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**Ein Fluch und eine Prophezeiung** Die Dämonenwelt Nŏsfera steht kurz vor ihrem Untergang. Ihre einzige Rettung scheint ausgerechnet Sóley zu sein, die noch vor Kurzem in der magielosen Welt lebte und nun mit ihrem inneren Dämon um Menschlichkeit ringt. Dabei hat Sóley ganz andere Sorgen, denn ihre beste Freundin wird von der verlorenen Familie gefangen gehalten. Deren Mitglied Aicyard unterbreitet ihr ein Angebot: Sie werden ihre Freundin gehen lassen, wenn sich Sóley im Austausch an ihn bindet. Aber wie soll sie zustimmen, wenn sie bereits dem Sacar der Nachtschatten Chester versprochen ist, den sie bedingungslos liebt und auf dem noch immer ein Fluch lastet? Und wem kann sie wirklich vertrauen, wenn nicht einmal Chester bereit ist, ihr die ganze Wahrheit über ihr Schicksal zu verraten? Während die Dämonen auf die Erfüllung einer geheimnisvollen Prophezeiung warten, läuft Sóley endgültig die Zeit davon … Stell dich deinem Schicksal. //Dies ist der letzte Band der Royal-Fantasy-Trilogie »Scepter of Blood«. Alle Romane der Dämonen-Fantasy: -- Scepter of Blood. Kuss der dunkelsten Nacht -- Shades of Bones. Im Bann der Nachtschatten -- Smoke of Blade. Das Reich der silbernen Nacht//
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ImpressDie Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
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Lexy v. Golden
Smoke of Blade. Das Reich der silbernen Nacht
Die Dämonenwelt Nŏsfera steht kurz vor ihrem Untergang. Ihre einzige Rettung scheint ausgerechnet Sóley zu sein, die noch vor Kurzem in der magielosen Welt lebte und nun mit ihrem inneren Dämon um Menschlichkeit ringt. Dabei hat Sóley ganz andere Sorgen, denn ihre beste Freundin wird von der Verlorenen Familie gefangen gehalten. Deren Mitglied Aicyard unterbreitet ihr ein Angebot: Sie werden ihre Freundin gehen lassen, wenn sich Sóley im Austausch an ihn bindet. Aber wie soll sie zustimmen, wenn sie bereits dem Sacar der Nachtschatten Chester versprochen ist, den sie bedingungslos liebt und auf dem noch immer ein Fluch lastet? Und wem kann sie wirklich vertrauen, wenn nicht einmal Chester bereit ist, ihr die ganze Wahrheit über ihr Schicksal zu verraten? Während die Dämonen auf die Erfüllung einer geheimnisvollen Prophezeiung warten, läuft Sóley endgültig die Zeit davon …
Stell dich deinem Schicksal.
Wohin soll es gehen?
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Vita
Danksagung
© privat
Lexy v. Golden, 1988 geboren, lebt als freie Autorin in der Nähe von Dresden. Seit ihrem Studium schreibt sie Fantasyromane für junge Erwachsene mit neuen, einzigartigen Wesen und einem Hauch an Romantik, Liebe und Spannung.
KAPITEL 1
SÓLEY
Aicyards Augen nahmen einen gierigen, ja tödlichen Farbton an, ein sattes Gelbgold, bevor er seinen mächtigen seidenen Umhang zur Seite schwingen ließ. Er offenbarte mir mit dem Beiseitetreten die Öffnung des Verlieses.
»Nach dir, Monddämonin.«
Zwei hässliche Gargoyles, die schwere Steinkeulen in den klauenbesetzten Pranken hielten und etwas kleiner als Aicyard waren, flankierten den Ausgang. Ihren Nüstern entkamen heiße Rauchschwaden.
Ist das ein Hinterhalt? Er lässt mich gehen?
»Warum schaust du so skeptisch?«, fragte mich Aicyard mit einem charismatischen Lächeln. Ein Lächeln, das verboten vertrauenswürdig erschien. Es gab einen Haken. Ganz sicher.
Um nicht als schüchternes Mädchen dazustehen, griff ich nach dem funkelnden Rock meines Kleides und lief in aufrechter Haltung an Aicyard vorbei. Er gab sich keine Mühe, seine Blicke, die an meinem Körper hinauf- und hinabwanderten, zu verbergen.
Unweigerlich musste ich schmunzeln.
Mit geducktem Kopf, den ich mir ungern in Aicyards Anwesenheit am Felsen anstoßen wollte, betrat ich den Gang vor dem Verlies. Violett flackernde Fledermäuse – zumindest erinnerten mich diese Wesen an die geflügelten Tierchen – hingen von den Decken und erhellten den grob in Stein gehauenen Gang. Kreaturen, die Licht spendeten. Wie ungewöhnlich.
Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich kleine Fußfesseln, die die Tiere an ihren Beinchen trugen.
Fasziniert blieb ich vor einem stehen und schaute zu ihm hinauf. Es gab glucksende Geräusche von sich und rieb sich mit dem Mäulchen den Flügel.
»Was weckt dein Interesse an Môrpholăgien?«
So hießen sie also. »Ich frage mich, warum sie gefesselt sind?«
»Damit sie dich nicht blenden. Die Ringe dienen dazu, dass das Licht, das sie aussenden, den Gang erhellt, uns aber nicht schadet.«
Mir drängte sich unweigerlich der Gedanke auf, dass die Wesen, die kopfüber an der Decke hingen und an den Felsen angekettet waren, schändlich ausgenutzt wurden. »Wieso wird keine Magie angewendet?«, wollte ich wissen und konnte den Blick von dem dunklen Wesen, dessen Bauchseite violett strahlend pulsierte, als hätte es einen leuchtenden Kristall verschluckt, kaum abwenden.
Unvermittelt spürte ich Aicyards Anwesenheit dicht hinter mir. Sehr dicht hinter mir, sodass sein kühler Atem mein linkes Ohr streifte, als er antwortete: »Magie wird in diesem Trakt des Palastes gebannt.«
»Das bedeutet demnach … auch … Eure?« Mutig wandte ich das Gesicht über die Schulter. Mit Sicherheit war seine plötzliche Nähe ein Einschüchterungsversuch.
»Auch meine«, bestätigte er mir. Etwas begann sich in seinen eisblauen Augen zu bewegen. Als würde eine Schlange das Eis der Iriden durchbrechen wollen. »Du besitzt einen scharfen Verstand. Du musst nicht auf Förmlichkeiten achten, bleiben wir beim Du.«
Er machte mir ein Kompliment und wollte auf jegliche Förmlichkeiten verzichten? Schnell tat ich einen Schritt nach vorn, um Abstand zu gewinnen.
Um ehrlich zu sein, hatte ich eine andere Begrüßung an diesem Ort erwartet. Ich war davon ausgegangen, im Verlies gefangen gehalten und auf ebenso brutale Weise gefoltert zu werden wie Layla.
Nachdem mich Aicyard angewiesen hatte, ihm den Gang entlang bis zum Ende zu folgen, wo ich keine Türen, weitere Abzweigungen oder Höhlen ausmachen konnte, erreichten wir ein seltsam anmutendes Tor. Es war kreisrund, bestand aus Gold und besaß die Form eines riesigen Drachenkopfes. Einen Moment erinnerten mich die wie ein Opal funkelnden Augen an Ȯsidion.
