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18 Jahre Schweinehund Wir kennen ihn alle, den inneren Schweinehund, der uns davon abhält, unangenehme Aufgaben anzupacken oder wichtige Entscheidungen zu treffen. Nun wird unser innerer Schweinehund volljährig, aber dennoch kein bisschen zahmer. Marco von Münchhausen hat das Verhalten der kleinen Saboteure erforscht: • In welchen Bereichen des Alltags ist Ihr Schweinehund aktiv? • Mit welchen Tricks, Taktiken und Sprüchen torpediert er Ihre Vorhaben? • Und vor allem: Wie machen Sie aus dem ärgsten Feind den besten Freund? Passend zur Volljährigkeit präsentieren wir eine komplett überarbeitete und ergänzte Auflage, die auch die Themen Disruption und Digitalisierung behandelt. Mehr als 100 000 verkaufte Exemplare – kein Wunder, denn »dieses Buch kann jeder von uns sehr gut brauchen! «, meint Cosmopolitan, »amüsant und wirkungsvoll «, urteilt BusinessBestseller, »Enthüllungsbuch verrät die Taktiken der Schweinehunde«, sagt Die Zeit.
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Seitenzahl: 250
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Marco von Münchhausen
SO ZÄHMEN SIE IHREN INNEREN SCHWEINEHUND
Vom ärgsten Feind zum besten Freund
Illustriert von Gisela Aulfes
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
18 Jahre Schweinehund Wir kennen ihn alle, den inneren Schweinehund, der uns davon abhält, unangenehme Aufgaben anzupacken oder wichtige Entscheidungen zu treffen. Nun wird unser innerer Schweinehund volljährig, aber dennoch kein bisschen zahmer. Marco von Münchhausen hat das Verhalten der kleinen Saboteure erforscht: • In welchen Bereichen des Alltags ist Ihr Schweinehund aktiv? • Mit welchen Tricks, Taktiken und Sprüchen torpediert er Ihre Vorhaben? • Und vor allem: Wie machen Sie aus dem ärgsten Feind den besten Freund? Passend zur Volljährigkeit präsentieren wir eine komplett überarbeitete und ergänzte Auflage, die auch die Themen Disruption und Digitalisierung behandelt. Mehr als 100 000 verkaufte Exemplare – kein Wunder, denn »dieses Buch kann jeder von uns sehr gut brauchen! «, meint Cosmopolitan, »amüsant und wirkungsvoll «, urteilt BusinessBestseller, »Enthüllungsbuch verrät die Taktiken der Schweinehunde«, sagt Die Zeit.
Vita
Marco von Münchhausen ist Jurist, Trainer, Berater und Autor mehrerer Bestseller. In seinen Vorträgen hat er bereits mehr als einer halben Million Menschen zeigen können, wie sie ihren inneren Schweinehund zum besten Freund machen.
Einführung
Teil IDer Schweinehund im Alltag
Teil IITricks und Taktiken der Schweinehunde
Kapitel 1.Der verhinderte Entschluss
Unmöglichkeitstaktik
Tarnkappenspiel
Sprache der Unverbindlichkeit
Verzögerungstaktik
Die Verharmlosung
Nicht-zuständig-Sein
Traditionsfloskeln
Sicherheitsdenken
Bequem ist bequem
Kapitel 2. Der Wurm in der Entscheidung
Der ewige Versucher
Nebeltaktik
Der Freigeist
Herkules ade!
Kapitel 3. Sabotage der Ausführung
Ablenkungsmanöver
Das Märchen von der richtigen Stimmung
Die betrügerische Verführung
Ausnahmefalle
Die Abbruchstaktik
Der verhängnisvolle Blick auf andere
Kapitel 4.Nach dem Sieg des Schweinehundes
Tröstende Opferlieder
Destruktive Versagerlieder
Teil IIIStrategien im Umgang mit dem Schweinehund
Kapitel 5. Den Schweinehund akzeptieren
Kapitel 6. Die Macht der Sprache
Ehrlichkeit durch richtiges Übersetzen
Neue Einstellung gewinnen durch »Etikettenwechsel«
Die »Weltsicht der Möglichkeiten«
Fokus auf Lösungen
Kapitel 7. Von der hohen Kunst der Selbstmotivation
»K. i. t. a.« und »Karotte«
Strategie 1: K. I. T. A.
