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In höchster Gefahr nimmt Scheich Malik die junge Abbie beschützend in die Arme. Er möchte sie lieben, aber er muss auf das Glück verzichten: Abbie soll seinen Bruder heiraten!
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Seitenzahl: 170
IMPRESSUM
Unter dem Himmel der Wüste erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2006 by Kate Walker Originaltitel: „At The Sheikh’s Command“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 264 Übersetzung: Kara Wiendieck
Umschlagsmotive: olegbreslavtsev, ersler / Getty Images
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2022
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751521086
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Zuerst sah Abbie nur die Eskorte. Große Männer auf großen Motorrädern. Die Motoren dröhnten, Lack und Chrom glänzten in der Sonne. Trotz der Hitze trugen sie eng anliegende schwarze Lederanzüge und schwarze Helme. Diese Männer waren die Leibwache eines Mannes, der über ein weit entferntes Land herrschte.
Majestätisch glitt der Konvoi die Einfahrt entlang und kam vor dem Haupteingang des Anwesens zum Stehen. Auf ihren Maschinen sitzend, beobachteten die Leibwächter das Gelände mit wachsamen Blicken. In dem großen eleganten Wagen mit den getönten Scheiben erkannte Abbie die Gestalt von Scheich Malik bin Rashid Al’Qaim. Auf der Motorhaube prangte eine kleine Flagge.
Die Flagge von Barakhara.
Abbie atmete tief ein. Also war er hier. Es passierte tatsächlich.
Aber er kam zu früh. Sie hatten ihn erst in einer halben Stunde erwartet. Deshalb putzte sie noch dieses Zimmer und trug über der weißen Bluse und dem kurzen Rock eine mit großen bunten Blumen bedruckte Schürze.
„Dad!“, rief sie mit zitternder Stimme. „Sie sind da.“
Doch ihr Vater eilte bereits in die gewaltige Eingangshalle und öffnete die Haustür. Als Abbie sah, dass er einen Moment stehen blieb, tief durchatmete und seine Hände an den Hosenbeinen abwischte, sank ihr Mut.
Wenn ihr Vater, ein Mann, der stets mit allem fertig wurde, nervös war, dann bestand wirklich Anlass zur Sorge.
„Viel Glück“, rief sie ihm nach. Dabei würde er viel mehr als Glück brauchen.
Nicht nur ihr Vater, die ganze Familie würde alles tun, um Andy zu helfen. Aber das Schicksal ihres Bruders lag in den Händen eines arabischen Scheichs. Was er verlangen würde, um ihn freizulassen, stand in den Sternen.
Da er als sehr widersprüchlich galt, konnte niemand vorhersagen, wie er reagieren würde. Zumindest war es ihnen nach drei Wochen zähen diplomatischen Ringens gelungen, dass er persönlich kam, damit sie die Angelegenheit direkt mit ihm besprechen konnten.
In diesem Augenblick öffnete der Chauffeur die hintere Tür des Wagens und trat mit erhobenem Kopf und geradem Rücken einen Schritt zurück. Zwar salutierte er nicht, doch seine ganze Körperhaltung drückte Respekt aus.
„Oh …“
Nur diese eine Silbe, vermischt mit einem langen Seufzen, kam über Abbies Lippen. Wäre ein eleganter schwarzer Panther aus dem Wagen gesprungen, wäre sie nicht überraschter gewesen.
Oder ängstlicher.
Dieser Mann war so groß und dunkel und anmutig wie eine Wildkatze auf der Jagd – und sicher auch so stark.
Bei seinem Anblick lief Abbie ein kalter Schauder über den Rücken. Sein Gesicht hatte zu harte Züge, um es als schön zu bezeichnen. Die hohen Wangenknochen betonten das markante Kinn und die leicht gebogene Nase. Unter den geraden schwarzen Brauen funkelten die tiefsten und dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte.
Was für ein ausdrucksstarkes Gesicht! Wie hartherzig und unnachgiebig. Von diesem Mann durften sie weder Milde noch Gnade erwarten. Dabei war er jünger, als sie erwartet hatte. Aus irgendeinem Grund hatte Abbie immer angenommen, er wäre fünfzig und nicht dreißig.