Aicyard sprach zischende Worte auf Dämonisch, bevor er sich nach vorn beugte und mit der Zunge über das Maul des Drachen leckte.
Kurz versteifte ich mich. Nicht, weil ich so etwas Absurdes noch nie gesehen hatte, sondern weil Aicyards Zunge keiner menschlichen Zunge ähnelte. Sie war gespalten. Gespalten wie die einer Schlange.
Der Drachenkopf begann sich zu regen, kaum dass Aicyard sein absonderliches Ritual vollzogen hatte.
Als ich einen flüchtigen Blick über die Schulter warf, entdeckte ich erneut zwei hässliche Gargoyles. Das goldene Tor sprang auf, nachdem der Drachenkopf sich nach vorn bewegt hatte. Auf diese Weise musste eine Mechanik wie bei einem Uhrwerk in Gang gesetzt worden sein.
Ich zählte mit. Mindestens dreizehn Mal drang ein Klacken an meine Ohren, bevor Aicyard den goldenen Griff umfasste und das Tor öffnete.
Galant deutete er mir an vorauszugehen.
Auch wenn mir bewusst war, dass dies eine Falle sein könnte, trat ich durch die runde Öffnung in die Dunkelheit.
Mein Dämon gab ein leises Seufzen von sich. Ganz so, als würde er aufatmen. Dabei konnte er gar nicht atmen. Es schien, als hätten wir den Bann, der meine Magie geschwächt hatte, verlassen.
Inmitten der Dunkelheit schärfte ich meinen Sehsinn. Vor mir lag eine Höhle, die mehrere Tunnel besaß. An einer Wand rauschte Wasser hinab. An der von mir rechts gelegenen Seite zogen sich Treppenstufen in die Höhe. Ich zählte unendlich viele.
Als ich den Kopf in den Nacken fallen ließ, um dem Nichts über mir entgegenzublicken, zuckte ich, von einem lauten Knall erschreckt, zusammen. Das goldene Tor hatte sich hinter mir verschlossen. Wie es aussah, blieben die Gargoyles im Verlies.
»Wo sind wir hier?«
»Weit unter dem Fluss, Sóley.«
Er verwendete meinen Namen.
Unvermittelt ging er an mir vorüber auf die Steinstufen zu. »Folge mir.«
»Warte. Ich möchte zuerst Layla sehen.«
Abrupt stoppte Aicyard seine Schritte. Er war an der Treppe angekommen. Die undurchdringliche, tödliche Schwärze waberte um ihn herum. Einen flüchtigen Moment ließ er seine eisblauen Iriden goldgelb aufblitzen. Es war kein zorniger oder finsterer Blick, sondern ein amüsierter. »Sie befindet sich nicht in diesem Gefängnistrakt.«
»Wo dann?« Mir fiel erst jetzt auf, dass in dem Verlies, wo ich aufgewacht war, keine weiteren Insassen zu sehen oder zu hören gewesen waren.
»Zuerst verhandeln wir. Eins nach dem anderen.«
Layla litt, während er sich gelangweilt einen Fussel vom silbern bestickten Ärmelaufschlag zupfte.
Ohne meine Antwort abzuwarten, stieg er die Stufen empor. Plötzlich löste er sich auf und von seiner Gestalt war nichts mehr zu sehen.
»Beeil dich«, echoten seine Worte an den Felswänden wider.
Ich schaute auf, bevor ich den Rock anhob und die Stufen hochging. Zuerst langsam wie ein Mensch, dann wurden meine Schritte schneller. Ich rannte regelrecht und dennoch nahm die Treppe kein Ende. Wieso nicht?
Ein Lachen erklang. »Wo bleibst du, Sóley?« Seine Stimme drang unerwartet von überallher. Sie erklang hinter mir, rechts direkt neben meinem Ohr, dann weiter entfernt. Er spielte mit mir.
Ich hastete in den gläsernen Schuhen höher und höher, bis ich anhielt. Jedes Mal tauchten neue Stufen in meinem Sichtfeld auf, als würde ich auf der Stelle laufen und keinen Meter vorankommen. War das möglich?
Wenn ich eines in den vergangenen Monaten gelernt hatte, dann, dass so ziemlich alles möglich war, wenn es um Dämonen ging.
»Komm schon. Lass mich nicht warten.«
Ich musste verflucht, in einem Bann gefangen sein, in etwas, das mich an Ort und Stelle hielt.
Schließlich stoppte ich, sah mich in alle Richtungen um und sendete die Sinne meines Dämons aus. Er lokalisierte Aicyard sehr weit über mir.
»Gibst du schon auf?«
»Ich weiß, dass es die Lieblingsbeschäftigung von Dämonen ist, andere zu quälen und ihnen das Leben zu erschweren, aber ich habe dich nicht gerufen, damit du mit mir spielst.«
Die Worte verließen selbstbewusst meine Lippen. Wäre ich noch ein Mensch, hätte ich sie bloß keuchend und abgehackt hervorgebracht.
»Ich möchte dich nur testen.«
»Wieso?«
»Weil ich wissen will, inwieweit der Saċar der Nachtschatten dich ausgebildet hat. Ich muss sagen …«
Die Dunkelheit teilte sich vor mir. Eine eiskalte Hand packte meinen Hals und drückte mich blitzschnell gegen die Felswand.
»… ich bin wirklich enttäuscht.«
Mit zusammengekniffenen Augen funkelte ich ihn an, machte mir aber nicht die Mühe für eine Gegenwehr. »Soll mich das kränken?«, konterte ich. Er hatte keine Ahnung, wozu ich fähig war. Außerdem hielt ich es für klüger, mein volles Potenzial nicht zu zeigen. Chester und Sheriad waren hervorragende Lehrer. Ich hatte in kurzer Zeit in Ṩewal sehr viel über mich, meinen Dämon und meine Fähigkeiten gelernt. Schneller als die meisten Jungdämonen Nŏsferas.
Aicyards Gesicht schälte sich aus der Finsternis. Er senkte den Kopf. »Du versteckst dich vor mir. Ich weiß, dass sehr viel mehr Macht in dir schlummert, als du preisgeben willst.«
Absolut richtig.
Ich hielt seinem grausamen Blick stand. Seine Finger schlossen sich enger um meine Kehle. Da ich keinen Sauerstoff mehr benötigte, konnte er mir nicht die Luft abschnüren, trotzdem schmerzte sein Griff. Es kostete mich verdammt viel Mühe, meinen Dämon zurückzuhalten und ihn nicht auf ihn loszulassen.
In mir tobte er wie ein aufgestacheltes Monster, bereit, Aicyard die Augen aus dem Kopf zu kratzen und sie zu verspeisen. »Das wirst du nicht … herausfinden, indem du … mich provozierst.« Meine Stimme wurde dünner.
»Sehr bedauerlich. Die meisten unserer Spezies haben nicht diese …«, er schien nach dem passenden Wort zu suchen, »Selbstkontrolle wie du. Ich spüre, dass es dich anstrengt, dich deiner Natur zu widersetzen. Es ist kräftezehrend, nicht wahr?«
Ohne dass ich es kommen gesehen hätte, stießen Klauen in meinen Brustkorb. Vor Schreck riss ich meine Augen auf. Schmerz explodierte in meinem Oberkörper und breitete sich wellenartig in mir aus.
