Sieben Gespräche über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit - Kyrill von Alexandria - E-Book

Sieben Gespräche über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit E-Book

Kyrill von Alexandria

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Beschreibung

Kyrill von Alexandria lebte von ca. 376 bis 444 und war von 412 bis zu seinem Tode Patriarch von Alexandria. Er wurde inthronisiert, als die Stadt auf dem Höhepunkt ihres Einflusses und ihrer Macht innerhalb des Römischen Reiches stand. Kyrill schrieb viel und war ein führender Protagonist in den christologischen Kontroversen des späten 4. und 5. Jahrhunderts. Er war eine zentrale Figur auf dem Konzil von Ephesus im Jahr 431, das zur Absetzung von Nestorius als Patriarch von Konstantinopel führte. Kyrill wird zu den Kirchenvätern gezählt, und sein Ansehen innerhalb der christlichen Welt führte zu seinem Titel "Säule des Glaubens." Der römische Kaiser Theodosius II. verurteilte ihn jedoch, weil er sich wie ein "stolzer Pharao" verhielt, und die nestorianischen Bischöfe erklärten ihn auf ihrer Synode auf dem Konzil von Ephesus zum Ketzer und bezeichneten ihn als ein "Ungeheuer, geboren und aufgewachsen zur Zerstörung der Kirche." Dieses Werk gehört zu seinen wichtigsten Abhandlungen.

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Sieben Gespräche über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit

 

KYRILL VON ALEXANDRIA

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Sieben Gespräche über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit, Kyrill von Alexandria

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660307

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorwort.2

Erstes Gespräch. Daß der Sohn Gott dem Vater wesensgleich und gleichewig ist.3

Zweites Gespräch Daß der Sohn  gleichewig ist mit Gott dem Vater  und der Natur nach aus ihm gezeugt.34

Drittes Gespräch. Daß der Sohn  wahrer Gott ist wie auch der Vater.78

Viertes Gespräch. Daß der Sohn  kein Geschöpf und Gebilde sei.120

Fünftes Gespräch. Daß die Eigenschaften und die Herrlichkeit der Gottheit von Natur aus im Sohne sind wie auch im Vater.161

Sechstes Gespräch. Daß die Eigenschaften der Menschheit und das, was nicht ganz Gottes würdig vom Sohne gesagt ist, vielmehr der Menschwerdung zukommen und nicht der Natur des Sohnes an sich, sofern er als Gott gedacht ist und es ist.201

Siebentes Gespräch. Vom heiligen Geiste,  daß er Gott ist und aus Gott von Natur.243

Fußnoten. 271

 

 

Sieben Gespräche über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Sieben Gespräche über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Sieben Gespräche über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit (De sancta Trinitate dialogi VII) In: Ausgewählte Schriften des Cyrillus, Erzbischof und Patriarch von Alexandrien / aus dem Urtexte übers. von Heinrich Hand. (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 58), Kempten 1879. Unter der Mitarbeit von: Uwe Holtmann und Rudolf Heumann.

 

 

 

Vorwort.

 Schwer zu erfassen sind die göttlichen Dinge auch für Diejenigen, die sehr geübt und befähigt sind, die Geheimnisse betrachten und das allen Verstand Übersteigende doch wenigstens im Spiegel und Räthsel, wie Paulus sagt,1 schauen zu können. Ein sehr grober menschlicher Verstand aber ist nicht im Stande, bei der Feinheit der Gedanken mit nebenherzugehen. Darum ist es sehr bedenklich, von den göttlichen Dingen zu reden, und sehr weise, hierin wenigstens das Schweigen zu wählen; indeß ist es doch nicht straflos für Diejenigen, die den Auftrag haben, zu lehren. Und Dieses wohl wissend sprach der heilige Paulus:2 „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ Ich habe mich also an die Zusammenschreibung des vorliegenden Buches gemacht und für dich, o lerneifrigster Bruder Nemesius, wieder die Abhandlung über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit ausgearbeitet. Im Allgemeinen und Besonderen aber haben wir unsere Gedanken über jeden der Fragepunkte zusammengetragen und in sieben Gesprächen den ganzen Leib des Buches zusammengestellt und es dem höchst trefflichen Hermias als einem sehr gelehrten  und über derlei Dinge sehr viel forschenden Manne gewidmet. Die Rede ist nachläßig, bewegt sich aber in Frage und Antwort zwischen zwei Personen, und das Zeichen des Ersten ist A, der erste der Buchstaben, des Zweiten aber B. Denn da die Feinheit in den Untersuchungen sehr groß ist, so war, damit durch die Fragen und Antworten das zu Prüfende dargelegt und scharf widerlegt würde, die Einführung der Personen nöthig. Man muß also die vorangestellten Buchstaben derselben fleissig beachten. Denn so werden wir die unvermischte und in der besten Ordnung liegende Erfindung der Gedanken und die Anordnung und Bedeutung des ganzen Buches beobachten. Ich wünsche dir Lebewohl im Herrn, Geliebter.

 

 

 

 

Erstes Gespräch. Daß der Sohn Gott dem Vater wesensgleich und gleichewig ist.

 

1.

 A. Unseren ehrwürdigen3 Hermias konnten wir gestern und vorgestern nicht sehen, da es ihm weder öffentlich aufzutreten beliebte, wie mir scheint, noch überhaupt auszugehen; aber dich scheuchte gewiß das stürmische Wetter zu Hause. Ein solches Verhalten war ja auch ganz natürlich. Jetzt aber hat dich kaum das herrliche, schöne Wetter sichtbar gemacht.

B. Du sprichst wahr. Das Alter ist ja immer unaufgelegt und zum Ausgehen höchst langsam, besonders wenn es regnet.

A. Witzig also und gerade heraus redend könnte man dich, wenn man wollte, den Fischen im Meere vergleichen, welche, wenn ein wilder und tosender Wind den Wogenandrang aufrührt und sausend niederstürzt, einzeln sowohl als schaarenweise in die Schlupfwinkel in der Tiefe sich ergießen und, wie in einen Wald oder dichtes Gebüsch sich  bergend, ihre Sicherheit suchen; wenn aber der Schimmer des Sonnenstrahles auf den Wellen schwimmt und sie bereits wieder das ganze Meer gleichsam lachen sehen, herauf kommen und herauf schwimmen und auf den oberen Wellen springen mit Ablegung der Furcht sowohl als der Trägheit.

B. Du sollst wissen, mein Lieber, daß es sich mit mir in der That nicht anders als so verhält.

A. Von der Menge aber und von Geschäften bist du indessen weit entfernt und am Herde ist das Gemüth dir ruhig, wie ich glaube.

B. Und was ergibt sich daraus?

A. Ein gar großer und für Fromme sich geziemender Nutzen. Oder werden wir nicht auch der Ruhe etwas Gutes zuschreiben?

B. O ja, gewiß.

A. Das durch göttliche Eingebung zur psallirenden Leier gesungene Lied wird ja in der That diese Ansicht als vollkommen wahr erweisen.

B. Was für eines meinst du?

A. „Ruhet und erkennet, daß ich Gott bin!“4 Denn das körperliche Auge, wenn es von Staub und Rauch und Allem, was sonst es trüben kann, frei ist, gewährt Dem, was ihm aufzustoßen pflegt, eine leichte und ungehinderte Wirksamkeit; wenn aber irgend ein Leiden es beschädigt, wird es weniger, als es soll, seinen Gegenständen sich zuwenden, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß es bisweilen auch seiner Schärfe ermangeln wird. Auch der menschliche Geist, wenn er ruhig ist und gesetzt und von eitler und schmutziger Phantasie sich fern zu halten gewohnt, sieht scharf und klar und gewinnt eine irrthumsfreie Erkenntniß des Seienden (Wirklichen); wenn er aber durch irgend ein Gebrechen stumpf wird, wird er selbst die göttliche Schönheit nicht sehen, sondern gleichsam auf das  Irdische sich hinsetzen wie die naßgewordenen Spatzen, die durch die Gebundenheit am Flug in die Höhe gehindert sind.

B. Du hast Recht.

A. Du meinst also doch, o Hermias, während du müssig zu Hause weiltest, daß es sich geziemte, dieses göttlichen Ausspruches eingedenk zu sein? Auch sind dir so zu sagen seit gestern und vordem heilige Bücher in Händen und ein sehr großer Lerneifer ist deinem Geiste eingepflanzt, der wie einen feinnasigen Spürhund dich treibt zur Jagd nach Dem, was zu wissen sich ziemt. Oder vielleicht auch werden wir die Ursachen der Unlust an einer derartigen Arbeit dem über die Jugend des Leibes bereits hinausgehenden Alter zuschreiben, oder wirst du wenigstens etwas Anderes sagen, auch wenn es nicht wahr ist? Ich aber möchte dich auf’s freundlichste5 schelten und etwa sagen, ein alter Mensch lüge gern und verlange noch dazu, daß man Das, was er will und sagt, höchst bereitwillig gläubig annehme.

B. Viel zwar hätte ich zu klagen über die Schwäche des Leibes; denn wir sind bereits an der Neige des Lebens angekommen; aber Solches jetzt bei Seite lassend will ich also das Nothwendige sagen. Wißbegierig nämlich ist mein Geist zwar gewissermaßen immer, und er trachtet vielleicht nach Nichts als nach Dem allein; aber wie ein edles und schnellläufiges Füllen, obwohl es die Kraft der Füße zeigen will, durch die Unebenheiten der Felder auch wider Willen genöthigt wird, den Erweis seiner Stärke für abgeschnitten zu halten: auf dieselbe Weise, meine ich, hindern auch mich, der ich von einer warmen und unhemmbaren Neigung eingenommen bin, mich eifrig mit den heiligen Schriften zu beschäftigen, die unzugänglichen und unwegsamen Stellen, die nicht, wie man vermuthen möchte, einen  einfachen und gut gebahnten Zugang haben, der Denen, die ihn nehmen wollen, offen stünde. So scheucht also gleichsam das schwierige Terrain den Geist bisweilen zur Trägheit herab; vor allen anderen aber scheue ich am allermeisten noch die Untersuchung über den Glauben, obwohl er die Grundlage unserer Hoffnung ist.

