Since Day One - Isabella Plattner - E-Book

Since Day One E-Book

Isabella Plattner

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Beschreibung

Joe erinnerte sich an nichts mehr. Nach einer wilden Partynacht wacht sie ohne Erinnerungen an den Abend auf. Als sie dann bei ihrem alljährlichen Urlaub auf den heißesten Typen der Schule trifft, kann sie es kaum glauben, dass er ihren Namen kennt. Etwa von der Hausparty? Warum wurde sie das ungute Gefühl nicht los, dass er ihr etwas von der vergessenen Nacht nicht erzählte?

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Inhaltsverzeichnis

Filmriss

Clowns

Der Hundebesitzer

Wunderschöne Augen

Überraschungsgast

Einbrecher

Das schwächste Glied der Kette

Blutbad

Warum?

Rosen

Erinnerungstropfen

Hüpfburg

Krank

Erinnerung

Das gestohlene Lenkrad

Monstrum

Blumensträuße, Regenbogenfarben und dubiose Medikamente

Filmriss

„Uff...“ Stöhnend setzte ich mich auf. Mein Kopf wummerte und mein ganzer Körper fühlte sich schwer, wie Blei, an.

„Hier.“ Meine Schwester Nancy saß neben mir auf dem Bett und reichte mir behutsam eine Tasse Kaffee.

„Das war wohl ein Gläschen zu viel, gestern“, sagte sie und strich mir lächelnd über die Haare.

„Mmh...“ Schwerfällig klatsche ich mir an den Kopf.

Gestern.

Das Wort schob sich durch meinen Kopf wie eine Kaugummimasse.

Gestern war die Hausparty von jemanden aus der Schule gewesen.

Bilder flackerten vor meinem inneren Auge auf. Bilder von einem spektakulären Haus, glitzerndem Poolwasser und unglaublich vielen Menschen mit Alkohol in der Hand.

Ich hatte getanzt und an einem langen Tresen grüne Cocktails getrunken.

Und dann... dann hatte mich meine Schwester geweckt.

Die Zeit zwischen den grünen Cocktails und meinem Weckruf war wie ausgelöscht. Ich erinnerte mich an nichts mehr.

„Verdammt.“ Fluchend riss ich die Augen auf und sah zu meiner Schwester. „Ich kann mich nicht mehr erinnern!“

„Das nennt man Filmriss.“ Gelassen und als hätte sie so etwas in der Art schon vermutet, lehnte sich Nancy zurück. In ihrem Gesicht bildete sich ein fachmännischer Ausdruck.

„Danke, dass weiß ich.“ Stöhnend vergrub ich meinen Kopf im Kissen.

„Wie bin ich gestern denn überhaupt nach Hause gekommen?“

Ich versuchte mich selbst zu erinnern, doch da war nichts. Ich konnte mich zwar noch genau erinnern, wie ich zur Party gekommen war – und zwar mit dem Bus –, doch von der Rückfahrt hatte ich nicht den blassesten Schimmer.

„Mit dem Auto."

Kr, kr, kr.

Hustend rang ich nach Atem.

„Bitte, was?!“

Entgeistert starrte ich meine Schwester an.

„Kein Grund gleich aufbrausend zu werden.“

In einer Seelenruhe strich sich Nancy die Falten auf ihrer Bluse glatt.

„Hallo?! Du erzählst mir gerade, dass ich betrunken mit dem Auto nach Hause gefahren bin...“ Mein Atem stockte und mein Herz machte einen Satz in die Höhe. „Oh mein Gott. Was ist, wenn ich einen Unfall gebaut habe und mich nicht mehr daran erinnern kann?!“

Entsetzt schlug ich meine Bettdecke zur Seite. Meine Kopfschmerzen und meine Müdigkeit wurden von dem aufkommenden Adrenalin weggekickt.

„Ich brauch eine Zeitung - nein, eine Telefonnummer! Die Telefonnummern von allen Krankenhäusern in der Gegend!“

Kopflos stolperte ich durch mein Zimmer und zu meinem Schreibtisch. Dort kramte ich hektisch nach meinem Handy.

Wo lag das blöde Ding denn?

„Du warst nur Beifahrerin."

Sofort hielt ich inne. Dann drehte ich mich in Zeitlupe zu meiner Schwester um.

Huh?

Mein Kopf brauchte einen Moment, um das Gesagte zu verarbeiten. Als es endlich klappte, entspannten sich meine Muskeln und ich atmete erleichtert aus.

