Sherlock Holmes - Neue Fälle 42: Auf falscher Fährte - James Crawford - E-Book

Sherlock Holmes - Neue Fälle 42: Auf falscher Fährte E-Book

James Crawford

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Man hat der Königin den Kopf abgeschlagen. Im Wachsfigurenkabinett. Dies ist der Auftakt zu einer unglaublichen Serie von Straftaten. Sherlock Holmes und Dr. Watson beginnen mit ihrer akribischen Ermittlungsarbeit und werden mit einem dreihundert Jahre alten Rätsel konfrontiert. Das Königshaus ist bedroht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 186

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DIE NEUEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVSSHERLOCK HOLMES

In dieser Reihe bisher erschienen:

3001 – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine von Ralph E. Vaughan

3002 – Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge von J. J. Preyer

3003 – Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand von Ronald M. Hahn

3004 – Sherlock Holmes und der Werwolf von Klaus-Peter Walter

3005 – Sherlock Holmes und der Teufel von St. James von J. J. Preyer

3006 – Dr. Watson von Michael Hardwick

3007 – Sherlock Holmes und die Drachenlady von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3008 – Sherlock Holmes jagt Hieronymus Bosch von Martin Barkawitz

3009 – Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall von Gary Lovisi

3010 – Sherlock Holmes und der Hund der Rache von Michael Hardwick

3011 – Sherlock Holmes und die indische Kette von Michael Buttler

3012 – Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic von J. J. Preyer

3013 – Sherlock Holmes und das Freimaurerkomplott von J. J. Preyer

3014 – Sherlock Holmes im Auftrag der Krone von G. G. Grandt

3015 – Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin von E. C. Watson

3016 – Sherlock Holmes und die Geheimnisse von Blackwood Castle von E. C. Watson

3017 – Sherlock Holmes und die Kaiserattentate von G. G. Grandt

3018 – Sherlock Holmes und der Wiedergänger von William Meikle

3019 – Sherlock Holmes und die Farben des Verbrechens von Rolf Krohn

3020 – Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosie‘s Hall von Michael Buttler

3021 – Sherlock Holmes und der stumme Klavierspieler von Klaus-Peter Walter

3022 – Sherlock Holmes und die Geheimwaffe von Andreas Zwengel

3023 – Sherlock Holmes und die Kombinationsmaschine von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3024 – Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers von Michael Buttler

3025 – Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3026 – Sherlock Holmes und der gefallene Kamerad von Thomas Tippner

3027 – Sherlock Holmes und der Bengalische Tiger von Michael Buttler

3028 – Der Träumer von William Meikle

3029 – Die Dolche der Kali von Marc Freund

3030 – Das Rätsel des Diskos von Phaistos von Wolfgang Schüler

3031 – Die Leiche des Meisterdetektivs von Andreas Zwengel

3032 – Der Fall des Doktor Watson von Thomas Tippner

3033 – Der Fluch der Mandragora von Ian Carrington

3034 – Der stille Tod von Ian Carrington

3035 – Ein Fall aus der Vergangenheit von Thomas Tippner

3036 – Das Ungeheuer von Michael & Molly Hardwick

3037 – Winnetous Geist von Ian Carrington

3038 – Blutsbruder Sherlock Holmes von Ian Carrington

3039 – Der verschwundene Seemann von Michael Buttler

3040 – Der unheimliche Mönch von Thomas Tippner

3041 – Die Bande der Maskenfrösche von Ian Carrington

3042 – Auf falscher Fährte von James Crawford

James Crawford

SHERLOCK HOLMESAuf falscher Fährte

Basierend auf den Charakteren vonSir Arthur Conan Doyle

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Mario HeyerLogo: Mark FreierVignette: iStock.com/neyro2008Satz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-241-7

Die Ermordung der Königin

Mein Freund Sherlock Holmes unterbrach sein hingebungsvolles Geigenspiel. Bislang hatte er am Fenster gestanden, scheinbar völlig versunken in eine komplizierte Melodie – er brach abrupt ab und legte die Geige in den Kasten.