Strategie 2: Karotte
»Flow« oder »Mit dem Schweinehund ins Glück«
Kapitel 8. Strategisches Rüstzeug in fünf Schritten
Schritt 1: Die eindeutige Entscheidung
Schritt 2: Klare Zielplanung
Realistisch und machbar
Positiv formuliert
Konkret messbar
Schriftlich terminiert
Mit leuchtendem Zielbild und innerem Film
Schritt 3: Die Ausführung
Beginnen Sie möglichst sofort!
Durchhalten und weitermachen!
Schritt 4: Kontrolle der Zwischenergebnisse
Schritt 5: Belohnung nicht vergessen!
Kapitel 9. Spezialtipps für dauerhafte Verhaltensänderungen
Warum Verhaltensänderungen vielen Menschen schwer fallen
Wie Sie den »Schweinehund-Rücken« überwinden
Nur eine Sache mit Vorfahrt angehen
Sich den Anfang leicht machen
Die Kraft des Rhythmus nutzen
Trotz Ausnahmen am Ball bleiben
Die Sandwichtechnik
Einen Notfallplan machen
Kapitel 10.Der Schweinehund wird digital
Kapitel 11. Weitere Hilfen: Verbündete – Commitments – Investments
Verbündete suchen
Vorhaben durch Commitments absichern
Sich den »Return on Investment« holen
Kapitel 12. Die Verhandlung mit dem Schweinehund
Kapitel 13. Schweinehunde-Training und Schweinehunde-Tagebuch
Täglich eine »kleine« Schweinehunde-Übung
Jährlich (mindestens) ein größeres Schweinehunde-Training
Kapitel 14. Im Überblick: die 50 besten Tipps im Umgang mit dem Schweinehund
Kapitel 15. Fazit
Und was danach geschah …
Literatur für Ihren Schweinehund
Große Unruhe herrschte auf der jüngsten Konferenz der Schweinehunde. Normalerweise geht es auf dieser Veranstaltung immer recht friedlich und lustig zu. Sie ist einer der Höhepunkte im Jahr der Schweinehunde. Das Treffen findet Anfang August statt, wenn die meisten Menschen Urlaub machen und daher gar nicht merken, dass der kleine Saboteur sie wieder für ein paar Tage verlässt. Auf dieser Konferenz tauschen die Schweinehunde ihre Erfahrungen aus und informieren sich über die aktuellen Trends. Stets mit Hochspannung erwartet wird die Preisverleihung für die besten neuen Tricks, wie sich die Vorhaben der Menschen erschweren oder gar verhindern lassen. Denn genau das ist eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen: ihren »Herrchen« und »Frauchen« ins Handwerk zu pfuschen. Für diese sind die kleinen Störenfriede meist unsichtbar und werden nur als innerer Widerstand oder innere Stimme wahrgenommen. Deshalb sprechen die Menschen in diesem Zusammenhang oft vom »inneren Schweinehund«.
Im letzten Jahr also waren alle anwesenden Schweinehunde sehr aufgeregt. Ein bedrohliches Gerücht machte die Runde, und alle harrten gespannt auf den Bericht ihres Sonderkundschafters. Endlich bestieg dieser das Podium, und sofort verbreitete sich erwartungsvolles Schweigen im Saal. Was sie erfuhren, war für die meisten schlimmer, als sie befürchtet hatten:
Nach vielen Jahren ihrer nahezu unangefochtenen Stellung im Untergrund des menschlichen Alltags solle in Kürze ein von Menschen recherchiertes Buch über sie erscheinen, ein Buch über den so genannten inneren Schweinehund. Während die meisten der Anwesenden starr vor Schreck wurden und erbleichten, fuhr der Sonderkundschafter fort: In diesem Werk, so habe er erfahren, sollten ihre Aktionsfelder aufgedeckt, ihre ganzen Tricks und Taktiken entlarvt und – was am schlimmsten sei – den Leserinnen und Lesern Strategien angeboten werden, wie sie ihren inneren Schweinehund überwinden, ja sogar zähmen könnten.
Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Menge. Nach allem, was er gehört habe – so der Kundschafter weiter –, seien die Darstellung ihrer Tricks so zutreffend und die Empfehlungen im Umgang mit ihnen so pragmatisch und erfolgsverdächtig, dass sie wohl nur auf Insiderinformationen beruhen könnten. Der Verdacht einer raffinierten Spionage oder gar eines Verrats aus den eigenen Reihen liege nahe. Es wurde beschlossen, man solle so schnell wie möglich versuchen, das Manuskript des Buches noch vor dessen Erscheinen zu bekommen, um auf einer Sonderkonferenz in drei Monaten über weitere Maßnahmen zu entscheiden.
Natürlich wäre dieses Buch schon viel früher erschienen, wäre da nicht der innere Schweinehund des Autors gewesen! – Wie hat er es nur geschafft, dass dieser das Schreiben des Buches immer wieder aufgeschoben hatte?! – Unverständlich: Viele sind doch froh, wenn man über sie schreibt – nur nicht der Schweinehund! Er weiß genau, dass er dabei mit seinen Tricks entlarvt wird und dass den Lesern verraten werden soll, wie man ihn zähmen kann – und das will wohl kein Schweinehund!
Der Schweinehund in uns taucht meistens dann auf, wenn wir eine Veränderung unserer Gewohnheiten vornehmen oder ein immer wieder aufgeschobenes Projekt endlich in Angriff nehmen wollen. Doch selbst wenn wir uns durchgerungen haben und im Begriff sind, etwas zu verändern oder umzusetzen, ruht er nicht und versucht uns mit allen Mitteln dazu zu bringen, unsere Bemühungen wieder aufzugeben. Seine Argumente sind banal, gleichzeitig aber genial und verführerisch, da sie unmittelbar einleuchten und uns meistens eine momentane Erleichterung oder Befriedigung versprechen.
In diesem Buch geht es natürlich auch um Ihren Schweinehund! Und das hat der kleine Störenfried schon gespürt, als Sie dieses Buch kaufen wollten. Vielleicht hat er versucht, Sie vom Kauf abzuhalten? Mit solch schlagkräftigen Argumenten wie »keine Zeit zum Lesen« oder »bringt ja doch nichts«? Einen ersten Sieg konnten diesmal allerdings Sie verbuchen – nicht er. Oder wurde Ihr Schweinehund schlichtweg überrumpelt, weil Sie das Buch geschenkt bekommen haben? Da wird er sich ganz schön geärgert haben! – Dass Sie mit dem Lesen angefangen haben, ist übrigens schon ein kleiner Erfolg – den ersten wichtigen Schritt haben Sie also schon getan. Der Rest ist dann gar nicht mehr so schwer!
Doch bevor Sie weiterlesen, erst noch eine grundlegende Frage: Wieso sprechen wir überhaupt von »unserem inneren Schweinehund«? Letztlich weiß doch jeder, dass es in der Realität gar keine Schweinehunde gibt, weder außen noch innen, und dass es sich hierbei lediglich um eine Metapher, ein sprachliches Bild, für unsere inneren Widerstände, unsere Unlust, unser Phlegma und unsere Neigung, Aufgaben zu vermeiden und aufzuschieben, handelt. Darüber sind wir uns unausgesprochen alle einig, Sie als Leser und ich als Autor. Was hat mich bewogen, ein ganzes Buch über dieses sprachliche Bild zu schreiben – und was veranlasst Sie dazu, es zu lesen? – Nun, angenommen, der Titel des Buches hätte gelautet Ursachen und Auswirkungen innerer Widerstände des Menschen und mögliche Strategien selbigen zu begegnen (denn darum geht es in Wirklichkeit!), hätten Sie es dann gekauft? Wahrscheinlich nicht – es sei denn aus beruflichen oder wissenschaftlichen Gründen. Aber vermutlich wäre es vom Verlag schon gar nicht veröffentlicht worden, und ehrlich gesagt hätte es mich gar nicht erst gereizt, ein Buch mit einem solchen Titel zu schreiben … denn zu so einem Projekt hätte ich meinen inneren Schweinehund selbst mit allen Tricks kaum überreden können.
