Sizilianische Nächte - Kate Walker - E-Book

Sizilianische Nächte E-Book

KATE WALKER

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Beschreibung

Komm mit mir nach Sizilien! Ein Blick in Giovanni Gardellas schwarze Augen genügt, und Terrie haucht ihr Ja. Die dunklen Schatten, die auf Giovannis Vergangenheit lasten, will Terrie in Taormina vergessen machen. Ihre große Liebe hat diese Chance verdient ...

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IMPRESSUM

Sizilianische Nächte erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2003 by Kate Walker Originaltitel: „A Sicilian Husband“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1520 - 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Susanne Oppermann

Umschlagsmotive: GettyImages_IuriiSokolov, Andrew_Mayovskyy

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733755997

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Der Mann an der Bar war einfach umwerfend.

Ja, das ist das richtige Wort, dachte Terrie fasziniert. Attraktiv oder gut aussehend war viel zu nichts sagend für diesen sonnengebräunten Mann mit den markanten Gesichtszügen, dem sinnlichen Mund, den ausdrucksvollen braunen Augen und dem dunklen längeren Haar. Er war kein Engländer, das hatte sie sofort erkannt. Ihr war auch nicht entgangen, dass er sehr selbstbewusst und dabei fast schon arrogant war. Es schien, als hätte er eine Rüstung angelegt, die ihn vor seinen Gefühlen und auch vor seinen Mitmenschen schützen sollte. Terrie spürte genau, wie gefährlich der Unbekannte sein konnte. Er war stark, männlich und es offenbar gewohnt, alles unter Kontrolle zu haben.

Ja, umwerfend traf es genau. Terrie hatte ihn in dem Moment entdeckt, als sie den Raum betreten hatte, und seitdem konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden. Es würde sicher nicht mehr lange dauern, bis er bemerkte, dass er ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.

Und genau das geschah. Er sah auf und Terrie direkt in die Augen.

Noch nie hatte jemand ihr so offen seine Verachtung gezeigt. Er wollte nichts mit ihr zu tun haben, das war ihr klar. Terrie zuckte zusammen und drehte sich verlegen um. Verdammt! Warum hatte sie ihn nur so angestarrt? Sie war doch kein Teenager auf der Suche nach der ersten Liebe! Was war bloß los mit ihr? So etwas hatte sie bis jetzt noch nie getan. Ich muss damit aufhören, sofort, ermahnte sie sich.

Die Frau am Tisch gegenüber beobachtet mich schon eine ganze Weile, dachte Giovanni Cardella entnervt. Es kam ihm vor, als hätte sie noch nie einen Mann gesehen, so fasziniert betrachtete sie ihn. Er funkelte sie finster an, und sie wandte sich sofort ab. Gut so!

Sie war eben nicht Lucia.

Er kannte diese Sorte Frauen. Sie fanden ihn attraktiv und zeigten es ihm deutlich. Seitdem er wieder allein war, umkreisten sie ihn wie die Geier. Alle wollten den reichen Witwer trösten.

Aber das kam nicht infrage. Für ihn hatte es immer nur Lucia gegeben. Sie hatte er geliebt … für immer und ewig …

Die Engländerin, die ihn so unverschämt musterte, war ganz bestimmt nicht Lucia. Sie war blond, hatte blaue Augen und eine helle Haut – was kein Wunder war, wenn man auf dieser vom Regen heimgesuchten Insel wohnte –, und sie war groß. Lucia war das genaue Gegenteil gewesen: klein, dunkelhaarig und wunderschön.

War das denn zu glauben? Die Fremde blickte ihn schon wieder an! Es schien, als könnte sie seine Gedanken lesen. Gerade heute, an diesem besonderen Tag, wagte sie es, ihn zu stören. Dabei hatte er doch nur seinen Erinnerungen nachhängen wollen. „Madre de Dio!“, sagte er leise und zeigte der Frau deutlich, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte.

„Verdammt!“, flüsterte Terrie und sah zu Boden. Mit so einer heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Sein missbilligender Blick schien sie zu durchdringen, und sie wünschte sich, ganz woanders zu sein.