„Wir sollten unsere Hausjacken ausziehen, Watson. In wenigen Augenblicken wird man um meine Hilfe bitten, und es scheint sich um eine dringende Angelegenheit zu handeln.“

„Wie kommen Sie denn darauf, Holmes? Es ist ein gemütlicher Sonntagmorgen, wir können in aller Ruhe das Frühstück genießen – obwohl ich mich doch darüber wundere, dass Sie schon am Vormittag zur Geige gegriffen haben.“

„Ich versuchte, eine komplizierte Gleichung zu lösen“, erwiderte er schroff und forderte mich mit einer ungeduldigen Handbewegung zur Eile auf.

In diesem Augenblick erklang unten die Türklingel.

Seufzend erhob ich mich. „Woher wussten Sie ...“

„Später, Watson. Der gute Mann wird uns einige Neuig­keiten mitteilen.“

Während ich nebenan meinen Hausrock ablegte und zum Jackett griff, waren die Schritte von Mrs. Hudson auf der Treppe zu hören.

„Mister Holmes, da ist ein Richard Lansing, der Sie in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen wünscht. Soll ich ihn hinaufschicken?“

Holmes rieb sich in Vorfreude die Hände und lächelte. „Aber ja, Mistress Hudson. Wäre es möglich, ein zusätzliches Gedeck für den Gentleman aufzulegen? Er hat heute Nacht nicht viel geschlafen und wird Appetit auf ein Frühstück haben.“

Mrs. Hudson nickte und murmelte etwas vor sich hin.

„Holmes, wollen Sie mir nicht endlich verraten ...“

„Still, Mister Lansing wird uns gleich alles erzählen.“

Richard Lansing mochte Mitte vierzig sein, er trug einen dunklen Anzug mit gestreiften Hosen. Seine Krawatte wirkte etwas nachlässig gebunden, sein Jackett wies eine Menge Falten auf, und sein Händedruck war fest, aber die Hand war eiskalt. Unter den Augen lagen tiefe Schatten, und der Scheitel des braunen Haars war in Unordnung geraten.

„Nehmen Sie Platz, Mister Lansing, Sie können uns beim Frühstück erzählen, was Sie dermaßen in Unruhe versetzt hat. Der künstlerische Leiter von Madame ­Tussauds Wachsfigurenkabinett verlässt normalerweise nicht seinen Arbeitsplatz, und er legt auch keine Nachtschicht an einem Wochenende ein.“

Völlig perplex ließ sich Lansing auf dem angebotenen Stuhl nieder und starrte Holmes an wie ein Mondkalb.

„Ich verstehe nicht ... woher wissen Sie ... sind wir uns schon einmal begegnet, Sir ... wie kommen Sie darauf ...“

„Das ist durchaus kein Hexenwerk. – Ah, da ist unsere gute Mistress Hudson mit einem Gedeck für Sie, Sir. Sie trinken doch Kaffee?“

Lansing nickte stumm. Holmes sah sich zu einer Erklärung genötigt, die er nur zu gerne abgab.

„Sie hielten auf der gegenüberliegenden Straßenseite inne und überlegten, ob es eine andere Möglichkeit gibt, Ihr Problem zu lösen. Die tiefen Schatten unter den Augen, die leicht derangierte Kleidung und die auffallende Blässe deuten darauf hin, dass Sie in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und mit höchst unangenehmen Tatsachen konfrontiert wurden. Der mittlere Knopf Ihrer Weste ist nur halb geschlossen, die Taschenuhr steckt nicht richtig, und ihre Krawatte hat, statt des üblichen Knotens, nur eine hastig geschlungene Schlaufe. Auf dem linken Ärmel befindet sich ein glänzender Wachsfleck, ebenso auf Ihrem linken Schuh. Sie hatten keine Zeit, sich gründlich zu rasieren, also muss das Ereignis im Wachsfigurenkabinett heute Nacht stattgefunden haben. Dafür spricht auch, dass der Duft von Kaffee und frischen Brötchen Ihre Lebensgeister geweckt hat.“

Lansing schüttelte den Kopf. „Es ist unfassbar, was Ihnen diese kleinen Details alles verraten, Mister ­Holmes, und bisher haben Sie recht.“ Er trank einen großen Schluck des brüllend heißen Kaffees, ohne mit der Wimper zu zucken. „Aber woher wollen Sie wissen, in welcher Funktion ich tätig bin? Sie werden verzeihen, aber diese Aussage ist sehr kühn, Sir, es sei denn, Sie hätten bereits mit unserem Haus zu tun gehabt.“