A. Nun ja denn, ich will dir ja beistimmen, wenn du Recht hast. Indeß ist doch Jedem klar, daß man sich den Besitz eines der von oben kommenden und von Gott geschenkten Güter nicht wohl ohne Schweiß, meine ich, verschaffen kann. Denn was ganz übernatürlich ist und eine hochragende Herrlichkeit hat, ist nicht Allen zugänglich, sondern nicht leicht zu erreichen, schwer hineinzukommen und steil und mit allerlei Schwierigkeit und Mühe verbunden.

B. Was sollen dann Diejenigen thun, die ein Verlangen und eine Neigung haben nach diesen herrlichen und schönen Dingen, die aber zu erringen so schwierig ist?

  

2.

A. Was Anderes meinst du, daß sie thun sollen, als den Reden der Heiligen gehorchen, welche recht sehr (uns) zurufen:6 „Wenn Einer von euch an Weisheit Mangel hat, erbitte er sie von Gott, der Allen ohne weiters gibt und es nicht vorrückt, und sie wird ihm gegeben werden“? Denn von dem göttlichen und geistigen Lichte wird doch gewiß erleuchtet, was des Lichtes entbehrt, und fürwahr, auch die Weisheit macht weise, was der Einsicht und Weisheit ermangelt. Als Licht aber und Weisheit ist Christus zu denken, „der unsere Herzen erleuchtet hat, um seine Erkenntniß leuchten zu lassen“.7 Denn Gott, der Vater, „hat uns errettet,“ wie der heilige Paulus sagt,8 „aus der Gewalt der Finsterniß und uns versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe,“ im Lichte. Und fürwahr, auch „Tagesanbruch“ hat ihn einer der Heiligen genannt und  Morgenstern überdieß. Denn er sagt:9 „Bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eueren Herzen,“ indem er Tagesanbruch und aufgehenden Morgenstern nannte, wie ich meine, die Erleuchtung durch Christus im Geiste.

B. Allerdings, daß Christus Licht sei und in der That auch Tag und Glanz10 und Morgenstern Derer, die einmal zu den im Glauben Berufenen gehören, wird wohl Niemand bezweifeln. Wenn wir nun aber bitten würden, würdest du uns wohl in ganz übersichtlicher Weise die unverfälschte und irrthumslose Lehre des Glaubens darlegen, oder wirst du dich weigern, zu reden, und die mir zur Gewohnheit gewordene Bedenklichkeit ebenfalls in Ehren halten? Denn tausendfältig sind die Faseleien von Vielen, welche die richtige Lehre der Wahrheit trügerisch auf schlaue Weise verkehren nach ihrem Gutdünken und wilden Wespen gleich Städte und Landstriche durchfliegend gewaltigen Lärm machen, indem sie Dinge reden, die aus ihrem eigenen Herzen kommen und nicht aus dem Munde des Herrn, wie geschrieben steht.11

A. Wie bewundere ich dich, o Guter, wegen deiner unvergleichlichen Gottesliebe und bitte ich dich, niemals abzulassen von der so richtigen und höchst lobenswerthen Gesinnung! Indeß, o Freund, kannst du ganz ohne Mühe und in umfassender Weise Das erlangen, was du liebst, und ich behaupte nicht den geistigen Sinn ausgeforscht zu haben, als verspräche ich etwas Besseres als unsere Vorfahren zu sagen und zu lehren. Denn hinreichend, hinreichend sind die Schriften der heiligen Väter hierüber, und wenn Einer mit diesen sich verständig beschäftigen und aufmerksam abgeben wollte, so möchte er wohl alsbald den  eigenen Geist mit dem göttlichen Lichte erfüllen. Denn nicht sie selbst waren es, die in ihnen redeten.12 „Jede von Gott eingegebene Schrift aber ist auch nützlich.“13 Oder nicht?

B. Ja, auch Das ist wahr. Aber wenn du selbst zögern und gar nicht mithelfen, sondern gleichsam die Zunge inner den Zähnen verschließend rathen wirst, Nichts zu thun, indem du Das, daß über dergleichen Dinge die Väter uns hinreichend und zur Genüge gesprochen haben, als unumstößlichen und unbestreitbaren Vorwand Denen entgegenzustellen suchst, welche hierüber gern Etwas hören möchten, so werde ich wohl dieses Verhalten nicht loben und bitte, mir auf meine Frage zu antworten.

A. Was willst du denn von mir erfragen? Verhöhne doch nicht meinen geringen Verstand, o Trefflicher!

B. Höhnen ist meine Absicht nicht, daran fehlt viel; antworte aber und halte mich nicht auf schlaue Weise ab von der Jagd nach Dem, was ich von dir zu erfragen wünsche.

A. Aber frage doch einmal, wenn es dir beliebt.

B. Wenn es Einem der Unsrigen gefiele, etwa die Feldschafe oder Ziegen zu hüten, meinst du nicht, er brauche einen Krummstab und Hunde, damit er selbst es vertreibe, wenn etwa eines der wilden Thiere heranspränge, diese aber durch ihr Gebell zum voraus Schrecken einjagend die Keckheit des Angriffes verhindern und die Heerde unverletzt bewahren?

A. Du hast Recht.

B. Wenn es sich nun im Zeitverlauf zutrüge, daß einige der Hunde sterben und der Hirt andere einführte, ist dann bei den zweiten das Bellen und die Wachsamkeit überflüssig, da doch die früheren hiedurch in Ansehen zu stehen schienen?

 A. Und wie sollte man, was nützlich ist, für überflüssig halten oder erklären?

B. Wirst dann du selber ohne Vorwurf schweigen, der du uns nur auf die Schriften der Väter anweisest, indem du sagst, ihren vortrefflichen Arbeiten gleichkommen zu wollen sei eine vergebliche Sache, da indessen die ungeschlachten Häretiker mit thür- und thorlosem Munde die Seelen der Einfältigen aufzehren?

A. Nun, da mich ein heftiges Verlangen erfaßte (denn nicht wenig ermuntert und hinreichend aufgefordert zur Übernahme der Mühe bin ich durch deine Worte, mein Bester), wohlan denn, wollen wir also die genau und sorgfältig gefaßten Beschlüsse der heiligen und allberühmten Synode, die seiner Zeit in der Stadt Nicäa versammelt war, vornehmen und sehen, wenn es beliebt, was den Häretikern nicht tadellos zu sein scheint. Denn wenn Jemand den von jener heiligen und großen Synode auf’s Beste und mit Gott festgestellten und ausgelegten Glauben für die feste und unerschütterliche Grundlage und Stütze unserer Seelen erklären will, so wird er ganz Recht haben und wird Lob erlangen bei Christus und als treuester und wahrer Anbeter leuchten. Wörtlich aber sei uns aufgeschrieben das göttliche und höchst ehrwürdige Orakel jener heiligen Synode, das heißt das durch die sorgfältigsten Erwägungen geglättete und ausgearbeitete Symbolum des Glaubens, damit Denen, die gern über unsere Geschwätzigkeit schmähen, durchaus kein Anlaß bleibe, als haschten wir nach fremden Lehren und unterließen es, den königlichen Weg zu gehen, beugten aber ab nach der anderen Seite, bloß nach dem eigenen Gutdünken. Denn Das möchte wohl auch ich selbst für eine unbehandelbare Geisteskrankheit erklären. Denn „die ungeprüfte Weisheit irrt“, wie geschrieben steht.14 Die Auslegung des Glaubens aber lautet also: Wir glauben an einen Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer alles  Sichtbaren und Unsichtbaren; und an einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, geboren als Eingeborener aus dem Vater, das heißt aus der Wesenheit desselben, Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahren Gott vom wahren Gott; gezeugt, nicht gemacht, wesensgleich mit dem Vater, durch welchen Alles geworden ist, sowohl was im Himmel als was auf Erden ist; der wegen uns Menschen und wegen unseres Heiles herabkam und Fleisch annahm und Mensch wurde, der litt und begraben wurde und auferstand am dritten Tage; der zu Himmel fuhr und kommen wird zu richten Lebendige und Todte; und an den heiligen Geist. Die aber sagen: „Es war einmal, da er nicht war,“ oder: „Er war nicht, bevor er geboren wurde,“ oder: „Aus dem Nichtsein ist er geworden,“ oder die sagen, der Sohn Gottes sei aus einer anderen Hypostase oder Substanz oder geschaffen oder wandelbar oder veränderlich, Solche belegt die katholische und apostolische Kirche mit dem Banne.

B. Ah, der lauteren und bis zur höchsten Vollendung gekommenen Nüchternheit! Boanerges, das heißt Donnerssohn, wird, meine ich, Jeder von Denen genannt werden, die Dieses festgestellt haben. Denn etwas Ausserordentliches und Übernatürliches haben sie ausgesprochen.

  

3.

A. Auf’s Beste also glaube ich so mich umgesehen und gethan zu haben. Denn nichts Anderes als Dieß zu denken und auf der Zunge zu haben, sondern vielmehr dem Urtheile und den Reden, die durch den heiligen Geist erdacht sind, zu folgen, Das möchte ich, wisse es wohl, über Alles schätzen.