Doch andererseits... Hätte mir Nancy das nicht gleich sagen können?

Kurze Denkpause.

„Wer hat mich denn dann bitte nach Hause gefahren?“

Ich machte mir erst gar nicht die Mühe zu versuchen, mich wieder an den Fahrer zu erinnern.

Mein Kopf war leer.

Nancy, die eigentlich gerade Anstalten gemacht hatte, aus dem Zimmer zu gehen, blieb ruckartig stehen und drehte sich freudig grinsend zu mir um.

„Ein heißer Typ mit Sportwagen.“

„Wer?“ Verständnislos sah ich meine Schwester an.

„Keine Ahnung. Er war heiß und er fährt einen grünen Lamborghini Aventador.

Schulterzuckend machte meine Schwester am Absatz kehrt und verließ das Zimmer.

Ach du heiliges Weihnachtsei.

„NANCY!!!“

So schnell ich konnte, sprang ich meiner kleinen Schwester hinterher, rumpelte die Treppen hinunter und kam völlig außer Atem bei ihr in der Küche an. Meine Schwester nahm mich doch auf den Arm! Ich konnte mich weder an ein grünes Auto, noch an einen Lamborghini erinnern.

„Das war ein Witz, oder?“ Hoffnungsvoll blickten meine Augen auf meine Schwester, während sich mein Brustkorb schwer hob und senkte. An ein so teures Auto musste man sich doch erinnern können, wenn denn dem so war.

„Leider nicht.“ Immer noch mit einer Gelassenheit, die meines Wissens nur durch stundenlanges Yoga erreicht werden konnte, schlenderte meine Schwester zum Kühlschrank und holte sich einen Apfel aus der Obstschublade.

„Machst du dir Sorgen wegen Jackson?“, fragte sie und zupfte ein Foto von mir und meinem Freund von einer Pinnwand neben dem Kühlschrank.

Provozierend wedelte sie damit in der Hand herum.

„Was? Nein!“ Verständnislos runzelte ich die Stirn. Man durfte sich wohl noch von anderen Leuten nach Hause bringen lassen, ohne dass das etwas zu bedeuten hatte!

„Dürfte ich jetzt bitte das Foto wiederhaben?“ Verärgert versuchte ich meiner Schwester das Bild aus der Hand zu reißen, doch sie war schneller. Flink schlüpfte sie unter meinem Arm hindurch und rettete sich auf die andere Seite der Kochinsel.

„Fang mich doch, fang mich doch!“ Quakend wedelte sie mit dem Bild in der Hand rum und ich brauchte keine zweite Aufforderung, um ihr hinterherzuhechten.

„Nancy!“, schimpfte ich und rannte rechts um die Kochinsel herum. Meine Schwester, die nicht so blöd war, wie sie manchmal tat, rannte währenddessen links um die Kochinsel herum.

„Hey!“, beschwerte ich mich und blieb außer Atem stehen. „Du bist so hilfreich wie eine Seifenblase bei einer Prügelei, weißt du das eigentlich?“

„Ihr habt euch nicht geküsst, falls das deine Frage war!“ Beleidigt verschränkte Nancy die Arme.

Dumm.

Als ich vor lauter Schreck eine 90 Grad Drehung zu meiner Schwester gemacht hatte, schlug ich mir mit voller Kraft den kleinen Zeh an der Kochinsel an.

„Au!“ Schmerzerfüllt jaulte ich auf.

Konnte es überhaupt noch schlimmer werden?

„Wer ist noch mitgefahren?“, versuchte ich das Thema zu wechseln und von meinen Schmerzen abzulenken.

Meine Schwester erstarrte. Dann fing sie an zu grinsen. „Joe, du musst dringend dein Autowissen auffrischen.“ Amüsiert schüttelte sie den Kopf. „Ein Lamborghini Aventador ist ein Zweisitzer.“

„Oh Gott!“ Stöhnend klatschte ich mir die Hand gegen die Stirn.

Der Morgen wurde immer besser!

„Ihr Süßen!“ Eine fröhliche Stimme klingelte durch die Küche und keine Sekunde später betrat unsere Mama mit klackenden Absätzen und schicken Blazer den Raum.

„Joe, auch schon wach?“ Lächelnd zwinkerte sie und gab mir dann einen leichten Kuss auf die Wange. „Wie war die Party?“

Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie Nancy anfing zu grinsen.