Auch Holmes genoss einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse zurück auf den Tisch. „Madame Tussaud befindet sich zurzeit nicht in London, und ihr Sohn ist mit anderen Dingen beschäftigt, soweit mir bekannt ist. Der Geschäftsführer des Kabinetts dürfte gerade mit der Polizei zu tun haben. Daraus folgt, dass im Wachsfigurenkabinett eingebrochen wurde und mindestens eines der Modelle betroffen ist – ebenso wie Sie, Sir.“

Lansing holte tief Luft. „Es ist wahrhaftig nicht übertrieben, was man von Ihnen berichtet, Mister Holmes. Sie scheinen das meiste schon zu wissen, ohne dass ich ein Wort gesagt habe. Erstaunlich.“

Mit gutem Appetit verzehrte er eines von Mrs. ­Hudsons kleinen, selbst gebackenen Brötchen, dann räusperte er sich.

„Heute Morgen gegen vier wurde ich aus dem Schlaf getrommelt. Ein Polizist auf Nachtstreife hatte bemerkt, dass die Hintertür des Gebäudes offen stand. Er ging hinein, um unseren Nachtwächter darauf aufmerksam zu machen – aber das war nicht möglich. Jon Frazier, unser Nachtwächter, lag tot in seinem Blut. Daraufhin verständigte der Constable sofort seine Vorgesetzten, gleichzeitig ließ man Mister Marks, den Geschäfts­führer, und mich verständigen. Als ich durch die Ausstellung ging, stellte ich fest, dass man zwei Modelle entwendet hat. Aber etwas anderes ist viel schlimmer. Man hat Ihre Majestät, Königin Victoria, enthauptet!“

Holmes schien diese Aussage regelrecht zu genießen. Er lehnte sich zurück, legte die Fingerspitzen seiner Hände zusammen und lächelte. „Ich verstehe das richtig? Man hat das Wachsmodell Ihrer Majestät geköpft und zwei weitere Modelle gestohlen? Wen stellen die Modelle dar?“

„Verstehen Sie denn nicht, Mister Holmes, das ist ein Attentat auf Ihre Majestät – das ist Hochverrat!“ Lansing schnappte nach Luft, und auch mir war äußerst unwohl zumute. Königin Victoria war das Oberhaupt unseres Landes, sowohl in körperlicher wie in geistlicher Weise, ein Angriff auf sie – oder auch nur auf das Modell – war ein Angriff auf das ganze Empire.

Das schien Holmes jedoch nur wenig zu interessieren, für ihn waren die entwendeten Modelle deutlich wichtiger.

„Ja, ich bin sicher, dass sich Scotland Yard um diesen Hochverrat kümmern wird, Mister Lansing. Man hat dort sehr fähige Leute. Also noch einmal: Wen stellen die entwendeten Modelle dar?“

„Lord Melbourne und Sir Robert Peel.“

Holmes hob die Augenbrauen. „Zwei ehemalige Premier­minister unter Ihrer Majestät. Das ist durchaus interessant.“

„Und was werden Sie jetzt unternehmen, Mister ­Holmes? Sie müssen doch irgendetwas tun! Stellen Sie sich vor, der Mörder würde auf die lebende Königin losgehen ...“

„Sie meinen, er hat an der Puppe nur geübt?“, wandte ich ein und sah fassungsloses Entsetzen im Gesicht des künstlerischen Direktors.

„Puppe?“, ächzte er. „Wir bevorzugen den Begriff Modell oder den wahren Namen, Sir.“

„Watson, Sie machen dem guten Mann Angst. Beschränken Sie sich doch bitte auf wesentliche Tat­sachen“, rügte mein Freund.

„Aber ich halte das für eine wesentliche Tatsache, ­Holmes.“

Er zeigte ein nachsichtiges Lächeln. „Der Täter hat zu anderen Zeiten und an anderen Orten geübt. Ich werde Ihnen sagen, was ich tun werde, Mister Lansing. Ich werde mir den Tatort ansehen. Watson, begleiten Sie mich bitte.“

„Ich komme selbstverständlich auch mit“, beeilte sich Richard Lansing zu versichern.

