So ein herziges Geschenk des Himmels! - Friederike von Buchner - E-Book

So ein herziges Geschenk des Himmels! E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. »So, das war der letzte Patient. Endlich Feierabend! Jetzt geht es in den Urlaub. Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit, Erika!« Erika, die ältere Sprechstundenhilfe, sah hinter dem Tresen auf und lächelte. »Frau Doktor, ich habe etwas für Sie.« Monika schaute sie überrascht an. Erika übergab ihr einen Umschlag. »Den hat mir der Chef für sie gegeben«, sagte sie und lächelte geheimnisvoll. Monika öffnete den Umschlag. Darin befand sich eine Karte in Doktor Jürgen Habers Handschrift. Ich warte auf Dich in unserem Lieblingsrestaurant. Ich freue mich auf Dich. Beeile dich! Das ist mal wieder typisch für ihn, dachte Monika. Mir sagt er, er muss etwas Dringendes erledigen und bittet mich, seine Patienten zu übernehmen und dann soll ich mit einem Abendessen belohnt werden. Er hat wohl ein schlechtes Gewissen. Doktor Monika Krauser hatte den Zahnarzt Doktor Jürgen Haber während ihres Studiums kennengelernt. Damals war er Arzt in der Zahnklinik und machte seinen Facharzt in Kieferchirurgie.

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Toni der Hüttenwirt – 257 –

So ein herziges Geschenk des Himmels!

Alle wollen dem kleinen Sascha helfen

Friederike von Buchner

»So, das war der letzte Patient. Endlich Feierabend! Jetzt geht es in den Urlaub. Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit, Erika!«

Erika, die ältere Sprechstundenhilfe, sah hinter dem Tresen auf und lächelte.

»Frau Doktor, ich habe etwas für Sie.«

Monika schaute sie überrascht an. Erika übergab ihr einen Umschlag.

»Den hat mir der Chef für sie gegeben«, sagte sie und lächelte geheimnisvoll.

Monika öffnete den Umschlag. Darin befand sich eine Karte in Doktor Jürgen Habers Handschrift. In seiner üblichen knappen Art hatte er geschrieben:

Ich warte auf Dich in unserem Lieblingsrestaurant.

Ich freue mich auf Dich.

Beeile dich!

Dein Jürgen

Das ist mal wieder typisch für ihn, dachte Monika. Mir sagt er, er muss etwas Dringendes erledigen und bittet mich, seine Patienten zu übernehmen und dann soll ich mit einem Abendessen belohnt werden. Er hat wohl ein schlechtes Gewissen.

Doktor Monika Krauser hatte den Zahnarzt Doktor Jürgen Haber während ihres Studiums kennengelernt. Damals war er Arzt in der Zahnklinik und machte seinen Facharzt in Kieferchirurgie. Alle schwärmten für den jungen, gutaussehenden Arzt aus einer bekannten Münchner Arztfamilie. Schon damals war er Monika gegenüber sehr höflich und zuvorkommend, wo immer sie sich zufällig sahen. Er erkundigte sich nach ihrem Studium der Zahnmedizin und gab ihr wertvolle Tipps. Nach seiner Facharztprüfung machte er sich selbständig.

Monika war sehr überrascht, als er am Tag ihrer Abschlussprüfung im Foyer des Klinikums wartete.

»Glückwunsch! Und wie ich Sie kenne, haben Sie mit ›summa cum laude‹ abgeschlossen«, hatte er sie begrüßt mit einem galanten Handkuss.

»Sie übertreiben, Herr Doktor«, hatte Monika geantwortet. »Hauptsache bestanden. Okay, eine gute Note erleichtert es, die erste Stelle zu bekommen. Doch woher wissen Sie, dass heute mein Prüfungstermin war?«

Er strahlte sie an.

»Weil ich Sie nie aus den Augen verloren habe. Ich habe mich erkundigt und wollte der Erste sein, der Sie beglückwünscht.«

»So?«, staunte Monika.

Er hatte ihr tief in die Augen gesehen und einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts gezogen.

»Es wartet eine Stelle auf Sie. Hier ist der Arbeitsvertrag.«

»Wo?«

»Natürlich bei mir in der Praxis, wo sonst?«, lachte er.