Mein Dämon brüllte und wollte die Kontrolle übernehmen, während Aicyards Klauen in meinem Körper verharrten. Er senkte sein Gesicht weiter zu meinem hinab, sodass uns nicht einmal mehr eine Handbreite trennte.
Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht vor Schmerz aufzubrüllen. Dennoch lief eine Träne kitzelnd meine Wange entlang, als ich die Augen schloss, um ihn davon abzuhalten, in meiner Seele zu forschen.
»Höchst faszinierend. Also, entweder bist du stärker, als die halbe Dämonenwelt annimmt«, er machte eine kurze Pause, in der sein kühler Atem über mein Gesicht strich, »oder aber schwächer, als ich annahm.«
Wie wild fuhr mein Dämon in meinem Brustkorb herum. Er rüttelte an den Stangen des Käfigs, den ich mental um ihn gelegt hatte.
»Gedulde dich!«, ermahnte ich ihn. »Vertrau mir!«
Mit bebenden Lippen öffnete ich die Augen, sobald ich mir sicher wahr, dass ich meinen Dämon weiterhin in Schach halten konnte. In Aicyards Iriden spiegelte sich mein Blick. Kurz trat etwas wie Verblüffung in sein Gesicht, bevor ich mit den Fingern der rechten Hand zu meinem Oberschenkel tastete. Zuerst fühlte ich unter dem Schlitz des seidigen Stoffes bloß nackte Haut. Danach manifestierte sich das Heft des Dolches in meinen Fingern. Ob er wirklich Dämonen vernichten konnte, wie mir Ezạra mitgeteilt hatte?
Ruckartig riss ich die Klinge aus der Lederscheide und hielt sie ihm an die Kehle. So schnell, dass er perplex zu der hell strahlenden Schneide starrte.
»Ĝĕhlçt ƞefpå-ęļo Ķaŕ!«, fluchte er voller Ehrfurcht. »Diese Waffe dürfte nicht mehr existieren.«
Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war die Klinge tödlich.
»So wie du auch gleich nicht mehr«, drohte ich ihm. Was nahm er an? Dass ich leichte Beute war? Das konnte er vergessen.
Bevor die Klinge auch nur hauchzart über seine Haut schneiden konnte, gab er mich frei und distanzierte sich ruckartig von mir. »Netter Schachzug, Monddämonin.« Statt endlich Ehrfurcht zu zeigen, setzte er ein grausames Grinsen auf.
Zur selben Zeit schloss sich meine Wunde, meine gebrochenen Rippen heilten und die klaffende Verletzung zog sich zurück. Zurück blieb ein blutiger Riss in meinem Kleid. Am liebsten wäre ich zusammengesackt und hätte dem Drängen meines Dämons nachgegeben. Doch ich zeigte keine Schwäche, so, wie Chester es mich gelehrt hatte, und erwiderte stattdessen Aicyards Grinsen nicht minder abschätzig.
»Ich habe noch einiges mehr zu bieten.«
»Das bezweifle ich nicht.«
Dummerweise hatte ich bereits eine Trumpfkarte ausgespielt, dennoch hielt ich weitere bereit, falls er mich erneut auf die Probe stellen sollte.
»Nun denn …« Er schnippte mit der linken Hand. Goldene Funken wirbelten wenige Stufen über uns in die Luft und eine wabernde Spiegelfläche kam zum Vorschein. »Ich zeige dir deine Gemächer.«
In einer geschmeidigen Bewegung zog er seinen Umhang um sich, stieg die Stufen zum Portal empor und durchschritt die dunkel schimmernde Oberfläche.
Gemächer? »Wir wollten verhandeln!«, rief ich ihm nach.
»Werden wir. Sei nicht so ungeduldig.«
KAPITEL 2
SÓLEY
Er hielt mich hin, das war offensichtlich. Nachdem mir Aicyard die Gemächer gezeigt hatte, in denen ich mich einleben sollte, war er verschwunden. Er hatte mich allein in den prunkvollen schwarz-goldenen Räumen zurückgelassen. Das war gefühlt vor drei Tagen gewesen.
Die Zimmer besaßen keine Türen, keinen Geheimgang, dafür Fenster. Das Problem war nur, dass vor den Fenstern kein einziges Mal die Sonne aufging, wie es in der magielosen Welt der Fall war. Hätte ich keinen Dämon besessen, hätte ich nicht herausgefunden, ob Tag oder Nacht war.
Jederzeit herrschte eine beklemmende Dämmerung über der Hauptstadt der Verlorenen Familie. Keine Sonne, keine Pflanzen, keine Sterne.
Die grauen Wolkenmassen, aus denen hin und wieder schwarzer Regen niederging, weckten in mir eine depressive, krank machende Stimmung. Dieser Ort war ekelhaft und beklemmend.
Unter den dunklen Wolkenbergen dehnte sich unzählige Gebäude mit rabenschwarzen Dächern grenzenlos aus. Weiter entfernt erhoben sich Türme in Form von spitzen Zacken wie Reißzähne in die Höhe. Dort mussten sich die Begrenzungsmauern der Stadt der Diejenigen befinden. Zumindest vermutete ich dies.
Jedes Mal, wenn ich zu den gezackten Türmen blickte, fiel mir auf, dass kleine Schatten darum herumflogen wie Fliegen, die einen Kadaver umkreisten.
Was ich bereits herausgefunden hatte, war, dass sich meine Räume in einem Turmzimmer befinden mussten. Denn von den Fenstern aus besaß ich einen uneingeschränkten Blick auf die monströse gläserne Kuppel des Máhrzat-Palastes. Vor dem Palast grub sich der blutrote Fluss, über den mehrere gebogene Brücken verliefen, einen Weg durch die Wohnviertel. Alles erinnerte an die Bilder, die ich durch den Spiegel meiner Mutter in Ṑminas Geschäft betrachtet hatte. Die Stadt verströmte Tod, Verderben, Grausamkeit und Hoffnungslosigkeit. Ich verstand Chesters Worte besser als je zuvor. Dämonen besaßen keine Gefühle. Wenn eine Stadt tot und leblos wirkte, dann diese. Die Städte der Magielosen waren voller Leben, sie waren hell und pulsierten. Diese Stadt war das komplette Gegenteil.
Es war mir sowieso gleich, wie diese Stadt auf mich wirkte. Ich war nicht hier, um mich einzuleben, sondern hatte eine Mission: Layla finden, sie befreien und wieder verschwinden.
Ich war meiner Freundin sehr nah. Ich spürte sie. Mein Dämon verriet mir, dass Layla sich etliche Etagen tiefer unter mir im Erdreich aufhielt. Ich konnte ihren Herzschlag hören. Er war der einzige Herzschlag im Umkreis von einer Meile.
Mir musste etwas einfallen, um Aicyard zu einer Verhandlung zu zwingen.
Er hielt mich hin. Und mir rannte die Zeit davon.
Ich stieß mich von dem kreisrunden Fenster ab und tigerte wie meistens ungehalten durch die Räume. Es gab ein herrschaftliches Bett, das mit seidigen dunklen Bettlaken bezogen war und an dessen Kopfende eine Schlange mit kristallblauen Augen thronte. Hin und wieder glaubte ich, dass mich die feindseligen Augenschlitze anblinzelten.
