Skulduggery Pleasant (Band 15 1/2) - Die Hölle bricht los - Derek Landy - E-Book
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Skulduggery Pleasant (Band 15 1/2) - Die Hölle bricht los E-Book

Derek Landy

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Beschreibung

Dreihundert Jahre bevor alles anfing... Toskana, 1703. Der Krieg gegen Mevolent ist im vollen Gang und die Toten Männer werden nach Italien entsandt. Nicht um den Erzfeind endlich zu besiegen, sondern um ihn zu retten. Ein apfelgroßes Loch in der Realität hat einen Zugang zur Hölle freigelegt, hinter dem ein mächtiges Wesen lauert. Und nur Mevolent ist in der Lage, es wieder zu schließen. Eine einfache Mission, wenn da nicht Nefarian Serpine wäre, der Mann, der dreizehn Jahre zuvor Skulduggery und seine ganze Familie umgebracht hat.  Skulduggery Pleasant und die Toten Männer sind wieder da: In einem Kurzroman, der dreihundert Jahre vor Walküres Unruhs Geburt spielt.  Das Prequel zur Skulduggery-Pleasant-Reihe BestsellerautorDerek Landy erzählt in diesem Prequel seiner erfolgreichen Kultreihe von einer Zeit als Skulduggery Pleasant noch kein Skelett-Detektiv, sondern eine Art Skelett-Musketier im Dienst des irischen Sanktuariums war. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Grässlich Schneider, Saracen Rue und Dexter Vex. Düster und humorvoll zugleich ist dieses Prequel ein absolutes Muss für alle Fantasy- und Skulduggery Pleasant-Fans!

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Seitenzahl: 276

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INHALT

Italien, 1703

Das Medium …

Die Toten Männer  …

Der Abend brach an, …

Es war kurz nach Mitternacht, …

Die Schwestern  …

»Ich hoffe, …

»Ich bin Délicat Verdure«, …

Adeline brachte sie …

Das Abschirmen …

Während alle Blicke …

Im Dubliner Sanktuarium …

Das Treffen mit Mevolent …

Der Versuch, …

»Wow«, …

Drestan Bizarre …

Die Toten Männer …

Die Toten Männer …

Bei Anbruch der Dunkelheit …

Tome teleportierte …

Saracen führte sie …

Es begann zu regnen, …

Als die nächste Welle …

Walküre …

Grässlich schleuderte Feuer …

Walküres Haare …

Das Entermesser …

Tithonus …

Grässlich  …

»Wie hast du das gemacht?«, …

Mevolent  …

»Was hast du getan?«, …

ITALIEN, 1703

DAS MEDIUM saß im Schneidersitz auf einem Felsen am Rand des Lagers, die Hände auf den Knien liegend, die Augen geschlossen und den Geist geöffnet. Seine Aufgabe bestand darin, wachsam zu bleiben, während die anderen in ihren Zelten und Decken schliefen, sicher unter seinem Schutz. Wachposten waren nicht erforderlich, wenn man einen Sensitiven in seiner lustigen Mörderbande hatte, der darin geschult war, den Verstand jedes Feindes wahrzunehmen, der ins nähere Umfeld eindrang.

Um jedoch einen solchen Verstand zu bemerken und dessen Gedanken – verfinstert von böswilligen Absichten oder Ähnlichem – lesen zu können, mussten diese Gedanken durch die grauen Windungen eines echten, physisch vorhandenen Gehirns flackern. Skulduggery Pleasant besaß nichts dergleichen. Sein Gehirn war ihm aus dem Schädel gebrannt worden – genau wie seine Augen, seine Zunge, seine Haare und seine Haut, mitsamt den darunterliegenden Sehnen und Muskeln. Wieso er sich bewegen, reden und denken konnte, war ein Rätsel, das nicht einmal er selbst mit seinem überragenden Intellekt hatte lösen können. Vielleicht konnte er, wenn der Krieg vorbei, Mevolent besiegt und die Bedrohung abgeklungen war, seine Zeit darauf verwenden, das Geheimnis seiner fortgesetzten Existenz zu ergründen. Aber im Moment widmete er seine ganze Aufmerksamkeit dem Kampf.

Lautlos tauchte er aus der Dunkelheit auf, ging auf das Medium zu, das im Schneidersitz, mit geschlossenen Augen und offenem Geist dasaß, und verpasste ihm mit einem dicken Stock einen Schlag auf den Kopf. Als der Sensitive auf die Seite sackte und reglos liegen blieb, bedeutete Skulduggery den anderen, ihm zu folgen.

Während er und seine Begleiter sich vorwärtsbewegten, über feuchte Äste stiegen und sich unter den dünnen Zweigen der Olivenbäume hindurchduckten, empfand Grässlich Schneider unwillkürlich Bewunderung. In den dreizehn Jahren, seit Skulduggery seine Familie verloren hatte und selbst gestorben war, war er immer tiefer in einen Abgrund aus gewalttätigem Nihilismus hinabgesunken. Sein Humor war so scharf geworden wie das Schwert, das er an der Hüfte trug, und so spitz wie sein Glück bringendes Messer, mit dem er regelmäßig Wachposten und Sensitiven die Kehle durchschnitt. Die Tatsache, dass er sich dieses Mal für die relativ milde Variante entschieden und den Mann nur niedergeknüppelt hatte, statt ihm den Hals aufzuschlitzen, deutete Grässlich als Zeichen dafür, dass sein bester Freund vielleicht endlich bereit war, aus dem Abgrund zu steigen und sich in dieser verhältnismäßig hellen toskanischen Mondnacht wieder seinen Kameraden, den Toten Männern, anzuschließen.