„Lasst uns gehen.“ Claire und Anna, die neben ihr saßen, nahmen ihre Handtaschen und standen auf. „Kommst du, Terrie?“

„Was? Nein. Auf die Rede des Vorstandsvorsitzenden kann ich verzichten.“

Was, zum Teufel, hatte sie sich dabei gedacht? Das war doch die Gelegenheit zu verschwinden, bevor sie sich noch mehr zum Narren machte! Wenn sie jetzt die Bar verließ, würde sie den Fremden hoffentlich nie mehr wiedersehen.

Wenn sie es jedoch genau überlegte, wollte sie nicht zurück in den Saal. Sie hatte keine Lust mehr auf Quoten und Statistiken.

„Bist du sicher?“, fragte ihre Freundin Claire besorgt.

Terrie nickte energisch, und dabei lösten sich einige blonde Locken aus ihrer strengen Hochfrisur. „Ich habe schon vor der heutigen Konferenz geahnt, dass eine Karriere als Verkäuferin von Kinderbekleidung für mich nicht infrage kommt. Und jetzt bin ich mir sicher. Sobald ich wieder in Netherton bin, werde ich kündigen und mir etwas anderes suchen.“

Das klang alles ganz vernünftig und hatte auch nichts damit zu tun, dass ein fantastisch aussehender Mann sie soeben völlig aus der Bahn geworfen hatte. Nein, ihre Entscheidung hatte schon vorher festgestanden, ganz bestimmt!

„Wenn du meinst.“ Claire schien nicht sehr überzeugt zu sein, aber Anna nahm ihren Arm und zog sie zur Tür. „Wir sehen uns dann beim Abendessen.“

Terrie nickte, war aber mit den Gedanken ganz woanders. Sie war sich sicher, das Richtige gemacht zu haben. Wie hatte sie die vielen Überstunden und langen Reisezeiten gehasst! Und wofür das alles? Nur um den Kunden viel zu teure, zweitklassige Ware zu verkaufen! Sie wusste gar nicht, wie sie das überhaupt so lange ausgehalten hatte. Von jetzt an würde alles anders werden!

Als Erstes wollte sie noch etwas trinken und sich entspannen. Die Konferenz hatte ihre Nerven wirklich gewaltig strapaziert. Natürlich würde sie den Mann an der Bar keines Blickes mehr würdigen. Sie hatte sich genug blamiert.

Giovanni hatte sich eigentlich vorgenommen, die unverschämte Frau nicht mehr zu beachten, doch als sie auf ihn zukam, sah er unwillkürlich auf. Sie bewegte sich so geschmeidig wie eine Katze, langsam und sinnlich. Obwohl er nicht an ihr interessiert war, faszinierte sie ihn doch. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt, und es lösten sich an mehreren Stellen Strähnen aus der Frisur.

Als sie die Bar erreicht hatte, seufzte die Fremde ungeduldig und zog einige Nadeln aus der blonden Fülle. Dann schüttelte sie energisch den Kopf – und Giovanni glaubte seinen Augen nicht trauen zu können.

Die Locken fielen ihr wie ein in der Sonne glitzernder Wasserfall über die Schultern und umrahmten ihr herzförmiges Gesicht. Plötzlich verspürte Giovanni ein Verlangen, das er schon lange nicht mehr empfunden hatte und das ihn selbst am meisten überraschte. Er hatte eigentlich gedacht, dass er nie wieder so auf eine Frau reagieren würde …

„Inferno!“, fluchte er leise und blickte schnell auf die Uhr, um sich abzulenken. Wo, zum Teufel, blieb Chris Macdonald? Sie waren für achtzehn Uhr verabredet gewesen, und jetzt war es schon halb sieben. Das sah Chris gar nicht ähnlich.

Sie hatten sich hier treffen wollen, um etwas zu trinken und den gewonnenen Gerichtsprozess zu feiern. Danach wollten sie zusammen essen gehen. Giovanni hatte die Einladung nur zu gern angenommen, denn er hatte Angst davor, gerade diesen Abend allein verbringen zu müssen. Er hatte schon mit seinem kleinen Sohn Paolo telefoniert und ihm eine gute Nacht gewünscht und war froh, für die nächsten Stunden Gesellschaft zu haben. Das würde ihn von seinen traurigen Gedanken ablenken, die immer wieder um das Furchtbare kreisten, das heute vor genau zwei Jahren geschehen war.

In dem Moment klingelte Giovannis Handy. Er zog es hervor und blickte auf das Display. Die Nummer kannte er, denn sie gehörte Chris.

