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Ein hochrangiger Kolonialbeamter wird ermordet.Ein Mann entgeht nur knapp dem Henkerstrick.In einer Schule wird ein Lehrer grausam ermordet.Holmes begibt sich Gefahr für Leib und Seele.Jemand von der Regierung sucht Hilfe.Scheinbar fünf unterschiedliche Fälle, doch der Meisterdetektiv ahnt einen Zusammenhang.
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Seitenzahl: 175
Veröffentlichungsjahr: 2024
In dieser Reihe bisher erschienen:
3001 – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine von Ralph E. Vaughan
3002 – Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge von J. J. Preyer
3003 – Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand von Ronald M. Hahn
3004 – Sherlock Holmes und der Werwolf von Klaus-Peter Walter
3005 – Sherlock Holmes und der Teufel von St. James von J. J. Preyer
3006 – Dr. Watson von Michael Hardwick
3007 – Sherlock Holmes und die Drachenlady von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3008 – Sherlock Holmes jagt Hieronymus Bosch von Martin Barkawitz
3009 – Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall von Gary Lovisi
3010 – Sherlock Holmes und der Hund der Rache von Michael Hardwick
3011 – Sherlock Holmes und die indische Kette von Michael Buttler
3012 – Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic von J. J. Preyer
3013 – Sherlock Holmes und das Freimaurerkomplott von J. J. Preyer
3014 – Sherlock Holmes im Auftrag der Krone von G. G. Grandt
3015 – Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin von E. C. Watson
3016 – Sherlock Holmes und die Geheimnisse von Blackwood Castle von E. C. Watson
3017 – Sherlock Holmes und die Kaiserattentate von G. G. Grandt
3018 – Sherlock Holmes und der Wiedergänger von William Meikle
3019 – Sherlock Holmes und die Farben des Verbrechens von Rolf Krohn
3020 – Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosie‘s Hall von Michael Buttler
3021 – Sherlock Holmes und der stumme Klavierspieler von Klaus-Peter Walter
3022 – Sherlock Holmes und die Geheimwaffe von Andreas Zwengel
3023 – Sherlock Holmes und die Kombinationsmaschine von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3024 – Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers von Michael Buttler
3025 – Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3026 – Sherlock Holmes und der gefallene Kamerad von Thomas Tippner
3027 – Sherlock Holmes und der Bengalische Tiger von Michael Buttler
3028 – Der Träumer von William Meikle
3029 – Die Dolche der Kali von Marc Freund
3030 – Das Rätsel des Diskos von Phaistos von Wolfgang Schüler
3031 – Die Leiche des Meisterdetektivs von Andreas Zwengel
3032 – Der Fall des Doktor Watson von Thomas Tippner
3033 – Der Fluch der Mandragora von Ian Carrington
3034 – Der stille Tod von Ian Carrington
3035 – Ein Fall aus der Vergangenheit von Thomas Tippner
3036 – Das Ungeheuer von Michael & Molly Hardwick
3037 – Winnetous Geist von Ian Carrington
3038 – Blutsbruder Sherlock Holmes von Ian Carrington
3039 – Der verschwundene Seemann von Michael Buttler
3040 – Der unheimliche Mönch von Thomas Tippner
3041 – Die Bande der Maskenfrösche von Ian Carrington
3042 – Auf falscher Fährte von James Crawford
3043 – Auf Ehre und Gewissen von James Crawford
3044 – Der Henkerkeller von Nils Noir
3045 – Die toten Augen des Königshauses von Ian Carrington
3046 – Der grausame Gasthof von Ralph E. Vaughn
3047 – Entfernte Verwandte von Jürgen Geyer
3048 – Verrat aus dem Dunkel von James Crawford
3049 – Die Dämonenburg von Nils Noir
Die neuen Fälle des Meisterdetektivs Sherlock Holmes
Buch 48
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Copyright © 2024 BLITZ-Verlag
Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Mario Heyer
Umschlaggestaltung: Mario Heyer u.V. der KI Software Midjourney
Logo: Mark Freier
Vignette: iStock.com/neyro2008
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten.
www.blitz-verlag.de
3048v1
ISBN: 978-3-7579-7647-7
Tigeralarm
Das falsche Urteil
Schach, Matt, Mord
Flirt mit dem Tod
Familienbande
Über den Autor
„Kommen Sie, Watson, wir müssen sofort los!“, rief Sherlock Holmes.