»Ich bin stolz auf dich«, flüsterte Grässlich, als er nah genug herangekommen war.

»Ich kann mein Glück bringendes Messer nicht finden«, erwiderte Skulduggery, ebenfalls im Flüsterton. »Ich hatte es in meine Glück bringende Messerscheide gesteckt und an meinem Glück bringenden Gürtel befestigt, aber es muss auf dem Weg hierher herausgefallen sein.«

»Das erscheint mir eher Unglück bringend«, sagte Grässlich.

»Ich hege eine enorme Zuneigung für dieses Messer. Erinnerst du dich noch, wie ich diesen Kobold damit getötet habe?«

»Ja, das war in der Tat ein erhebender Moment. Aber dir bleibt ja noch immer dein Schwert.«

Skulduggery brummte und klopfte leicht auf den Schwertgriff. »Wenn ich versuche, damit eine Kehle aufzuschlitzen, würde ich den ganzen Kopf abtrennen. Die Wehklagende Witwe ist ein gutes Schwert, daran besteht kein Zweifel. Doch ihre Heimat ist das Schlachtfeld – nur dort beginnt sie zu singen. Mein Glück bringendes Messer hatte ein ganz eigenes Lied. Leiser, aber nicht weniger lieblich, wie ein Flüstern im Sturm.«

Grässlich mochte es nicht, wenn Skulduggery über die Lieder sprach, die seine Waffen sangen. Es bereitete ihm Unbehagen.

»Sie schlafen alle noch«, raunte Saracen Rue, der sich ihnen leise genähert hatte, und deutete mit dem Kinn zum Lagerplatz. »Der erste Teleporter befindet sich im Zelt gleich beim Feuer. Er schläft auf dem Bauch, den Kopf vom Eingang abgewandt. Der zweite ist im Zelt auf der anderen Seite.«

»Ich werde den ersten erledigen«, sagte Skulduggery.

»Und ich den zweiten«, sagte Hopeless und verschwand in die Nacht.

Skulduggery wandte sich an Saracen. »Könnte ich mir ein kleines Messer von dir ausleihen?«

Saracen runzelte die Stirn. »Was ist mit deinem Glück bringenden Messer passiert?«

»Ich habe es verloren.«

Saracen reichte Skulduggery ein Messer, das wie jedes andere Messer aussah, das Grässlich je gesehen hatte. »Dann darfst du mein Glück bringendes Messer benutzen. Ich nenne es die Klinge der Erinnerung.«

»Warum nennst du es so?«

»Hab ich vergessen.«

Die beiden unterhielten sich flüsternd weiter über Messer und Schwerter. Grässlich hatte noch nie einer seiner Waffen einen Namen gegeben. Ein Schwert zu benennen, war genauso, als würde man einen Löffel benennen. Und Grässlich konnte absolut keinen Sinn darin erkennen, Besteck einen Namen zu geben. Er blickte zum nördlichen Rand der Lichtung, wo Erskin Ravel neben einem Baum wartete und einen Finger durch die Luft kreisen ließ – so wie die Sonne, die um die Erde kreiste. Grässlich nickte. Sie verloren kostbare Zeit.

»Wir sollten besser das erledigen, wozu wir hergekommen sind«, sagte er.

Skulduggery warf die Klinge der Erinnerung in die Luft und fing sie wieder auf. »Dann lasst uns in dieser Nacht des Blutvergießens nicht länger zögern«, sagte er und schlich durch die Schatten davon.

Grässlich sah Saracen an. »Ich wusste gar nicht, dass du deinen Waffen Namen gibst.«

»Tu ich auch nicht«, erwiderte Saracen. »Ich bin doch nicht von allen guten Geistern verlassen. Das hab ich nur gesagt, damit sich Skulduggery einigermaßen normal fühlt. Ich habe mir nämlich ein paar Gedanken darüber gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ihm in seinem Leben wahrscheinlich ein Gefühl der Normalität fehlt.«

Grässlich war sich nicht sicher. »Wie normal kann er sich schon fühlen als das einzige lebendige Skelett auf der Welt?«

»Das einzige lebendige Skelett auf der Welt – soweit wir wissen«, sagte Saracen und zuckte dann die Schultern. »Na ja, vielleicht hast du recht, mein Freund. Ich glaube allerdings, dass Skulduggery sich allmählich mit den Geschehnissen abfindet. Mir scheint, dass er in den letzten Monaten besser in der Lage war, seine Wut unter Kontrolle zu halten. Es gab Zeiten, da wäre er in dieses Lager gestürmt, hätte Schmähungen gebrüllt und ein Gemetzel veranstaltet. Und sieh ihn dir jetzt an: Er hat zuerst den Sensitiven und den Teleporter ausgeschaltet, wie ein vernunftbegabter Mensch. Und den hier hat er nicht mal getötet.«

Saracen stupste das bewusstlose Medium mit der Stiefelspitze an, woraufhin sich der bewusstlose Mann aufsetzte, blinzelte und – plötzlich überhaupt nicht mehr bewusstlos – zu schreien begann.

»Verdammt«, sagte Saracen und schickte den Sensitiven mit einem Tritt zurück in die Bewusstlosigkeit.

Jetzt ertönten aus dem Lager Rufe, Aufforderungen zum Kampf. Grässlich sah Gestalten, die aus ihren Zelten stolperten und nach Schwertern und Äxten griffen. Ein leuchtender Energiestrom durchzuckte die Dunkelheit, fuhr knisternd durch die Baumwipfel und zerstob am Nachthimmel. Dann kam Skulduggery auf sie zugerannt.