Es bietet dagegen einige Vorteile, das Thema verpackt in die Metapher des inneren Schweinehundes anzugehen. Die folgenden zwei Aspekte sind meines Erachtens entscheidend:
Erstens: Nahezu jeder von uns, mich eingeschlossen, leidet in irgendeiner Form unter einem Teil seiner Persönlichkeit, unter seinen inneren Widerständen und Selbstüberwindungsproblemen. In der Figur des inneren Schweinehundes können wir uns diesen Teil von außen anschauen, mit etwas Abstand, so, wie wir einen Fremden in der Straßenbahn betrachten. Indem wir über ihn reden, distanzieren wir uns gleichzeitig von ihm und können ihn besser erkennen und verstehen und lernen, mit ihm umzugehen. Und Distanz in eigenen Angelegenheiten ist wahrlich eines der besten Selbststeuerungsinstrumente, die es gibt. Versuchen Sie, innerlich Abstand zu gewinnen, auf Distanz zu gehen, wann immer Sie im Leben in eine Angelegenheit negativ verstrickt sind und unangenehme Gefühle dazu haben. Wenn Ihnen das gelingt, sind Sie schon einen Schritt in Richtung Lösung unterwegs: Das Problem ist zwar noch nicht beseitigt, aber Sie können anders damit umgehen. Man sagt auch: »Wir müssen uns von den Dingen lösen, um zu Lösungen zu kommen.« Distanz bringt Klarheit in den Kopf und ermöglicht es, anders mit Problemen umzugehen – so auch, wenn wir unsere inneren Widerstände in der Figur des inneren Schweinehundes von außen anschauen.
Zweitens hat diese Metapher etwas recht Humorvolles. Die meisten Menschen können, wenn es um den inneren Schweinehund geht, ein gewisses Schmunzeln nicht verbergen. Ja, sie kokettieren sogar mit ihm. Er stört sie zwar, sie ärgern sich, doch sie lächeln auch über ihn – und das heißt letztlich über sich selbst. Und das ist mindestens genauso wichtig wie die Distanz: Dass man es schafft, ab und an über seine Fehler und Schwächen auch mal zu lächeln. Das heißt nicht, dass man sich nicht ernst nehmen sollte, aber eben nicht so verbissen. Humor bringt Leichtigkeit ins Leben. Mit etwas Humor und dieser Leichtigkeit lassen sich die meisten Probleme und auch dieser kleine Saboteur in uns ganz anders angehen. Daher glaube ich, dass Humor in eigener Sache ebenfalls eines der besten Selbststeuerungsinstrumente darstellen kann.
Aus diesen beiden Gründen bekommen Sie hier eine uralte psychologische Thematik unseres menschlichen Daseins in der »Verpackung« des inneren Schweinehundes serviert: mit etwas gesunder Distanz zu uns selbst und mit einer Prise Humor.
Durch die Lektüre des Buches werden Sie für den Umgang mit Ihrem eigenen inneren Schweinehund wichtige Informationen bekommen:
In Teil I erfahren Sie, in welchen Bereichen unseres Alltags diese kleinen Blockierer und »Verhinderer« aktiv werden und wo überall sie unsere Vorhaben torpedieren. Dabei haben Sie die Möglichkeit, das Tätigkeitsprofil Ihres eigenen Schweinehundes zu ermitteln, um festzustellen, bei welchen Gelegenheiten er Ihnen am meisten zu schaffen macht.