Ich hatte mich gerade etwas hingelegt. Nach einer durchwachten Nacht bei einer besonders unter alten Leuten grassierenden Lungenkrankheit war ich rechtschaffen müde. Holmes hatte von einem Boten ein Telegramm entgegengenommen, gelesen und wollte sich auf den Weg machen – wohin auch immer.
„Gehen Sie allein, Holmes, ich brauche Ruhe.“ Gleich darauf stand er, ohne anzuklopfen, im Zimmer.
„Das wird warten müssen, Watson. Wir treffen uns mit Sir Dennis Worth.“
„Dem Berater des Verwaltungsamts für Indische Angelegenheiten?“, fragte ich.
„Er ist nicht nur ein Berater, seit letztem Sommer ist er auch wieder in London und mischt hier das Amt etwas auf.“
„Wie schön für ihn. Nun gehen Sie schon, ich bleibe hier.“
„Auf keinen Fall! Ich brauche Ihren gesunden Menschenverstand. Es handelt sich um einen medizinischen Notfall im weitesten Sinne.“
Ich glaubte ihm kein Wort. Mit so etwas würde er sich nicht befassen.
„Was haben wir damit zu tun?“, fragte ich mürrisch.
„Jemand will verhindern, dass ein Bericht öffentlich wird, in dem ein Aufstand geplant wird.“
„Das ist eine Sache für Sie, mich brauchen Sie dabei nicht.“
Holmes lachte auf. „Ohne Sie kann ich den Wahrheitsgehalt nicht überprüfen. Also los, Watson, geben Sie sich einen Ruck, schlafen können Sie später immer noch.“
„Dann bin ich wieder im Dienst.“
„Gibt es sonst keine Ärzte in London?“, knurrte er ungehalten.
Mir wurde diese sinnlose Diskussion zu viel. Holmes würde ohnehin keine Ruhe geben, also sollte ich besser nachgeben. Ächzend erhob ich mich.
„Dafür schulden Sie mir einen Gefallen. Und Gott sei Ihnen gnädig, wenn es nicht wirklich interessant ist“, knurrte ich und raffte mich auf. „Wo soll es denn hingehen?“, wollte ich dann wissen, während ich meine Kleidung in Ordnung brachte.
„In den Zoo“, erklärte Holmes, als wäre es der schönste Ort auf der Welt.
„Dort will sich Sir Dennis mit uns treffen? Ein ungewöhnlicher Ort!“
„Ein öffentlicher Ort. Keine Gefahr, dass ein unerwünschter Lauscher zuhören kann.“
„Holmes, das klingt nach Paranoia. Halten Sie es für möglich, dass der Mann an Verfolgungswahn leidet?“
„Aus diesem Grund betrachte ich das Zusammentreffen als einen medizinischen Notfall. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll, es kann auch sein, dass er mit seiner Vorsicht recht hat. Das werden wir aber nicht feststellen, wenn Sie hier noch lange trödeln. Nun beeilen Sie sich doch!“
Ich zierte mich nicht länger, nur wenige Minuten später saßen wir in einer Kutsche Richtung Zoo. Ich bin kein Freund von eingesperrten Tieren, die von Menschen begafft werden, vielleicht deshalb, weil ich viele dieser Geschöpfe in freier Wildbahn erlebt habe. Andererseits war es für viele Menschen die einzige Möglichkeit, auch mal Exoten zu betrachten wie Löwen, Tiger, Giraffen oder Elefanten. Für ein geheimnisvolles Treffen empfand ich diesen Ort als unpassend. Wie Holmes darüber dachte, wusste ich nicht. Er war tief in die eigenen Gedanken versunken und sprach während der ganzen Fahrt kein Wort. Die Kutsche hielt vor dem Haupteingang, Holmes schaute auf, drückte dem Kutscher einige Münzen in die Hand und nahm zielstrebig Kurs.