Vor dem Eingang zum Wachsfigurenkabinett stand bereits eine Reihe von Besuchern, denen zunehmende Ungeduld im Gesicht abzulesen war.

„Wäre es nicht klüger, das Kabinett heute geschlossen zu halten? Unzufriedene Gäste sind keine gute Propaganda“, schlug ich vor.

„Wir können doch nicht einfach schließen ... wir sind doch ... darüber muss Mister Marks entscheiden.“ ­Lansing öffnete mit einem Schlüssel den Personaleingang, und wir betraten eine der wunderlichsten Ausstellungen, die unser Empire zu bieten hatte. Lebensgroß und lebensecht waren die Modelle, bekleidet oftmals mit den Anzügen und Roben, die die lebenden Originale zur Verfügung stellten. Tote und lebende Politiker neben berühmten Verbrechern, Musikern und berühmten Schauspielern, wie zum Beispiel die göttliche Sarah Bernhardt. Erstaunlich, aber auch erschreckend, wie lebendig diese Nachbildungen wirkten.

Wir hörten Menschen miteinander sprechen, eine Stimme klang erregt – Inspector Lestrade.

„... nicht einfach für Besucher öffnen. Damit werden alle möglichen Spuren zerstört, Sir. Ich fordere Sie dringend auf, die Ausstellung für heute zu schließen – oder wenigstens bis Mittag, damit meine Leute ...“

„Ohne eine gerichtliche Anordnung denke ich gar nicht daran“, ereiferte sich jemand anderes. Das war also ­Francis Marks, der Geschäftsführer, wie ich jetzt erkennen konnte. Er wirkte unauffällig, grauer Anzug ohne Besonderheiten, helle Haare ohne besondere Färbung, ein nichtssagendes Gesicht – er sah so aufregend aus wie ein seriöser Bankier, war aber noch erstaunlich jung. Er fuhr fort, sich gegen die Anweisung von Lestrade zu wehren.

„Mir scheint, Scotland Yard nimmt die ganze Angelegenheit nicht wirklich ernst. Da ist es ein Glücksfall, dass ich bereits einen Detektiv engagiert habe ...“

„Holmes? Was machen Sie denn hier?“ Der Inspector hatte uns bemerkt und verzog das Gesicht wie im Zahnschmerz.

„Was tue ich hier? Nun, vielleicht das Gleiche wie Sie, verehrter Inspector, ich sichte den Tatort.“

Der Geschäftsführer trat nun vor und reichte Holmes die Hand. „Guten Morgen, Sir, auch wenn der Morgen vielleicht nicht wirklich gut ist. Ich bin außerordentlich dankbar, dass Sie sich sofort hierherbemüht haben. – Lansing, was stehen Sie noch hier? Gehen Sie und bringen Sie Ihre Majestät wieder in Ordnung, wenigstens provisorisch. Die Leiche wurde zum Glück bereits entfernt, nicht auszudenken, wenn Frazier hier noch liegen würde. Aber wir können die Ausstellung doch nicht ohne die Königin ...“

Holmes hob die Hand, Marks verstummte, und ­Lestrade atmete unmerklich auf.

„Die Besucher müssen heute auf Ihre Majestät verzichten, Mister Marks. Zeigen Sie mir bitte den Raum, in dem sie sich befindet. Ist es möglich, den Bereich gegen Zuschauer zu sperren? Ich vermute, Lord Melbourne und Sir Robert Peel sind ebenfalls in diesem Saal?“

„Sie waren“, korrigierte Marks düster.

„Holmes, so einfach geht das nicht“, protestierte Lestrade. „Sie können doch nicht einer polizeilichen Untersuchung vorgreifen. Durch die Öffnung für Besucher könnten wichtige Spuren verloren gehen.“

Holmes blickte den Polizisten an und nickte verständnisvoll. „Ich gebe Ihnen völlig darin recht, Inspector, dass hier mit Sicherheit Spuren zu finden sind. Aus diesem Grund soll der fragliche Bereich abgesperrt werden. Oder gab es Anzeichen, dass die Einbrecher auch in anderen Räumen gewütet haben, Mister Marks? Mister Lansing? Wurde sonst noch etwas entwendet?“

Einmütiges Kopfschütteln. Lestrade gab sich geschlagen.