Ungeduldig drückte er auf den Knopf und meldete sich. „Sí?“

Kurz darauf trennte er die Verbindung wieder und warf das kleine Gerät auf den Tisch. Verdammt! Sein Kollege konnte nicht kommen. Seine kleine Tochter war krank geworden, und sie hatten gerade den Arzt gerufen.

„Kein Problem“, hatte Giovanni gesagt. „Das macht nichts.“ Was natürlich gelogen war. Er hatte jetzt nämlich doch ein Problem – und zwar die lange Nacht, die vor ihm lag.

Eigentlich hätte er daran gewöhnt sein müssen. Seitdem er Lucia verloren hatte, war es ihm oft so ergangen. Er hatte schlaflos im Dunkeln gelegen und starr an die Decke geblickt. Das große Bett war kalt und leer, und er vermisste seine Frau unendlich.

„Dio no!“, flüsterte er verzweifelt. Er ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, die traurigen Gedanken zu verdrängen. Heute Abend hatte er so darauf gehofft, ihnen entkommen zu können. Ein Glas Wein, ein schönes Essen und nette Gesellschaft hatten ihn von seiner furchtbaren Einsamkeit ablenken sollen, die ihn zu verschlingen drohte. Aber es hatte nicht sein sollen.

„Was möchten Sie trinken, Miss Hayden?“

„Einen trockenen Weißwein, bitte.“

Giovanni wusste sofort, dass der Barkeeper mit der blonden Frau gesprochen hatte, die ihn so unverhohlen betrachtet hatte.

„Wo sind denn Ihre Freundinnen?“, fragte der Mann.

Das wüsste ich auch gern, dachte Giovanni neugierig.

„Sie sind wieder in der Konferenz. Ich hatte einfach keine Lust mehr, mir noch länger diese langweiligen Verkaufszahlen und Statistiken anzuhören. Wenn ich zu Hause bin, werde ich mir einen anderen Job suchen.“

Das war ja sehr interessant! Sie suchte also eine neue Herausforderung. Und sie konnte den Blick nicht von ihm, Giovanni, abwenden. War das Zufall oder eine Aufforderung?

Ihre sanfte, melodische Stimme klang betörend, und sie erinnerte ihn irgendwie an heiße, leidenschaftliche Nächte. Warum eigentlich nicht? Es war schon so lange her …

„Ich hätte nie gedacht, dass eine Konferenz so öde sein kann“, sagte die Unbekannte seufzend. „Wo bleibt denn da der Spaß? Ich werde mir jetzt einfach eine Auszeit nehmen und warten, was passiert.“ Sie lachte leise.

Sie wollte also Spaß? Und er wünschte sich nichts sehnlicher, als ein Frau neben sich im Bett zu haben, die seine Liebkosungen erwiderte und ihn tröstete.

Seit langem hatte er sich nicht mehr so gut gefühlt, und er dachte nicht daran, die Gelegenheit zu versäumen. Energisch stand er auf.

Terrie blickte starr in ihr Glas und fragte sich, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen. Selbst wenn sie nicht kündigte, würde sie bestimmt entlassen werden, denn ihr Vorgesetzter, James Richmond, hatte sicher bemerkt, dass sie gerade bei der Rede des Vorstandsvorsitzenden durch Abwesenheit geglänzt hatte. Der letzte Verkäufer, der sich so etwas geleistet hatte, war noch am gleichen Tag hinausgeworfen worden.

Also war sie bald arbeitslos. Wie sollte sie dann die Raten für ihr Auto und die Miete bezahlen? Gut, ihr Job war langweilig und stressig gewesen, aber sie hatte wenigstens nicht auf der Straße gesessen. Sie hatte in einem unbedachten Moment alles aufs Spiel gesetzt.

Es lag an diesem Mann. Als sie ihn in der Bar entdeckt hatte, war ihr Leben aus den Fugen geraten. Innerhalb von Sekunden hatte sie beschlossen, alles hinzuwerfen, nur um Spaß zu haben. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Es war ganz allein die Schuld dieses umwerfend gut aussehenden Fremden! Aufgebracht blickte Terrie zu ihm hinüber – doch er war verschwunden.