Ein Blick zur Taschenuhr. „Watson, bezahlen Sie für uns beide, bitte.“ Schon lief er mit langen Schritten in den Park, während ich den Eintrittspreis bezahlte. Suchend schaute ich mich um. Wo steckte Holmes?
Er hatte mir den genauen Treffpunkt nicht genannt. Mit einer gemurmelten Verwünschung machte ich mich auf die Suche.
Der Geruch in einem Zoo ist unbeschreiblich, die Geräusche sind fremdartig, dazwischen klang das Gebrüll von Raubkatzen auf. Wie gut, dass diese Tiere nicht frei herumliefen. Während meiner Zeit in Indien hatte ich gesehen, was Tiger und Elefanten mit Menschen anrichten können, wenn sie gereizt werden.
Plötzlich veränderte sich die Geräuschkulisse, menschliche Schreie mischten sich darunter, vermutlich Frauen, die vor Angst …
Endlich sah ich Holmes vor dem großen Elefantengehege. Ich beschleunigte. Holmes stand noch allein da, Sir Dennis Worth war noch nicht eingetroffen. Das Geschrei wurde lauter, ich schüttelte den Kopf; hysterische Frauen sollten eben nicht in den Zoo gehen. Ich sah, wie Holmes meinen Blick fand und plötzlich erstarrte. Dann machte er wilde Armbewegungen und rief etwas, was ich nicht verstehen konnte. Hinter meinem Rücken hörte ich in diesem Augenblick ein Geräusch, das mir die Glieder vor Schreck erstarren ließ: Tigergebrüll! Wieso? Das Tigergehege befand sich mehr als fünfzig Meter entfernt.
Mein Herz schlug wie wild. Ich drehte mich vorsichtig herum und sah nur einen einzelnen hastenden Mann in meiner Nähe – und einen Tiger, der genau in diesem Moment sprang. Der Geruch der Raubkatze betäubte mich fast. Ein unmenschlicher Schrei ertönte, der Tiger hatte den Mann niedergerissen. Trotz Gegenwehr hat ein Mensch keine Chance gegen eine ausgewachsene Raubkatze, so auch hier. Das mächtige Gebiss schloss sich fast ganz um den Kopf des Mannes, der Schrei brach abrupt ab.
Ich erhielt einen heftigen Stoß, dann zerrte mich jemand grob zu Seite. „Laufen Sie, Watson!“, brüllte mich Holmes an. Er hielt auf das Reptilienhaus zu, blieb dann aber nach einem Blick über die Schulter abrupt stehen. Auch ich drehte mich um.
Ein Mann in traditioneller indischer Tracht mit einem beeindruckenden Schnurrbart stand nur wenige Meter von der entwischen Raubkatze entfernt, ein langläufiges Gewehr im Anschlag. Der Tiger, durch das Menschenblut in der Jagdlust angestachelt, richtete sein Augenmerk auf den Angreifer, das nächste Opfer. Noch bevor sich der große Körper zum Sprung erhoben hatte, fiel der erste Schuss – mitten ins Herz, gleich darauf der zweite, zielgenau ins Auge.
Ein letztes verzweifeltes Brüllen, das mit einem gequälten Ächzen abbrach, ein Laut, wie ich ihn noch nie gehört hatte. Ich glaubte, den Boden beben zu spüren, als der gewaltige Körper auf die Erde schlug.