Lansing und Marks beeilten sich, den Thronsaal mit dicken schweren Vorhängen abzutrennen. Lestrade ließ seine Polizisten draußen, nur er, Holmes und ich betraten diesen Saal, und ich schaute mich interessiert um.

Königin Victoria und ihr Prinzgemahl Albert standen auf einem erhöhten Podest. Seine Hoheit trug einen eleganten Anzug, ein Hemd mit Spitzenbesatz und die ihm zustehenden Orden und Ehrenabzeichen am Jackett. Ihre Majestät zeigte sich in einem weißen Kleid mit zartrosafarbenen Blumen am Rand. Mehrere Lagen hauchzarter Stoff und eine Oberschicht aus Spitze und Seide vollendeten das Arrangement. Die blaue Schärpe der Königin war mit einer auffälligen Brosche an der Brust fixiert. Man hatte die beiden Personen zu einer Zeit hergestellt, da der Prinzgemahl noch lebte. Seit seinem Tod trug unsere verehrte Königin nur noch Schwarz und hatte sich geweigert, eine aktuelle Version von sich anfertigen zu lassen. Aber diese junge Ausgabe unserer Königin hier war ganz eindeutig kopflos. Der lag einige Schritte entfernt, das wertvolle Diadem wie auch die dazu passende Halskette lagen am Boden.

„Der Schmuck ist selbstverständlich kopiert, aber auch dafür kann man eine ordentliche Menge Geld bekommen“, meinte Marks.

Holmes zeigte ein schmales Lächeln. „Wer würde diese Nachbildungen haben wollen, Mister Marks? Die Steine an sich sind fast wertlos, aber als komplettes Ensemble könnte man damit nicht auftreten, jeder würde den Schmuck sofort erkennen. Den Einbrechern ging es nicht um irgendwelche Wertsachen.“

Der Detektiv ließ seine Blicke schweifen, keine Einzelheit entging ihm, wie ich sehr wohl wusste.

„Gibt es hier ein Schwert?“, fragte Holmes. „Nicht diesen Zierdegen, den Prinz Albert da trägt.“

Er verlor kein Wort darüber, dass Prinz Albert in jugendlicher Frische dargestellt war, obwohl er bereits seit 1854 tot war.

„Ein Schwert? Nein, Sir, wir haben hier nirgendwo echte Waffen. Viel zu gefährlich.“

„Holmes, haben Sie das gesehen?“ Inspector Lestrade beugte sich vor und musterte den Boden. „Hier standen die beiden Premierminister, und die waren auf dem Boden befestigt?“

„Das muss so sein“, wandte Lansing ein. „Es kann bei Gedränge schon mal vorkommen, dass jemand gegen ein Modell stößt – oder das auch mutwillig tut. Wir haben Schrauben im Boden, und Zwischenräume werden mit Wachs geschlossen.“

„Welche Zwischenräume?“, fragte Lestrade verständnis­los.

Lansing beeilte sich, zu antworten. „Die Schuhe werden mit diesen Schrauben fixiert, aber auch die Füße selbst erhalten dadurch zusätzlichen Halt. Man muss von oben arbeiten, also die Schrauben auch mit dem Fuß verankern, danach werden die Löcher wieder mit Wachs geschlossen.“

„So interessant Ihre Ausführungen auch sein mögen“, mischte sich Holmes ungeduldig ein, „können Sie mir bestätigen, dass die Modelle nicht einfach durch bloßes Umkippen aus den Verankerungen gelöst werden können?“

„Das bestätige ich gerne, schließlich wissen wir genau, was wir tun“, erwiderte Marks etwas pikiert.

„Hat Madame Tussaud diese Vorgehensweise von Anfang an genutzt?“

„Nein, Sir“, sagte der Geschäftsführer. „Wir sind erst dazu übergegangen, als mehrere Modelle gestürzt waren und stark beschädigt wurden. – Warum ist das für Sie so wichtig?“

„Weil die Täter ganz genau wussten, was sie erwartet, und welche Hilfsmittel sie benutzen mussten. Man muss also ein Schwert, ein großes Messer oder eine Säge ...“ Holmes unterbrach sich und betrachtete die Schnittstelle am Hals der Königin genauer, nahm dann die Stellplätze der Premierminister in Augenschein. Es gab keine überstehenden Schrauben, nur die kleinen Löcher und einige Streifen auf dem Teppich, dazu einige Krümel aus Wachs, mehr war nicht zu sehen.

