red Buffalos Gehirn. Diese öffentliche Demütigung konnte der Krieger nicht so ohne weiteres hinnehmen, alles in ihm schrie nun förmlich nach Vergeltung.

»Ich nehme deine Herausforderung an, Long Hair!«, stieß er verächtlich über die Lippen. »Und es wird mir ein Vergnügen sein, dich ins Reich der langen Schatten zu schicken, wo du mir einst dienen wirst müssen! Wenn die Helle Schwester am Himmel wieder über dem Land der vielen Seen emporsteigt, wird sie auch deinen Skalp auf der Lanze vor meinem Tipi trocknen!«

8

Wenige Minuten später standen Luke und Red Buffalo einander in einem Kreis aus Kriegern gegenüber. Die Distanz zwischen den Kontrahenten betrug annähernd sechs Schritte, zu beiden Seiten brannten Feuer, die ihren rötlichen Schein auf den Platz warfen und die Schatten der beiden Männer verzerrt auf den Boden malten. Sowohl Luke als auch der Indianer hatten ihren Oberkörper entblößt, ihre Bewaffnung bestand lediglich in einem Messer. Elk Woman, die von zwei Sioux festgehalten wurde, befand sich ebenso unter den Zuschauern wie Little Crow, der unmittelbar neben ihr verhielt und jeden Moment den Befehl zum Beginn des Zweikampfes geben musste. Alle Blicke hingen wie gebannt an den Lippen des Häuptlings, die Atmosphäre knisterte förmlich vor Spannung.

Red Buffalo schien es kaum noch erwarten zu können, sein Messer in Lukes Leib zu rammen. Er stand breitbeinig da, den muskulösen Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, die Arme vom Körper gespreizt, und glich in seiner ganzen Erscheinung einem zum Sprung bereiten Puma. Die Lippen des Sioux waren unter einem höhnischen Lächeln verzogen, seine Augen glänzten wie im Fieber.

Luke wusste, dass er seinen Gegner keinesfalls unterschätzen durfte. Red Buffalo war mindestens zehn Jahre jünger als er und äußerst kräftig. Sein grenzenloser Hass würde ihn noch zusätzlich anspornen.

Andererseits lag genau darin Lukes Chance: Red Buffalos unbeherrschtes Verlangen, Luke zu töten, würde ihn zu einem unüberlegten Kämpfer machen – und auf diese Schwäche seines Gegners musste Luke setzen. Er selbst stand in diesen schicksalshaften Sekunden aufrecht wie ein Fels in der Brandung und hielt das Messer fest umklammert. Alle seine Sinne waren aufs Äußerste gespannt, trotzdem zwang er sich zu einer geradezu eisernen Ruhe. Sein Brustkorb hob und senkte sich unter regelmäßigen Atemzügen.

»Lasst Manitou entscheiden!«, schnitt da plötzlich Little Crows Stimme durch die abgrundtiefe Stille. »Red Buffalos Blut gegen das von Long Hair!«

Die Worte waren kaum verhallt, als sich Red Buffalo schon in Bewegung setzte. Langsam schlich er im Halbkreis auf Luke zu, das Messer dabei abwechselnd zwischen seinen Händen hin- und herwerfend. Luke schritt ebenfalls zur Seite hin aus, weg von dem Indianer, die Rechte mit dem Messer weit vorgestreckt. So umkreisten sich die Kontrahenten gegenseitig, kamen sie einander langsam näher. Keiner von ihnen ließ den anderen aus den Augen.