In Teil II bekommen Sie Einblick in die vielfältige Trickkiste der Schweinehunde. Hierbei wird Ihnen bewusst werden, wie viel verschiedene und subtile Mittel die kleinen Feinde einsetzen können, um unsere Vorhaben zu Fall zu bringen, und welches die bevorzugten Sprüche und Taktiken Ihres eigenen inneren Schweinehundes sind. Diese Erkenntnis allein wird Ihnen schon helfen, den Sabotageversuchen nicht mehr so oft auf den Leim zu gehen.
In Teil III schließlich wird Ihnen gezeigt, wie Sie mit Ihrem eigenen Schweinehund am besten umgehen, um Ihre Vorhaben und Ziele mit mehr Erfolg und weniger Anstrengung zu erreichen. Die dargestellten Strategien sollen nicht dazu dienen, Ihren Schweinehund auf Dauer zu bekämpfen (ein Kampf, der sowieso nie ganz zu gewinnen ist), sondern ihn zu zähmen, ja sogar vom Feind zum Freund oder Verbündeten zu machen. Dadurch können Sie mit einem bisher eher störenden Teilaspekt Ihrer Persönlichkeit in Zukunft besser und kräftesparender umgehen und womöglich sogar Hand in Hand mit dem Schweinehund durchs Leben gehen.
Teil I
Der Schweinehund im Alltag
Zum Festival der Schweinehunde gibt es viele leckere Neujahrsvorsätze
Es geschah am Abend – da hat er wieder zugebissen! Ich wollte endlich wieder mal nach der Arbeit joggen, hatte schon Sportklamotten und Pulsuhr aus dem Schrank geholt – aber mein innerer Schweinehund hat sich so an mir festgebissen und mich aufs Sofa gezerrt, dass ich nicht mehr nachgeben konnte. Ich blieb zu Hause. Die Folge: Heute plagt mich das schlechte Gewissen, weil ich so schwach bin!
Ach, Sie kennen das, den Kampf mit dem inneren Schweinehund? Das ist dieser unsägliche innere Widerstand, den wir immer wieder überwinden müssen, wenn wir etwas in unserem Leben verändern wollen.
Was ist das nur für eine Kraft, die uns oft abhält, etwas Neues anzugehen? Wieso sind so viele unserer guten Neujahrsvorsätze schon Mitte Januar »Schnee von gestern« geworden? Natürlich, es ist der innere Schweinehund! Er frisst unsere Vorsätze! Daher ist Neujahr auch das »Festival der Schweinehunde«! All die guten Vorsätze, die wir fürs neue Jahr fassen, lassen ihnen das Wasser in den Mäulern zusammenlaufen: So viel Futter ist ihnen selten vergönnt.
In meinen Vorträgen erzähle ich oft von folgendem interessanten Experiment:
Beispiel
In ein Becken mit Piranhas ließ der Versuchsleiter in der Mitte eine Glasscheibe hinein, als sich alle Piranhas gerade zur Nahrungsaufnahme auf einer Seite des Beckens befanden. Dann schwammen die Fische wieder los und stießen an die Scheibe, die sie, da durchsichtig, nicht erkennen konnten. Immer wieder nahmen sie »Anlauf« – immer wieder stießen sie schmerzvoll gegen das Glas. Mit der Zeit lernten sie um, schwammen nur noch bis kurz vor die Glasplatte, um wenigstens den ihnen noch verbleibenden Lebensraum auszunutzen … und gewöhnten sich daran. Nach einigen Wochen wurde die Glasplatte entfernt. Eigentlich würde man nun doch erwarten, dass die Piranhas wieder höchsterfreut in den bislang abgetrennten Beckenteil schwimmen würden – aber nein, Sie werden es vielleicht schon ahnen, die Fische schwammen nach wie vor nur bis zur Beckenmitte und drehten dann um. Denn sie hatten gelernt: »Hier ist Schluss, hier geht’s nicht weiter!«
Genau dem gleichen Phänomen begegnen wir in unserem Alltag immer wieder: den »unsichtbaren Grenzen« in uns, die uns abhalten, unsere Möglichkeiten voll auszunutzen, unser Potenzial zu entfalten, unsere Vorsätze Wirklichkeit werden zu lassen. Der Wächter dieser unsichtbaren Grenzen ist oft der innere Schweinehund, und wann immer wir uns aufmachen, sie zu überschreiten (um aus der gewohnten »Komfortzone« in die Zone des persönlichen Wachstums zu treten), so spricht eine vertraute Stimme in uns: »Komm, lass das lieber, das ist zu mühsam.« – »Das hat noch Zeit.« – »Das kannst du gar nicht.« – »Heute noch nicht.« – »Das könnte gefährlich sein.« – »Was sollen denn da die anderen denken!« und so weiter. – Die meisten Menschen kennen diese Sätze von ihren eigenen inneren Schweinehunden! Doch ist es nicht langsam an der Zeit, den beschränkenden Einfluss dieses kleinen Saboteurs auf uns zu mindern und die unsichtbaren Grenzen dort zu überschreiten, wo es um die Verwirklichung unserer Vorhaben und um unser persönliches Wachstum geht!?