»Lauft!«, rief er, als er auf ihrer Höhe war, und Grässlich und Saracen stürmten ihm nach.

Rasch tauchten sie zwischen den Bäumen im Wald unter. Als ein Pfeil an Grässlichs Ohr vorbeipfiff, wurde ihm klar, dass es Skulduggery und Hopeless gelungen sein musste, die beiden Teleporter unschädlich zu machen. Denn sonst würden ihre Feinde jetzt vor ihnen auftauchen, statt die Verfolgung aufzunehmen. Das war immerhin eine gute Nachricht.

Skulduggery schnippte mit den Fingern, und ein Funke blitzte im Dunkeln auf, entzündete jedoch keinen Feuerball. Auf dieses Zeichen hin wirbelte Grässlich herum und kauerte sich hinter einen Baum. Gleich darauf hörte er nur noch die krachenden Schritte der Soldaten, die ungeordnet durch das Unterholz stampften. Ihr Drang, sie alle zu verfolgen, war so stark, dass sie jegliche Vorsicht in den Wind schlugen. Ihre zahlenmäßige Überlegenheit ließ Vorsicht schließlich überflüssig werden.

Das Schwingen eines Schwerts oder einer Axt im Wald war selbst im günstigsten Fall ein aussichtsloses Unterfangen. Grässlich löste seine Axt vom Gürtel und legte sie leise auf die Erde. Die Soldaten bewegten sich inzwischen erheblich langsamer: Sogar Narren waren in der Lage, eine Falle zu wittern. Sie drangen vorsichtig, wenn auch nicht weniger geräuschvoll, weiter in den Wald vor und flüsterten miteinander wie Darsteller auf einer Bühne.

Zuerst erschien die Spitze des Schwerts neben dem Baum, hinter dem Grässlich kauerte, dann folgte der Rest der Waffe. Grässlich wartete, bis er die Hände sehen konnte, die den Schwertgriff umklammerten, und trat dann aus seinem Versteck hervor. Er schloss eine Hand um das Handgelenk seines Gegners und versetzte dem Soldaten mit der anderen einen so harten Faustschlag, dass er spürte, wie die Nase des Mannes brach. Der Soldat stieß einen Schrei aus und versuchte, sein Schwert freizubekommen, woraufhin Grässlich ihm einen Kinnhaken verpasste und der Mann zusammensackte. Ein weiterer Soldat stürmte heran, doch sein Schwert wurde von einem Ast über seinem Kopf gebremst und blieb im Holz stecken. Grässlich sandte eine Druckwelle. Die Luft vibrierte, und der Soldat wurde gegen den Baum hinter ihm geschleudert, als wäre er aus einem Katapult abgeschossen worden.

Grässlich sah, wie Skulduggery und Saracen auf die anderen Soldaten losgingen und wie das Licht explodierender Feuerbälle und Energieströme plötzlich die Nacht erhellte. Er wich einem herabsausenden Knüppel aus, schlug zu und spürte, wie unter seinen Fingerknöcheln, Rippen brachen. Der Soldat ließ den Knüppel fallen und tastete, japsend und keuchend, nach einem Dolch an seinem Gürtel. Doch plötzlich war Ravel da und versenkte seine Axt im Kopf des Mannes. Dann schnappte er sich den zu Boden gefallenen Knüppel und stürmte zurück ins Getümmel.

Ein anderer Soldat prallte mit Grässlich zusammen. Beide gingen zu Boden, überschlugen sich wieder und wieder, bis sie gegen einen Baum prallten, wobei der Soldat die ganze Zeit versuchte, Grässlich sein Messer ins Gesicht zu rammen. Als sie wieder zurückrollten, entwand Grässlich seinem Gegner das Messer und stieß es ihm in den Hals. Dann rappelte er sich auf und beobachtete, wie um ihn herum in der Dunkelheit die Kampfhandlungen ihren Lauf nahmen, begleitet von lautem Ächzen und Fluchen und leisen Schmerzensschreien.

Als alles vorbei war, holte Grässlich seine Axt und schob sie wieder in seinen Gürtel. Er folgte den anderen zurück zum Lager, wo Dexter Vex mit einem Gefangenen auf sie wartete.

»Ich möchte euch Adalbert vorstellen«, sagte Dexter.

Adalbert, ein großer Mann mit einem langen, dünnen Bart, kniete auf dem Boden, die Hände auf den Rücken gefesselt. Sein linkes Auge schwoll bereits zu, und seine Unterlippe blutete. Dexters hübsches Gesicht wies dagegen nicht die kleinste Schramme auf.

»Adalbert wollte uns gerade alles darüber erzählen, was uns in der nächsten Stadt erwartet.«

»Nein, wollte ich nicht«, widersprach Adalbert.

»Och, bitte, bitte«, sagte Dexter.

»Fahr zur Hölle«, knurrte Adalbert.

Skulduggery trat vor. »Adalbert, weißt du, wer wir sind?«

Adalbert schnaubte. »Ich weiß, wer ihr seid, jeder Einzelne von euch. Der da, der mich aus dem Hinterhalt überfallen hat, ist Dexter Vex – Mörder von Frauen und Kindern. Du bist das lebendige Skelett. Nefarian Serpine hat zuerst deine Familie getötet und dann dich. Neben dir steht Erskin Ravel, der einzige Mann, der die Schlacht am Tagesende überlebt hat. Ja, ich kenne die Geschichten. Der Mann links von dir ist Saracen Rue, der in einem Wutanfall seine eigenen Brüder und Schwestern umgebracht hat. Und neben ihm steht der Mann mit den Narben, der bei seiner Geburt so hässlich war, dass seine Mutter vor Schreck gestorben ist.«

»Meine Mutter lebt noch«, erwiderte Grässlich und runzelte die Stirn.

