Singe, fliege, Vöglein, stirb - Janet Clark - E-Book

Singe, fliege, Vöglein, stirb E-Book

Janet Clark

4,5

Beschreibung

Letzte Woche hatte ich noch ein Leben. Einen Job. Einen Freund. Vor fünf Minuten hatte ich zumindest Hoffnung. Jetzt habe ich nur noch Angst. Seit Ina die Leiche einer getöteten Mitschülerin gefunden hat, läuft ihr Leben mehr und mehr aus dem Ruder. Weil sie ihren Freund Aaron, der wegen der Tat befragt wird, vehement gegen die Anschuldigungen verteidigt, zieht ein riesiger Shitstorm über sie und ihre Familie hinweg. Dann wird sie plötzlich selbst des Mordes verdächtigt. Und zu allem Überfluss taucht wie aus dem Nichts ein Freund von früher auf, der eine alte Schuld einfordert. Bald versinkt Ina in einem Netz aus Lügen und kann niemandem mehr trauen - nicht einmal Aaron. Inspiriert vom Parkhausmord in Emden präsentiert Janet Clark ihren neuen Jugendthriller, in dem sich die Heldin in einem Netz aus Lügen, falschen Anschuldigungen und Lynchjustiz verstrickt. Nervenkitzel vom Feinsten! Von der Autorin von "Sei lieb und büße" und "Schweig still, süßer Mund".

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 409

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,5 (26 Bewertungen)
16
7
3
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für die unbekannten Helden unserer Welt,

ganz besonders Martin aus Polen

und die beiden uns namentlich nicht bekannten Männer,

ohne deren Mut und selbstlosen Einsatz

mein Mann, meine Tochter und ich

den 20. September 2013 nicht überlebt hätten.

TAG NULL MITTWOCH, 30.OKTOBER

Letzte Woche hatte ich noch ein Leben. Einen Job. Einen Freund.

Vor fünf Minuten hatte ich zumindest Hoffnung.

Jetzt habe ich nur noch Angst.

Einzig der Himmel hält zu mir, eine dichte Wolkendecke hat sich vor den Mond geschoben, taucht Lichtung und Weg in Finsternis.

Seine Schritte nähern sich. Ich lausche dem Knarzen seiner schweren Stiefel auf dem Waldweg, dem schwingenden Rhythmus seines Gangs.

Ich muss ihn nicht sehen, um ihn vor Augen zu haben. Zu groß, zu schlaksig, die schwarzen Locken wie ungekämmt vom Kopf abstehend.

Gleich erreicht er die Lichtung.

Warum hast du mich verraten?

Knacken.

Stille.

Ist er stehen geblieben? Oder schluckt das Moos seine Schritte?

»Ina?« Seine Stimme klingt brüchig. Er räuspert sich. »Ina?« Lauter diesmal. Ich drücke mich tiefer in die Äste des Gebüschs. Halte den Atem an. Er geht weiter, die Schritte jetzt fast lautlos, wäre da nicht das leise Klackern seiner kaputten Stiefelschnalle. »Ina, ich weiß, dass du hier bist.«

Ich möchte aus dem Gebüsch springen, ihn anbrüllen, auf ihn einschlagen. Mein Körper bebt.

Verräter!

»Ina?« Noch lauter. »Bitte! Sei vernünftig. Du machst alles noch schlimmer!«

Dann höre ich, wie er einen Reißverschluss aufzieht, und weiß sofort, was er als Nächstes tun wird. Blitzschnell taucht meine Hand in die Jackentasche und zieht mein Handy heraus. Ich schalte es ab. Gerade rechtzeitig, schon höre ich ihn wählen. In der Lautlosigkeit des Waldes schallt das gleichmäßige Tuten wie ein Warnsignal über die Lichtung. Prompt ertönt meine Mailbox. Ich unterdrücke einen erleichterten Seufzer. Er flucht.

Plötzlich hüpft ein Lichtkegel durch die Bäume. Er muss die Taschenlampenfunktion eingeschaltet haben. Der Lichtstrahl wandert von links nach rechts, verweilt immer wieder an einer Stelle, hüpft dann weiter.

»Ina!«

Seine Stimme klingt jetzt ärgerlich. »Verflucht, Mann, wir haben echt keine Zeit für diesen Mist hier! Hast du irgendeine Ahnung, wie tief du in der Scheiße steckst? Du musst mir vertrauen!«

Vertrauen?

Ich sehe Casey vor mir. Die hervorgetretenen Augen. Die blutleeren Lippen. Die blaurot geschwollene Zunge.

Vertrauen!

Da raschelt es im Gebüsch. Einmal. Zweimal. Vielleicht zwanzig Meter weg, ein Stück in den Wald hinein. Er schwenkt seine Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch kam. »Ina?« Er folgt dem Geräusch, entfernt sich von meinem Versteck. Ich muss weg. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er mich hier findet, das richtige Gebüsch ausleuchtet, bis die anderen dazustoßen. Tausend Ameisen krabbeln mein eingeschlafenes Bein hinauf, als ich vorsichtig meine Position wechsle. Ich presse die Lippen zusammen und richte mich auf.