Es gab mehrere schwarz polierte Schränke mit goldenen Verzierungen oder Verglasungen, die haufenweise unnütze Kleidungsstücke wie Röcke, ausladende Kleider, verdammt aufreizende Mieder oder hautenge glänzende Lederhosen beherbergten. Da ich unmöglich länger in dem wunderschönen Kleid, das Chester für mich gewirkt hat, stecken wollte, entschied ich mich für eine dieser Hosen, kniehohe Stiefel mit goldenen Schnallen, die über das Schienbein verliefen, und eine eng anliegende schwarze Samtjacke mit Stehkragen. Den Dolch der Illionenkönigin trug ich die gesamte Zeit versteckt unter der Jacke. Ein Griff und die mörderische Waffe würde sich in meinen Fingern manifestieren, genauso wie die Insignien, die mein Dämon bewachte.
Bloß gab es keinen Angreifer, den es abzuwehren galt.
»Aicyard!«, rief ich ihn wie unzählige Male zuvor. »Aicyard! Zeig dich! So war das nicht vereinbart.«
Wollte er mich weitere Tage, Wochen, Monate in diesem Turm gefangen halten? Meine Kehle brannte bereits vom verzweifelten Schreien seines Namens.
Mein Dämon war in diesen Räumen nicht in seiner Magie eingeschränkt und hatte Hunger. Er wurde mit jeder Stunde ungehaltener. Und kurz überlegte ich, ob ich ihm die Kontrolle übergeben sollte. An diesem Ort gab es nichts Menschliches. Somit war mein Dämon das Wesen, das uns zum Überleben verhelfen konnte.
»Lass mich frei«, hörte ich ihn in meinem Kopf rau und bedrohlich sprechen. So präsent wie noch nie. »Überlass mir die Führung. Ich weiß, was zu tun ist.«
»Ach wirklich?«
»Ja«, antwortete er auf Dämonisch.
Seit der Machtteilung mit Syreṉia spürte ich mit jedem Tag mehr, wie die Kraft meines Dämons in mir anwuchs. Sie war übermächtig und am Höhepunkt ihres Potenzials angekommen. Nicht mehr ich sprach zu diesem Etwas, das in mir lebte wie ein Parasit, sondern mein Dämon meldete sich hin und wieder bei mir.
Ich war ehrlich, das gefiel mir nicht. Es sah so aus, als würden sich zwei Individuen einen Körper teilen. Das war skurril und … Ach ja, es war einfach krank!
Doch da waren Chesters Worte: Folge deinen Instinkten, nicht deinem Verstand, Sóley.
Chester vertraute seinem Dämon und setzte alles auf meinen. Und ich vertraute Chester, auch wenn er mich aktuell sicher für meinen Verrat hasste.
»Gut«, seufze ich, stellte mich auf den gewebten goldenen Teppich und schloss die Augen. Es wäre gelogen gewesen, wenn ich sagte, ich würde das tiefgehende Gefühl nicht genießen, wenn mein Dämon an die Oberfläche drang. Meine Kopfhaut kribbelte, während mein Magen sich überschlug und Magiewellen meinen Körper regierten.
Als sich die geschmeidige Finsternis in mir ausdehnte und dieser funkelnde Schein von Sternenglanz mir Stärke und Zuversicht schenkte, öffnete ich die Augenlider.
Ich sah aus den Augen eines der tödlichsten Wesen, die die Hölle erschaffen hatte.
»Wie alt bist du eigentlich?«
»Die Frage kommt reichlich spät, Sóley.«
»Sag es mir. Du bist in mir gewachsen, aber ich spüre, dass du älter bist als ich.«
Ein dunkles Lachen vibrierte in meinem Kopf. »Mehr als zweitausend Jahre.«
Ich verschluckte mich fast. Was? »Wie kann das sein?«
»Können wir das Gespräch fortsetzen, sobald wir aus diesem Gefängnis ausgebrochen sind? Ich hasse es, eingesperrt zu sein.«
Und bevor ich ihn aufhalten konnte, bewegten sich meine Füße wie fremdgesteuert auf eines der Fenster zu. »W…was soll das werden?«
Ich hatte mehr als einmal versucht die Fenster einzuschlagen, sie mit Magie zu zerbrechen oder mit dem Fuß dagegenzutreten. Nichts hatte etwas gebracht.
»Sieh zu und lerne.«
In der nächsten Sekunde befand ich mich vor dem runden Fenster, hielt die Arme vor der Brust gekreuzt und entfesselte mühelos einen schwarzen Wirbelsturm, der das Glas zum Zerbersten brachte. Unglaublich.
Eigentlich wollte ich mein Potenzial nicht an diesem Ort ausschöpfen. Aber meinen Dämon schien es nicht die geringste Anstrengung zu kosten. Die Scherben flogen in einer glitzernden Fontäne in den trüben Himmel.
»Wahnsinn!«, keuchte ich. Plötzlich ging ein Ruck durch meinen Körper und ich sprang ohne Furcht, ohne Scheu, ohne jeglichen Zweifel aus über hundert Metern Höhe, die ich nicht überleben konnte, durch das Fenster.
»Bist du irre!?«, schrie ich ihn an.
»Nein, nur nicht so zögerlich und unentschlossen wie du.«
»Du bist lebensmüde!«, protestierte ich.
Er schnaubte beleidigt. »Wir sind unsterblich.«
Mein Magen senkte sich mit einem harten Ruck, als ich, nein, wir uns direkt auf die funkelnde Glaskuppel zubewegten. Wir würden jeden Moment durch die Kuppel krachen und direkt vor den Füßen der Verlorenen Familie landen. Doch unerwartet hob ich während des Falls mein Gesicht. Also, mein Dämon hob das Gesicht. Mein Blick schärfte sich. Ich konnte weiter als sonst sehen – bis zu den gezackten Türmen, wo schwarz-rote Drachen mit auffällig glühenden Magieringen um die Klauen um den Turm segelten.
»Werden sie wie Môrpholăgien gefangen gehalten?«
»Gefangen gehalten und in ihrer Macht eingeschränkt«, erklärte mir die raue, unheilvolle Stimme.
Dann stoppte mein Dämon in der Luft. Wir standen aufrecht über der Kuppel, ohne mit den Stiefelsohlen einen festen Untergrund zu berühren.
»Bei Zerade, das ist … unglaublich.« Warum nur hatte ich ihn so lange zurückgedrängt und geglaubt, er sei das Monster, das ich zähmen müsse? Dabei war dieses Wesen in mir ein Wunder. Er war so machtvoll und lebendig und strotzte vor Stärke.
»Menschen sind närrische Kreaturen, die stets die Kontrolle brauchen. Wir existieren für die Ewigkeit, Jeysmene.«
Die Ewigkeit, das hörte sich so unendlich, so lang an. »Gut, dann sind wir bis in alle Ewigkeit verbunden?«
»Nun, da die Machtteilung abgeschlossen ist, ja. Du müsstest dir allerdings mehr Mühe geben und weitere Diener und Lakaien an uns binden, damit wir noch mächtiger werden.«
»Sagst du so leicht.« Der schwüle Wind strich mir über die Wangen und ließ Haarsträhnen über mein Gesicht kitzeln.