B. Du hast Recht. Aber du wirst die Gegner nicht überreden, das Gleiche wie du denken zu wollen. Denn wie heerdescheue und wilde Kälber laufen sie keck dahin nach ihrem Gutdünken, und gleichsam die beste und in der That ganz schöne Weide bei Seite lassend streben sie nach Dornen und Stacheln, indem sie die Reden unverständiger Irrlehrer abweiden, über welche vielleicht auch das Wort der  Weisheit selbst geweint hat. Denn es heißt:15 „O ihr, die ihr die geraden Wege verlassen habt, um auf Wegen der Finsterniß zu wandeln, die ihr am Bösen euch ergötzet und euch freuet an böser Verkehrung, deren Pfade krumm und deren Gleise gebogen sind!“

A. Du hast Recht. Es geziemte sich wohl auch, sie sehr zu beklagen, indem wir mit dem Propheten Jeremias sagen:16 „Wer wird meinem Haupte Wasser geben und meinen Augen einen Thränenquell, und ich werde dieses Volk beweinen Tag und Nacht?" Denn wer, da es ihm doch frei stand, die Erkenntniß der Wahrheit zu erwählen, unverständiger Weise auswich zu Trug und Verderbniß und zu unheiligen Irrlehren, wie sollte Der nicht im Übrigen beweinenswerth sein? „Sie sind zwar von uns ausgegangen,“ wie Einer von den heiligen Jüngern des Heilandes im Briefe geschrieben hat,17 „aber sie waren nicht aus uns. Denn wenn sie aus uns gewesen wären, wären sie bei uns geblieben.“ Worin nun aber belieben sie auch den so richtigen und höchst genauen und keinerlei Berichtigung bedürftigen Glauben oder das Bekenntniß des Glaubens zu tadeln?

B. Ja, sagen sie, wir werden nämlich mit Recht den Ausdruck „wesensgleich“ (homousios) tadeln, indem wir behaupten, er sei neutönend und ungeschrieben, das heißt nicht in den heiligen Schriften enthalten.

A. Höchst unverständig wohl möchten sie Dieses sagen, o Freund! Denn der Ausdruck ist durchaus nicht anstößig, wofern überhaupt wahr ist, was durch ihn bezeichnet wird. Oder wirst du nicht auch selbst zugeben, daß es wahr ist, was ich sage?

B. Allerdings.

A. Siehe also zu, ob wir nicht auch andere dergleichen Ausdrücke der Natur Gottes bisweilen zuzueignen  pflegen, die gleichwohl den heiligen und göttlichen Schriften unbekannt sind!

B. Welche meinst du denn?

A. Wird wohl, wenn Einer Gott unkörperlich und gestaltlos, ohne Quantität und Größe nennt, seine Rede über das Richtige hinausgehen? Wenn er ihn aber auch unbegrenzt und unbeherrscht nennt, wird wohl Jemand meinen, er sage Nichts von dem Nothwendigen, da er gleichwohl das Wahre meint?

B. In der That, Das wäre doch wohl eine Albernheit.

A. Was also brauchten sie vielmehr mit vorschneller Keckheit auf knabenhafte Weise das „wesensgleich“ zu tadeln, indem sie das Fremde und Ungewohnte des so bezeichnenden und philosophischen Ausdruckes bemängeln, da ja doch die Sache wahr ist und auch zugestanden von Denen wenigstens, welche die göttlichen Dinge genau verstehen und unterwiesen sind in den Geheimnissen; denn der für uns aus der Wesenheit Gottes des Vaters selbst stammende Sohn wird doch nicht von anderer Natur sein, wie sie meinen, noch auch fremd dem Erzeuger, sondern wesensgleich mit ihm, von gleicher Beschaffenheit und Natur. Denn ich werde mich keineswegs schämen, jeden Ausdruck zu gebrauchen, der zur Bezeichnung Dessen, was richtig und wahr ist, dient. Denn zwar über Gattung und Art bildenden Unterschied ist Gott durchaus erhaben; allein wenn wir Das abweisen wollten, wodurch Jemand doch wohl zu einer wenn auch geringen Erkenntniß der über Alles erhabenen Wesenheit geführt werden dürfte, so werden wir dadurch ungläubig und unwissend sein, von nirgends her unterwiesen, wer der wesentliche und wahrhaftige Gott ist, sondern „gleichsam den Wellen preisgegeben und umhergetrieben von jedem Winde,“ wie geschrieben steht.18 Wenn wir es aber scheuen und zurückweisen, und zwar überhaupts, wenigstens  „im Spiegel und Räthsel zu schauen und theilweise zu erkennen,“19 dann werden wir doch wohl alle tauben und empfindungslosen Steinen gleich sein, „eine unnütze Last des Erdbodens,“ wie Einer der griechischen Dichter gesagt hat.

B. Aber wo denn, sagen sie, nennt die Schrift das „wesensgleich“?

A. Daß wir zur nämlichen Rede zurückkehren, verlangst du, mein Bester! Denn wo nennt sie den Gott des Alls unkörperlich und gestaltlos und unbegrenzt und unbeherrscht? Aber er ist Dieß seiner Natur nach, auch wenn Jene es nicht wollten. Wenn wir also richtig denken wollen, so dürfen wir ja doch nicht die zur Erkenntniß der Wahrheit führenden Bezeichnungen verwerfen. Oder sollten sie denn etwa nicht glauben, daß Gott nicht gelogen habe, wenn er zu dem ehrwürdigen Moses sagte:20 „Ich bin der Seiende.“ Denn „Dieß ist mein Name,“ sprach er, „und mein Merkmal auf ewig von Geschlecht zu Geschlecht.“ Aber ich meine ja doch, sie sollten nicht so weit in der Bornirtheit gekommen sein, daß sie sogar zu denken wagten, daß Gott nicht der Seiende sei. Denn seiend ist er in Wahrheit, und so zu heissen geziemt sich für ihn und für ihn allein im höchsten und eigentlichen Sinne, wenn auch auf Anderes vielleicht im uneigentlichen Sinne der Name übergeht. Hieraus aber, sagen wir, sei auch der Name „Wesenheit“ ( οὐσία [ousia] — Seinsheit) von den Alten gebildet worden, und mit vollem Rechte, so daß, wenn auch Jemand den Sohn als ebenbürtig und wesensgleich (seinsgleich) mit dem Vater bezeichnet, wir von ihm nicht denken werden, er habe gleichsam in der Namengebung eine ungewohnte Neuerung eingeführt, sondern er wird sich dieses Ausdruckes bedienen als eines solchen, der in der heiligen Schrift wenigstens so zu sagen die ersten Sitze einnimmt. Denn die abgeleiteten Namen haben ihren Stamm durchaus  nicht in sich selbst, nach eigener Satzung, sondern entspringen gleichsam aus ihrer Wurzel auch in den Anfängen. Wenn sie also behaupten, das „wesensgleich“ sei ausser Übung und dem heiligen Sprachgebrauch, so sind sie gewiß ungerecht gegen die rechtmäßige Art der Namensableitung. Denn aus dem Seienden stammt Seinsheit (Wesenheit) und seinsgleich (wesensgleich). Indem sie aber so sehr unwissend sind, heben sie zugleich mit diesem Ausdrucke auch die anderen auf, durch welche es uns möglich sein dürfte, wenigstens doch im Spiegel und Räthsel zu sehen und schwache Vorstellungen von der Gottheit in den Geist aufzunehmen.

B. Wie nun, wenn sie zwar nicht, der Sohn sei dem Vater wesensgleich, wohl aber sagen würden, er sei ihm wesensähnlich?

  

4.

A. Nicht richtig werden sie sprechen, mein Bester, sondern für’s Erste werden sie als sich selbst widersprechend gefangen werden, da sie ja den Ausdruck als unschriftgemäß verwerfen. Denn ob man nun meine, daß man den Sohn wesensgleich oder, wenn Dieß durchaus nicht, daß man ihn wesensähnlich nennen müsse, nichtsdestoweniger läuft uns durch beide Bezeichnungen der Name „Wesenheit“ neben herein. Indem sie aber den Ausdruck für falsch erklären, das „wesensgleich“ nämlich, und ihn als unächt, irrthümlich, mit den heiligen Schriften nicht übereinstimmend und als was nicht noch Alles verschreien, lassen sie ihn wieder zu und schreiben ihn unter die am allermeisten beglaubigten. Wenn man es ihnen also auch hingehen ließe, zu sagen, der Sohn sei dem Vater wesensähnlich, was scheinen dir dann wohl diese Leute zu thun?

B. Nicht wenig ungerecht zu sein und die Bedeutung jenes21  Ausdruckes zu fürchten, während er doch trefflich und sehr klar das Wahre anzeigt.

A. Glaube nur nicht, daß es sich anders als so verhalte, mein Lieber; jugendlich übermüthig aber gleichsam auf ihre lose Geschwätzigkeit und die höchst unheiligen Lehren ihrer Führer schneiden sie den Sohn ab von seinem natürlichen Verhältniß und Verwandtschaft zu Gott dem Vater und lassen ihn kaum, vielleicht noch aus Mitleid, eine Nachbildung und Ähnlichkeit mit ihm haben, damit er endlich als wenig verschieden erscheine von Dem, was nach seinem Bilde geschaffen oder wenigstens in Bezug auf die Beschaffenheit der Sitten gleichsam nach der göttlichen und lauteren Schönheit ausgebildet ist.