Dafür gilt es als Erstes klar zu erkennen, in welchen Lebensbereichen uns dieser Saboteur immer wieder austrickst. Und das ist erfahrungsgemäß von Mensch zu Mensch sehr verschieden und beruht wohl darauf, dass unsere Schweinehunde unterschiedliche Begabungen und »Ausbildungen« besitzen. Infolgedessen haben sie sich – wie wir Menschen auch – spezialisiert. Zwar wird jeder Schweinehund in mehreren Alltagssituationen aktiv, aber fast alle haben – je nach Struktur und Persönlichkeit ihres Herrchens oder Frauchens – ein oder zwei Hauptaktionsfelder.
Am größten ist die Zahl der feindlichen Widersacher in den Bereichen Gesundheit, Fitness und Bewegung.
Beispiel
Eine Seminarteilnehmerin berichtete, wie sie ständig gegen ihr Gewicht ankämpfe und es langsam satt habe, eine Diät nach der anderen durchzuziehen. Zwar hatte ihr Arzt ihr dringend geraten, Sport zu treiben. Aber hier sei ihr Schweinehund am mächtigsten. Dazu könne sie sich trotz aller Versuche nicht überwinden. Seit sie nun dabei sei, ihre Ernährung umzustellen, komme es schon beim Einkaufen zu den heftigsten Diskussionen mit ihrem unsichtbaren Begleiter – und nicht selten gelinge es ihm, sie wieder zu Pizza, Pommes und Sahnetorten zu verführen. Überhaupt liefere er ihr immer unzählige Ausreden, sogar wenn es darum gehe, ihre regelmäßigen Gesundheitschecks beim Arzt durchzuführen. Wie viel besser würde es ihr gehen, wenn es ihr gelänge, ihren Schweinehund in diesem Bereich zu bändigen!
Andere Menschen ringen mit ihren Schweinehunden, wenn es darum geht, größere Projekte anzugehen und durchzuziehen (sei es nun eine Prüfung, das Schreiben eines Buches oder eine Präsentation), oder generell im Berufsalltag, nicht nur, wenn notwendige Risiken einzugehen sind.
Beispiel
Ein Herr, den ich vor kurzem auf einer Zugfahrt zu diesem Thema interviewte, erzählte, ihm begegne der Schweinehund im Beruf an drei Stellen: Erstens, wenn es darum gehe, seine Zeitplanung zu machen und einzuhalten. Er sei schon auf etlichen Zeitmanagementseminaren gewesen und könne mittlerweile wohl selber eines halten. Aber sich am Vorabend aufzuraffen, um die Planung für den nächsten Tag zu machen, sei ein Kampf, den er oft verliere. Als Zweites säße sein Schweinehund oft dick und fett vor seiner Ablage und verhindere mit allen Tricks, diese endlich mal abzuarbeiten. Und zu guter Letzt, fuhr er fort, und das sei wohl am perfidesten, begegne er den verführerischen Ausreden seines Widersachers stets dann, wenn es darum gehe, bei beruflichen Entscheidungen ehrlich und integer zu bleiben, zum Beispiel einen unerfahrenen Kunden nicht zu übervorteilen, unseriöse Angebote abzulehnen oder ein Geschäft »ohne Rechnung« abzuwickeln. »Andere haben da doch auch keine Skrupel«, töne es da in ihm. Dann sei es oft nicht leicht, standhaft zu bleiben.