Schnell stellte ich mich vor sie.

Das Letzte, was ich jetzt noch gebrauchen konnte, war, dass ihr Gekicher meine Glaubwürdigkeit in Frage stellte.

„Toll! Wirklich... Ich habe viele neue nette Leute kennengelernt.“

Um meine Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, nickte ich bestätigend zu meinen eigenen Worten.

„Das ist schön.“ Abwesend griff unsere Mama in ihre Handtasche und zog ihren Geldbeutel heraus. Dass ich gerade totale Märchen erzählte, bekam sie gar nicht so richtig mit.

„Ich muss jetzt leider zur Arbeit und es könnte später werden.“

Zerknirscht reichte sie Nancy einen Geldschein. „Bitte kauf dir eine Pizza oder bestell dir irgendwas.“ Der Blick unserer Mama schweifte zu mir. „Du bist mit deinen Freunden unterwegs, richtig?“

Ich nickte und sah zu wie Nancy langsam den Geldschein entgegennahm.

„Heute ist Samstag, da arbeitet man nicht!“ Enttäuscht sah sie unsere Mama an.

Diese schnappte nach ihrem Kalender, der neben Nancy auf der Kochinsel lag, und verstaute ihn beschäftigt in ihrer Tasche. Man sah ihr an, dass sie mit den Gedanken wieder bei fünftausend anderen Dingen war.

„Die Rechnungen der Universitäten auf die Joe und du sehr bald gehen werden, sehen das anders.“

Schnell gab sie Nancy und mir einen flüchtigen Kuss, dann hetzte sie mit ihren hohen Schuhen aus dem Raum.

Glock, glock, glock.

Die Absätze unserer Mama klackerten in einem regelmäßigen Rhythmus.

„Ist das in Ordnung, wenn du heute Abend alleine bist?“ Aufmerksam musterte ich meine kleine Schwester. Sie war zwar schon vierzehn und alles andere als ein Baby mehr, doch ich wusste, dass sie abends Gesellschaft bevorzugte, egal ob bei einem Film oder Spiele-Event.

„Ja, ja“, winkte Nancy resigniert ab und ich sah ihr an, dass sie mit sich kämpfte. „Ist ja nicht das erste Mal.“

Betreten biss ich mir auf die Lippe und setzte an, etwas zu sagen, als sich erneut klackende Absätze der Küche näherten.

Glock, glock, glock.

Unsere Mama steckte erneut den Kopf in die Küche.

„Ach ja, Joe! Wie war denn eigentlich der Aufnahmetest?“

Aufgeregt und in einer optimistischen Erwartungshaltung musterte sie mich. Sofort bildete sich ein verhaltenes Lächeln auf meinen Lippen.

In meinem Kopf flogen die Bilder von dem gestrigen Vormittag vorbei und wie ich verzweifelt auf dem Testblatt herumgeschmiert hatte. Nachdem mein Sitznachbar zu unleserlich geschrieben hatte, um sich Inspiration von diesem zu holen, hatte ich schlussendlich ergeben den Zettel in zwei Teile gerissen.

An das konnte ich mich ironischerweise noch lebhaft erinnern.

„Wichtig ist, dass wir alle gesund sind, richtig?“

Schuldbewusst lächelte ich.

Tick, tack.

Die Zeiger der Küchenuhr donnerten durch die aufkommende Stille.

Unsere Mama seufzte tief. „Ich werde das nicht kommentieren. Ich habe meinen Abschluss schon.“

Sie verschwand und Nancy brach in schallendes Gelächter aus.

„He!“, beschwerte ich mich und gab ihr einen leichten Schubs in die Seite. „Lach nicht, ich habe das toll gemacht!“

Nancys Gelächter wurde lauter und ohne das ich es wollte, bildete sich auch auf meinen Lippen ein leichtes Lächeln.

Beep, beep.

Mein Blick schoss zu der Ablagefläche neben dem Herd.

Ach, hier lag mein Handy also...

„Ist das der Typ, der dich Nachhause gebracht hat?“

Gerade hatte ich Anstalten gemacht nach meinem Handy zu greifen, als ich es blitzschnell wieder weglegte.

Um Gottes willen, daran hatte ich noch gar nicht gedacht.

„Ich weiß es nicht.“

Ängstlich sah ich meine Schwester an.

Diese verstand und nahm seufzend mein Handy.