Sein Lachen klang fröhlich und freundlich. Dann hatte er einfach den Arm um ihre Schultern gelegt und sie zu seinem Sportwagen geführt. Er fuhr direkt zu seiner Praxis und zeigte ihr ihren neuen Arbeitsplatz.

Monika hatte den angebotenen Vertrag unterschrieben.

Sie arbeiteten gut zusammen. Monika übernahm die jungen Patienten. Sie hatte eine ruhige Art, mit Kindern umzugehen und nahm ihnen die Angst vor dem Zahnarzt.

Jürgen flirtete mit Monika vom ersten Tag an. Anfangs war sie etwas zurückhaltend. Dann gestand er ihr, dass sie ihm schon seit Jahren gefiel, seit er sie zum ersten Mal an der Universität gesehen hatte.

Sie kamen sich näher. Schließlich duzten sie sich auch in der Praxis. Alle sahen in ihnen das ideale Paar, obwohl sie sehr verschieden waren. Jürgen interessierte sich nur für Kunst und Musik. Er besuchte jede Ausstellung, kaufte moderne Maler, von denen er sich eine spätere Wertsteigerung versprach. Er liebte moderne Musik. Monika besuchte gern klassische Konzerte und die Oper. Sie war sehr sportlich. Es gab kaum eine Sportart, in der sie nicht eine gute Figur machte. Sie joggte jeden Morgen, spielte zweimal pro Woche Tennis und ging am frühen Samstagmorgen zum Golfen. Sie fuhr immer mit dem Fahrrad zur Arbeit.

So waren zwei Jahre vergangen.

Es hatte sich so eingespielt, dass jeder der beiden einige Tage im Jahr allein verreiste, neben dem großen gemeinsamen Urlaub. Monika wollte eine Radtour machen. Sie freute sich darauf.

Während sie immer noch auf die Karte starrte, versuchte sie zu erraten, was Jürgen wollte. Sie hatten sich doch vor drei Stunden verabschiedet. Da hatte er gesagt, er habe noch einen wichtigen Termin.

›Wir telefonieren‹, hatte Monika ihm nachgerufen.

Jetzt wartete er im Restaurant auf sie. Was wollte er? Sie hatte ihm deutlich gesagt, dass sie noch am Abend in ihren Urlaub starten wollte, um die kühleren Abendstunden für die erste Etappenstrecke zu nutzen. Hatte er es vergessen?

»Ist etwas, Frau Doktor? Sie sehen so ernst aus«, bemerkte Erika mit besorgtem Blick.

Monika zuckte zusammen. Sie war in Gedanken gewesen.

»Nein, alles in Ordnung, alles Bestens!«

Sie steckte die Karte zurück in den Umschlag und ging in den Personalraum. Dort legte sie ihren Kittel und die weiße Hose ab. Schnell schlüpfte sie in ihre Jeans und zog leichte Sommerschuhe an. Sie verstaute den Umschlag in dem kleinen Rucksack und hob ihn auf die Schultern. Da sie jeden Tag mit dem Rennrad in die Praxis fuhr, war ein Rucksack sehr praktisch.

Erika plauderte mit der Putzfrau, die jeden Abend die Räume reinigte. Monika winkte und verließ die Praxis.

In der Tiefgarage schwang sie sich auf ihr Rad und radelte zum Lieblingsrestaurant. Es war ein vornehmes Lokal. Monika fiel in ihrer sportlichen Kleidung sehr auf. Sie tat, als bemerke sie es nicht.

Aber Jürgen war anzusehen, wie peinlich es ihm war.

Kaum hatte sich Monika gesetzt, winkte Jürgen dem Kellner. Der brachte eine Flasche besten Champagner und schenkte ein.

»Hast du ein schlechtes Gewissen, weil du mir noch deine Patienten aufs Auge gedrückt hast, obwohl du doch wusstest, dass ich pünktlich gehen wollte?«

»Ja, ich weiß, dass du noch heute Abend losradeln wolltest. Aber es ging nicht anders. Du wirst es gleich verstehen. Du kannst morgen doch auch noch fahren. Wenn du noch willst«, setzte er hinzu.