„Ein hervorragender Schütze“, stellte Holmes ungerührt fest. „Nur können wir Sir Dennis jetzt nicht mehr fragen, was er uns sagen wollte, der Tiger hat ihn getötet.“
„Dann haben Sie mich getäuscht, Holmes, Sie wollten gar nicht meine Expertise? Tun Sie das nie wieder, noch einmal könnte ich Ihnen das nicht verzeihen.“
Ich ging näher an das Massaker heran, aber ich hätte gar nicht nachschauen müssen, niemand überlebt den Angriff eines Tigers. Doch natürlich musste alles seine Ordnung haben, und da ich der einzige Arzt vor Ort war, oblag es mir, einen Totenschein mit dem Todeszeitpunkt auszufüllen.
Zwei Zoowärter hatten sich übergeben, als sie den schrecklich zugerichteten Toten sahen. Bis zur Ankunft der Mannschaft aus dem Beerdigungsinstitut deckte ich die Leiche notdürftig mit meinem Mantel ab.
Holmes stand einige Schritte entfernt und schaute sich suchend um. Dann lief er hastig davon, kehrte aber nach kurzer Zeit zurück. Endlich tauchten zwei Männer ganz in Schwarz mit einer Bahre auf. Sie schienen den blutigen Tatort kaum zu sehen. Sie verzogen keine Miene und luden den Toten auf, wobei deutlich wurde, dass der Kopf fast abgetrennt war. Ich bekam meinen Mantel zurück, blutverschmiert und abscheulich riechend, als hätte er den Geruch des toten Tieres angenommen.
„Ich beglückwünsche Sie, Sir, das waren beides Meisterschüsse“, sagte Holmes und streckte die Hand aus. „Mein Name ist Sherlock Holmes, und ich bedanke mich im Namen aller noch lebenden Besucher für Ihren Mut und Ihre Treffsicherheit. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie das nicht zum ersten Mal getan haben?“
Seit wann spielte Holmes den Einfältigen?
„Ich bin Radja Mahinandra Singh von Galinpur, mein Herr. Danke für Ihre Freundlichkeit. In meinem Land gibt es viele Tiger, regelmäßige Jagdgesellschaften sind durchaus üblich – und ja, ich habe bereits mehrere dieser Bestien geschossen.“
Ein Radja, also ein Provinzfürst, aus einer der unruhigsten Gegenden in Indien. Er hatte eine hohe Stimme für einen Mann, aber seine Aussprache war einwandfrei und seine Verbeugung tadellos.
Mittlerweile waren der Zoodirektor und Inspector Lestrade von Scotland Yard eingetroffen. Der verzog das Gesicht, als er die riesige Blutlache sah. Zum Glück war der Tote bereits weg, dieser Anblick hätte ihn noch mehr erschüttert, auch wenn man einen Toten nicht bewegen soll, bevor die Todesursache eindeutig geklärt ist.
„Ich nehme nicht an, dass Sie geschossen haben, Holmes?“, erkundigte sich Lestrade und deutete auf den Tiger.
„Nein, ganz sicher nicht. Dieser Herr war so freundlich, das zu übernehmen.“ Holmes deutete auf den Radja.
Lestrade machte eine kurze Verbeugung. „Pflegen Sie immer mit einem Gewehr in den Zoo zu gehen, Sir?“, fragte er argwöhnisch.
Der Inder lächelte. „Ich pflege überall mit dem Gewehr hinzugehen, Sir. Meine Diener tragen alles Wichtige mit sich.“ Er zeigte nach links, wo zwei Inder in ebenfalls traditioneller Kleidung standen und auf ihren Herrn schauten. Einer von ihnen trug die jetzt leere Gewehrhülle. Bevor Lestrade weiterreden konnte, setzte ein lautes Schluchzen ein. Der Zoodirektor hatte sich zunächst stumm niedergekniet und die Hände im Fell der Raubkatze vergraben, doch nun konnte er die Tränen nicht länger zurückhalten. „Wer hat dir das angetan?“, rief er verzweifelt.