„Ich dachte, er ist ein Scheich“, sagte eine helle Stimme. Ihr kleiner Bruder George stand plötzlich neben ihr und sah ebenfalls aus dem Fenster.
„Das ist er auch. Der Scheich von Barakhara.“
„Aber er trägt nicht die richtigen Kleider!“
„Nein …“
Unwillkürlich musste Abbie lächeln. Mit seinen zwölf Jahren dachte George noch in anderen Kategorien. Da ihr Besucher ein Scheich war, sollte er auch die fließenden Gewänder tragen, die man in seiner Heimat traditionsgemäß trug. Stattdessen steckte dieser Scheich in einem maßgeschneiderten stahlgrauen Seidenanzug, der seine muskulösen Schultern und die breite Brust betonte. Gerade näherte er sich mit großen Schritten der Eingangstür, um ihren Vater zu begrüßen. Tiefschwarz glänzte das Haar des Fremden in der Sonne, und die Hand, die er hob, um es sich aus der Stirn zu streichen, war von demselben golden schimmernden Bronzeton wie sein Gesicht.
„Also ist er kein echter Scheich?“
„Doch, das ist er. Vermutlich trägt er diese wallenden Gewänder nur in seinem Land.“
„In der Wüste …, wenn er auf einem Kamel reitet?“
„Ja, ich glaube schon.“
Wieder stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen.
„Dann ist er der echte Scheich und kann Andy helfen?“
Bei der Erinnerung an den Ernst der Lage, die den Scheich überhaupt erst hierher geführt hatte, verschwand Abbies Lächeln.
„Ja, George, ich hoffe es. Ich hoffe es wirklich.“
„Daddy wird mit ihm reden“, sagte George zuversichtlich.
„Ja, Daddy wird mit ihm reden“, bestätigte Abbie ohne rechte Überzeugung.
Durch das Fenster sah sie, wie der Scheich ihrem Vater höflich die Hand entgegenstreckte. Ihr Vater hingegen verbeugte sich fast und neigte instinktiv den Kopf, um dem königlichen Besucher seinen Respekt zu erweisen. Bei dieser Geste fürchtete Abbie, ihr Vater könne zu viel Ehrfurcht vor dem jüngeren Mann empfinden.
Dabei durfte er nicht die Kontrolle über die Situation verlieren. Denn es war immens wichtig, dass er die Angelegenheit ruhig und selbstbewusst diskutierte. Andys Zukunft hing davon ab.
Als Abbie jetzt an ihren neunzehnjährigen Bruder dachte, der ganz allein in Barakharas Gefängnis saß, fröstelte sie. Auch wenn Andy sich dumm und völlig verantwortungslos verhalten hatte, war er kein schlechter Mensch. Er hatte einen Fehler gemacht, aber nicht mehr. Und wenn er eine zweite Chance bekam …
Er musste einfach eine zweite Chance bekommen! Schließlich war der Scheich doch aus genau diesem Grund hier. Wenn er ihnen nur sagen wollte, dass es keine Gnade für ihren Bruder gab, hätte er den weiten Weg doch nicht zurückgelegt, oder?
Um die Szene an der Haustür besser verfolgen zu können, beugte Abbie sich ein wenig vor und schob den Vorhang beiseite. Gleich darauf hielt sie wie erstarrt inne, denn die winzige Bewegung hatte die Aufmerksamkeit des Scheichs erregt. Instinktiv wandte er den Kopf und suchte nach der Quelle der Ablenkung. Für einen Augenblick, losgelöst von Zeit und Raum, trafen sich ihre Blicke, seiner aus schwarzen Augen, ihrer aus silbergrauen.
Entsetzt stieß Abbie einen leisen Schrei aus. Panik verengte ihre Kehle. Mit fiebriger Hast ließ sie den Vorhang los und machte einen Schritt nach hinten.
Dennoch blieb das Gefühl zurück, unter seinem Blick zu verbrennen.
Bitte, lieber Gott, lass diese Verhandlungen bald vorbei sein, betete sie still. Intuitiv wusste sie, dass sie nicht sicher war, solange dieser Mann mit ihrem Vater verhandelte.
Auf einmal wollte sie nur noch, dass er wieder ging und für immer verschwand.
Und doch, dachte sie, während sie noch ein paar Schritte rückwärts ging, hatte sie nie zuvor einen Mann wie ihn gesehen. Trotz ihrer Angst könnte sie sein Bild niemals aus ihrem Gedächtnis löschen.