»Wieso sollte ich nicht mehr wollen?«

»Nun, weil es sein könnte, dass du es dir anders überlegst«, sagte er schmunzelnd und tat geheimnisvoll.

Monika sah Jürgen an. »Also, was ist? Es muss doch etwas passiert sein.«

»Ja, ich habe mich entschlossen, etwas in meinem Leben zu ändern. Genauer gesagt, ich will in unserem Leben etwas ändern. Doch stoßen wir erst mal an, auf uns, auf die wunderbare Zeit, die wir hatten und noch haben werden.«

Sie lächelten sich zu und tranken.

Dann griff Jürgen in die Tasche seines Jacketts. Er holte eine kleine Schachtel heraus und öffnete sie.

»Es ist ein Verlobungsring. Ich denke, wir sollten unsere Beziehung in geordnete Bahnen lenken. Ich habe es mir gründlich überlegt. Du sagst deinen Urlaub ab. Ich habe mich um eine Vertretung gekümmert. Wir fliegen morgen früh nach Las Vegas und heiraten. In einer Woche sind wir wieder hier und geben eine große Party.«

Monika stellte abrupt ihr Glas ab. Sie war so überrascht, dass ihr das Glas umkippte. Sie starrte ihn an.

»Heiraten? Hast du eben wirklich ›heiraten‹ gesagt? Habe ich das richtig verstanden?«

»Ja! Jetzt schau nicht so überrascht! Wir sind doch ein prächtiges Paar.«

»Jürgen, das kommt etwas überraschend für mich. Bisher hast du mich in dem Eindruck gelassen, dass du dich nicht binden wolltest, so mit Trauschein und Familie. Und darüber waren wir uns einig, oder?«

Er lächelte sie an.

»Ja, ich hatte gedacht, es geht auch so. Aber nachdem du dich standhaft geweigert hast, zu mir zu ziehen, habe ich eben eine neue Erkenntnis gewonnen. Ich spürte, dass ich dich in meinem Alltag immer mehr vermisse. Monika, wir arbeiten zusammen. Wir sind ein Superteam. Darüber hinaus sind wir ein festes Paar. Es lag also nahe: Wir lieben uns und unsere Heirat ist der nächste folgerichtige Schritt.«

Monika war noch immer sprachlos. Meinte er es wirklich ernst? Liebt er mich so sehr?

»Sage endlich etwas, Monika! Gefällt dir der Ring?«

Monika seufzte leise. Sie lächelte zaghaft.

»Er ist wunderschön, wirklich. Ich bin nur so überrascht.«

Der Kellner ging am Tisch vorbei.

»Jürgen, können wir bestellen? Du weißt, dass die Praxis heute voll war. Ich hatte zum Mittag nur ein Hörnchen und habe jetzt wirklich großen Hunger. Ich kann dir mir flauem Magen nicht antworten. Ich bin völlig unterzuckert.«

»Aber sicher, liebe Monika. Ich habe für uns schon gewählt und vorbestellt.«

Jürgen gab dem Kellner einen diskreten Hinweis. Augenblicke später wurde die Vorspeise gebracht.

Bevor Monika zu essen anfing, tippte sie mit dem Finger auf die kleine Schachtel und schloss den Deckel.

»Jürgen, stecke bitte den Ring ein – bis nach dem Essen!«

»Ich dachte, du freust dich«, murmelte er.

Die Enttäuschung war ihm anzusehen. Er hatte wohl angenommen, dass sie sofort zustimmen würde.

»Welche Frau würde sich über einen solchen Ring nicht freuen? Aber dein Antrag kommt völlig überraschend. Zu Heiraten ist eine ernsthafte Entscheidung.«

Sie lächelte ihn an.

»Eine solche Entscheidung kann und will ich nicht mit leerem Magen treffen.«

Jürgen schmunzelte. »Nun, höre sich einer das an! Man sagt doch, Verliebte könnten von Luft und Liebe leben.«

»Mag sein, aber nicht nach fast zwölf Stunden Praxis, ohne eine größere Pause, nur mit einem Hörnchen und einer Tasse Kaffee im Bauch.«

»Gut, dann genießen wir jetzt das Essen. Später bereden wir die Einzelheiten«, sagte er.