Einer der Wärter wagte einen Einwand. „Sir, wir haben die Riegel ganz sicher verschlossen, es ist uns unbegreiflich, wie der Tiger entkommen konnte.“
„Jemand hat das Tor und die Gittertür geöffnet“, meldete sich Holmes, der einen überaus raschen Rundgang gemacht hatte. „Es gab keine Kratzer auf dem Schloss, und der zusätzliche Riegel war aufgeschoben. Das hat der Tiger keinesfalls selbst gemacht.“
Nun tauchten auch die unvermeidlichen Presseleute auf. Sofort wurde ein Fotoapparat aufgebaut, und der Reporter begann, Fragen an die Umstehenden zu richten, noch bevor Lestrade mit seiner eigenen Befragung angefangen hatte. Man sollte es kaum glauben, aber die Leute wollten den Nervenkitzel hautnah erleben und drängten sich in einem Kreis um den Tatort des Dramas.
Der Reporter wandte sich an den Inspector, aber der machte eine unwillige Handbewegung. „Sie werden Informationen bekommen, wenn es etwas zu sagen gibt, Mister Thompson“, knurrte er.
„Aber der Chronicle hat ein Recht darauf …“
„… etwas zu schreiben, ja“, unterbrach Lestrade brüsk. „Saugen Sie sich einfach etwas aus den Fingern, das tun Sie doch sonst auch.“
Die enttäuschte Miene des Reporters hielt nicht lange, Thompson hatte uns entdeckt. „Mister Holmes, Doktor Watson, waren Sie Augenzeugen? Was können Sie unseren Lesern darüber erzählen?“
„Ich pflege derartige Vorfälle weder mit einem Reporter noch mit Ihren Lesern zu erörtern, Mister Thompson.“ Er wandte sich Lestrade zu. „Inspector, wir verabschieden uns. Falls Sie Fragen haben, wissen Sie, wo Sie uns finden.“
Lestrade knurrte etwas Unverständliches und gab den Polizisten Anweisung, die Menschenmenge aufzulösen, bis auf die direkten Augenzeugen.
„Nun, da wir uns nicht mehr mit Sir Dennis unterhalten können, sollten wir seiner Witwe einen Besuch abstatten.“
„Holmes“, fuhr ich auf. „Die Frau weiß noch gar nicht, dass ihr Mann tot ist, und Sie wollen sie mit der Todesnachricht und unangenehmen Fragen überfallen?“
„Ach, die Todesnachricht überlasse ich gerne Ihnen. Wie Sie immer sagen, mir fehlt es an Takt und Mitgefühl.“
* * *
Es war eine mehr als unliebsame Unterredung. Das Gespräch mit Mrs. Worth, die nicht die Ehefrau, sondern die Schwester des Toten war, besaß einige Brisanz. Sir Dennis war bis vor Kurzem als Sekretär des Generalgouverneurs und Vizekönigs von Indien tätig gewesen. Nun, die richtige Umschreibung wäre: Einer der Sekretäre. Als solcher hatte er Zugang zu geheimen und streng geheimen Berichten. Darunter war auch eine Information der Kundschafter, einer Sondereinsatzgruppe des Militärs, deren Mitglieder auch verdeckt arbeiteten. Diese Kundschafter brachten immer wieder Informationen, die brisant genug waren, um die Armee in Alarmzustand zu versetzen, aber nicht immer wurden die Aussagen ernst genommen. Genau um einen solchen Fall ging es hier. Angeblich sollte sich eine Gruppe einflussreicher Inder verbündet haben, um einen Aufstand anzuführen, mit dem wir verhassten Engländer aus dem Land gejagt werden sollten. Ein beispielloses Blutbad wäre die Folge, außerdem konnte ich wirklich nicht verstehen, wie man auf ein zivilisiertes Leben mit Ordnung, Technik und Fortschritt verzichten wollte.