»Du hättest das Bündnis mit dem Saċar der Nachtschatten eingehen sollen, bevor du törichterweise Aicyard gerufen hast.«
»Werd’ nicht unverschämt. Ich habe nicht töricht gehandelt.«
Genervt schaute ich zur Seite und wusste, dass nicht ich diese Bewegung ausführte. Gerade steckte ich in meinem Kopf und mein Dämon übernahm meinen Körper.
»Du hast menschlich gehandelt.«
»Fein, dann handle du dämonisch. Ich will Layla befreien und Chester von dem Fluch erlösen. Hilfst du mir oder hast du andere weniger törichte Pläne?«
Er stöhnte gequält. »Ich will ein Reich. Ich will an Größe und Macht gewinnen. Das Menschenmädchen ist ohne Bedeutung für uns.«
»Das Menschenmädchen heißt Layla und ist sehr wohl von Bedeutung für uns. Sie ist meine Freundin!«, hielt ich dagegen. Ich hob die Hand und glitt mit den Fingerspitzen über mein Gesicht, als würde ich es zum ersten Mal ertasten. Meine Pupillen verengten sich, als ich zu den Drachen schaute.
»Freunde gibt es nicht in Nŏsfera. Wir haben nur Untergebene, Jeysmene. Oder binden uns an Saċare, die über mindestens genauso viel Macht verfügen wie wir.«
Ich schüttelte den Kopf. Ging das überhaupt? »Wir retten Layla, kapiert? Sonst spiele ich nicht mit und sperre dich wieder in deinen Käfig ein.«
»Wage es nicht!«, brüllte er mich an.
Oh, da schien jemand angefressen zu sein.
»Ohne mich bist du ein Nichts«, raunte er.
»Ohne mich, Dämon …« Sollte ich ihm einen Namen verpassen? »Ohne mich bist du ebenfalls ein Nichts!«, stellte ich klar. Wir waren aneinandergeschweißt, ob es ihm gefiel oder nicht. Starb er, starb ich.
»Nenn mich Ĉhyzár.«
»Eigenartiger Name.«
Er grollte.
Stimmt, ich sollte meinen Dämon nicht beleidigen. Dämonen konnten nachtragend und jähzornig werden. Das hatte mir Chester mehr als einmal gepredigt.
»Beklage ich mich über deinen Namen?«, fragte er ungehalten.
»Nein, dafür benutzt du meinen geheimen Namen.«
»Deinen wahren Namen. Den Namen Sóley gaben dir deine menschlichen Zieheltern.«
Musste er immer das letzte Wort haben? »Ich mag den Namen Sóley. Jeysmene klingt fremd.«
»Es ist der Name, an den ich mit dir gebunden bin.« Innerlich verzog ich das Gesicht. Teilweise wusste ich nicht so recht, wovon er sprach. »Schon gut. Reden wir später. Bring uns zu Layla.«
»Erteile mir keine so harschen Befehle.«
Na wunderbar. Jetzt wurde er wieder bockig. Ich seufzte theatralisch. Warum musste ich eine Diskussion mit einem Dämon führen, der sehr leicht zu reizen war? »Du weißt, dass ich dir nicht mehr die Kontrolle über meinen Körper überlasse, wenn wir gegeneinanderarbeiten.« Ĉhyzár verdrehte meine Augen, drückte mein Rückgrat durch und neigte den Kopf nach rechts. Plötzlich waren seine Sinne geschärft. Und noch bevor ich begriff, warum er in einem rekordverdächtigen Tempo nach vorn auswich, starrte ich rot glühendem Metall entgegen, das Ĉhyzár nur mithilfe des Zepters abwehren konnte.
Eisblaue Iriden starrten mir unverhohlen entgegen. Aicyards rechter Mundwinkel hob sich. Bevor ich etwas sagen konnte, entfesselte Ĉhyzár die Macht des Zepters und sandte helle Wellen aus. Aicyard wich in der Luft zurück. Die Klinge seines rot glühenden Schwertes schmolz unter dem hellen Schein zu einer lavaähnlichen Masse. Er fluchte. Ĉhyzár verzog arrogant grinsend mein Gesicht.
Verdammt, war er schnell und vorausschauend. Lässig drehte ich das Zepter in meiner rechten Hand, bevor ich es mit beiden Händen umgriff. »War das alles?«, fragte nicht ich Aicyard, sondern Ĉhyzár.
»Du glaubst nicht, wie lange ich darauf gewartet habe, deine komplette Macht mitzuerleben«, rief Aicyard.
»Dann stell dich darauf ein, dass dies das letzte Mal sein wird!«
»Provoziere ihn nicht!«, ermahnte ich Ĉhyzár.
»Halte uns nicht für schwach, Jeysmene! Wir besiegen ihn zweimal. Er ist bloß Besitzer eines Dyklonendämons … weit unter unserer Würde.«
Warum nur bereute ich es in diesem Moment, nicht mehr über Dämonen zu wissen. Es gab Klassen. Sie hatten sogar Namen.
»Nun ja, Monddämon, der sein wahres Gesicht zeigt, ich kann es vielleicht nicht mit dir aufnehmen, aber ganz gewiss sie.«
Mein Dämon blinzelte und bewegte ruckartig den Kopf von links nach rechts wie eine Echse. So wie ich meinen Kopf niemals bewegen würde. Hinter Aicyard formierten sich weitere dunkle Dämonenkrieger – unter ihnen Zetgar.
»Zur Hölle!«, fluchte ich. »Das sind zu viele.«
Doch in mir wallte eine übermächtige Kraft aus Selbstsicherheit und Stärke an die Oberfläche. Ich bleckte herablassend die Zähne. Musste Ĉhyzár so angeben?
»Erledige ich im Schlaf«, sagte ich höhnisch lachend. Schon verschwand das Zepter zwischen meinen Fingern und im nächsten Moment spannte sich ein Bogen zwischen meinen Händen. Der Pfeil der Zerade schoss im Bruchteil eines Wimpernschlags auf die Legion von einem halben Dutzend kampferprobten Dämonen zu. Noch während des Flugs duplizierte sich der Pfeil. Aus einem wurden zwei, aus zwei wurden vier. Gleich darauf bohrten sich die Pfeilspitzen in die Oberkörper von vier Dämonenkriegern, die sich laut brüllend an die Brust griffen und anschließend vernichtet wurden. Zurück blieben lose Ascheblättchen, die vom Wind davongetragen wurden. Aicyard schaute mit einem wachsamen Blick von links nach rechts, wo vor wenigen Augenblicken noch seine Krieger gestanden hatten.
Ich senkte den Bogen und heftete meine Aufmerksamkeit auf Zetgar. Dieser Barbar, der Layla gefoltert hatte, der sie stundenlang vor den Augen unzähliger Dämonen unendlichen Schmerzen ausgesetzt hatte, sah wesentlich gefährlicher und zäher aus.
»Vernichte ihn!«, rief ich Ĉhyzár zu. Ich wollte wenige in meinem Leben tot sehen. Aber dieser Zetgar gehörte dazu.
»Sein Dämon entstammt einer mächtigen Linie, Jey.«
Seit wann verpasste er mir einen Spitznamen?