B. Wie meinst du Das?

A. Hörst du denn nicht, mein Lieber, daß Christus befiehlt und sehr deutlich sagt: „Werdet barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel es ist“?22

B. Jawohl.

A. Verstehst du also nicht, daß auch die Beschaffenheit der Sitten uns eine Gestalt gibt und durch die wirkliche Tugend gewissermaßen der göttliche Charakter uns eingeprägt wird? Denn die Gottheit ist auf nicht nachgebildete und wesenhafte Weise gut; daß aber als Dieses [sc. gut] nachahmungsweise auch wir selbst erscheinen durch Betragen und Sitten, gehört doch wohl zu den Möglichkeiten, wenn wir das Streben und Trachten nach allem Vortrefflichen freiwillig erwählen. Denn wir werden ja doch nicht meinen, wenn wir an Verstand und Herz im Rechten sind, daß Diejenigen, welche das göttliche Ebenbild, durch die Beschaffenheit ihrer Sitten schimmernd, in ihren Seelen haben, eine wesenhafte und unveränderliche Ähnlichkeit mit ihm haben, die bis zur durchgängigen Gleichheit mit seinen Eigenschaften fortginge und sich erstreckte, da wir ja damit zugeben würden, daß Gott uns selber ähnlich sei, indem  überhaupt Nichts einen trennenden Unterschied mache. Wir sind nämlich geschaffen nach seinem Bilde und Gleichnisse.23 Allein so verhält es sich nicht; viel wenigstens fehlt auch daran; denn unendlich viel liegt dazwischen. Wir nämlich sind nicht einfach von Natur, die Gottheit aber ist durchaus einfach und ohne Zusammensetzung, reich aber ist das Allvollkommene an sich selbst und bedarf Nichts. Alle körperliche Natur aber ist zusammengesetzt aus Theilen, die zur Erfüllung eines vollkommenen Wesens zusammentreffen. Und wir sind aus Erde, wenigstens dem Fleische nach, verweslich und verwelklich, Gräsern gleich und den Lilien des Feldes ähnlich; Gott aber ist hierüber erhaben. Und leicht umkehrbar ist des Menschen Seele und hat verschiedene Wandlungen, sowohl vom Guten zum Schlechten als von der Schlechtigkeit wieder zum Guten. Befestiget aber gleichsam und fest gegründet ist Gott in seinen Gütern, einen Übergang zu Anderem zu erleiden unfähig; und wesenhaft ist seine Festigkeit, nicht ein Erwerb freiwilliger Sicherheit. Es ist also offenbar, daß für die Geschöpfe die Ähnlichkeit mit Gott keine natürliche ist, sondern gewissermaßen im Handeln und in der Beschaffenheit der Sitten sich zeigt.

B. Diese Ansicht dürfte wohl richtig sein, da ja sowohl von den Engeln diejenigen, welche ihren Anfang nicht bewahrten, als auch wir selbst der Verwandtschaft mit Gott verlustig gingen, an der Natur aber nicht beschädigt wurden. Denn wir sind keineswegs in das völlige Nichtsein dahingegangen, sondern wir existiren, auch ohne den Besitz der Tugend. Der Erkenntniß einer gewissen Wissenschaft und Kunst aber durch die allzu große Leichtigkeit und Hinneigung zum Bösen verlustig geworden sind wir zur Annahme des Früheren wieder berufen worden durch Christus, der uns umbildet, um zu jener ersten und urbildlichen Schönheit erneuert zu werden. Und wir sagen doch nicht,  daß er uns eine solche Herrlichkeit zu erreichen gebe, als gingen wir aus der Menschheit in eine andere Natur über, sondern weil wir aus einer schlechten Willensrichtung umgeändert werden, das Bessere thun und denken zu wollen.

  

5.

A. Es ist also einleuchtend, o Hermias: wenn die Merkmale des göttlichen Ebenbildes in uns leuchten, sofern wir gerne geneigt sind, das Gute thun zu wollen, wie du auch selbst soeben zugegeben hast, so sind wir doch nicht unverschieden von Gott durch die Ähnlichkeit mit ihm. Denn wenn es sich wirklich so verhielte, so würde Nichts hindern, daß wir derselben Natur wären mit dem Schöpfer. Denn was eine durchgängige natürliche Ähnlichkeit mit einander hat, Das wird, glaube ich, kein Grund von der natürlichen Verwandtschaft zu einander scheiden. Oder ist denn etwa nicht der Engel dem Engel und ein Mensch dem anderen an und für sich der Natur nach ähnlich?

B. So ist es.

A. Indem also sie, die nur das Verkehrte denken, das „wesensgleich“, obwohl es die Identität der Natur sehr gut ausdrückt, als schaal bei Seite lassen, lassen sie das von ihnen Erfundene, nämlich das „wesensähnlich“, sehr gerne zu, indem sie dem „Worte“ eine äussere24 Ebenbildlichkeit beilegen; indem sie aber schlau die Schmähung verbergen, nennen sie ihn Gott und Sohn und sogar auch Heiland und Erlöser, obwohl sie durch gewisse elende Erwägungen, die sie aus der Weltweisheit hernehmen, überzeugt sind, daß er weder von Natur Sohn noch in Wahrheit Gott sei, stellen ihn aber, die Unglückseligen, sofern es wenigstens auf sie ankommt, mit den durch Willensähnlichkeit nach Gott gestalteten Menschen zusammen und rechnen ihn zur Schöpfung (Kreatur), ohne irgend eine Scheu vor dem Schöpfer von Allem, indem sie sagen, wesensgleich sei er nicht, aber wesensähnlich. Indessen warum denn doch, so könnte  Jemand und zwar ganz mit Recht sie fragen, lasset ihr, während ihr den Ausdruck verwerfet und das Ungewohnte und Fremde desselben tadelt, Den nicht unbewundert, wenn nur Einer mit euch „wesensähnlich“ sagen will? Allein ich meine, hierüber werden sie in Verlegenheit kommen. Ist es ja doch nicht schwer einzusehen, auch wenn sie es nicht sagen, daß sie die Bedeutung des „wesensgleich“ fürchten und verfälschen, nicht weil das Wort von uns,25 wie sie meinen und sagen, aus einem in der Schrift nicht stehenden Ausdruck gemacht worden ist, sondern weil es geeignet ist, die Wahrheit darzustellen, da es anzeigt, der Sohn sei nicht von anderer Natur, sondern in der That aus der Gottes des Vaters selber.

B. Du hast ganz Recht.

A. Vergessen nämlich, glaube ich, haben, wie es wenigstens scheint, die Widersacher Gottes den Ausspruch des Heilandes, der deutlich verkündet hat, daß er die Frucht der unaussprechlichen und nicht der in’s Dasein nebenhereingeführten und in der Zeit zur Existenz gelangten Natur sei. Denn „ich“, sprach er, „bin nicht von dieser Welt, ihr seid von dieser Welt.“26 Und abermals:27 „Ihr seid von unten, ich bin von oben.“ Und auch der weise Johannes schreibt von ihm:28 „Der von oben kommt, ist über Allen.“ Was sollte denn wohl das „von oben“ sein als jedenfalls „von der höchsten und Alles überragenden Natur“? Und was das „nicht von der Welt sein“, als daß er von der Verwandtschaft mit Allem, was immer geschaffen ist, verschieden ist, da er allein Gott seinen Vater zur Quelle hat?

B. Wenn sie nun aber wollten, man müsse das „von oben“ nicht so verstehen, wie du selbst jetzt gesagt hast, sondern so, daß er nicht von der unteren und irdischen Menschheit sei, sondern entweder vom Himmel etwa oder aus einer  anderen Natur, die viel besser ist als die unsrige, — was sollen wir ihnen auch hiegegen sagen?

A. Was sonst als Dieses? Was sollte man wohl noch Ausgezeichnetes in der Natur und Herrlichkeit des Sohnes erblicken, wenn sie sagen, sie verhalte sich so, wie sie auch dieselbe sich zu denken belieben? Ist denn nicht auch Jeder der heiligen Engel von oben und kommt zu uns, das heißt vom Himmel? Sehr viel höher gestellt aber als wir, wenigstens nach den der Natur inwohnenden Beziehungen, ist der „Thron“ und die „Macht“ und „Herrschaft“ und gar erst die „Seraphim“. Wenn also nichts Überragendes im Sohne ist, sondern auch er selbst in diesen natürlichen Maßverhältnissen erblickt wird, so wird er sich eben, wie ich glaube, in Nichts mehr von den vernünftigen Geschöpfen unterscheiden, welche zu Zeiten von oben zu uns kommen „als dienende Geister, abgesendet zur Dienstleistung um Derer willen, die das Heil erlangen sollen,“29 sondern gleichsam als geliehen wird die Würde der Gottheit ihn umgeben, und er wird lügen, wenn er sagt:30 „Ich bin die Wahrheit.“ Denn wo oder wie wird Das Wahrheit sein, was nicht so ist, wie es von den heiligen Schriften genannt wird? Wie aber überhaupt auch sagen sie, daß der Sohn nicht von dieser Welt sei?

B. Ich will es sagen. Wesensgleich nämlich, sagen sie, sei er zwar nicht mit Gott dem Vater; indeß, während sie ihn ich weiß nicht wie von der unaussprechlichen Natur herunterdrücken, haben sie ihm doch die Auszeichnung gegenüber der Kreatur bewahrt. Denn er sei nicht, sagen sie, ebenbürtig mit den Geschöpfen, sondern nehme gleichsam eine mittlere Stelle ein oder übersteige doch die Bedingung der [geschöpflichen] Natur, da er weder ganz nahe und wesenhaft mit dem Erzeuger zusammenhänge, noch auch durchaus zu den Niederen gehöre, das heißt zu den Geschöpfen.

  

6.

 A. Wenn sie also klar und deutlich die Natur des Sohnes angeben wollten, so würden sie, ohne mehr zu erröthen, glaube ich, sagen, daß er weder Gott ist von Natur noch auch geworden.31 Denn wenn er von der Wesenheit Gottes des Vaters sich entfernte, aber doch wieder vorzüglicher ist, als es der Natur der gewordenen Dinge gemäß ist, so hat er sicher aufgehört, wahrer Gott zu sein; wann er aber entrinnen wird, unter die Geschöpfe gezählt zu werden, weiß ich nicht.

B. Du verstehst es sehr wohl. Und endlich sagen sie zur Bekräftigung ihrer Ansicht, Mittler Gottes und der Menschen32 heisse er aus keinem anderen Grunde, als, wie ich glaube, ebendeßhalb.