„Gut so“, flüsterte sie und trank einen Schluck Wein. Er hatte alles zerstört, und sie war dankbar, dass sie ihn nicht mehr sehen musste!

Natürlich wusste sie, dass sie sich dieses Dilemma selbst zuzuschreiben hatte. Sie hätte ja mit ihren Freundinnen in den Konferenzsaal zurückgehen können, aber sie hatte sich stattdessen entschieden, hier zu bleiben. Und weswegen? Weil sie gehofft hatte, diesen attraktiven Mann näher kennen zu lernen!

Aber jetzt war es zu spät. Er war gegangen, und sie hatte es noch nicht einmal bemerkt. Terrie hob das Glas und prostete dem abwesenden Fremden spöttisch zu. „Auf Nimmerwiedersehen, mein Freund“, flüsterte sie. Doch plötzlich stand jemand neben ihr und stieß mit ihr an. Erschrocken blickte sie auf.

„Salute, Signorina!“, sagte der umwerfende Unbekannte und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.

2. KAPITEL

Terrie schrie leise auf, und das Glas entglitt ihren Fingern. Es fiel zu Boden und zerbrach in tausend kleine Stücke. „Haben Sie mich erschreckt“, sagte sie aufgebracht. „Sehen Sie doch nur, was Sie angerichtet haben.“

So ganz unschuldig war sie daran zwar nicht, aber das würde sie nie zugeben. Seitdem sie diesen Mann in der Bar entdeckt hatte, war sie aufs Äußerste alarmiert. Jetzt, da er ihr ganz nahe war, wurde alles noch schlimmer. Er machte sie nervös, und es schien, als hätte er sie durchschaut, denn seine dunklen Augen funkelten belustigt.

„Perdone, Signorina.“

Seine tiefe Stimme klang verführerisch, was Terrie nicht gerade beruhigte.

„Entschuldigen Sie … Ihr Rock hat etwas abbekommen.“

Der Mann gab dem Barkeeper einen Wink, und ehe Terrie sich’s versah, hatte der Fremde ein nasses Tuch in der Hand und widmete sich hingebungsvoll den Weinflecken.

Terrie schloss die Augen. Ihr Herz begann, schneller zu klopfen, denn die Berührungen dieses Mannes waren betörend, auch wenn das feste Material ihres Leinenrocks wie ein Schutzschild wirkte. Und als der Unbekannte sich tiefer hinunterbeugte, um einige Tropfen von ihrer Strumpfhose zu entfernen, wäre sie am liebsten davongelaufen. Er war ihr viel zu nah, sodass sie seinen dezenten Duft einatmete. Ihr wurde schwindelig. „Bitte nicht, es ist schon in Ordnung … Das Kostüm war nicht teuer“, sagte sie schwach, doch er ließ sich nicht beirren.

Als er ihr Bein berührte, hätte sie beinahe aufgestöhnt. Seine Haut fühlte sich so warm an. Es war, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen. Nur mit äußerster Willensanstrengung gelang es ihr, ruhig stehen zu bleiben.

Schließlich richtete er sich wieder auf und warf das Tuch auf die Bar. „Darf ich Sie als Entschädigung zu einem Drink einladen?“

Er wartete gar nicht erst auf ihre Antwort, sondern sprach kurz mit dem Barkeeper und führte Terrie dann zu einem Tisch. Dort blieb er stehen, bis sie sich in den roten Samtsessel gesetzt hatte, und nahm dann ihr gegenüber Platz. Gleich darauf stand ein mit einer hellen Flüssigkeit gefülltes Glas vor ihr.

„Weißwein, richtig?“, fragte der Fremde und lehnte sich zurück.

„Oh … ja.“ Sie musterte seine langen Beine, die er ausgestreckt hatte, und stellte erschrocken fest, dass nicht nur ihr Rock Weinflecken hatte. Auch die silbergraue maßgeschneiderte Hose des Unbekannten hatte etwas abbekommen – und sein Anzug war bestimmt nicht billig gewesen!

„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, sagte sie schließlich. „Aber es war nicht nötig.“

„Ganz im Gegenteil. Es ist mir ein Vergnügen.“

Er betrachtete sie lange, und in seinem Blick lag etwas, das sie nicht deuten konnte. Plötzlich fühlte sie sich unbehaglich und rutschte im Sessel hin und her. Dieser Mann ging ihr buchstäblich unter die Haut. Es war zu viel für sie, er war zu umwerfend, zu groß, zu männlich, zu begehrenswert. Nur ihm gegenüberzusitzen warf sie schon völlig aus der Bahn.