„Es ist…“ Ihre Stimme wurde feierlich und geheimnisvoll trommelte sie auf der Tischplatte herum.

Trommel, trommel, trommel.

„Nancy!“

Ungeduldig sah ich sie an.

„Jaja.“ Ergeben drückte Nancy mir das Handy wieder in die Hand. „Es ist nur Zara. Abfahrt ist in zwanzig Minuten.“

Mein Gehirn ratterte. Abfahrt...?

Oh nein.

„In zwanzig Minuten?!“

Mein Puls schoss nach oben und meine Wangen wurden rot.

„Das schaffe ich nie!“

Clowns

Hup, hup!

Laut dröhnte es von der Straße vor meinem Haus, als drei Autos mit quietschenden Reifen und lauter Musik vor meiner Veranda zum Stehen kamen.

Dumm, dumm.

Ein kräftiger Beat und tiefer Bass wummerte aus den Autos und eine aufgeregte Mädchenstimme schrie: „Joeeee!“

Das Fenster der Fahrertür einer der Autos ging nach unten und ein hübsches Mädchen mit Ohrringen in Form von Pizzastücken streckte den Kopf nach draußen. „Abfahrt war vor 10 Minuten!“

Erheitert lachte ich. „Was kann ich dafür, dass ihr zu spät seid?“

Grinsend spazierte ich mit meinem Koffer auf die Autos zu. Ich würde mich sicher nicht von denen stressen lassen. Rennen war unakademisch! Zumindest trichterte mir das meine Mama seit Jahren erfolgreich ein.

„Es gibt übrigens etwas, das nennt sich Klingel“, sagte ich und zwinkerte verschmitzt, bevor ich die Leute in dem Auto mit einem leichten Handschlag begrüßte.

„Wirklich?“ Gespielt überrascht hob das Mädchen am Steuer, die ganz nebenbei meine beste Freundin war, die Augenbraue. „Die musst du uns mal zeigen - so etwas kenne ich gar nicht.“

Frech zwinkerte sie.

„Scherzkeks!“, sagte ich und verpasste Zara eine leichte Kopfnuss.

„Joe, dein Pausenbrot!“

Die Haustür wurde hinter mir aufgestoßen und Nancy kam eilig aus dem Haus gerannt. In ihrer Hand hielt sie, in Bienenwachstüchern verpackte, Brötchen, die sie mir auch sofort in den Arm drückte.

„Fahrt vorsichtig“, sagte sie und umarmte mich fest.

„Nancy…“ Überwältigt von der Fürsorglichkeit meiner Schwester sah ich sie an. Hatte sie die Brötchen wirklich selber belegt?

Ein Blick auf die Gurke, die ein bisschen schief über den Rand hing und die angeknabberte Ecke, die an einem Ende des Brotes fehlte, sagte mir: Ja, hatte sie.

„Danke!“, sagte ich und löste mich gerührt von ihr.

„Gerne.“ Schüchtern lächelte Nancy. „Und jetzt hau ab, damit ich endlich sturmfrei habe!“

Schelmisch grinste Nancy und ihr Grinsen war so ansteckend, dass ich auch grinsen musste.

„In Ordnung. Mach keinen Blödsinn!“ Lächelnd wandte ich mich dem Kofferraum zu und verstaute mein Gepäck dort.

„Joe, dein Pausenbrot!“ Ein schlaksiger Typ in einem weißen T-Shirt und mit unzähligen Goldringen an den Fingern, sprang aus dem Auto und stellte sich gut gelaunt vor mich. Es war Liam und wie eh und je zierten süße Grübchen sein Gesicht.

Lächelnd verpasste ich ihm einen leichten Klaps auf den Arm. „Sag nichts gegen meine Schwester.“

Warnend hob ich den Zeigefinger.

„Wenn du endlich einsteigen würdest, wäre ich leise.“

Dadurch, dass er einen Kopf größer war als ich, konnte er mich gut von oben herab anlächeln. Provokativ - und zugegebenermaßen, nicht gerade sehr erwachsen - streckte ich ihm die Zunge raus und ging an ihm vorbei.

Zumindest wollte ich das, doch Liam hielt mich in letzter Sekunde noch schnell zurück.

„Joe…“, sagte er vorsichtig und musterte mich verunsichert. „Wie geht es dir?“

„Ähm, gut?“ Verwirrt blinzelte ich und ein leichtes Gähnen entschlüpfte meiner Kehle. „Ich bin zwar hundemüde und mega verkatert, doch zwei Kopfschmerztabletten und drei Liter Kaffee haben es möglich gemacht, dass ich mich riesig auf diesen Ausflug freue.“

Munter schlüpfte ich an Liam vorbei in Zaras Auto.