Eine Geisterhand stoppt mich.

Ich bewege mich ruckartig nach vorn, begreife, dass die Wollkapuze meiner Jacke sich in den Ästen und Dornen verfangen hat. Vorsichtig schlüpfe ich aus den Ärmeln, dankbar, dass der Reißverschluss geöffnet ist. Sein gedämpftes Fluchen ist jetzt weit genug entfernt, um einen Sprint über die Lichtung zu wagen. Ich springe aus dem Gebüsch und renne los, renne über die Lichtung, in den schwarzen Wald.

Weg.

Nur weg von ihm.

Meiner Liebe.

TEIL 1

Jeder von uns kennt die ganze Wahrheit. Bruchstückhaft.

aus: Lebensspuren, Ernst Ferstl

SIEBEN TAGE VORHER MITTWOCH, 23.OKTOBER

1

INA

Zugegeben, eine Seitentasche an einer Geländemaschine ist etwa so cool wie ein Pickel auf der Nasenspitze, aber dafür enorm praktisch. Auf jeden Fall praktisch genug, um spöttische Blicke so geflissentlich zu ignorieren, wie ich es schon als Kind gelernt habe, wenn ich aus meinem Federmäppchen biologisch unbedenkliche Stifte hervorholte, während die anderen in ihren Pokemon- und Star-Wars-Mäppchen nach den neuesten Neofarben kramten. Ich habe mir als Achtjährige so oft und tränenreich ein Pokemon-Mäppchen gewünscht, bis meine Mutter fast nachgegeben und mein Vater einen Bioversandhandel gegründet hat, um die Bedürfnisse von Achtjährigen auf ideologisch unbedenkliche Weise in ganz Deutschland zu erfüllen. Klingt absurd, ist aber wahr: Meine Liebe zu einem kleinen gelben Fantasietier mit dem Aussehen eines fetten Kükens war der Startschuss von Stegvogels Bioversand. Immerhin feiern wir dieses Jahr zehnjähriges Bestehen, und genau wie Paps es vorausgesagt hat, haben sich die spöttischen Blicke von damals mit steigendem Erfolg mehr und mehr in neidvolle und anerkennende verwandelt. Und so wird das auch mit der Seitentasche sein. Eines Tages wird jemand neben mir stehen und mich darum beneiden. Ganz sicher. So wahr ich Ina Stegvogel heiße.

Ich hole die Einkäufe heraus und prüfe noch einmal, ob ich wirklich keine Zutat vergessen habe. Ein Überraschungsomelette für Aaron, dem definitiv bestaussehenden Naturwissenschaftsstudenten Ellands. Seit vier Monaten sind wir jetzt zusammen und ich glaube wirklich, ich habe meine große Liebe gefunden– wenn das kein Grund zum Feiern ist. Wobei es zurzeit permanent was zum Feiern gibt: fünf Monate seit der letzten Abiprüfung. Vier Monate seit Aarons erstem Kuss. Drei Monate seit Andreas und Sallys Abreise nach Australien. Zwei Monate, seit ich im Tierheim mein soziales Jahr angetreten habe, und knapp ein Monat, seit ich achtzehn und Besitzerin einer Yamaha XT 250 bin. Mal sehen, was dieser Monat bringt.

Ich balanciere die Einkäufe auf meinem Arm, den Eierkarton ganz oben, und krame mit einer Hand nach dem Haustürschlüssel, während mein Kinn mit jahrelang geübter Geschicklichkeit die Eier auf dem Turm aus Kartoffelsack, Milchkarton, Butter und Paprika stabilisiert.

Vorsichtig stapfe ich die ausgetretenen Holzstufen des Altbaus nach oben, vorbei an dem von irgendeinem Idioten an die Wand gesprühten Stinkefinger und den edlen Kassettentüren, deren abblätternde Farbe von vergangenen, besseren Zeiten erzählt. Vor Aarons Wohnungstür balanciere ich meinen Turm neu aus, blinzle nach dem Schlüsselloch und sperre auf.

Was war das? Statt der erwarteten Stille empfängt mich ein seltsames Geräusch. Erstickt. Wie ein Schluchzen, das jemand zu unterdrücken versucht. Ich erstarre. Aaron? Im Spiegel des schmalen Flurs bemerke ich etwas Dunkles im Wohnzimmer, sehe genauer hin, sehe Aaron, sehe Casey, ausgerechnet Casey. Ihr Kopf ist an seine Schulter geschmiegt, seine Hand streicht zärtlich über ihre glänzend schwarzen Haare.

Polternd verabschieden sich meine Einkäufe und landen auf dem Dielenboden. Der Eierkarton springt auf, wird unter dem Kartoffelsack begraben. Noch bevor ich ganz in der Hocke bin, um die Sachen wieder aufzusammeln, stürmt Aaron in den Flur.

»Mann, hast du mich erschreckt!« Mit zwei Schritten ist er bei mir, kniet sich neben mich auf den Boden. Er hebt den Kartoffelsack an und betrachtet die gelblich transparente Masse, die aus dem Pappkarton über das Holz in die Ritzen kriecht. »Na lecker.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!