„Ich glaube nicht …“

„Wovor haben Sie Angst?“, fragte er leise.

„Das habe ich gar nicht!“

Ihre Stimme bebte, was ihm bestimmt nicht entgangen war, und sie biss sich auf die Lippe.

Er ließ sich jedenfalls nichts anmerken. „Dann trinken Sie Ihren Wein“, forderte er sie sanft auf, aber es klang trotzdem wie ein Befehl. Es war dem Fremden deutlich anzumerken, dass er Widerstand nicht gewohnt war. Einen Moment lang dachte Terrie daran zu protestieren, aber sie überlegte es sich schnell anders, als sie seinen finsteren Blick bemerkte. „Danke“, antwortete sie und griff nach dem Glas. Doch plötzlich fiel ihr etwas ein. „Verstehen Sie mich nicht falsch … Normalerweise bin ich nicht so …“

Er betrachtete sie schweigend, und es schien, als machte er sich über sie lustig.

Verlegen blickte sie zu Boden. „Ich unterhalte mich normalerweise nicht mit fremden Männern in Bars.“

Ist sie so schüchtern, oder spielt sie mir etwas vor? fragte Giovanni sich. Immerhin hatte sie ihn unverhohlen betrachtet, und deshalb glaubte er nicht, dass sie unsicher war. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur die Taktik geändert. Jetzt, da sie sein Interesse geweckt hatte, wollte sie lieber die Beute und nicht die Jägerin sein. Auch gut! Er würde es durchgehen lassen, aber nur für kurze Zeit, denn er hatte keine Lust, sich zu verstellen. Sie wollten doch beide das Gleiche, oder?

„Und ich spreche normalerweise auch nicht mit fremden Frauen“, erwiderte er lächelnd.

Eins war ihm klar geworden: Er wollte diese Unbekannte. Sie hatte Klasse. Ihr langes blondes Haar, ihre elegante Erscheinung, die helle Haut, die wie Porzellan aussah, der betörende Duft ihres Parfüms – all das war für einen Mann, der an den südländischen Frauentyp gewöhnt war, exotisch und über alle Maßen verführerisch. Trotzdem wollte er sie nicht bedrängen. Er würde sich Zeit nehmen und die Reise genießen … umso süßer war dann die Eroberung.

„Was halten Sie davon, wenn wir uns vorstellen? Dann sind wir keine Fremden mehr.“ Er reichte ihr die Hand. „Mein Name ist Giovanni Cardella.“

„Ich heiße Terrie Hayden.“ Musste sie ihn wirklich berühren? Sie erinnerte sich noch zu gut daran, was sie empfunden hatte, als er vorhin ihr Bein gestreift hatte. Wie reagierte ihr Körper wohl, wenn sie die Wärme seiner nackten Haut spürte?

So, wie es aussah, hatte sie jedoch keine Wahl. Sie atmete tief durch, biss sich auf die Lippe und schüttelte ihm die Hand. Es war, als hätte sie einen Schlag bekommen. Sie war so mit sich beschäftigt, dass sie Giovannis Frage nicht verstanden hatte. „Wie bitte?“

„Terry?“ Er runzelte die Stirn. „Das ist doch ein Männername.“

„Er schreibt sich mit ‚ie‘ und nicht mit ‚y‘ und ist die Kurzform für Teresa. Alle meine Freunde nennen mich Terrie.“

„Das verstehe ich nicht. Teresa klingt doch so hübsch.“

Wenn er den Namen aussprach, klang es irgendwie exotisch, und sie lächelte unwillkürlich.

„Ich werde Sie Teresa nennen.“ Er nickte energisch.

Es war ihr egal. Hauptsache, er hörte nicht auf, mit ihr zu reden. Seine tiefe, melodische Stimme mit dem südländischen Akzent gefiel ihr. Plötzlich glaubte sie die warme Sonne zu spüren, die über dem blauen Mittelmeer vom Himmel strahlte. „Sie kommen aus Italien, oder?“, fragte sie und war sich sicher, dass sie sich nicht irrte.