Es gab mehrere Gänge und alles war vom Feinsten. Zu jedem Gang wählte Jürgen den passenden Wein aus. Sie mieden das Thema. Bald unterhielten sie sich, wie meistens, über ihre Arbeit. Auf dieser Ebene verstanden sie sich großartig.

Während sie sich mit Jürgen unterhielt, schweiften Monikas Gedanken immer wieder ab. Sie musste an seinen Antrag denken. War es überhaupt ein Antrag? Er hatte es beschlossen und ihr mitgeteilt. Sie hatte sich immer heimlich gewünscht, seine Frau zu werden. Anspielungen, wann sie heiraten würden, hatte es genug gegeben. Jürgen hatte bisher alle Fragen bezüglich Ehe und Familie mit der Antwort quittiert: Heiraten sei altmodisch. Man könnte auch ein Leben lang zusammenbleiben, ohne dieses bürgerliche Getue von Familie und Ehe und vielleicht auch noch Kindern. Das schränke zu sehr ein. Er sei glücklich mit Monika und deshalb sei ein Trauschein nicht erforderlich. Sie hätten bereits die ideale Beziehung. Besser könnte es in einer Ehe auch nicht werden. Monika hatte sich angepasst. Jürgen verwöhnte sie und sie war glücklich in seiner Nähe. Zwar schmerzte es sie, dass er eine feste Bindung ablehnte und sich eine Familie und Kinder nicht vorstellen konnte. Im Stillen hatte sie immer gehofft, dass er sich ändern würde. Jetzt war es soweit. Dennoch spürte sie wenig in ihrem Herzen. Sein Antrag hatte sie nicht glücklich gemacht. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass sie jubeln würde, dass ein heißes Glücksgefühl sie durchströmen würde. Aber das war nicht geschehen. Warum ist das so? Wieso freue ich mich nicht? Diese Fragen brannten in ihrem Kopf. Ihr Herz blieb völlig unbeteiligt.

Der Nachtisch wurde gebracht.

»Ich möchte jetzt doch noch mal auf das Thema Heirat zu sprechen kommen, Monika. Fühlst du dich inzwischen besser? Ich hoffe es. Sag, bist du einverstanden? Wir können noch diese Woche in Amerika heiraten, in Las Vegas. Ich habe zwei Flugtickets erster Klasse gebucht, für morgen Mittag. Es ist bereits alles vorbereitet. Wir kommen an, verbringen zwei wunderschöne Tage. Du kaufst dir ein Brautkleid. Ich habe mir bereits einen Anzug maßschneidern lassen. Am dritten Tag fahren wir mit einer Hochzeitskutsche vor. Da ich in deiner Personalakte alle Dokumente hatte, konnte ich im Vorfeld alles klären. Du nimmst die Papiere im Original mit. Die Hochzeitsagentur, die ich beauftragt habe, kümmert sich um alles. Nach der Trauung machen wir einen Rundflug in einem Heißluftballon. Wenn wir zurück sind, sind unsere Sachen in die größte und schönste Hochzeitsuite gebracht worden. Dort verbringen wir den Rest der Woche, bis wir zurückfliegen. In München wird eine Party organisiert und wir fahren vom Flughafen sofort dorthin. Alle unsere Freunde und Bekannten werden da sein. Deine und meine Eltern und andere Verwandte werden wir von Las Vegas aus anrufen und einladen. Du siehst, ich habe mir alles genau überlegt. Alles ist vorbereitet. Du musst nur Ja sagen.«

»Du hast wirklich an alles gedacht Jürgen, gründlich, wie du bist. Ich bin beeindruckt. Hast du auch eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen? Ich hoffe, dir entsteht kein all zu großer Schaden.«

»Du – willst – nicht?«, sagte er stockend und fast tonlos.

Er starrte sie an. Das hatte er nicht erwartet.