„Zwei Werkzeuge“, stellte Holmes nachdenklich fest. „Die Täter haben ein sehr scharfes Messer oder eine Säge und natürlich Schraubendreher benutzt, beides Gegenstände, die man nicht zufällig in der Hosentasche mit sich führt. Diese Sache war von langer Hand geplant.“

Holmes schaute sich um. „Die Täter sind durch den Hintereingang gekommen, das ist nicht der ­Personaleingang, den wir genutzt haben.“

„Richtig, Sir, durch den Hintereingang erhalten wir auch unsere Lieferungen, die Türen sind im Normalfall fest verschlossen. Aber diese Tür war heute Nacht angelehnt, und der Polizist draußen bemerkte es.“

„Am Personaleingang waren keine Einbruchspuren am Schloss. Außerdem glaube ich nicht, dass durch die schmale Tür die doch recht sperrigen Modelle bugsiert werden konnten. Der Hintereingang war also der Weg der Einbrecher, doch auch da gibt es keine Einbruchsspuren. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass ein Modell das durchschnittliche Gewicht eines Menschen erreicht?“

„Ja, Sir, das stimmt in etwa. Aber was wollen Sie damit sagen?“

„Jemand hat von hier drinnen mitgeholfen.“

Für einen Augenblick entstand lähmende Stille.

„Völlig unmöglich“, stieß der Geschäftsführer schließlich hervor. „Für alle Angestellten lege ich die Hand ins Feuer.“

„Dabei hat sich schon so mancher verbrannt“, knurrte Lestrade.

Holmes hob wie beiläufig etwas vom Boden auf und steckte es in die Tasche. „Ich denke, ich habe genug gesehen“, sagte er dann uninteressiert. Ich glaubte, mich verhört zu haben, und auch Lestrade wirkte irritiert.

„Was soll denn das, Holmes? Wollen Sie nicht ...“

„Weitere Spuren suchen? Ach nein, ich glaube nicht, dass hier noch viel zu holen ist.“

„Und Ihre Behauptung, jemand von hier sei beteiligt, Sir?“, grollte Marks.

„Ich werde versuchen, auf meine Weise den Tätern auf die Spur zu kommen. Inspector Lestrade übernimmt die polizeiliche Ermittlung und wird Ihnen sagen, wann Sie die Königin reparieren und hier wieder öffnen können.“

Er drehte sich um und gab mir ein Zeichen.

„Sir!“ Noch einmal Marks. „Wer hat uns das angetan? Wo sind unsere Modelle? Ist das etwa Ihre Art zu arbeiten? Wenn Sie Erkenntnisse haben, dann sagen Sie es mir. Wer ist dafür verantwortlich?“

Holmes drehte langsam den Kopf, bis er Marks ins Gesicht schauen konnte. „Das, Sir, ist in der Tat die entscheidende Frage.“

Auf der Rückfahrt sprach Holmes kein Wort, versank vielmehr in dumpfem Brüten und starrte ins Leere. Diesen Zustand kannte ich bei meinem Freund, er beschäftigte sich mit dem Fall und ging in Gedanken alle Möglichkeiten durch – auch die abwegigen. Wie hatte er einmal zu mir gesagt? „Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.“

Nun, ich hatte im Wachsfigurenkabinett gar nichts entdeckt, was zur Lösung des Falles beitragen könnte, und Lestrade vermutlich auch nicht. Er machte jedenfalls einen etwas ratlosen Eindruck auf mich.

Die Kutsche hielt in der Baker Street 221b, aber ­Holmes war noch nicht in die Wirklichkeit zurückgekehrt. Ich bezahlte den Kutscher, zerrte den Detektiv heraus, etwas verwirrt schaute er mich an.

„Was wissen Sie über den Improvement-Club1?“

Ich stutzte. „Das ist ein Herrenclub, dessen Mitglieder hauptsächlich Offiziere sind, die im Afghanistan-Krieg gedient haben.“

„Was ist da noch, Watson? Was stimmt mit den Männern nicht?“ Er kam wie immer auf den Punkt, über den man nicht gerne redet.