A. Und was ist ungereimter als Dieses? Unsere Feinde sind Thoren, wie geschrieben steht.33 Denn wie sollten sie nicht von weiser und tadelloser Denkart soweit als möglich entfernt sein, da sie mit ihren kühlen Denkerfindungen die Lehren der Wahrheit niederkämpfen zu können wähnen? Denn unser in der That ehrwürdiger und höchst weiser Paulus oder vielmehr der gesammte Chor der Heiligen haben gleichsam eine doppelte Bewandtniß mit dem Sohne erkannt und uns überliefert, nach seiner Vereinigung mit dem Fleische, das heißt nachdem er wie wir geworden ist in vollständiger Ähnlichkeit, nur die Sünde ausgenommen. Daher stellen sie, eine bunte Unterweisung uns auswebend, den Eingeborenen bald als noch unbekleidet und den Maßverhältnissen der Schöpfung entrückt und ganz unverbunden mit unserer Natur dar, bald aber wieder als durch die Knechtsgestalt fast beschattet, aber doch unablässig haftend und festhaltend an den seiner eigenen Natur zukommenden Gütern und unveränderlich mit den Würden der Gottheit  bekränzt. Denn als immer sich gleichbleibend und unfähig, einen Schatten von Wandel und Veränderung zu erleiden, stellt ihn der vom Geiste Erleuchtete dar, da er sagt:34 „Jesus Christus, gestern und heute Derselbe und in Ewigkeit.“

B. Was soll nun Dieses gegen die Behauptungen Jener?

A. Während man in die heiligen Schriften keinen fahr- und nachlässigen Geist hineinlassen soll, spielen sie gewissermaßen in den so ehrwürdigen Sachen, abweichend ich weiß nicht wie von dem geraden Wege und ausgleitend und abschweifend auf den Seitenpfad. Denn daß man den königlichen Weg gehen solle, ist doch wohl, meine ich, nichts Anderes, als daß man weder zu weit nach rechts noch auch nach links ablenken soll. Denn schau, wie unbesonnen sie nach Gutdünken dahinfahren, ohne zu erwägen oder zu bedenken, welche von den Schriftstellen auf das nackte Wort, das heißt wie es vor der Menschwerdung ist und gedacht wird, passen, welche dagegen auf das bereits die Ähnlichkeit mit uns angezogen habende. Denn wenn sie meinen, hierauf keine Rücksicht nehmen und so ohne weiters und ohne Umschau Alles, was geschrieben ist, aufnehmen zu sollen, was hindert dann noch, sag’ mir, sie selber sollen es lehren, wenn es auch von ihm heißt, er habe gegessen und geschlafen und nicht ohne Mühe umherwandern können (denn er war ermüdet von der Reise), und was noch mehr ist als Dieß, daß er nämlich gestorben ist, [dennoch] zuzugestehen, das Wort Gottes sei nahrungsbedürftig, für Mühsal und Schwäche empfänglich und sogar auch sterbensfähig? Meinen sie also nicht, es sei uns hierin höchst nothwendig die Unterscheidung, die das für jede Zeit Geziemende gehörig auseinanderhält und sondert?

B. Höchst nothwendig; wie denn nicht?

 A. Da es sich demnach durchaus als nothwendig und höchst gut erwiesen hat, alles Einzelne, was von ihm verkündet ist, zu unterscheiden, so höre nun, wie Paulus beschreibt, was er seiner Natur nach ist; denn „der da ist,“ sagt er,35 „der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters und das Ebenbild seines Wesens und Alles trägt durch das Wort seiner Macht“. Und anderswo wieder:36 „Denn lebendig ist das Wort Gottes und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch bis zur Theilung von Seele und Leib, Gelenken und Mark; es richtet Gedanken und Gesinnungen des Herzens. Und kein Geschöpf ist unsichtbar vor ihm, sondern Alles ist nackt und aufgedeckt vor seinen Augen, an den unsere Rede sich wendet.“ Und Dieß zwar sagt er von dem Eingeborenen, sofern er noch nicht mit dem Fleische gedacht wird. Von demselben aber, sofern er bereits wie wir geworden und im Fleische war, sagt er:37 „Er hat in den Tagen seines Fleisches Gebete und Bitten mit lautem Ruf und mit Thränen an Den, der ihn vom Tode erretten konnte, gerichtet und ist erhört worden wegen seiner Ergebenheit, und obwohl er Sohn ist, hat er an Dem, was er litt, Gehorsam gelernt.“ Steht denn nicht ganz bestimmt, wenigstens nach Dem, was in beiden Stellen ausgesprochen ist, die Natur der Thatsachen mit sich selbst im Widerstreit? Der Abglanz der Herrlichkeit Gottes des Vaters, das Ebenbild des göttlichen Wesens, der Alles trägt durch das Wort seiner Macht, das lebendige, kräftige und scharfschneidige Wort, heißt es, habe Gebete und Bitten dargebracht und zwar Thränen vergießend, um den Andrang des Todes abzuwehren; allein „in den Tagen“, sagt er, „seines Fleisches“, das heißt als das Wort, das Gott ist, Fleisch wurde, gemäß den Schriften, und nicht im Menschen war wie auch in den Heiligen, in denen es wohnt durch die Theilnahme, nämlich am heiligen Geiste. Doppelt also ist die Bewandtniß mit dem  Sohne. Zuschreiben muß man ihm also als Gott, was Gottes ist, und als uns gleich geworden das Unsrige, das heißt das Menschliche. Die unpassende und nicht wohl unterscheidende Vermengung der Sachen aber muß man gar sehr verwerfen, da sie die genaue und sorgfältige Auffassung der Begriffe benimmt und die Schönheit der Wahrheit nicht wenig verunstaltet.

B. Du hast Recht.

  

7.

A. Wenn er also Mittler genannt wird, so darf man den Namen nicht für eine Bezeichnung der Wesenheit des Eingeborenen halten; Das wäre weit gefehlt, sondern man muß ihn vielmehr auf den Gehorsam Christi beziehen. Denn so wird er „niederreissen die unverständigen Rathschläge und alle Hoheit, die sich erhebt wider die Erkenntniß Gottes, und gefangen nehmen jeglichen Verstand zum Gehorsam gegen Gott,“ wie geschrieben steht.38

B. Was du sagst, ist wahr. Aber, o Trefflicher, genug hievon, da es ja auch nicht zweifelhaft ist! Gern aber möchte ich von dir erfahren, wie wir uns die Mittlerschaft des Sohnes zu denken haben. Denn Dieß wird die verführerische Lehre der Irrlehrer als schal darstellen.

A. Wohlan denn, wenn es beliebt, und es wende sich uns jetzt zu Diesem die Rede! Vor allem Anderen aber ist zu untersuchen, ob die Schrift den Sohn in den Rang eines Mittlers gestellt hat. Es sprach also Paulus:39 „Mittler zwischen Gott und Menschen (ist) der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösepreis für uns gegeben hat,“ indem er feststellt, wie ich glaube, daß keine andere Zeit der Mittlerschaft des Sohnes zukomme als die zuletzt gewesene, als, wie er selbst sagt,40 derselbe, „da er in der Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein, aber sich selbst erniedrigte,  Knechtsgestalt annehmend,“ obwohl er Gott ist und Herr, um uns durch sich selbst für Gott den Vater zu erwerben und Alles zu versöhnen, wie geschrieben steht,41 „in Frieden setzend durch sein Kreuz, sowohl was im Himmel, als was auf Erden ist,“ als Vermittler und Mensch. „Wir bitten an Christi Statt, laßt euch versöhnen mit Gott,“ sprach darum, die Rolle Christi annehmend, wiederum Paulus.42 Denn da zu der gleichsam nackten und lauteren Herrlichkeit der Gottheit hinzugelangen die Natur des Menschen nicht im Stande war, wegen der ihr inwohnenden Schwachheit, zog zu unserem Nutzen der Eingeborene die Ähnlichkeit mit uns an, um, den geheimen Willen Gottes des Vaters offenbarend, geistige Verehrer herzustellen, die nicht mehr am Schatten der Vorbilder hingen und das Nichts zu vollenden vermögende Gesetz befolgten, sondern damit, da Gott Geist ist, auch wir ihn im Geiste und in der Wahrheit anzubeten und zu verehren trachten sollten. Denn sagt nicht auch der höchst treffliche Isaias selbst,43 „ein Kind sei uns geboren worden, ein Sohn, und sein Name heisse: Engel des großen Rathschlusses“?

B. Vortrefflich gesprochen! Wenn du aber überdieß gar sehr Genüge leisten wolltest, indem du auch aus dem Alterthum Etwas zum Beweise der Mittlerschaft Christi vorbrächtest, so würde ich dir wahrhaftig den größten Dank wissen.

A. Indem wir also an den Hierophanten Moses selbst uns wenden und die Macht (den Gehalt) seiner Handlungen und Aussprüche gleichsam als leuchtendes Bild der Mittlerschaft Christi aufzurichten uns beeilen, wollen wir jetzt, richtig durchgeführt, unsere Ansicht gewissermaßen in’s Licht setzen. Denn die Gegner zu tadeln, meine ich, und ihnen immer vorzuwerfen, daß sie denken wollen, was ihnen  beliebt, auch wenn es nicht mit den heiligen Schriften übereinstimmt, und dann in den gleichen Fehlern sich zu verfangen, möchte ich wenigstens für eine der höchsten Thorheiten halten.