Wenn sie sich zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen begegnet wären …
Wer, zum Teufel, war das?
Scheich Malik bin Rashid Al’Qaim war kein Mann, der sich leicht von seinen Zielen ablenken ließ. Und die Angelegenheit, die er mit James Cavanaugh zu besprechen hatte, erforderte seine gesamte Aufmerksamkeit. Aber für einen winzigen Moment hatte die Bewegung des Vorhangs ihn abgelenkt. Einen winzigen Moment hatte er den Kopf gewandt und wie erstarrt innegehalten, als sein Blick dem einer Blondine begegnete, die ihn von einem Fenster im Erdgeschoss aus neugierig ansah.
Eine atemberaubende Blondine. Groß und schlank, mit glänzendem weichen Haar und einer sinnlichen Figur, die seine Aufmerksamkeit sogar länger als einen winzigen Moment abgelenkt hatte. Selbst die alberne und nicht gerade vorteilhafte Baumwollschürze, die sie trug, konnte ihre erotischen Kurven nicht verbergen.
Kurven, die er gern genauer betrachten würde.
Aber noch während der Gedanke in seinem Kopf aufblitzte, weiteten sich die Augen der Blondine vor Verlegenheit, und sie trat hastig einen Schritt zurück und verschwand damit aus seinem Blickfeld.
Nur mühsam unterdrückte Malik das aufsteigende Gefühl von Enttäuschung. Es gab wichtigere Dinge zu erledigen. Die Frau, offensichtlich ein Dienstmädchen oder eine andere Angestellte der Cavanaughs, konnte warten.
„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten …, eine kleine Erfrischung nach der langen Reise?“
Eilig richtete Malik seine Aufmerksamkeit wieder auf das, was James Cavanaugh – Sir James Cavanaugh, erinnerte er sich – sagte.
„Sehr gern“, antwortete er und folgte Abbies Vater in die mit Eichenholz getäfelte Eingangshalle.
Von dort führte eine Tür zu ihrer Linken in eine geräumige Bibliothek. Früher musste der Raum luxuriös und prächtig ausgesehen haben. Mittlerweile zeigte er jene Anzeichen von Vernachlässigung und Verfall, die auftraten, wenn kein Geld für Reparaturen zur Verfügung stand.
Auf dem ganzen Anwesen waren diese Zeichen deutlich sichtbar. Schon seit Jahren hatten die verzierten schmiedeeisernen Tore an der Einfahrt keinen neuen Anstrich mehr erhalten, den Springbrunnen vor dem Haus überzog grünes Moos, und in den Blumenbeeten wuchs Unkraut.
Das Haus selbst war zwar groß und elegant und zeigte den gesellschaftlichen Einfluss, den die Familie besaß, doch ganz offensichtlich überstiegen die Instandhaltungskosten das Einkommen der Besitzer.
Das wird die Sache einfacher machen, entschied Malik und beobachtete, wie sein Gastgeber sich um seinen Komfort sorgte. Was wenig dazu beitrug zu verbergen, wie nervös James Cavanaugh war.
Liebend gern hätte Malik die üblichen Höflichkeitsbekundungen und Floskeln, die am Beginn jeder Verhandlung standen, übersprungen. Zumal die Freundlichkeit seines Gastgebers sehr rasch verschwinden würde. Denn Maliks Angebot gab James Cavanaugh kaum Anlass zur Freude.
Doch wenn sein Gastgeber seinen Sohn Andrew noch vor dessen vierzigstem Geburtstag wiedersehen wollte, blieb ihm keine Alternative, als den Bedingungen zuzustimmen.
Ob seine Tochter auch damit einverstanden wäre, stand auf einem anderen Blatt.
Als würde man auf den Countdown für eine Explosion warten, ging es Abbie durch den Kopf, als sie durch den Flur zur Treppe schlich. So leise wie möglich huschte sie an der Bibliothek vorbei. Doch ihre Hoffnung, hören zu können, was hinter den geschlossenen Türen gesprochen wurde, erfüllte sich nicht. Durch das dicke Holz drang nur gedämpftes Murmeln.