Wie Mrs. Worth betonte, sei der Vizekönig von diesem Vorfall nicht einmal unterrichtet worden, weil der zuständige Kommandant die Sache nicht ernst nahm. Sir Dennis war vor einiger Zeit verbittert nach London zurückgekehrt. Er hatte am Tag zuvor jemanden aus Indien gesehen, der offenbar etwas mit dieser Verschwörung zu tun hatte. Aber warum meldete er das nicht dem militärischen Oberkommando? Warum wollte er Holmes sprechen? Der schien sich diese Frage nicht zu stellen. Wie auch früher schon stellte Holmes einer Frau gegenüber seine Fragen, als wäre sie ein lebloses Ding, eine Sache. Er hatte sie mit Fragen förmlich überrollt. Sie hatte die Todesnachricht noch gar nicht wirklich begriffen. Aber schließlich stand Holmes auf und zeigte einen winzigen Anflug von Anstand.
„Ich versichere Sie meines vollen Mitgefühls für Ihren schweren Verlust.“
Die zierliche kleine Frau in einem viel zu eng geschnürten Korsett schaute auf. „Verlust? O ja, Verlust …“ Sie stieß einen Schrei aus und brach weinend zusammen.
Ich wollte mich um sie kümmern, aber Holmes deutete auf das Hausmädchen. „Sie wird sich kümmern und kann die Verwandtschaft verständigen. Kommen Sie.“
Nicht zum ersten Mal ärgerte ich mich über die kalte Art und Gefühllosigkeit, in diesem Fall machte mich das besonders betroffen. Das sagte ich ihm in deutlichen Worten, als wir in der Kutsche auf der Rückfahrt waren.
„Ach was, Watson, haben Sie nicht bemerkt, dass Mistress Worth regelrecht froh über den Tod ihres Bruders ist? Ich nehme an, er hat sie ziemlich bevormundet, sodass sie bis jetzt noch nicht einmal verheiratet ist. Ist Ihnen aufgefallen, dass das Kleid seit mehr als zehn Jahren aus der Mode ist? Die Möbel sind alt, allerdings gut gepflegt. Der kleine Beistelltisch hat ein kaputtes Bein, jeder andere hätte das längst reparieren lassen, doch offenbar hat Sir Dennis unter einem fatalen Geiz gelitten. Oder es war wirklich kein Geld vorhanden. Auf jeden Fall kann sie jetzt endlich ihr eigenes Leben in die Hände nehmen und sich auf die Suche nach einem passablen Gatten machen. Nun seien Sie doch nicht so zimperlich, Watson.“
Nun, ich hatte nicht bemerkt, dass die Frau erleichtert war, doch ich zweifelte nicht einen Augenblick an diesen Worten, also wechselte ich einfach das Thema.
„Sie haben gute Verbindungen zum Geheimdienst und dem militärischen Oberkommando“, begann ich.
Holmes lachte bitter auf. „Man würde mich auslachen, sollte ich es wagen, mit dieser Nachricht dort anzukommen. Diese Informationen wurden bereits als nicht relevant verworfen, wie könnte ich als militärischer Laie ein Urteil darüber abgeben? Zumal ich diese Information nicht einmal besitzen dürfte. Nein, Watson, wir werden nun selbst etwas herausfinden müssen, wenn uns daran liegt. Im Übrigen – ich mag Kontakte zu den Kommandierenden haben – Sie hingegen besitzen Freunde unter den Soldaten und Offizieren. Die haben Kenntnisse über Land und Leute und die Stimmung in der Truppe.“ Er schwieg einen Moment. „Sir Dennis muss noch etwas mehr gewusst haben, sonst hätte er unser Treffen nicht so dringend gewünscht. Also sollten wir zunächst herausfinden, was das war, und das führt uns zu demjenigen, der den Tigerkäfig geöffnet hat.“
„Was hat eigentlich der Inder vollständig bewaffnet im Zoo gesucht? War diese Zufälligkeit nicht ein bisschen zu auffällig? Holmes, da stimmt etwas nicht. Ich jedenfalls finde das eher auffällig statt zufällig.“
„So sollte es auch aussehen“, bekam ich zur Antwort.