B. Du hast Recht.

A. Als somit die Israeliten nach Abschüttelung der Last der Zwangsdienstschaft und nach Zerbrechung des Joches der Knechtschaft das Land der Ägyptier verließen und um den Berg Sina sich ansiedelten, und es nun Gott gefiel, Gesetze als Norm ihrer Handlungen vorzuschreiben, da wurde ihnen befohlen, am Fuße des Berges sich zu versammeln, ihre Kleider zu waschen und so gereinigt zu der damals ungewohnten Gottesschau heranzutreten. Als aber Dieses, wie Moses es ihnen anbefahl, vollbracht wurde, „stieg der Herr herab in Feuersgestalt; Rauchwolken aber entwickelten sich und stiegen auf, und finsteres Gewölk war und hin- und herfahrende Feuerflammen und Finsterniß und Sturm und höchsten Schrecken einjagende Erscheinungen und durchdringender Schall von Trompeten. Und es führte Moses das Volk heraus zur Begegnung mit Gott an den Fuß des Berges.“ So steht es nämlich geschrieben.44 Ein Vorbild aber von der Mittlerschaft Christi war, glaube ich, die Sache. Denn er spricht deutlich:45 „Niemand kommt zum Vater ausser durch mich.“ Wir kommen nämlich nicht anders als durch ihn zu Gott dem Vater, jede alte Strieme wegschaffend und jede Art von Verunreinigung vorher austilgend, den Geist aber gleichsam umkleidend mit der Reinheit Christi. „Ziehet aber den Herrn Jesum Christum an!“46 spricht zu uns das göttliche Wort. So also sinnbildete die Auswaschung der Gewänder die Macht der Reinigung im Geiste. Oder hältst du nicht auch Dieses für wahr, wenigstens aus Wahrscheinlichkeit überzeugt?

B. Allerdings.

  

8.

 A. Da also Gott in Feuersgestalt herabstieg und doch eine sinnliche und den Zuschauern nicht allzu ungewohnte Herrlichkeit zeigte, hielt Israel die Schau von Angesicht zu Angesicht für ganz unerträglich; furchtsam aber und zitternd baten sie den Führer, den Moses nämlich, und sagten auch:47 „Rede du zu uns, und nicht Gott soll zu uns reden, damit wir nicht sterben!“ Siehe, deutlich riefen sie ihn an, zu vermitteln, offenbar, weil sie nicht im Stande waren, der lauteren Herrlichkeit Gottes zu nahen! Wohlan nun, gleichsam von dem deutlichen Bilde des soeben Gesagten laß uns auf den Eingeborenen kommen, welcher, da er ja nicht in der nackten göttlichen Herrlichkeit zu uns gelangen konnte, um den Willen Gottes des Vaters zu lehren, uns gleich geworden ist als Mittler Gottes und der Menschen. Denn „er ist unser Friede“, wie die Schrift sagt.48 Glaube aber, daß ich nicht lüge, wenn ich die Dienstleistung Christi mit der durch Moses vergleiche! Von daher aber, glaube ich, wirst du es leichter verstehen. Rekapitulirend nämlich im Deuteronomium die Umstände der Versammlung der Kinder Israels sagt er etwa so:49 „Du sollst vollkommen sein vor dem Herrn, deinem Gott; denn diese Völker, die du zum Erbe erhältst, werden hören auf Vorbedeutungen und Wahrsagungen; dir aber hat es der Herr, dein Gott, nicht also gegeben. Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, aus deinen Brüdern erwecken; ihn sollt ihr hören; gemäß Allem, was du verlangt hast von dem Herrn, deinem Gott, in Choreb am Tage der Versammlung, da ihr sprachet: Wir wollen nicht länger hören die Stimme des Herrn, unseres Gottes, und dieses große Feuer nicht mehr sehen, damit wir nicht sterben. Und es sprach der Herr zu mir: Richtig ist Alles, was sie geredet haben. Einen Propheten werde ich ihnen erwecken mitten aus ihren Brüdern wie dich; und ich werde mein Wort in seinen  Mund geben, und er wird zu ihnen reden, wie ich es ihm befehlen werde. Und derjenige Mensch, der etwa nicht hört auf seine Reden, die der Prophet reden wird in meinem Namen, ich werde Rache nehmen an ihm.“ Hat denn nicht deutlich, als in Vorbildern und Schatten, zur Zeit des Moses wenigstens, die menschliche Schwachheit den Gebrauch eines Vermittlers als höchst nothwendig erwiesen? Indeß ist Dieß zu beachten.

B. Was meinst du?

A. Den Moses angehend sprachen die Israeliten: „Rede du zu uns, und nicht Gott soll zu uns reden, damit wir nicht sterben!“ Und Dieß begehrten sie in Choreb am Tage der Versammlung, als Gott in Feuersgestalt war auf dem Berge Sina. Aber als ganz richtig Dieses sagend und erwägend nahm der Schöpfer sie an, und gleichsam auch die Wahrheit selbst in Bildern im voraus uns darstellend versprach er uns die Mittlerschaft durch Christus, da er sprach: „Richtig ist Alles, was sie geredet haben. Einen Propheten will ich ihnen aus der Mitte ihrer Brüder erwecken wie dich,“ einen Mittler, versteht sich, der sowohl die von oben kommenden und göttlichen Reden dollmetsche als auch dem Volke den Willen der unaussprechlichen und geheimnißvollen Natur verkünde, was man auch ganz ohne Mühe und zwar durch Christus selbst vollendet sehen kann. Er rief nämlich deutlich aus:50 „Ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der mich gesandt hat, der Vater selbst, gab mir Auftrag, was ich sagen und was ich reden soll.“ Und abermals:51 „Die Worte, die ich rede, sind nicht mein, sondern Dessen, der mich gesandt hat.“ Es schreibt aber auch der weise Johannes von ihm:52 „Wer sein Zeugniß annimmt, besiegelt es, daß Gott wahrhaft ist. Denn Der, den Gott gesandt hat, redet die Worte Gottes.“ Wirst du  nun, mein Lieber, Dem, was ich sage, Wahrheit zuerkennen, oder wirst du den Beifall verweigern?

B. Keineswegs.

A. So möge denn Dieß uns über Moses gesagt sein. Willst du, daß wir ausserdem noch etwas Anderes sagen, was uns die Weise der Mittlerschaft des Sohnes geheimnißvoll vorbildet? Oder meinst du, wir sollen Das lassen und einen anderen Weg einschlagen?

B. Aber, o Trefflicher, warum denn sollen wir, lassend, was uns in Händen ist, und wovon wir erwarten, daß es uns sehr fördern werde, auf eine andere Jagd von Gedanken gehen und eilen, da auch bei Muße Dieß zu thun doch wohl besser sein wird, wo Nichts uns hindert?

A. Ich will mich also zu Dem wenden, was dir selbst lieb ist, und nun auch reden. Kore nämlich, Dathan und Abiron stammten zwar aus dem Stamme und Geschlechte des Levi, gehörten aber nicht zu Denen, die das Priesterthum erlangt hatten, sondern zu Denen, die den Hilfsdienst vollbrachten im Zelte des Zeugnisses. Das waren aber Leviten, und Dieß war ihnen genug. Hierauf, als sie zur Unzeit nach dem Glanze der Priesterwürde dürsteten und das von Gott zugemessene Maß der Ehre unverständiger Weise nicht genehm hielten, gingen sie verrätherisch und keck auf das Höhere los und empörten die Versammlung gegen Moses und Aaron, und mit bitteren Worten auf den Sanftmüthigen zuschlagend reizten sie ihn schon einigermaßen zum Unmuth. Strafe aber erleidend für ihre Verwegenheit von Dem, der gerecht richtet, gingen sie mit ihrem ganzen Hause zu Grunde. Denn es öffnete die Erde ihren Mund und verschlang sie und ihre Kinder und ihr Vieh und Alles, was ihnen gehörte. Als aber wegen der durch Gottesgericht Gestraften aufgebracht Einige der Gleichgesinnten wie Schlangen auf die Anhänger des Moses losstürzten und über sie herfielen, wurde endlich die göttliche Natur  zum Zorne gereizt. Denn so steht geschrieben:53 „Und es redete der Herr zu Moses und Aaron, indem er sprach: Gehet hinweg aus dieser Versammlung, und ich werde sie auf einmal vertilgen! Und sie fielen auf ihr Angesicht. Und Moses sprach zu Aaron: Nimm das Rauchfaß und lege darauf Feuer vom Altar und streue darauf Räucherwerk und trag’ es schnell fort in’s Lager und bring’ eine Sühnung dar ihretwegen! Denn es ging Zorn aus von dem Angesichte des Herrn und begann das Volk zu zermalmen. Und es nahm Aaron, wie Moses ihm sagte, und lief in die Versammlung. Und schon hatte die Aufreibung im Volke begonnen; und er streute das Räucherwerk auf und brachte eine Sühne für das Volk und stand in Mitte der Todten und der Lebendigen, und die Zerstörung hörte auf.“ Ist dir nun die Sache der Mittlerschaft des Sohnes auch auf Dieses hin noch unklar, o Hermias?

B. Ja. Denn ich wenigstens meine, man müsse genau nachsehen, was durch diese Geschichte angedeutet wird. Erkläre es also; denn es wird dir nicht anstehen, auch Dieses zu übergehen.

  

9.

A. Meinst du denn nicht, daß Aaron zum Bilde und Typus des Priesterthumes unseres Heilandes gesetzt worden sei von Anfang an, er, der mit dem Talare gegürtet war und dem sogenannten Schultertuch und der goldenen Platte auf der Spitze der Stirne und den geschnittenen Steinen,54 und der, was noch beachtenswerther ist als Dieß, nur einmal des Jahres in das Allerheiligste eintreten durfte und nicht ohne Blut das Opfer für das ganze Volk vollbrachte?

B. Du hast Recht, da ja auch der heilige Paulus schreibt:55 „Christus aber kam, ein Hohepriester der  künftigen Güter, und durch ein herrlicheres und vollkommeneres Zelt, das nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist, und nicht durch das Blut von Widdern und Kälbern, sondern durch sein eigenes Blut ging er einmal ein in das Heiligthum, nachdem er eine ewige Erlösung vollbracht hatte.“ Und daß das Alte Typen waren und Schatten, Dieses aber, das heißt was durch Christus geschah, bereits ganz helle und klareste Wahrheit ist, wer von den besser Unterrichteten wird Das bezweifeln?