»Da hab ich aber was anderes gehört.«

»In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten deiner Informationen falsch sind, ist das, was du gehört hast, bedeutungslos. Meine Mutter lebt noch.«

»Wenn du mir nicht das Gegenteil beweisen kannst, glaube ich dir nicht«, entgegnete Adalbert. »Von euch gibt’s noch zwei weitere, aber ich sehe sie nirgends. Vermutlich halten sie sich versteckt. Halten sie sich versteckt? Ich habe gehört, dass der Typ namens ›Hopeless der Killer‹ ein elender Feigling ist, der nur tötet, wenn ihm seine Opfer den Rücken zukehren.«

»Du weißt, wie wir genannt werden«, sagte Skulduggery.

Adalbert nickte knapp. »Ja, man nennt euch die Toten Männer.«

»Weil die Missionen, die wir übernehmen, für alle anderen reine Himmelfahrtskommandos wären.«

»Und weil du tot bist – was schon bald auch für die anderen gelten wird«, sagte Adalbert und lachte leise.

»Aber wir sind zu siebt«, sagte Skulduggery. »Du hast nur sechs genannt. Wer ist der Siebte? Weißt du das auch?«

Adalberts Lachen erstarb. »Ich weiß es. Ich weiß, dass ihr unter euch ein Monster habt, ein Monster, das genauso schnell einen von euch töten würde wie mich. Ich weiß, dass ihr diesem Mann nicht trauen könnt, weil man keinem Magier trauen kann, der sich für diese Disziplin entschieden hat.«

»Das stimmt«, bestätigte Skulduggery. »Weil diese Magier zu launisch sind. Zu unberechenbar. Zu gewalttätig und blutrünstig.«

Adalbert schluckte. »Ja.«

Und als in diesem Moment Anton Shudder und Hopeless das Lager betraten, wurde Adalbert blass.

»Wir drohen nur ungern mit Antons Gist«, sagte Grässlich. »Zum einen, weil er unser Freund ist und wir ihn nicht wie eine Waffe behandeln wollen. Zum anderen, weil du vollkommen recht hast: Die Gist stellt für uns eine ebenso große Bedrohung dar wie für dich. Wenn wir Anton auffordern, sie loszulassen, heißt das, dass wir unseren eigenen blutigen, grausamen Tod billigend in Kauf nehmen.«

»Also werden wir von dahinten aus zuschauen«, sagte Saracen und deutete hinter sich.

Adalbert schüttelte den Kopf. »Das werdet ihr nicht tun. Ihr werdet nicht zulassen, dass er mich tötet. Ich bin unbewaffnet. Meine Hände sind gefesselt, und meine Magie ist gebunden.«

»Denk an alles, was du gerade über uns gesagt hast«, entgegnete Skulduggery. »Denk an alles, was du gehört hast. Denn selbst wenn du mit ein paar Sachen falschliegst – Dexter ist nicht der Mörder von Frauen und Kindern, für den du ihn hältst, Hopeless ist kein Feigling, und Grässlichs Mutter lebt noch –, entspricht alles andere der Wahrheit, mehr oder weniger. Wir sind Killer. Wir sind erbarmungslos. Wir werden alles Erforderliche tun, um unsere Mission zu erfüllen. Und wenn das bedeutet, dass wir dich von Shudders Gist zerfetzen lassen müssen, weil du uns keine Antworten auf unsere Fragen gibst, dann soll es so sein. Anton?«

Shudder zögerte kurz und trat dann vor.

»Halt!«, sagte Adalbert. »Halt! Ich werde euch alles erzählen. Wirklich! Ich schwöre es! Alles, was ihr wissen wollt.«

»Wir wissen, dass Baron Vengeous sich in der nächsten Stadt aufhält«, sagte Skulduggery. »Aber wir wissen nicht, warum.«

Adalbert nickte rasch. »La Porta dell’Inferno. Darum sind wir alle hier. Mevolent hat ihn losgeschickt, um herauszufinden, ob es echt ist. Ob es sich öffnen lässt.«

»Das Tor zur Hölle?«, fragte Dexter. »Was ist das?«

»Ein Portal, das in die Dimension der Gesichtslosen führt«, erklärte Ravel. »Oder zumindest behauptet man das. Ich habe Erzählungen darüber gehört, Erzählungen, die hundert Jahre oder noch länger zurückgehen. Man wusste, dass es sich in Italien befindet, in der Toskana. Aber ich dachte, die genaue Stelle wäre in Vergessenheit geraten.«

»Das war sie auch«, sagte Adalbert. »Doch Baron Vengeous hat herausgefunden, dass das Tor sich hier befindet, in San Gimignano. Sie arbeiten gerade daran, es weiter zu öffnen. Eure Zeit neigt sich dem Ende zu. Bald werden die Gesichtslosen die sterbliche Pest vom Antlitz der Welt brennen.«

Skulduggery sah Grässlich an. »Deshalb hat Meritorius die Toten Männer einberufen und hierhergeschickt? Damit wir ein Geschlecht imaginärer Götter beseitigen?«

»Blasphemie«, murmelte Adalbert.