Lediglich die Stimmen konnte sie unterscheiden, aber das war auch schon alles. Vor allem die Stimme des Scheichs machte Abbie aus.
Waren ihrem Vater schon die Argumente ausgegangen? Oder hatte der Scheich jeden seiner Vorschläge abgewiesen und erläuterte nun seine Bedingungen?
Tränen der Verzweiflung brannten in ihren Augen. Als sie den Treppenabsatz erreichte, glitt sie zu Boden und verbarg ihr Gesicht traurig zwischen den Händen.
Als Kind hatte ihr Bruder unter heftigem Asthma gelitten und oft im Krankenhaus oder krank zu Hause gelegen. Deshalb verpasste er sehr viel vom Schulunterricht und war für sein Alter sehr naiv. Die Reise nach Barakhara war sein erster Versuch, auf eigenen Füßen zu stehen. Und jetzt saß er im Gefängnis. Bei dem einzigen Anruf, der dank des britischen Botschafters zustande gekommen war, hatte Andy völlig verängstigt geklungen und seine Familie angefleht, ihn aus dem Gefängnis und nach Hause zu holen.
Plötzlich hörte Abbie Schritte und sprang hastig auf.
Ihr Vater öffnete die Tür und trat über die Schwelle. Dort blieb er kurz stehen und warf dem Mann im Zimmer einen Blick zu.
„Es tut mir unendlich leid, aber ich muss diesen Anruf entgegennehmen. Es wird nicht lange dauern“, sagte er.
Damit eilte er den Flur in Richtung Küche davon. Abbie schaute ihm nach. Vom Treppenabsatz aus wirkte ihr Vater klein und niedergeschlagen. Ein Anblick, der ihr das Herz schwer machte.
„O Andy …“, seufzte sie, gewann aber schnell ihre Fassung zurück.
Andere Jungen in seinem Alter hatten viel schlimmere Dinge angestellt! In England galt es als ganz normaler Diebstahl, wenn man wie er einige Kleinigkeiten von der archäologischen Ausgrabungsstätte, für die er gearbeitet hatte, einsteckte. Woher nahm dieser Scheich das Recht, Andy so lange einzusperren?
Plötzlich stieg Wut in Abbie auf. Bevor sie wusste, was sie tat, lief sie schon die Treppe hinunter. Die Tür zur Bibliothek war nur angelehnt. Weiter dem Impuls folgend, der sie schon die Stufen hinuntergetrieben hatte, öffnete sie die Tür und betrat das Zimmer.
Da stand sie also, von Angesicht zu Angesicht dem Mann gegenüber, der gekommen war, um ihrer Familie Forderungen zu stellen. Der ihren Bruder bis zur Zahlung eines Lösegeldes gefangen hielt und jetzt verkündete, wie viel sie bezahlen mussten.
Hier stand sie also, von Angesicht zu wunderschönem Angesicht …
Wie atemberaubend gut er aus der Nähe aussah, daran wollte Abbie lieber nicht denken. Dunkel und sexy. Gemütlich saß er in einem der großen weichen Ledersessel, die neben dem Kamin standen, die Beine ausgestreckt und an den Knöcheln gekreuzt. Seine blauschwarzen Haare bildeten einen scharfen Kontrast zu dem hellen Leder. Geradezu absurd klein und zerbrechlich wirkte die Teetasse aus feinstem Porzellan in seiner starken bronzefarbenen Hand. Seine andere Hand ruhte entspannt auf der Lehne des Sessels.
„Sie können das nicht tun!“
Noch bevor Abbie nachdenken konnte, brachen die Worte aus ihr hervor. Und sie wusste nicht, ob sie Panik oder Befriedigung empfinden sollte, als sie sah, dass sich die Muskeln in seinem Kiefer spannten und seine schwarzen Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten, als er den Kopf hob und sie ansah.
„Wie bitte?“
Seine samtige dunkle Stimme hatte einen scharfen Tonfall, bei dem sie innerlich zusammenzuckte. Auch saß er jetzt nicht mehr gelöst in dem Ledersessel, sondern spannte jeden Muskel seines Körpers an, als würde die Raubkatze, die sie sich vorhin vorgestellt hatte, nur auf den richtigen Moment zum Angriff warten.