A. Indem wir also Christum Jesum zum Hohepriester und Apostel unseres Bekenntnisses annehmen und auf die noch etwas unschönen Schatten der Vorbilder gleichsam schon die bunten Farben der Wahrheit auftragen, so wollen wir denn sagen, daß wir, indem wir den göttlichen Lehren und den Aussprüchen des Herrn unfügsam den eigenen Willen entgegensetzten, alle, die wir diese breite und unermessene Erde bewohnen, den Schöpfer nicht wenig beleidigt haben, der uns ja doch gewährt hatte, Ehre und Herrlichkeit zu erlangen, welche die Menschen billiger Weise haben sollten. Von da kam unser Verderben, das uns aufzehrt und durch den Tod zerstört, „und es herrschte der Tod von Adam bis auf Moses auch über Diejenigen, die nicht gesündigt haben in gleicher Übertretung wie Adam;“56 „und es breitete die Hölle ihre Seele aus,“ wie der Prophet Isaias sagt,57 „und öffnete ihren Mund, um nicht auszulassen.“ Und sie hätte die ganze Erde zerstört, ihr unvermeidliches und unentrinnbares Netz ausbreitend, wenn nicht gleichsam aus dem oberen und himmlischen Zelte gemäß dem Willen Gottes des Vaters das eingeborene Wort Gottes herabgestiegen und zu uns gekommen wäre. „Denn er erniedrigte sich selbst, Knechtsgestalt annehmend,“58 damit er, sowohl als Hohepriester fungirend als auch gleichsam anstatt eines Räucheropfers sich selbst für uns Gott dem  Vater darbringend, die Zerstörung abwende. „Er stand“ nämlich, heißt es, „inmitten der Lebendigen und Todten, und die Zerstörung hörte auf.“ Kann man nun nicht auch hieraus recht gut ersehen, daß Jesus Mittler Gottes und der Menschen ist? Denn nachdem gleichsam der Kampf gelöst und alle alte Hemmmauer niedergerissen war, kam das zuvor Getrennte zusammen, nämlich Gott und Menschheit, da Christus vermittelte und das Untere mit dem Oberen verband. Und darum sagt der heilige Paulus:59 „Er ist unser Friede, der aus Beiden Eins gemacht und die Zwischenmauer der Verzäunung beseitigt hat.“ Und wiederum:60 „Gerechtfertigt also durch den Glauben haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum.“

B. Weil also der Eingeborene Das, was uns gefangen hielt und uns von der Liebe und Verwandtschaft zu Gott ausschloß, die Sünde nämlich, aus dem Wege räumte und uns zu dem Ursprünglichen zurückbrachte und „die Feindschaft aufhob“,61 soll man ihn nur und ausschließlich deßwegen als Mittler betrachten oder auch noch aus einem anderen Grunde? Sag’ es mir doch, der ich sehr gerne frage und zu lernen dürste.

A. Jawohl, denn ich will keineswegs säumen. Ich will aber sagen, daß er zweifelsohne die Feindschaft aufgehoben hat in seinem Fleische, wie geschrieben steht,62 und, gleichsam ein Friedensstifter mit uns und Mittler geworden, uns, die wir von der Liebe zu Gott möglichst weit uns entfernt hatten aus Weltlust, und weil wir die Schöpfung vor dem Schöpfer verehrten, durch sich Gott dem Vater dargebracht und, durch den Glauben uns rechtfertigend, erworben hat. Indeß sagen wir nicht, daß er bloß wegen der diesbezüglichen Heilsordnung Mittler genannt wurde,  sondern ausser eben Diesem wird auch ein geheimnißvoller und mystischer Grund zu dem Namen und der Sache der Mittlerschaft beigebracht.

B. Wie doch meinst du nun auch Dieses?

A. Und wie denn anders als gewiß doch gemäß jener Schriftstelle:63 „Habet ein Jeder in euch selbst dieselbe Gesinnung, wie sie auch war in Christus Jesus, welcher, da er in der Gestalt Gottes war, es für keinen Raub hielt, Gott gleich zu sein, aber sich selbst erniedrigte, Knechtsgestalt annehmend, Menschen ähnlich werdend und im Aussehen als Mensch erfunden“? Denn er, der da ist Gottes des Vaters lautere Schönheit, Form und Gestalt, Gott das Wort, aus ihm und in ihm, ließ sich herab zur Entäusserung, ohne von Jemand dazu gezwungen zu sein, sondern aus eigenem Entschlusse nach dem Wohlgefallen des Vaters, und wurde Mensch, die Hoheit der eigenen Natur ganz unverletzt und unbeschädigt in sich bewahrend, annehmend aber das Menschliche heilsordnungsgemäß, als ein aus Zweien bestehender Sohn, indem die göttliche und menschliche Natur auf unsägliche und unaussprechliche Weise in Eins zusammenkamen und sich verbanden und in eine den Begriff übersteigende Einheit sich verknüpften. Und wir sagen keineswegs, das Wort Gottes sei in die Natur des irdischen Fleisches oder in das Fleisch des Wortes selber verwandelt worden; denn ich wenigstens würde Das für eine Krankheit des äussersten Wahnsinnes halten; sondern indem Jedes von Beiden gleichsam in seiner eigenen Bestimmtheit und Seinsweise bleibt, zeigt der Name der hier in Rede stehenden Vereinigung die vollkommene und ungetrennte Verbindung zur Einheit an. Denn der Nämliche ist zugleich Gott und Mensch, und weder, wenn du ihn Gott nennst, wirst du ihn von der Menschheit ablösen nach der Vereinigung, noch auch, wenn du ihn einen Menschen  nennst, wirst du ihn der Würden der Gottheit berauben, wenn du anders richtig denken willst. Und er ist Eingeborener und Wort, als aus Gott dem Vater entsprungen und geboren, Erstgeborener aber wieder, da er Mensch wurde und unter vielen Brüdern.64 Gleichwie der Name „Eingeborener“, der dem Worte eigen ist, ihm noch bewahrt blieb auch in der Einigung mit dem Fleische, so wurde der Name „Erstgeborener“, der ihm eigentlich nicht zukommt, ihm eigen mit dem Fleische. Als Mittler also wird er auch in dieser Weise gedacht, da er das seiner Natur nach weit Auseinanderliegende und durch eine unermeßliche Kluft Getrennte, nämlich die Gottheit und Menschheit, als in ihm selbst zusammengebracht und vereinigt zeigte und uns durch sich mit Gott dem Vater verband. Denn mit Gott ist er einer Natur, weil er aus ihm und in ihm ist; mit uns aber, weil er auch aus uns und unter uns ist. Denn nicht verschiedenartig ist der Emmanuel von uns, wenigstens der Menschheit nach, sondern gleich in Allem, ausgenommen nur die Sünde.

B. Ganz richtig. Wir sind nun aber bereits dahin gekommen, daß wir den Sohn nothwendig auch für wesensgleich mit Gott dem Vater erklären müssen.

  

10.

A. Wesensgleich freilich, da er ja in der That von Natur aus und wesenhaft aus ihm und in ihm ist. Wie er nämlich nicht wahrhaft und fest bewährt, ja nicht einmal geziemender Maßen für wesensgleich mit uns gehalten oder erklärt würde, wenn er nicht Mensch geworden wäre, so wäre er nimmermehr aus Gott und in Gott, wenn er nicht durch natürliche Beziehungen zur Einheit mit ihm verbunden wäre; aber auch nicht anders wäre die Menschheit göttlicher Natur theilhaftig, wenn sie Dieß nicht gewonnen hätte durch Vermittlung des Sohnes, indem sie gleichsam eine  natürliche Art der Verbindung erlangte. Ganz mühelos aber ist es, sich zu erkundigen bei dem Sohne, welcher sagt:65 „Damit Alle Eins seien wie du, Vater, in mir und ich in dir, damit auch sie in uns Eins seien, auf daß die Welt glaube, daß du mich gesandt hast. Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben, damit sie Eins seien, wie wir Eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen Eins seien.“

B. Wenn sie nun aber sagen würden, die Einheit des Sohnes mit dem Vater sei etwa der Art, wie man sie auch bei uns selbst denken könnte, was werden wir dazu sagen? Es steht nämlich geschrieben:66 „Die Menge der Gläubigen aber war eines Herzens und* einer* Seele.“ Denn obwohl in Allen sehr viele Seelen waren, sagt er, Alle hätten eine gehabt, indem er Namen und Sache der Einheit doch gewiß nicht der Natur selbst beilegte, sondern vielmehr den ungespaltenen Willensrichtungen zuschrieb, weil sie eine und dieselbe Ansicht und Gesinnung hatten. Und weil der Sohn in Allem gleichgesinnt und gleichgewillt ist mit dem Vater, darum eben ist er auch Eins mit ihm. Das nämlich schreien Jene herum, die Unglückseligen.