»Blasphemie, ach ja?«, fragte Skulduggery, lachte und ging vor Adalbert in die Hocke, um ihm in die Augen zu sehen. »Wir leben in der realen Welt, mein verblendeter Freund. Die Bedrohungen, mit denen wir es zu tun haben, sind real: Krieg, Armut, Vampire, Hungersnöte. Bist du wirklich so verloren und unsicher, dass du an Geschichten glaubst, die dir deine Eltern bei Kerzenschein erzählt haben?«

»Die Gesichtslosen sind schon einmal auf dieser Erde gewandelt, und sie werden es wieder tun.«

»Wir befinden uns seit drei Jahren im achtzehnten Jahrhundert, du unglaublicher Narr. Verhalte dich bitte dementsprechend.«

»Ob die Gesichtslosen real sind oder nicht, ist unerheblich«, sagte Ravel. »Tatsache ist, dass die Porta dell’Inferno ausfindig gemacht wurde und dass das, was sich auf der anderen Seite befindet, wahrscheinlich nichts Gutes bedeutet – für uns oder die gesamte Welt. Daher erscheint es mir als das Beste, die Pforte für immer zu schließen oder sie schlichtweg zu zerstören. Irgendwelche Einwände?«

Niemand protestierte. Skulduggery heftete seinen Blick wieder auf Adalbert.

»Du hast sie gesagt.«

Adalbert versuchte vergebens, den Unschuldigen zu spielen – was vermutlich daran lag, dass ihm diese Empfindung fremd war. »Wie bitte?«

»Du hast gesagt, dass Vengeous das Tor zur Hölle gefunden hat, aber dass sie daran arbeiten. Wer sind sie?«

»Sie«, sagte Adalbert. »Vengeous und seine Soldaten. Leute wie ich.«

»Wenn du Leute wie dich gemeint hättest, hättest du gesagt: Wir arbeiten daran. Aber das hast du nicht. Du hast sie gesagt. Wer sind sie, Adalbert?«

»Ich weiß nicht, was du meinst. Ich habe mich versprochen. Ich wollte eigentlich wir sagen.«

»Wer ist bei Vengeous?«

»Niemand.«

»Shudder«, sagte Skulduggery, »leider ist die Zeit gekommen, deine Gist loszulassen.«

»Mevolent!«, schrie Adalbert. »Mevolent ist bei ihm! Mevolent und Serpine! Bitte tötet mich nicht!«

DIE TOTEN MÄNNER warteten in der Schenke auf Meritorius’ Ankunft. In der Zwischenzeit genossen sie ein erlesenes Abendessen, das einen zarten Truthahn, Zunge à la daube und Kopfsalat mit Anchovis umfasste. Der Nachtisch bestand aus Käse und Keksen, ungeschälten Mandeln sowie frisch gestampfter Butter auf einem ausgezeichneten, wenn auch teuren Brot. Der Wein war exquisit, auch wenn die Toten Männer nur wenig davon tranken. Sie hatten im Laufe der Jahre zu oft erlebt, wie Freunde mehreren der Trunkenheit geschuldeten Fehlentscheidungen zum Opfer gefallen waren, und hatten keine Lust, sich in die Liste einzureihen.

Grässlich ertappte sich dabei, dass er die Sterblichen beobachtete, deren kostbare Lebenszeit unaufhaltsam verrann. Er dachte bei sich, wenn er sterblich wäre und nur auf vierzig oder fünfundvierzig Jahre Lebenszeit hoffen durfte, würde er seine Zeit nicht damit verschwenden, darauf zu warten, dass man ihm einen Becher Wein oder einen Teller mit Essen servierte. Stattdessen würde er seine Tage mit Freundschaft, Liebe und Familie füllen und sich niemals die Hände mit Gewalttaten schmutzig machen.

Aber Grässlich war ein Mann der Widersprüche und hatte die unterschiedlichsten Gedanken.

Als Zauberer wusste er, dass seine Magie sein Leben um viele Jahrhunderte verlängern konnte – aber diese Tatsache bot ihm keinerlei Ausreden, wenn es darum ging, womit er seine Tage zubrachte. Wenn er in all seiner Weisheit missbilligend den Kopf über das erbärmliche Verhalten der unaufgeklärten Massen schüttelte, aber gleichzeitig die eigenen Hände mit Schwertern und Feuer füllte, welch großartige Lektion hatte er dann gelernt?

Die unweigerliche Antwort lautete: keine.

Die Götter oder die Natur hatten ihn mit einem langen Leben und großer Macht beschenkt, doch er hatte sich entschieden, seine Zeit mit Kriegen, Kämpfen und Töten zu verbringen. In Wahrheit war er keinen Deut besser als die tölpelhaften Sterblichen um ihn herum. In Wahrheit war er vermutlich sogar viel schlimmer.

Statt der Familie, die er sich einst selbst versprochen hatte, war er Teil einer Gruppe von Brüdern geworden, die eher durch blutige Taten als durch Blutsbande miteinander verbunden waren. Die Toten Männer waren seine Familie: eine Gruppe von Individuen, die psychisch zu angeschlagen waren, um als Teil eines größeren Ganzen zu funktionieren, aber ausreichend angeschlagen, um sich ihren eigenen blutigen Weg durchs Leben zu bahnen.

Für Grässlich Schneider würde es keine Kinder geben. Ebenso wenig eine Ehefrau, einen Ehemann oder sonst irgendetwas in dieser Art – nicht seit Anselm vor sieben Jahren aus seinem Leben verschwunden war. Als Skulduggerys Familie ermordet worden war, als Grässlich einen seiner besten Freunde verloren hatte – und auch das Kind, dem er ein hingebungsvoller Onkel gewesen war –, hatte Anselm sein Möglichstes getan, um ihm in dieser schweren Zeit beizustehen. Grässlich hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Skulduggery zu helfen, und Anselm hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Grässlich zu helfen. Somit blieb niemand übrig, der es sich zur Aufgabe machte, Anselm zu helfen.