„Hey, ich bin Joe“, stellte ich mich bei allen vor, die ich nicht kannte.

„Oh, ich glaube, du musst dich nicht mehr vorstellen.“

Neckend sah mich meine beste Freundin vom Fahrersitz aus an. „Das hat deine Schwester schon für dich getan!“

„Muh…“, stöhnte ich und ließ mich rücklings in den Beifahrersitz fallen.

„Können wir bitte über etwas Anderes reden, als über meine Schwester?“

„Ja, unbedingt“, stimmte Knox, ein sehr alter Schulfreund von mir, zu.

„Vielleicht über die Brötchen, die deine Schwester für uns gemacht hat?“

Unschuldig grinste er mich an und beugte sich gierig zu mir nach vorne.

„Knox“, lachte ich und schmiss die besagten Brote nach hinten. „Hier hast du deine Brötchen!“

Er war so verfressen! Eine richtige Fressmaschine! Wie ein Mähdrescher, der über alles drüber fuhr, was auch nur in kleinster Weise essbar aussah.

Batsch.

Die Brote, die ich ihm zugeworfen hatte, landeten aus Versehen in seinem Gesicht.

Upsi...

Zerknirscht sah ich Knox an. Diesem klappte gespielt empört die Kinnlade nach unten.

„Das ist nicht nett“, schmollte er und biss beleidigt in das Pausenbrot meiner Schwester.

„Du bist auch nicht nett!“, verteidigte mich Liam, der hinten auf der Rückbank zwischen Knox und Jules saß. „Wir haben eine halbe Stunde auf dich gewartet, weil du dein blödes Spiel noch fertig spielen wolltest.“

„Stimmt nicht“, protestierte Knox schwach. „Ich habe die Wohnung gesaugt!“

Stumm sahen sich die beiden Jungs an.

„Du hast gezockt“, stellte Liam mit ausdrucksloser Miene fest und Knox fing kläglich an zu grinsen.

„Ich brauche neue Freunde“, fluchte er dann und widmete sich wieder Nancys selbstgemachten Broten. „Die alten wissen zu viel.“

Nun bildete sich auch auf Liams Lippen ein Grinsen und gleichzeitig fingen wir alle an zu lachen.

„Wo ist eigentlich Jackson?“, fragte Zara nach einer Weile. Wir waren schon über eine Stunde unterwegs und an verschiedensten Wäldern und Straßen vorbeigefahren.

„Im Urlaub.“ Wenig begeistert starrte ich auf die Straße vor mir.

„Verräter“, murmelte Liam leise, doch laut genug, dass ich es hören konnte.

„Es war keine Absicht“, verteidigte ich meinen Freund. „Er hat das Datum übersehen.“

„Übersehen?!“ Ungläubig schüttelte Zara den Kopf und bog bei der nächsten Autobahnausfahrt ab. „Das ist doch keine Überraschung, sondern Tradition, was wir hier machen.“

Wo sie recht hatte, hatte sie recht. Seit vielen Jahren fuhren wir nun schon das letzte Wochenende der Sommerferien in der Freundesgruppe weg und bis jetzt war Jackson immer dabei gewesen.

Ein kleiner Stich machte sich in meiner Brust bemerkbar. Ich vermisste ihn und es war ungewohnt, ohne ihn im Auto zu sitzen.

„Du bist gar nicht sauer auf ihn?“ Verwundert hob Liam den Kopf und sah mich durch den Innenspiegel hindurch an.

„Was, nein!“ Verständnislos zog ich die Stirn in Falten. „Der Flug mit seiner Familie war schon lange gebucht und ich werde ihn sicher nicht zwingen, das Ticket zu stornieren, nur damit er mit uns wegfahren kann.“

„Also ich glaube…“, mischte sich Knox wissend ein.

„... dass Jackson einfach nicht gut mit der Person kann, von der wir das Haus bekommen haben.“

„Blödsinn, das hätte er mir doch gesagt“, widersprach ich und stellte das Radio lauter. Das Lied war echt gut, das gerade lief und vermittelte sowohl Sommergefühle, als auch Tanzlaune.

„Hätte er das?“, fragte Knox zweifelnd und hob fragend die Hände.