»Du hast gesagt, wir sind nicht schwach.«
»Sind wir auch nicht. Aber er ist genauso stark. Wir brauchen deinen Körper. Zetgar, den Saċar des verlorenen Reichs zu vernichten, ist keine Kleinigkeit, Menschenkind!«
Mit einer goldgelben Peitsche näherte sich uns der gehörnte Dämon, der so viele Dämonenreiche bezwungen hatte. Der sogar für Chesters Leiden verantwortlich war.
»Ich verpasse dir eine Lektion, Monddämonin«, raunte er und schritt durch die Luft auf uns zu. Seine Gesichtszüge strotzten vor Mordlust. Sein Bart erzitterte im Wind, als er in seiner schwarzen Kriegerhose und mit den losen Lederriemen, die sich über seinen nackten Oberkörper spannten, auf uns zuschritt. Er ließ die Peitsche durch die Luft wirbeln. Knisternde Blitze, von denen einer ein Menschenleben auslöschen könnte, lösten sich. Er beherrschte Blitze, Strom und ganz gewiss Donner.
»Verschwinden wir«, riet ich meinem Dämon.
»Ein Rückzug bedeutet Schwäche.« Mit erhobenem Kinn blieb mein Körper aufrecht stehen und wartete geduldig ab.
»Willst du, dass er uns vernichtet?«, fragte ich schrill und wollte die Kontrolle über meinen Körper zurückerlangen. Ĉhyzár hielt mich davon ab. »Das wird er nicht. Sie haben andere Absichten mit uns. Mit dir.«
Mit mir? »Beweg dich schon, bitte!«
»Hör auf zu betteln!«, knurrte Ĉhyzár, beugte sich nach vorn, stieß sich mit den Füßen ab und stürmte auf Zetgar zu. Nein! Nein!
Alles geschah viel zu schnell. Gelbe Lichter blitzten auf, Schmerz zerriss meinen Oberkörper, grub sich in mein rechtes Bein und brannte sich in meine Seele. Die Ränder meines Sichtfeldes verfärbten sich schwarz, dann verlor ich das Bewusstsein, obwohl Ĉhyzár in meiner Hülle weiterkämpfte.
KAPITEL 3
DÄMONENGOTT DER NACHTSCHATTEN
»Wir greifen sie an!«, erteilte ich meinen Legionen den Befehl. Ich schritt auf dem Feld auf und ab und genoss das heiße Pulsieren in meiner Brust. Ich hatte mich lange nicht mehr so lebendig gefühlt. Wenn dies die letzte Schlacht war, dann sei es eben so. Ich gab mich nicht kampflos geschlagen, bevor ich den Löffel abgeben musste. Ňepfħrą! Niemals!
Sobald wir in die Verlorene Stadt einfielen, würde ich Sóley aufspüren, sie zurückholen und das Bündnis mit ihr eingehen. Sie brauchte das letzte Fünkchen Macht von mir, mein Reich, meine Untertanen. Danach konnte mit mir geschehen, was auch immer die Höllengeister mit meinem Sein vorgesehen hatten. Syreṉia manifestierte sich vor mir in der Luft, gefolgt von zwei Dutzend Drachen, die hinter meinen Legionen mit lautem Grollen auf dem Feld landeten.
In Syreṉias Gesicht las ich die pure Entschlossenheit, ihrer Saċarin loyal zu dienen und sie zu befreien.
»Mehr Drachen konnte ich nicht dazu überreden, uns beizustehen«, erklärte sie mir.
»Es sind mehr als genug.« Ich hatte mit wesentlich weniger gerechnet. Mit ihren gelb lodernden Augen starrten sie mir feindselig entgegen, während meine Legionen – Tausende Nachtschattenkrieger – von Adamas, Sheriad, Jeẏson und Nḝḿad befehligt wurden. Komplett in Schatten gehüllt stieg ich zu Syreṉia in die Lüfte, griff nach ihrem linken Handgelenk und drehte es zu mir. »Wie stark ist die Verbindung?«
»Stark genug, dass ich weiß, dass sie und ihr Dämon noch existieren.«
»Hat sie Schmerzen?« Syreṉia wich meinem Blick zur Seite aus.
»Was hast du gesehen?«
»Sie blendet mich aus, sehr oft, Saċar der Nachtschatten.«
Ich stöhnte gequält auf. Sóley wollte nicht, dass wir erfuhren, wie es um sie stand. Das war mal wieder typisch. Dieses selbstlose Menschenverhalten würde mich irgendwann noch in den Wahnsinn treiben.
»Verschaff dir einen tieferen Zugang zu ihr.«
»Sie ist meine Saċarin. Das verstößt gegen die Gesetze. Wieso verschaffst du dir nicht Zugang zu ihrem Geist? Ich weiß, dass ihr tief verbunden seid.«
Weil Sóley auch mich ausgesperrt hatte, oder besser gesagt ihr Dämon. Er war in den letzten Tagen stärker geworden. Um einiges mächtiger. Und er war sicher komplett mit Sóleys Geist verschmolzen. Dies war kein schlechtes Zeichen, allerdings war ihr Dämon nicht mit meinem verbunden. Er konnte mich also schlicht nicht über jeden Schritt informieren. Und das war … schlecht.
Das Bündnis hätte beide Dämonen verknüpft. Aber Sóley hatte geahnt, dass mein Dämon sie, wenn wir das Bündnis eingegangen wären, in meinem Reich festgehalten hätte. Dabei hätte ich einen Weg gefunden, um Layla zu befreien.
Warum musste sie immer alles allein entscheiden und mit sich selbst ausmachen. Nein, ich sollte mir besser die Frage stellen, wie es ihr verdammt noch mal gelungen war, mich aus ihren Gedanken auszusperren, sodass ich nicht einmal Zeuge davon geworden war, wie sie über ihren heimlichen Plan nachgedacht hatte. Hätte mir Kyron nichts vom Spiegel der Wünsche berichtet, in dem Aicyard vor Sóley erschienen war, hätte ich bis zur Zeremonie nichts von ihrem Plan gewusst.
Ich fühlte mich von Sóley hintergangen. Ja, es kratzte enorm an meinem Ego, dass sie mir immer noch nicht genug vertraute. Dass sie annahm, ich würde sie gegen ihren Willen festhalten.
Aber es hatte auch etwas Gutes. Wenn Sóley bereits jetzt in der Lage war, ihre Gedanken selbst vor mir zu versperren, konnte Aicyard, der Meister des Gedankenlesens, ihr weniger anhaben. Ich setzte darauf. Ich glaubte an Sóleys Stärke. An ihren mächtigen Dämon.
»Sóley hat mich aus ihren Gedanken ausgeschlossen«, erklärte ich Syreṉia, was sie schockierte, statt sie zu amüsieren.
»Sie hat was?«
»Ist ein Menschending, um mich zu schonen.« Ich verschränkte die Arme und senkte das Gesicht zu der Drachenreiterin hinab, die eine feuerrote Lederrüstung trug. »Du bist die Einzige, die eine stabile Verbindung zu ihr aufbauen kann. Du wirst mich über jedes Detail unterrichten.«
»Ich diene nicht dir, Chester.«
»Nein, aber meiner Zukünftigen. Du kannst sie nicht allein retten. Wenn sie vernichtet wird, du weißt schon …« Mit der rechten überschatteten Hand deutete ich eine Kreisbewegung in der Luft an, die einen schwarz funkelnden Nebelring erzeugte, der gleich darauf verpuffte. Ohne Sóley war ihr Dämon verloren. Warum diskutierte ich überhaupt mit ihr!?