Grässlich konnte es ihm nicht verübeln, und er wusste es zu schätzen, dass Anselm mit seinem Abschied gewartet hatte, bis er wieder auf den Beinen war. Grässlich hatte schon lange vorher gewusst, dass der Moment kommen würde. Er hatte es seit jenem kalten Abend gewusst, als sie am Feuer gesessen und Anselm gesagt hatte: »Manchmal wünschte ich, ich könnte verstehen, wonach du die ganze Zeit suchst. Dann hätte ich vielleicht eine Chance, genau das zu werden.«

Grässlich hatte nicht gewusst, wie er darauf reagieren sollte, weder auf Anselms Worte noch auf die dahinterliegende Traurigkeit. Aber es war das erste Mal, dass einer von ihnen die Tatsache angesprochen hatte, dass irgendetwas sie trennte: eine Kluft, ein Keil, ein Zögern. Etwas, das sie daran hinderte, einander so nahezukommen, wie es notwendig gewesen wäre, um zusammenzubleiben.

Der Krieg hatte im Laufe der Jahre von vielen Menschen und vielen Paaren seinen Tribut gefordert. Und er forderte auch seinen Tribut von Grässlich und Anselm. Deshalb war Anselm jetzt woanders und Grässlich hier in der Toskana, während er darauf wartete, dass man ihm sagte, wen er als Nächstes töten sollte.

Ein Mann taumelte in die Schenke und verkündete allen Anwesenden, dass draußen bei der Brücke eine Katze in einem Rad feststecke. Danach stolperte er wieder hinaus, vermutlich, um die Nachricht noch weiter zu verbreiten. Die Mitteilung schien niemanden in der Schenke zu interessieren, und niemand machte Anstalten, etwas zu unternehmen, bis Hopeless leise seufzte und verkündete: »Gebt mir ’ne Minute.«

Er verließ seinen Platz, und kurz darauf folgte Grässlich ihm hinaus in die Nachmittagssonne. Gemeinsam gingen sie in Richtung Brücke – eine Brücke, die schon unzählige Pilger auf dem Weg nach Rom überquert hatten und neben der jetzt ein altes Fuhrwerk auf der Seite lag.

»Was hältst du von der Sache?«, fragte Grässlich, während sie sich dem Fuhrwerk näherten.

»Ich weiß nicht recht«, sagte Hopeless. »Ich muss die Katze erst sehen, bevor ich mir eine Meinung bilden kann.«

»Ich meinte die Tatsache, dass Mevolent in der Stadt ist.«

»Ach so.« Hopeless zuckte mit den Schultern.

»Das ist deine ganze Reaktion darauf? Ein Schulterzucken? Es besteht die Chance, dass wir den Krieg beenden können.«

»Solche Chancen gab es schon früher«, erwiderte Hopeless. »Und bei keiner ist es uns gelungen, den Krieg tatsächlich zu beenden. Mevolent läuft noch immer frei herum, genau wie Vengeous und Serpine. Manchmal glaube ich, der Krieg wird ewig weitergehen.«

»Früher warst du witziger.«

»Nein, war ich nicht.«

»Nein«, pflichtete Grässlich ihm bei, »das warst du nicht.«

Skulduggery war zweifellos der berühmteste der Toten Männer und Shudder der am meisten gefürchtete. Aber Hopeless war bei Weitem der tödlichste von ihnen allen. Vor langer Zeit war er ein Messer in der Dunkelheit gewesen, eine der versteckten Klingen – ein Attentäter, der seinesgleichen suchte. Und obwohl Grässlich ihn vor über siebzig Jahren kennengelernt hatte, kannte er ihn kaum. Er hatte das Gefühl, dass Hopeless für verschiedene Menschen verschiedene Gesichter aufsetzte: Wenn er sich mit Saracen unterhielt, klang er herzlich. Wenn er mit Shudder sprach, war er zurückhaltend. Wenn er mit Skulduggery redete, wirkte er kalt.

Aber wenn er mit Grässlich sprach, machte er einfach nur einen traurigen Eindruck.

Sie hatten das Fuhrwerk erreicht. Es war umgekippt, was größtenteils daran lag, dass es nur noch ein Rad hatte – das Rad, in dem jetzt zwischen zwei gebrochenen Speichen eine Katze klemmte. Als sie näher kamen, wirkte das Tier zunächst ruhig, doch als es sie bemerkte, begann es zu zappeln.

»Hallo, Signor Kater«, sagte Hopeless sanft. »Wie ich sehe, befindest du dich in einer ziemlich misslichen Lage. Ich frage mich, wie es dazu kommen konnte.«

Der Kater reagierte nicht. Hopeless ging langsam auf ihn zu, während Grässlich ein paar Schritte zurückblieb.

»Ich mache mir Sorgen wegen Skulduggery«, sagte Grässlich. »Darüber, was er tun wird, jetzt, da Serpine so nah ist. Was, glaubst du, wird er tun?«

Hopeless ging neben dem Rad in die Hocke. Der Kater versuchte, den Kopf zu drehen und ihn anzufauchen. Als ihm das nicht gelang, begnügte er sich mit einem Zischen. »Ich glaube, Skulduggery wird das tun, was Skulduggery immer tut.«

»Und das wäre?«

»Das, wofür er sich entscheidet – was auch immer das sein mag.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob du das für hilfreich hältst.«

Hopeless schloss eine Hand fest um den Brustkorb des Katers und versuchte, mit der anderen Hand eine der Speichen zu lockern, ohne sich um die ausgefahrenen Krallen zu kümmern.