Er nickte. „Ich bin Sizilianer und wohne in Palermo.“

Sie hatte also recht gehabt. Es passte alles zusammen. Sein gutes Aussehen, aber auch die Gefahr, die von ihm ausging. „Ich würde so gern nach Italien reisen“, antwortete sie schnell. „Bis jetzt bin ich nur einmal im Ausland gewesen, aber ich würde alles dafür tun, mehr von der Welt zu sehen.“

„Vielleicht können Sie das jetzt auch, denn Sie haben sich ja gerade entschlossen, Ihren Job zu kündigen.“

Sie glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können. „Woher wissen …? Sie haben gelauscht!“

„Ich konnte nicht anders. Wenn es ein Staatsgeheimnis gewesen wäre, hätten Sie sicher leiser gesprochen.“ Er hatte keine Lust mehr auf Spielchen. Einen Schritt vor und zwei zurück – das war nichts für ihn. Immerhin hatte sie ihm offen zu verstehen gegeben, dass sie Spaß haben wollte, und er war bereit, dafür zu sorgen. Die Sache war doch ganz einfach! Es gab kein Zurück mehr. „Was halten Sie davon, wenn wir zusammen essen gehen?“

„Wie bitte?“, fragte Terrie verblüfft. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Was haben Sie gesagt?“

Was war mit dieser Frau los? Natürlich wollte sie! Warum spielte sie plötzlich die Erstaunte? War er zu schnell vorgegangen? Es war ihm egal. Die Konventionen scherten ihn nicht. Sie wussten beide, wo dieser Abend enden würde.

„Kommen Sie schon, mia bella! Es handelt sich nur um ein Essen.“

Das konnte doch nicht wahr sein! Sie kannte ihn erst eine halbe Stunde … und außerdem hatte er ihr vor kaum zwanzig Minuten noch deutlich zu verstehen gegeben, dass er auf ihre Gesellschaft keinen Wert legte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er seine Meinung geändert, sich angeschlichen und sie völlig aus der Fassung gebracht. „Ich soll also mit Ihnen ausgehen?“

„Ja. Was ist daran so schwer zu verstehen?“

Jetzt klang seine Stimme plötzlich nicht mehr melodisch, sondern kühl und hart. Wieder fiel ihr sein finsterer Blick ein, den er ihr zugeworfen hatte.

„Mir ist natürlich bewusst, dass Englisch nicht meine Muttersprache ist“, sagte er seidenweich.

„Das hat damit nichts zu tun“, erwiderte sie schnell. „Sie sprechen es perfekt, und das wissen Sie genau. Aber Sie wollen doch gar nichts von mir wissen, das haben Sie mir vorhin jedenfalls deutlich gezeigt.“

Giovanni nahm sein Weinglas und trank einen Schluck. „Da haben Sie etwas falsch verstanden. Ich habe mich nur darüber geärgert, dass man mich im Stich gelassen hat. Ich war nämlich verabredet.“

„Mit einer Frau?“ Er war also versetzt worden und suchte jetzt jemanden, mit dem er den Abend verbringen konnte.

„Nein, ich wollte mich mit einem Kollegen treffen. Er hat mich vorhin angerufen und abgesagt. Hier bin ich nun, ein Fremder in London – verloren und hilflos.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das glaube ich Ihnen nicht. Sie kennen sich hier bestimmt genauso gut aus wie in Palermo, darauf gehe ich jede Wette ein.“

„Da haben Sie allerdings recht“, erwiderte Giovanni lächelnd.

Terrie fand sein Lächeln hinreißend. Es war, als ginge die Sonne auf.

„Ich bin trotzdem allein und außerdem hungrig.“ Er betrachtete sie forschend. „Ich esse ungern allein. Da ich im Hotelrestaurant einen Tisch für zwei Personen habe reservieren lassen und auch Sie Gesellschaft suchen, wäre es doch schade, wenn wir nicht zusammen hingehen würden.“

Da auch Sie Gesellschaft suchen. Terrie dachte über diese Worte nach und fragte sich, ob sie das Richtige tat. Vielleicht war es doch keine so gute Idee …

In diesem Moment beugte Giovanni sich vor und sah ihr tief in die Augen. Sein Blick schien sie hypnotisieren zu wollen. „Bitte“, sagte er leise, „nehmen Sie die Einladung an.“