»… werde auch ich nicht mehr diejenige sein, die ich vorher war«, nuschelte sie zu sich selbst und senkte das Gesicht. Sie zog die Brauen zusammen. »Ich informiere dich über jeden Schritt.«
»Nett«, verspottete ich sie. »Du hast mich im Übrigen nicht zu duzen, Syreṉia.«
»Leck mich!« Sie fletschte die spitzen Zähne. »Ich tue es dennoch.«
Ich besah ihre trotzige Abwehrhaltung mit einem müden Lächeln. Welch angenehme Gesellschaft ich an meinen letzten Lebenstagen hatte. Und von ihr musste ich trinken. Mir wurde speiübel.
Ich wandte mich um, als im selben Moment Sheriad neben mir aus der Luft stieg.
»Wann werden wir angreifen, mein Saċar? Die Mondeinigung findet morgen statt.«
Langsam legte ich den Kopf in den Nacken, um zu den fünf Monden aufzusehen, die sich im silbrig rötlichen Licht der Abendsonne über der Gebirgskette erhoben. Blass und kaum wahrnehmbar paarten sich zwei Monde. Morgen Nacht würden alle fünf kreisrunden Gebilde eins werden und der Fluch, an den ich gebunden war, mich ein letztes Mal in die Stadt der Diejenigen bringen. Ich war mir sicher, dass ich diesen Tag nicht überleben würde.
»Im Morgengrauen, wenn die Magiefelder um den Máhrzat-Palast am schwächsten sind.«
Ich führte meine Krieger nicht in die Schlacht, um die Verlorene Familie zu Fall zu bringen, was so viele vor mir vergebens versucht hatten. Mein Plan sah vor, die Diejenigen abzulenken, um mich Sóley zu nähern. Und wenn ich bei dem Versuch scheiterte, würde ich auch meine Legionen in den Untergang schicken. Diesen Versuch war es mir wert. So wie mir Sóleys Sein mehr bedeutete als mein eigenes.
»Wie du befiehlst«, erwiderte Sheriad und deutete in ihrer figurbetonten Lederkluft eine ergebene Verbeugung an. Dabei schwang ihr honigblonder Zopf nach vorn. Auch Syreṉia verbeugte sich, bevor ich allein in den Lüften auf meine kampferprobten Lakaien blickte. Jeder war dazu bereit, für mich unterzugehen und für die letzte Dämonin, deren Macht ungebrochen war, zu kämpfen. Sie waren alle versammelt. Abertausende schwarze Reiter, meine Schattenwölfe, die Schwertkämpfer und Bogenschützen, sogar die Drachen.
KAPITEL 4
SÓLEY
»Aua«, ächzte ich.
»Sei kein Schwächling«, sprach mein Dämon zu mir, noch bevor ich die Augen öffnete. Und das eigenständig.
Ich schaute an mir herab und fand mich in einem durchscheinenden schwarzen Gewand wieder, das von seinem breiten goldenen Gürtel und geflochtenen Trägern gehalten wurde. Sofort fuhr ich hoch und betrachtete meine Beine, Arme und Hände. Sie besaßen keinen einzigen Kratzer.
»Natürlich bist du geheilt. Schon seit Stunden. Deswegen beklage dich nicht über Schmerzen. Du hast keine.«
»Du hast meinen Körper einem unfairen Kampf ausgeliefert.« Ĉhyzár grollte. »Wir flüchten nicht, wenn es brenzlig wird. Wir greifen an.«
»Schon kapiert. Flucht bedeutet Schwäche.«
»Und Feigheit.«
Musste er immer eins obendrauf setzen. »Warum bin ich ohnmächtig geworden?«, wollte ich wissen.
»Weil dein menschlicher Verstand starke Schmerzen, Knochenbrüche und innere Verletzungen noch nicht aushalten kann.«
»Und du schon?«
Nun lachte er geheimnisvoll. »Ich bin kein …«
»Schwächling. Botschaft angekommen.« Seufzend ließ ich mich in die Kissen zurücksinken, die verdächtig nach Minze und Weihrauch rochen. Verdammt! Das hier war nicht mein Bett.
»Immer noch erschöpft?«, drang eine melodische Stimme an meine Ohren, die für ein Kribbeln auf meiner Haut sorgte. Aicyard erschien neben dem Bett.
»Hättest du mich nicht vorwarnen können, dass er hier ist?«, zischte ich Ĉhyzár zu.
»Hätte ich. Habe ich aber nicht.«
Verräter!
»Ich kann dich hören.«
Ich verdrehte hinter geschlossenen Lidern die Augen. Aicyards Aura näherte sich meiner. Nein, sie drängte sich mir auf.
»Ich rede mit dir.«
»Ich nicht mit dir, solange du nicht mit mir verhandelst.« Ohne zu blinzeln, legte ich den Kopf zur Seite. Wehe, er fasste mich an. Doch das tat er nicht. Stattdessen schwebte er über mir wie eine mächtige Geistererscheinung, um die dunkle Nebel waberten. Seine kristallblauen Iriden rammten sich in meine. Er war mir so verdammt nah, dass sich die goldgelben Sprenkel in dem Gletscherblau seiner Regenbogenhaut in mein Sichtfeld brannten. Die Konturen seiner dunklen Robe, die mit goldenen Schlangenkopf-Knöpfen zusammengehalten wurde, und der glatten, schmal geschnittenen Hose verschmolzen mit den Nebeln. Nur sein markantes Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen, den beinahe zu vollen Lippen für dieses scharf gezeichnete Gesicht und diese prägnanten Augenbrauen zeichneten sich klar und deutlich vor mir ab.
»Jetzt sind wir bereit zu verhandeln.« Sein rechter Mundwinkel hob sich, während er mich eindringlich musterte.
»Jetzt?«, hakte ich nach. »Zuvor war ich es also nicht?«
»Wir wollten sehen, wie mächtig dein Dämon schon ist.«
Ich runzelte verwirrt die Stirn. Doch ich begriff. »Du hast mich deswegen drei Tage versauern lassen? Gab es keinen anderen Weg, um mein volles Potenzial zu testen?«
»Dabei habe ich noch nicht einmal meine ganze Stärke ausgespielt«, merkte Ĉhyzár an und schnaubte genervt.
»Raus aus meinem Kopf!«, befahl ich ihm.
Er schnalzte mit der Zunge.
Aicyard entging nicht, dass ich nicht komplett anwesend war.
»Wie dem auch sei. Nun wissen wir, woran wir bei dir sind.«
Ich fing seinen Blick auf, der mich tiefer in die Kissen drängte. Ich ließ mich bestimmt nicht einschüchtern. Obwohl er mich nicht berührte oder fesselte, hielt er mich mit seiner Präsenz gefangen. Und das gefiel mir nicht. Verhandlungen sollten so nicht stattfinden.
»Freut mich. Ich will meine Freundin sehen.«
»Was hast du mir dafür anzubieten?« Anmutig hob er die rechte Braue. Sein mitternachtsschwarzes Haar wogte um seinen Kopf, als würden feine Winde Strähnen in einer Endlosschleife über sein Gesicht wehen. Er gehörte definitiv zu den schönsten Männern, die ich je getroffen hatte. Aber ich würde sicher nicht seinen begierigen, teilweise lüsternen Blicken erliegen. Auch nicht seinem Duft, den er verströmte und der eine befremdliche Sogwirkung auf mich ausübte. Auf seltsame Weise wirkte er mir so vertraut. Wie konnte das sein?