„Was heißt das?“
„Radja Singh weiß vermutlich, welche hochrangigen Inder hinter diesem Plan stecken. Ich bin überzeugt davon, dass er nicht einmal zufällig in England ist. Entweder will er sich bei unserer Königin einschmeicheln, indem er die Sache verrät und die Leute ausliefert, oder …“
„… er gehört selbst dazu und wollte einen Verräter ausschalten, wenn das mit dem Tiger nicht klappt“, wandte ich ein.
Holmes blickte auf. „Kluge Überlegung, Watson, wenn auch grundfalsch. Ich wollte sagen: oder er schaltet diese Gruppe aus, um in Indien selbst einen Aufstand vorzubereiten. Der wäre dann allerdings gut geplant und würde sicher nicht verraten.“
„Man kann ihm also nicht trauen, egal, was ihn antreibt“, stellte ich fest.
„Würden Sie tatsächlich einem indischen Potentaten trauen?“, fragte Holmes ehrlich erstaunt.
„Nach allem, was ich erlebt habe? Nein! Vertrauen kann man einigen der Gurkhas und Sepoys, aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt.“
„Lassen Sie das den Vizekönig nicht hören“, meinte Holmes kalt lächelnd.
„Ich werde morgen in meinem Club gehen, Holmes. Vielleicht erfahre ich etwas.“
„Fragen Sie nicht direkt, Watson. Fragen Sie nach Sir Dennis, den Sie rein theoretisch kennen könnten. Erkundigen Sie sich, ob er in den letzten Tagen mit jemandem Kontakt aufgenommen hat. Mit Offizieren, Kolonialbeamten, wem auch immer. Beteiligen Sie sich nicht an Spekulationen, hören Sie einfach zu.“
„Ich bin kein Dummkopf, Holmes“, sagte ich verärgert.
„Wie bitte? Oh, ich habe laut gedacht, wie ich vorgehen würde. Kommen Sie, Watson, wir haben noch eine Menge zu tun.“
Unsere Kutsche hielt nicht in der Baker Street, sondern in Whitechapel.
„Wir besuchen Singhal Rahman, einen sehr ehrenwerten Inder, Rechtsanwalt, zugelassen sogar im ehrwürdigen Old Bailey. Soweit ich das sagen kann, ist er überaus vertrauenswürdig. Sein Vater ist übrigens Kommandeur der königlich-indischen Ehrengarde. Wenn jemand etwas weiß, dann Rahman. Ob er allerdings etwas sagt, ist eine andere Frage.“
„Kennen Sie ihn gut?“
„Nicht gut genug, wie ich fürchte, aber ich habe ihm einmal bei einer delikaten Angelegenheit geholfen. Vielleicht reicht das aus.“
* * *
Anwalt Singhal Rahman war leider nicht da gewesen, doch sein Sekretär hatte unseren Besuch vermerkt. Gerade als ich mich am nächsten Tag auf den Weg in meinen Club machen wollte, klingelte es. Singhal Rahman Esq. wünschte uns zu sprechen.
Holmes war erfreut, ich hingegen betrachtete den noch recht jungen Mann mit gesunder Skepsis. Doch Rahman sah mir mit offenem Blick ins Gesicht und reichte mir die Hand.
„Ich habe von Ihnen gehört, Doktor Watson. Bei Verletzten machen Sie keine Unterschiede. Ein Verwandter von mir, Asal Sadhukan, verdankt Ihnen sein Leben.“