„Sie können Menschen nicht so behandeln!“
„Und wie wäre das?“
„Das wissen Sie sehr gut!“
„Ich denke nicht.“
Zu ihrem Entsetzen stellte er die Tasse samt Untertasse auf dem Tisch ab und stand mit einer langsamen geschmeidigen Bewegung auf.
„Ich weiß nicht, wessen Sie mich anklagen … oder warum“, fuhr er fort, und seine Stimme klang jetzt weich und warm. Doch dieser Tonfall passte ganz und gar nicht zu dem wütenden kalten Funkeln seiner schwarzen Augen. „Vielleicht könnten Sie es mir erklären?“
Seit Malik sie vorhin am Fenster gesehen hatte, wollte er diese verführerische Blondine wiedersehen. Tatsächlich hatte er James Cavanaughs Vorschlag, Tee zu trinken, nur zugestimmt, weil er gehofft hatte, dass sie ihn servieren würde. Leider war James selbst gegangen und mit dem Tablett zurückgekehrt. Doch dann war sein Gastgeber zu einem wichtigen Telefonat gerufen worden, und dafür stand nun ohne Vorwarnung die schöne Fremde in der Bibliothek.
Vorhin, als sich ihre Blicke begegnet waren, hätte Malik jeden Eid geschworen, in ihren Augen dasselbe Interesse und dieselbe Anziehungskraft aufblitzen zu sehen wie in seinen. Überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sie sich treffen würden. Und ihr plötzliches Erscheinen schien ihm recht zu geben.
Aus der Nähe sah sie noch atemberaubender aus, als der kurze Moment am Fenster hatte vermuten lassen. Die langen blonden Haare trug sie lässig zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. In der lächerlichen geblümten Schürze müsste sie eigentlich alles andere als aufregend wirken, aber die geknoteten Bänder um ihre Taille betonten die sagenhaften Rundungen ihrer Brüste und die kurvenreichen Hüften.
Mit welcher Intensität ihr Anblick seinen sexuellen Hunger entfachte, schockierte ihn fast. Schon lange hatte er dieses Gefühl nicht mehr empfunden.
Doch ihre Begrüßung entsprach überhaupt nicht seinen Erwartungen. Dieses wild fauchende Kätzchen besaß nur wenig von der warmen willigen Versuchung, die er sich ausgemalt hatte. Dabei hatte er fast schon geglaubt, die Reise nach England könnte mehr werden als eine langweilige diplomatische Familienpflicht.
Stattdessen stand er nun dieser aggressiven heißblütigen Kreatur gegenüber, die ihn in einer Weise anfuhr, wie es eine Frau in Barakhara niemals gewagt hätte.
„Ich muss gar nichts erklären! Sie wissen selbst, warum Sie hier sind!“
„Meine Geschäfte bespreche ich mit Sir James …“
Aber sein Versuch, sie mit Autorität einzuschüchtern, scheiterte, da sie seine Worte mit einer Handbewegung einfach wegwischte.
„Ihr Geschäft ist es, über Andys – Andrews – Schicksal zu entscheiden!“, schrie sie ihn an. „Ich weiß nicht, für wen sie sich halten, dass Sie so mit dem Leben anderer Menschen spielen! Was gibt Ihnen das Recht …“
„Das Gesetz gibt mir das Recht“, unterbrach Malik sie. „Das Gesetz von Barakhara. Dasselbe Gesetz, dass der junge Andrew gebrochen hat, als er einige Artefakte der archäologischen Ausgrabung in seine Taschen gesteckt hat.“
Andy, wiederholte er im Kopf und versuchte, die Bedeutung dieses einzelnen Worts zu entschlüsseln. Sicher, sie hatte sich ziemlich rasch mit Andrew verbessert, aber zuerst hatte sie Andy gesagt.
Und Andy bedeutete Vertrauen und eine Nähe, die das Verhältnis zwischen Dienstmädchen und Familienmitglied überstieg.
„Ein paar Kleinigkeiten! Was war es denn? Eine Münze oder zwei? Ein Fossil? Und dafür sperren Sie ihn lebenslang ein?“
„Ein paar religiöse Kleinigkeiten“, berichtigte Malik nun kalt. „Gegenstände, die von großer Wichtigkeit für die Geschichte Barakharas sind. Gegenstände, deren Berührung noch im letzten Jahrhundert die Todesstrafe für jeden Nichtbarakhaner zur Folge gehabt hätte …“
Mit größter Zufriedenheit beobachtete er, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. „Wussten Sie das nicht?“
Sie schüttelte den Kopf.