A. Allein auch hierin werden sie wieder überführt werden, ihren Geist geradezu mit höchstgradiger und äusserster Thorheit erfüllt zu haben. Denn kein ungereimter Gedanke, wie es scheint, ist so nichtig und verächtlich, daß er nicht den Verstand der Unverständigen verheere und zwar ohne Mühe. Denn „der Thor wird Thörichtes reden, und sein Herz wird Nichtiges denken, um Irrthum zu reden wider den Herrn,“ wie geschrieben steht.67 Denn sollte man nicht meinen, es sei denn doch die Fülle von Thorheit und äusserster Albernheit, gerne zu sagen und zu behaupten, keineswegs eine natürliche, sondern vielmehr eine  freiwillige sei die Einheit des Sohnes mit Gott dem Vater? Denn er wird sich, glaube ich, auf keine Weise unterscheiden, wenn nämlich es so sich verhält und wahr ist, von den zur Sohnschaft Berufenen und auf den Namen der Gottheit durch den Willen des Vaters Adoptirten, welche auch durch den Glanz ihrer Tugend die so ausgezeichnete und erstaunliche Ehre sich erwarben. Was aber wird noch hindern, Jene sollen es sagen, daß auch von den Heiligen ein Jeder, der Das, woran Gott eine Freude hat, zu denken und zu thun gewillt ist und das dem Herrn Wohlgefällige gleichsam zu seinem eigenen Willen gemacht hat, die so ausserordentliche Stimme des Sohnes erschallen lasse und zum Vater sage: „Wie ich und du Eins sind“? Sie sollen uns also eine solche Stimme von einem Heiligen herbeibringen! Aber sie werden keine haben, daran fehlt viel. Denn das Gegentheil, glaube ich, kann man sehen, daß nämlich Solche, die gleichwohl zum Gipfel der Frömmigkeit gelangt sind, auf allerlei Weise bekennen, daß sie Sünder seien, und über ihre eigene Natur nicht in Unwissenheit sich befinden. Und es wäre vielleicht nicht schwer, unzählige Stimmen aus den heiligen Schriften zu sammeln und aufzuhäufen; doch derlei Übungen den Gelehrten zu überlassen möchte ich nicht für unzweckmäßig halten. Ich will mich aber zu Dem wenden, was Jene sagen, denn Das ist jetzt besser, und will nun auch reden, indem ich die Betrachtung der Einheit bei uns wieder aufnehme. Zur Einheit nämlich durch den Glauben sind wir zweifelsohne zusammengebracht und zusammengeführt; wir werden uns aber in Nichts durch eine Verschiedenheit des Wesens von einander unterscheiden, wenn auch ein Jeder gewissermaßen in eine eigene Hypostase (Person) sich scheidet. Denn wir sind gleichartig, und von der Wesenheit Aller ist die Bestimmtheit und der Begriff einer, der von Allen gleichmäßig ausgesagt wird. Die Einheit aber mit Gott besitzen wir nicht in nackten und bloßen Willensbestrebungen, sondern noch ein anderer geheimnißvoller und nothwendiger Grund verbindet uns dazu. Denn wie der heilige Paulus uns  gelehrt hat, „sind wir Viele ein Leib, weil wir an einem Brode Theil haben.“68 Oder weißt du denn nicht, daß er sagt,69 auch die Heiden seien Christo einverleibt worden, indem sie die Einheit mit ihm erlangten durch den Glauben, offenbar aber auch durch die mystische Segnung.70

B. Ja, allerdings!

A. Also zugleich natürlich und freiwillig ist die Einheit bei uns; wir wollen aber sehen, ob die (Einheit) in Christus auch eine solche ist.71

B. Wie meinst du? Denn ich folge dir nicht ganz.

  

11.

A. Und doch meine ich, hierin wenigstens sei nichts Schwieriges, mein Lieber; es kann aber, was ich sage, auch sehr leicht, meine ich, jedweder weise und verständige Mann verstehen, wenn er bedenkt, erstens, daß wir, die wir zu den Menschen zählen, durch ein natürliches Band zur Gleichheit unter einander verbunden sind; wir sind aber auch auf andere Weise geeint. Geschieden nämlich in eine eigene Person, die eines jeden Einzelnen nämlich, wonach der eine Petrus ist oder Johannes, der andere Thomas oder Matthäus, sind wir eines Leibes geworden in Christo, durch ein Fleisch genährt und durch einen heiligen Geist zur Einheit versiegelt; und da Christus ungetheilt ist (denn er ist keineswegs getheilt), so sind wir alle Eins in ihm. Darum sagte er auch zu seinem Vater im Himmel:72 „Damit sie Eins seien, wie wir Eins sind.“ Siehe nämlich, wie in Christo und dem heiligen Geiste wir alle Eins sind, sowohl dem Leibe nach als dem Geiste nach! Zu tadeln also sind, die etwas Anderes zu denken belieben, da sie nicht einmal Das richtig verstehen, was über uns geschrieben steht.

 B. Zu tadeln freilich, du hast ja Recht. Nichtsdestoweniger möchte ich gerne fragen, ob wir annehmen werden, daß der Sohn mit Gott dem Vater geeint sei wie gewiß auch wir unter einander, oder ob man überdieß noch eine Einheit zwischen ihnen zugeben soll.

A. Auch der Sohn, sagen wir, ist mit dem Vater geeint wie wir (unter uns). Er ist ja zugestandener Maßen mit dem Erzeuger gewiß doch auch wesensgleich, wenn er anders in Wahrheit Sohn ist und aus ihm. Obwohl er aber in eigener Person (Hypostase) existirt und von ihm gewiß geglaubt wird, daß es sich so verhalte, ist doch nicht wie wir von einander, nach dem Gesetze der Körper, auch er vom Vater getrennt in völliger Scheidung, nach der Verschiedenheit der Einzelnen nämlich, er hat aber eine unaussprechliche natürliche Einheit, ohne daß die Personen eine wechselseitige Vermengung erleiden, wie wenigstens Einige meinen, der Nämliche sei Vater und Sohn; sondern während Jeder von Beiden existirt und subsistirt und eine eigene Wirklichkeit (ὕπαρξις) [hyparxis] hat, bestimmt die Identität des Wesens die Einheit.

B. In eigener Person also oder Wesenheit, sagst du, neben der des Vaters existire der Sohn?

A. Vielmehr nicht in anderer Wesenheit neben der der Gottheit, sondern in anderer Person, nämlich der des Sohnes.

B. Ist denn etwas Anderes die Wesenheit und etwas Anderes die Person?

A. Ja; groß nämlich ist der Unterschied und Abstand, da ja die Wesenheit das Einzelne in sich befaßt.

B. Wie meinst du Das? Denn langsam, wie es scheint, bin ich hierin wenigstens.

A. Weißt du denn nicht, daß auch ich hierüber zu reden nicht geübt bin? Gleichwohl aber muß man an die Untersuchung gehen, sofern sie möglich ist, wie im Bilde etwa, da die göttliche Erhabenheit in unzugänglichen Höhen  ist. Also die Bedeutung der Wesenheit scheint auf eine gewisse gemeinsame Sache zu gehen. Der Name der Person aber wird im Einzelnen von Dem, was unter diesem Gemeinsamen begriffen ist, ausgesagt. Du sollst aber glauben, daß ich Dieses jetzt beweise.

B. Was denn doch?

A. Wir definiren den Menschen als ein vernunftbegabtes sterbliches Lebewesen, indem wir Dieß nach dem ihm zukommenden Begriffe annehmen, und Dieß, sagen wir, sei die Bestimmung der Wesenheit, die auf jeden der einzeln Existirenden geht. Unter dieses Gemeinsame nun, nämlich den Menschen, oder den Begriff des Menschen, fällt, meine ich, Thomas sowohl als Markus, oder laß uns sagen, Petrus sowohl als Paulus. Und die Wesenheit zwar könnte man so bestimmen, von den Einzelnen aber hat man damit noch keine klare und deutliche Bezeichnung gemacht. Denn der Mensch überhaupt ist noch nicht Petrus und Paulus. Wenn man aber Thomas oder Petrus sagt, so wird man von den Bestimmungen der Wesenheit das (damit) Bezeichnete nicht aufheben (denn ein Mensch ist er um Nichts weniger); man hat aber (damit) einen etwa in solcher Art und in eigener Person und einzeln für sich Existirenden bezeichnet. Die Wesenheit also bezieht sich auch auf jeden Menschen, da sie ja eben den gemeinsamen Begriff der Gattung erzeugt, die Person aber schicklicher auf einen, da sie weder das Bezeichnete ausser die Gemeinsamkeit hinausstellt noch auch das Einzelne und Besondere zur Undeutlichkeit vermengt und vermischt.

B. Ich verstehe jetzt; denn es scheint mir nicht ganz ungeschickt erklärt zu sein.

A. Bekennend also, daß der Sohn wesensgleich sei mit Gott dem Vater und in eigener Hypostase, sagen wir, daß er verbunden und zugleich unterschieden mit ihm Eins sei, indem wir durch die Rücksichten der Identität nothwendig innigst verbinden den Unterschied der Personen oder  Namen und die Verschiedenheit der Hypostasen, welche wie im Vater ebenso auch im Sohne da ist, damit nicht die durchgängige Gleichheit und unwandelbare Dieselbigkeit und Identität des Wesens sowohl im Vater als im Sohne irgendwie den Unterschied verwische und die besondere Eigenheit eines Jeden von Beiden gewissermaßen ganz ununterscheidbar mache. Denn der Eine ist Vater und nicht Sohn, der Andere aber wieder Sohn und nicht Vater.

  

12.

B. Also sagen wir, wenn du meinst, es seien zwei Wesenheiten, eine des Vaters und eine des Sohnes; denn so dürfte wohl der Unterschied deutlicher und gewissermaßen für Jedermann klarer werden.

A. Keineswegs deutlicher. Laß dich doch nicht durch die Reden Jener zu einem falschen Sinne verleiten und halt’ ein, den Fahrweg verlassend, auf Ab- und Irrwege zu gehen!

B. Wie oder auf welche Weise?

A. Wenn nämlich eine sein wird die Natur des Vaters, eine davon verschiedene aber wieder die des Sohnes, wie ist es dann nicht nothwendig, einen Grund auszudenken, der die einander von Natur Ungleichen in Zwei trennt und auseinanderhält? Denn wie soll man die nämliche (Natur) als eine und wieder eine denken? Man kann ja doch bei Menschen, die ein und dasselbe Merkmal der Wesensgleichheit haben, nicht von verschiedener Wesenheit reden und einem jeden Ding das Merkmal der Gemeinsamkeit als ein besonderes (eigenthümliches) beilegen. Denn wenn wir Das thun und gleichsam eine nothwendige Unterschiedsweise in die Wesenheiten hineintragen, als wäre jede in sich selber mehrfach, so wird das Allgemeine in Nichts zerrinnen. Oder wird nicht der wesenhafte Unterschied eine Andersheit, die Andersheit aber hierin eine Verschiedenheit in der naturgemäßen Definition hervorbringen und erzeugen?

B. Ich meine wenigstens.