»Ich brauche Zeit zum Nachdenken«, sagte Monika. »Das geht mir zu schnell. Ich will nur einmal in meinem Leben heiraten. Du hast mich überrumpelt. Gib mir Zeit, mich in Ruhe zu entscheiden! Du scheinst sehr entschlossen zu sein. Aber bevor ich mich zu etwas hinreißen lasse, nur weil du alles so großartig organisiert hast, gehe ich lieber. Ich trete meinen Urlaub an. Wenn ich zurück bin, dann habe ich eine Entscheidung gefällt.«

Jürgen wurde blass. »Monika, wir lieben uns doch. Warum musst du nachdenken? Willst du mich nicht?«

Monika tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab. Sie lächelte, beugte sich über den Tisch und streichelte ihm liebevoll die Wange.

»Jürgen, ich muss mir sicher sein, dass ich heiraten will. Das ist wichtig. Beantworte ich mir diese Frage mit Ja, dann bist du der Mann, der gut dafür in Frage kommt. Aber ich weiß nicht, wie ich zur Ehe stehe. Das wäre ein völlig neues Leben.«

Dabei verschwieg sie, dass die entscheidende Frage für sie war, ob er der Richtige war. Sie hatte sich gewünscht, seine Frau zu werden, aber als er sie eben gefragt hatte, war ihr Herz stumm geblieben. Aus Mitleid, wollte sie es ihm verschweigen, denn er sah sehr enttäuscht aus.

»Ja, das wird es«, sagte er, »ein völlig neues Leben, ein wunderbares neues Leben. Du wohnst bei mir. Wir leben zusammen, wir arbeiten zusammen. Es wird noch eine größere Harmonie sein.«

Monika stand auf und griff nach ihrer Rucksacktasche.

»Jürgen, bewahre den Ring auf, bis ich von meiner Radtour zurück bin!«

Sie warf ihm einen Kuss zu und ging.

Jürgen blieb wie versteinert sitzen.

Dann bestellte er sich einen Cognac und verlangte die Rechnung.

*

Doktor Martin Engler fuhr auf den Hof und stellte seinen Geländewagen im Carport ab. Er nahm seine Arzttasche und ging ins Haus.

»Hallo, Katja!«

»Da bist du endlich!«, begrüßte ihn seine Frau. »Ich habe den Kaffee für dich warmgehalten. Walli und ich haben schon Kaffee getrunken. Walli hat es zu lange gedauert. Jetzt ist sie drüben.«

Doktor Martin Engler nickte. Er ging in die Praxisräume und stellte seine Arzttasche ab, dann wusch er sich die Hände.

Als er zurück in die Wohnküche kam, saß Katja am Tisch. Er setzte sich. Sie schenkte ihm einen großen Becher Kaffee ein und legte ihm ein Stück Apfelstrudel auf den Teller, den Walli gebacken hatte.

Martin warf einen Blick aus dem Fenster.

»Geht es Walli nicht gut?«, fragte er. »Sonst sitzt sie um diese Tageszeit auf der Bank vor dem Haus und strickt.«

Waltraud Schwanninger, die Walli gerufen wurde, hatte ihren Hof dem Doktor überschrieben. Sie bekam dafür eine Leibrente und Wohnrecht fürs Altenteil, einem kleinen Haus auf der anderen Seite des großen gepflasterten Hofs, gegenüber dem großen Wohnhaus.

»Walli will Briefe schreiben, hat sie mir gesagt«, erzählte Katja. Sie schaute ihren Mann an und lächelte. »Wie waren deine Hausbesuche?«, fragte sie.

»Gut waren sie. Ich dachte, ich werde eher damit fertig.«

»Das hoffst du immer an den Tagen, an denen du keine Abendsprechstunde hast.«

»Das stimmt.« Martin schaute auf die Uhr. »Zwar wollte ich schon vor einer Stunde hier sein, aber es bleibt noch genug Zeit für einen ausgedehnten Spaziergang mir Mira. Wo ist sie?«

»Drüben bei Walli«, sagte Katja.

Mira, die junge Hündin von Doktor Engler, leistete Walli gern Gesellschaft, da diese sie mit Hundekeksen verwöhnte, mehr als Katja und Martin es taten. Sie wollten nicht, dass Mira zu viel an Gewicht zunahm.

»Übrigens, es hat jemand für dich angerufen, ein Doktor Claus Carstens. Er will später noch einmal anrufen.«