»Ich biete dir an, dich am Leben zu lassen, wenn ich mich mit meiner Freundin aus deinem verdammten Reich verabschiede«, antwortete ich unheilvoll, wie es nur ein überheblicher Dämon leisten konnte.
Er schnaubte, nahm mich nicht ernst. »Du bist gefährlich, durchaus. Aber halte dich nicht für unbesiegbar. Ansonsten wird dir Zetgar eine weitere Lektion erteilen.«
»Ich nehme die Herausforderung an«, knurrte mein Dämon, der vor Entschlossenheit die Krallen in meinen Eingeweiden vergrub, sodass ich zischte.
Kurzzeitig spürte ich, wie Ĉhyzár die Oberhand gewann. Mein Blick kippte, und ich sah aus den Augen eines Raubtiers in die Welt, nicht aus denen eines Menschen.
»Oh, dein Dämon ist leicht zu reizen.«
»Provoziere ihn nicht«, entgegnete ich ihm und drängte Ĉhyzár zurück. In meinem Magen stach es.
Plötzlich glitten Aicyards Fingerspitzen über meine Wange. Es war eine hauchzarte, zärtliche Berührung, bei der ich ein Schaudern unterdrücken musste.
»Wir haben den Rat der Sechs einberufen und einstimmig abgestimmt.«
Was?
»Wir werden deine … Freundin«, er sprach das Wort aus, als wäre es eine Beleidigung, »gehen lassen. Wir haben, was wir wollten.«
Mich, ergänzte ich in Gedanken. »Und was wollt ihr im Gegenzug?« Ich wich unter seiner Berührung zurück, doch er senkte seinen großen, athletisch gebauten Körper tiefer herab. »Mich vernichten?«
»Wieso denn? Deine Vernichtung wäre pure Verschwendung.«
Was wollen sie dann von mir?
»Wir brauchen deine Blutlinie, deine Magie, deinen Dämon. Du wirst das Bündnis mit mir eingehen.«
Meine Augen weiteten sich. Instinktiv schüttelte ich den Kopf. »Nein, ich bin dem Saċar der Nachtschatten versprochen.«
»Stimmt, da war ja was«, verspottete er mich, lachte geheimnisvoll und rieb sich nachdenklich übers Kinn, so als hätte er tatsächlich nicht gewusst, dass er mich vor den Augen der Priester in Chesters Tempel kurz vor der Einigung entführt hatte. »Der Saċar der Nachtschattenkrieger ist schwach. In wenigen Stunden wird er zur letzten Mondeinigung den Palast betreten. Das siebenundsiebzigste Ritual, das letzte, steht an. Dies bedeutet seine Vernichtung. Du willst dich nicht mit einem schwachen, erbärmlichen Dämon binden, der ohnehin stirbt.«
Schon in wenigen Stunden findet die letzte Mondeinigung statt? Ich wusste nicht sehr viel darüber. Nur so viel, dass Chester gezwungen war, zu jeder Mondeinigung den Máhrzat-Palast aufzusuchen. Bei jedem Ritual wurde sein Dämon verletzt, nein, zerschnitten, um seine Macht anderen, schwachen Dämonen zu übergeben. Und heute würde das letzte Mal sein?
Aber … ich war mit Chester unfreiwillig den Schwur eingegangen, ihn zu töten, wenn der Moment gekommen war. Er konnte nicht vorher vernichtet werden. War es also ein Riesenfehler gewesen, dass ich Aicyard vor dem Bündnis gerufen hatte? Was, wenn ich Chester verlor? Nein, nein, es war kein Fehler gewesen …
»Der Saċar der Nachtschatten ist nicht schwach«, brachte ich entschlossen über die Lippen. »Ihr habt ihm Stück für Stück seine Macht geraubt. Aber er ist nicht schwach.«
Hitze und Stolz loderten in meinem Brustkorb. »Ich werde kein Bündnis mit dir eingehen.« Denn das würde bedeuten meine Freiheit zu verkaufen. Ich wusste, was die Verlorene Familie mit mir vorhatte. Sie brauchte mein Blut, weil sie nicht dazu imstande war, neue, gesunde Dämonen hervorzubringen. Die Dämonen, die das konnten, waren von ihnen ihrer Macht beraubt worden. Es gab keinen freien Dämon mehr, dessen Magie nicht gebrochen war. Es gab nur mich. Und ich würde ganz sicher nicht mitspielen und brav ihre Dämonenkinder in die Welt setzen.
»Dann stirbt die Menschenfrau«, drohte er mir und kniff die Augen zusammen. »Erst stirbt sie, danach der Saċar der Nachtschatten. Dir bleibt dann … nichts mehr.«
Auf traurige Art hatte er recht. »Der Saċar wird ohnehin an den Folgen des letzten Rituals verenden. Das hast du selbst gesagt.«
»Ich könnte ihn von dem Fluch entbinden.«
»Glaub ihm nicht. Er kann den mächtigen Fluch nicht brechen«, flüsterte mir Ĉhyzár zu. »Er würde dir alles versprechen, um deine Einwilligung zu erhalten. Wobei ich nicht einmal abgeneigt wäre.«
»Ach, du stehst nicht auf Aicyards Seite? Immerhin ist sein Dämon gesund und mächtig.«
»Schon wahr. Aber ich lasse mich nicht knechten, und ich vergesse auch nicht, was Zorans Dämon getan hat. Er hat alles riskiert. Für dich. Ohne ihn wärst du nicht am Leben. Ohne ihn wären wir nicht vereint.«
Zorans Dämon. Zoran … Der Name verursachte ein Kribbeln unter meiner Haut wie feine elektrische Schläge. Zoran. Das war Chesters richtiger Name. Der Name, den nur seine Vertrauten kannten. Diesen Namen hatte Sheriad in meiner Anwesenheit unbedacht ausgesprochen, als ich nach Ṯeklans Angriff bereit gewesen war, die Schwelle des Todes zu übertreten.
Was würde er über mich denken, wenn ich Aicyards Deal zustimmte? Er würde mir erklären, dass Dämonen niemals ohne einen Schwur Wort hielten. Nur mit einem Schwur waren Versprechen bindend.
»Ich sehe, dass du ins Grübeln gerätst, Sóley. Sei keine Närrin und stimme dem Handel zu. Einen besseren wirst du nicht angeboten bekommen. Deine Freundin wird frei sein und der Saċar der Nachtschattenkrieger wird von dem Fluch entbunden werden. Es ist genau das, was du wolltest, oder täusche ich mich?« Aicyard blinzelte beinahe einfühlsam. Dabei war er sicher zu keiner Gefühlsregung fähig. Er manipulierte mich mit Gesten, Blicken, Worten und Berührungen.
Das Angebot war verlockend, doch tief in mir fühlte sich der Deal wie ein Fehler an. Aber ich würde alles für Layla und Chester tun. Wirklich alles. Ich wollte, dass beide lebten. Dass sie frei waren, auch wenn es für mich bedeutete, fortan mit Aicyard verbunden zu sein.