Selbstbewusst drehte ich mich zu ihm um.

„Bin ich seine Freundin oder bist du es?“

Mit hochgezogener Augenbraue betrachte ich Knox. Dieser schien zu überlegen, ob er mit mir weiter diskutieren sollte oder nicht.

Er entschied sich dagegen: „Weißt du was? Lass uns wieder über deine Schwester reden.“

„Tada!“

Mit offenen Mündern bogen wir in eine pompöse Einfahrt ein. Kunstvoll geschnittene Buchsbäume und aufwendig verzierte Skulpturen säumten den Weg und eine moderne Villa erstreckte sich auf einem hoheitsvollen Hügel.

„Wer von uns hat nochmal im Lotto gewonnen, damit wir uns das leisten können?“

Ehrfürchtig starrte Jules aus dem Fenster und die sorgfältig angelegten Blumenbeete entlang. Ihr Blick blieb auf einem riesigen Wasserbrunnen hängen, der aus Stein gemeißelt und mit vielen antiken Symbolen verziert war.

„Das ist das Ferienhaus der Eltern eines Freundes von mir“, erklärte Liam, während Zara in einem eindrucksvollen Innenhof stehen blieb.

Langsam stiegen wir aus und bewunderten das herrschaftliche Anwesen, das eher der Unterkunft eines Prinzen und nicht des Wochenendhauses einer Horde von Jugendlichen zu entsprechen schien.

„Wir müssen nichts bezahlen“, fuhr Liam munter fort, während er die ersten Koffer aus dem Kofferraum packte. „Nur aufpassen, dass der Wachhund nicht abhaut. Das ist so ein Rassending oder so.“

Wuff, wuff, wuff.

Wie aufs Stichwort schoss ein großer schwarzer Hund um die Ecke und sprintete auf uns zu. Beziehungsweise auf mich zu.

Oh, oh.

Erschrocken starrte ich das Tier an und versäumte den Moment, auszuweichen.

Patsch.

Der Hund sprang mit voller Wucht auf mich drauf und streckte mich mit seinen mächtigen Vorderpfoten zu Boden.

Chlll. Chlll.

Etwas Nasses landete auf meinem Gesicht und eine feuchte Zunge schlabberte über meine Haut.

„Hey!“ Unbeholfen versuchte ich das Monstergewicht von mir herunterzuschieben.

„,Ich bin schon geduscht!“ Meine murrende Stimme ging in dem mächtigen Fell des Hundes unter.

„Ich glaube, er mag dich.“

Lachend schob Knox den Hund von mir weg und befreite mich aus meiner misslichen Lage.

„Ich glaube, er hasst mich!“, widersprach ich und beäugte das Tier kritisch. „Wenn ich nicht aufpasse, verschlingt er mich noch zum Abendessen.“

„Leute, Leute! Schaut euch das an!“

Aufgeregt hüpfte Zara auf uns zu. Inzwischen waren auch die anderen zwei Autos auf dem Parkplatz angekommen und so konnten wir alle gemeinsam die neue Villa erkunden.

„Was für 'ne Hütte“, staunten wir und strichen vorsichtig mit unseren Fingern über die extravaganten Möbel.

„Unglaublich!“

Fasziniert durchquerten wir die vielen Stockwerke.

„Das ist mein Bett!“ Aufgeregt sprang Liam auf ein Boxspringbett.

„Bullshit, das ist meins.“ Knox rannte mit langen Schritten auf das besagte Bett zu und warf Liam ohne mit der Wimper zu zucken runter.

„Hey“, beschwerte sich Liam und begann nun, Knox ebenfalls von dem Bett runterzuschieben. „Ich habe es zuerst gesehen!“

Spielerisch fingen die beiden an, auf dem Bett herumzurangeln.

„Wie war die Hausparty?“, erkundigte sich Zara interessiert, während wir beide kopfschüttelnd den Jungs beim Rangeln zusahen.

„Soll ich ehrlich sein?“, fragte ich und beobachtete wie nun auch Bruno, ein typischer Footballspieler, sich an dem Kampf um das Bett beteiligte. „Ich weiß es nicht.“

„Was?“ Ruckartig drehte Zara den Kopf von dem Schauspiel weg.

„Ich kann mich nicht erinnern“, erklärte ich und sah beschämt auf den Boden.

Dag.

Die Kinnlade meiner besten Freundin fiel klackend nach unten.