Andy. Wieder wanderten Maliks Gedanken zu diesem Wort. War er vielleicht ihr Liebhaber? Völlig unerwartet stieg ein Gefühl von Eifersucht in ihm auf.
„Vielleicht geben Sie nun zu, dass ich nicht die Ausgeburt des Teufels bin, für die Sie mich halten.“
„Ich …“
Offenbar wusste sie keine Antwort. Sie öffnete ihre wunderbaren rosa Lippen, doch kein Laut drang aus ihrem Mund. In ihren grauen Augen spiegelte sich Verwirrung.
Plötzlich empfand Malik Wut über das Schicksal, das ihn hergebracht, und die Aufgabe, die er zu erfüllen hatte. Warum erledigte Jalil seine schmutzigen Jobs nicht selbst?
Immer wieder gab es Zeiten, in denen er sich wünschte, sein junger Halbbruder würde seine Straße der Verdammnis allein beschreiten. Doch wenn Jalil fiel, drohte seinem Land das Chaos. Und Malik hatte ihrer gemeinsamen Mutter geschworen, das niemals zuzulassen. Ein Schwur innerhalb der Familie war heilig – gleichgültig, was er ihn kostete.
Ursprünglich hatte er gehofft, durch einen Flirt mit dem blonden Dienstmädchen zumindest ein wenig Unterhaltung zu bekommen, ein wenig Entspannung nach den komplizierten Verhandlungen, die er führen musste. Aber nach ihrem sturen und trotzigen Gesichtsausdruck zu schließen, müsste er mehr Arbeit in sie investieren als gedacht.
Wenn sie dem Sohn, diesem Andy, so nahestand, kannte sie vielleicht auch die Tochter sehr gut, drängte sich Malik ein weiterer ungewollter und unbehaglicher Gedanke auf.
Auf diese Komplikation konnte er gut verzichten. Bislang hatte er diese Gail, von der Jalil gesprochen hatte, zwar noch nicht gesehen, aber wenn sie und dieses Mädchen befreundet waren …
„Wie heißen Sie?“, fragte er plötzlich. Weil es ihn große Anstrengung kostete, sich von dem Verlangen, das seinen Körper ergriffen hatte, abzulenken, klang seine Stimme ein wenig rau.
„Ich bin Abbie“, entgegnete sie verwundert.
Nicht Gail, dachte Malik erleichtert. Einen schrecklichen Moment hatte er befürchtet …
„Und wie soll ich Sie ansprechen?“
Offenbar hatte sie nun ihr Selbstvertrauen wiedergefunden, mit dem sie ins Zimmer gestürmt war. Der sarkastische Unterton ihrer Frage war unüberhörbar. Gegen seinen Willen lächelte Malik.
„Sie können mich Malik nennen.“
„Malik.“ Abbie wiederholte den Namen, als schmecke sie den exotischen Klang auf der Zunge. „Ist das alles?“
Ihre Kehle war auf einmal wie ausgetrocknet. Daher schluckte sie und befeuchtete ihre Lippen. Sein Blick folgte dieser entlarvenden Geste. Als er den Kopf wieder hob und sie in seine schwarzen Augen sah, wusste sie, dass sie verloren war. Denn ein kleines Lächeln von ihm reichte, um ihre Welt erbeben zu lassen. Ein kleines Zucken seiner sexy Mundwinkel nur, und ihr Körper reagierte sofort.
„Sollte ich nicht noch etwas hinzufügen?“, fragte sie.
„Etwas hinzufügen?“, wiederholte er, und seine Stimme umschmeichelte ihre Sinne wie warme Seide. „Was denn zum Beispiel?“
Ja, was denn, überlegte Abbie und versuchte, in dem Chaos, das mittlerweile in ihrem Kopf herrschte, ihren ursprünglichen Gedanken wiederzufinden.
„Zum Beispiel … Sir“, erwiderte sie zögernd. Immerhin war er ein Scheich. Ein Herrscher. Er gehörte zum Königshaus Al’Qaim. Sicherlich gab es einen offiziellen Titel. „Oder Ihre Majestät … oder …“