»Skulduggery ist sehr stolz auf seine Fähigkeit, logisch zu handeln – und zwar über den Punkt hinaus, an dem es für den Rest von uns einen Sinn ergibt. Gleichzeitig ist er unverhohlen ein Sklave seiner dunkleren Impulse. Er ist ein Widerspruch in sich, solange ich ihn kenne.«

»Du willst damit also sagen, dass wir unmöglich vorhersagen können, was er tun wird?«

»Ich will damit sagen, dass du nicht vorhersagen kannst, was er tun wird.«

Hopeless ließ den Kater los und zog mit beiden Händen die Speichen weiter auseinander. Das alte Holz knackte und bog sich. »Ich weiß genau, was er tun wird, falls sich die Gelegenheit bietet, unverzüglich Rache zu nehmen.«

»Und das wäre?«

»Er wird Serpine töten.« Eine der Speichen splitterte und brach ab. Der Kater wand sich heraus und rannte, ohne auch nur im Mindesten um Erlaubnis zu bitten, ins Dickicht unter der Brücke. Hopeless richtete sich auf. »Auf Wiedersehen, Signor Kater.«

Der Kater reagierte nicht.

Hopeless drehte sich zu Grässlich um. »Ich könnte mich natürlich irren, aber das glaube ich nicht. Skulduggery ist der Finsterste von uns allen.«

»Ich dachte, das wärst du.«

»Falsch, ich bin der Tödlichste«, korrigierte ihn Hopeless. »Skulduggery ist der Berüchtigtste, Shudder der Furchterregendste und Skulduggery ist dazu noch der Finsterste. Und falls du dich fragen solltest: Dexter ist der Ehrlichste, Saracen der Charmanteste, Ravel der Loyalste, und du bist der Anständigste von uns.«

»Aha«, sagte Grässlich, »ich bin also der Langweiligste.«

Hopeless saugte das Blut aus den Kratzern an seiner Hand. »Ich wäre lieber langweilig als tödlich.«

Sie kehrten in die Schenke zurück. Kurz nachdem sie sich wieder gesetzt hatten, kam Eachan Meritorius herein, dicht gefolgt von drei Frauen in langen Umhängen. Ihre Gesichter waren hinter Masken aus Stoff verborgen. Die Sterblichen betrachteten die Fremden argwöhnisch und tuschelten, sagten aber nichts.

»Gentlemen«, sagte Meritorius zur Begrüßung und nahm Platz.

Saracen runzelte die Stirn. »Großmagier, mir fällt auf, dass du die Armee nicht bei dir hast. Wir sind weniger als einen halben Tagesritt von Mevolent höchstpersönlich entfernt, und du gehst einfach in Schenken, ohne ein Bataillon davor zu postieren?«

»Die Armee wird nicht herkommen«, entgegnete Meritorius. »Und ich werde nicht bleiben.«

Grässlich stützte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Du glaubst also, dass unsere Informationen falsch sind?«

»Ganz im Gegenteil«, erwiderte Meritorius. »Ich halte eure Informationen für absolut richtig, und ich möchte euch meine Hochachtung dafür aussprechen, dass ihr sie in Erfahrung gebracht habt. Ich möchte euch meine Hochachtung für jeden Schritt aussprechen, den ihr bisher unternommen habt. Ihr habt vorbildliche Arbeit geleistet.«

»Dann erklär es uns«, forderte Skulduggery durch die Verbände, die um seinen Schädel gewickelt waren.

»Ich habe euch hierhergeschickt, um zu überprüfen, ob sich Baron Vengeous tatsächlich in San Gimignano befindet. Wie es scheint, waren meine Informationen korrekt, was hocherfreulich ist. Wenn Vengeous allein wäre, würde ich euch ihm umgehend nachschicken. Ihr würdet ihn gefangen nehmen, und er würde für jedes seiner Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden.«

Der Wirt wollte herüberkommen, doch Meritorius winkte ab.

»Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist jedoch ein anderer Plan erforderlich. Ihr habt eine neue Mission.«

Dexter nickte ernst. »Du willst, dass wir Mevolent ermorden.«

»Ich will vielmehr, dass ihr ihn davor bewahrt, ermordet zu werden.«

Stille breitete sich am Tisch aus. Saracen begann zu lachen und verstummte dann.

»Oh Gott«, sagte er. »Du meinst es ernst.«

Meritorius deutete auf die Frauen, die hinter ihm standen. »Erlaubt mir, dass ich euch einige neue Verbündete vorstelle: die Maskierten Schwestern, aus der Gefolgschaft der Göttin der Dunkelheit. Rapture, Zeal und Stone.«

Die Maskierten Schwestern nickten ihnen zu. Schwester Zeal war eine der größten Frauen, die Grässlich je gesehen hatte – und er hatte schon Riesen gegenübergestanden. Ihr Haar war lang und strohfarben. Schwester Stone war etwas kleiner, aber noch immer groß, und hatte das dunkle Haar zu Zöpfen geflochten. Beide Frauen waren kräftig, und unter ihren Umhängen zeichneten sich breite Schultern ab. Schwester Rapture hatte kurze blonde Haare. Sie war zwar nicht so groß und breitschultrig, hatte aber offensichtlich in der Gruppe das Sagen.

»Seid gegrüßt, Brüder«, sagte sie.