„Warum fragen Sie überhaupt? Wie kommen Sie eigentlich auf diesem obskuren Club? Ich wüsste nicht, dass wir jemals darüber gesprochen hätten.“

„Haben wir auch nicht. Also?“

Ich steckte die Bruchstücke der Erinnerungen zusammen. „Es handelt sich um Offiziere der mittleren Laufbahn, Aufsteiger, wenn man so will. Keine Adligen. Nun, die meisten von ihnen würde ich zornig oder unzufrieden nennen, sie wollen quasi einen Fortschritt, eine Verbesserung, mit Gewalt erzwingen. Diese Männer haben keine weiteren Aufstiegschancen, sind häufig verwundet worden oder wurden von Vorgesetzten in ein Gemetzel geschickt. Sie klagen die Regierung an, man würde sie als Kanonenfutter einsetzen. Je höher der Alkoholpegel steigt, umso absurder werden die Vorschläge, wie man an den bestehenden Verhältnissen etwas ändern kann.“

Holmes sperrte die Haustür auf. „Mistress Hudson, wir brauchen dringend einen Tee“, rief er mit lauter Stimme.

„Ich bin nicht Ihr Dienstmädchen, Mister Holmes“, meldete sie sich unwillig.

„Aber Sie sind die beste aller Hauswirtinnen, die ich je kennengelernt habe, Mistress Hudson.“

Für einen Augenblick erschien ihr helles Gesicht im Halbdunkel des Hausflurs. „Und Sie sind ein unver­besserlicher Schmeichler. Der Tee kommt gleich.“

„Wann waren Sie das letzte Mal im Improvement-Club, Watson?“

„Also ich – wie kommen Sie darauf ... ich war doch ...“

Holmes grinste mich offen an. „Kommen Sie, ­Watson, Ihre Beschreibung der Mitglieder klingt wie eine Charakter­studie von Ihnen selbst.“

„Also wirklich, Holmes, Sie übertreiben!“

„Wann, Watson?“

„Vor einigen Monaten. Aber ich verstehe noch immer nicht, wie Sie ausgerechnet auf den Improvement-Club kommen.“

Holmes hatte unterdessen sein Jackett ausgezogen und setzte sich in seinen Lieblingssessel. Er streckte mir ein Stück Papier entgegen, eine Visitenkarte des Improvement-­Clubs, vertreten durch den Vorstand, Miles Macintosh.

Ich überlegte kurz, dann fiel es mir ein. „Major ­Macintosh, siebte Infanterie, wenn ich mich recht entsinne. Ein ehrgeiziger, oft zorniger Mann, dessen Karriere ein abruptes Ende fand, als er mit seinem Zug in einen Hinterhalt geriet. Nur er und sein Sergeant überlebten verletzt. Man machte ihn verantwortlich für den Tod der Männer und degradierte ihn. Das heißt, er ist jetzt nicht mehr als ein Lieutenant, lässt sich aber weiter als Major ansprechen.“

„Halten Sie ihn für fähig, einen Anschlag auf die Regierung zu planen?“

„Macintosh? Guter Gott, nein. Der könnte nicht mal den Speiseplan für eine Woche zusammenstellen. Sie glauben doch nicht, jemand aus dem Club hätte etwas mit dem Einbruch zu tun? Wie kommen Sie überhaupt darauf?“

„Nun, die Visitenkarte lag am Tatort, da stellt sich natürlich die Frage, ob jemand die Karte unabsichtlich verloren hat oder eine falsche Spur legen wollte.“

„Das kann auch ganz einfach Zufall sein. Vielleicht hat ein Besucher gestern die Karte verloren.“

„Das klingt plausibel. Würden Sie mich mitnehmen in den Improvement-Club? Heute Abend?“

„Sonntags ist ein Besuch nicht empfehlenswert, ­Holmes. Das ist der Tag, an dem ...“

„... Alkohol im Übermaß genossen wird, ich verstehe.“ Er versank wieder ins Grübeln, während ich nach vergrabenen Erinnerungen suchte und, statt diese zu finden, von anderen Bildern aus der Vergangenheit heimgesucht wurde.

„Holmes?“