»Ihr folgt den Wegen der Göttin der Dunkelheit«, erwiderte Shudder. »Ihr seid nicht unsere Schwestern.«

»Die Göttin der Dunkelheit ist uns allen eine Mutter«, antwortete Rapture. »Sie wirft ihren Schatten über die Welt und schützt uns vor der Sonne. Ihr seid unsere Brüder, ob ihr nun wollt oder nicht.«

»Die Maskierten Schwestern sind mit neuen Informationen zum Sanktuarium gekommen«, sagte Meritorius, bevor Shudder weitere Einwände erheben konnte. »Ihre Sensitiven hatten Mevolents Ankunft in der Toskana vorhergesehen und auch seinen Tod.«

»Von uns herbeigeführt?«, fragte Grässlich.

»Von einem Attentäter namens Strickent Abhor herbeigeführt.«

»Dann überlassen wir es diesem Attentäter, Mevolent zu töten«, sagte Skulduggery. »Uns selbst ist es mehrfach misslungen. Und jetzt wollt ihr das verhindern?«

»Wenn Mevolent von Abhor getötet wird, kommt es zu einer Katastrophe«, sagte Rapture.

»Dieser ganze Krieg ist eine Katastrophe. Soll sie doch kommen. Mevolents Tod ist es wert.«

»Nein, keineswegs«, widersprach Meritorius. »Mevolent versucht, das Tor zur Hölle weiter zu öffnen. Er glaubt, dass es zu einem Universum führt, in dem die Gesichtslosen warten. Doch er irrt sich. Stattdessen wird er einen reißenden Strom magischer Energie entfesseln, der dieses Land verwüsten, die Meere zum Kochen bringen und die Luft für Jahrhunderte vergiften wird.«

Ravel kniff die Augen zusammen. »Und du willst, dass wir tatenlos zusehen, wie Mevolent mit diesem Wahnsinn weitermacht?«

»Es würde zur Katastrophe kommen«, warf Rapture ein, »wenn Mevolent seinen Fehler nicht im allerletzten Moment einsieht und seine beträchtlichen Kräfte dazu nutzt, das Tor zur Hölle auf ewig zu verschließen. Unsere Sensitiven haben uns gesagt, dass Strickent Abhor Mevolent töten wird, bevor er zu dieser Einsicht gelangt. Wenn er tot ist, wird das Tor offen bleiben und sich weiter öffnen, und die Welt wird in zwei Teile brechen.«

»Wie präzise sind die Vorhersagen eurer Sensitiven?«, fragte Hopeless.

»Sehr präzise«, antwortete Rapture.

»Unsere eigenen Sensitiven haben es bestätigt«, sagte Meritorius.

Grässlich schob seinen Krug von sich. Er hatte kaum daraus getrunken. »Und wer hat diesen Attentäter geschickt?«

»Das wissen wir nicht«, antwortete Rapture.

»Haben wir auch irgendwelche Informationen, die nicht von Medien und Träumern stammen?«

»Ihr habt Zweifel an dem, was die Sensitiven sehen?«

»Ich kämpfe schon sehr lange in diesem Krieg, Schwester Rapture, und wurde mehr als einmal nur aufgrund der Worte eines Sensitiven in die Schlacht geschickt. Und ich habe den Sensitiven vertraut, soweit es mir möglich war. Aber was sie vorhersehen, trifft nur selten ein. Das Wissen um die Zukunft verändert die Zukunft. Das ist der erste Grundsatz für das Vorhersehen der Zukunft.«

Daran, wie sich Raptures Maske bewegte, konnte Grässlich erkennen, dass sie lächelte. »Das ist zweifellos richtig. Aber würde sich daraus nicht Folgendes als zweiter Grundsatz für das Vorhersehen der Zukunft ergeben: Wenn man etwas gesehen hat und daraufhin nicht handelt, lässt man einfach zu, dass es eintritt. Natürlich können wir das Schicksal für den Rest unseres Lebens jeden Tag und jeden Moment hinterfragen. Aber die Wahrheit ist doch, dass wir – vor eine Wahl gestellt – alles in unserer Macht Stehende tun müssen. Das ist die einzige Alternative, die uns immer bleibt.«

Skulduggery wandte sich an Meritorius. »Wenn die Medien recht haben, wir uns in San Gimignano einschleichen und unseren Feind vor diesem Attentäter schützen, was passiert danach?«

Meritorius zuckte die Schultern. »Sobald Mevolent das Tor zur Hölle verschlossen hat, dürft ihr tun, was ihr wollt.«

»Und haben die Medien vorausgesehen, dass wir Mevolent töten, wenn alles vorbei ist?«

»Nein.«

»Das habe ich mir gedacht. Du bittest uns also, ihm das Leben zu retten.«

»Nein, Skulduggery, ich bitte euch nicht darum – ich befehle es. Ihr werdet ihn schützen, und die Maskierten Schwestern werden euch helfen. Schwester Stone ist eine Sensitive und kann die Gedanken der Gruppe vor Mevolents Leuten abschirmen. Wenn ihr euch nicht in der Lage seht, meine Befehle auszuführen, dann sagt es, und ich werde euch auswechseln lassen. Wenn diese Aufgabe für euch, für irgendjemanden von euch, für die Toten Männer insgesamt zu schwierig ist, dann sagt es mir jetzt. Es gibt andere Soldaten, die tun können, was getan werden muss.«

»Niemand will ausgewechselt werden«, sagte Hopeless.

»Mevolents Schutz bedeutet dann allerdings auch, Baron Vengeous zu schützen. Und Nefarian Serpine. Man muss ihnen gestatten, La Porta dell’Inferno zu untersuchen und das Tor wieder zu schließen, sobald sie erkennen, worum es sich handelt. Falls ihr euch dazu außerstande fühlt, werde ich das verstehen.«

»Wir schaffen das«, sagte Grässlich. »Skulduggery, sag es ihm.«

»Wir können Mevolent und Vengeous schützen«, sagte Skulduggery.