Manche Schweinehunde tauchen immer dann auf, wenn jemand endlich mal Ordnung schaffen will. Sei dies nun der Keller, die Garage oder der Speicher, der seit langem entrümpelt werden soll, Schreibtisch, Schränke oder Schubladen nebst Ordnern und Aktenstapeln, die geordnet werden müssten, oder die überfällige Gartenarbeit.
Unvergesslich wird mir mein eigener »Kampf mit der Garage« bleiben.
Beispiel
Wir wohnten noch keine drei Monate in unserem neuen Haus, als schon so viele Sachen in der Garage herumstanden, dass ich mit dem Auto gar nicht mehr hineinkam – also stand das Auto draußen und das Gerümpel im Trockenen. Nach einem Jahr kam man kaum noch durch. Dass schleunigst entrümpelt werden musste, war klar, doch wer keine Lust dazu hatte, war mein innerer Schweinehund. Er hat es geschafft, die Aufräumaktion noch ein weiteres Jahr hinauszuzögern. Letztes Frühjahr – ich schrieb schon an diesem Buch – kam die subtile Frage meiner Frau: »Na, und erklärst du den Lesern auch, wie man dem Garagen-Schweinehund begegnet?« – Volltreffer! Mein Schweinehund jaulte auf. Am Samstag darauf machte ich mich an die Arbeit. Und – wie sollte es anders sein?! Schon mittags war ich fertig. Dreimal war ich zum Sperrmüll gefahren. Alles Übrige war gut sortiert. Es hatte mir sogar Spaß gemacht, und ich war sehr zufrieden mit meinem Einsatz. Nur eine Frage blieb: Wieso hatte ich das nicht schon früher getan?
Der Schweinehund der »Aufschieberitis« raubt uns immens viel Energie, und die verblüffende Erfahrung der meisten Menschen ist: Wenn man’s endlich anpackt, ist es fast immer viel leichter als gedacht und sogar sehr befriedigend.
Das waren wohl – statistisch gesehen – die häufigsten, aber noch nicht sämtliche Schauplätze der Schweinehunde-Aktivitäten im Alltag. Immer wieder tauchen sie auf, wenn es darum geht, etwas Neues anzupacken oder zu lernen, sei dies eine Fremdsprache, ein Musikinstrument, Tanzen oder der Umgang mit dem Computer. Nicht selten höre ich in meinen Seminaren, wenn es um die Aktionsfelder des Schweinehundes geht, Geschichten wie diese:
Beispiel
Andrea hatte von ihrem Enkel vor über einem Jahr einen Laptop geschenkt bekommen, wusste aber immer noch nicht richtig damit umzugehen, ganz zu schweigen vom Internet. Seit langem wolle sie da mal »hinein« und surfen lernen. Aber: Der Schweinehund, der vor dem Computer sitze, werde von Tag zu Tag größer und komme ständig mit neuen Ausreden.
Ich ermunterte Anita, die Ausreden ihres Schweinehundes bis zum nächsten Seminartag einmal aufzuschreiben. Was sie uns am folgenden Morgen präsentierte, war eine wirklich interessante Sammlung:
Das hast du doch gar nicht nötig, diese moderne Technik, das ist doch nur eine Modeerscheinung!
Bisher bist du doch auch ohne Computer und Internet klargekommen!
Mit der Hand schreiben ist viel vornehmer und persönlicher, es wäre doch schade, wenn das ganz aus der Mode kommt!
Im Internet gibt’s doch nur Sex und Gewalt, und du weißt überhaupt nicht, wer deine Daten speichert!
Das Geflimmer ist für die Augen sowieso nicht gut, und es gibt heute sogar schon Web-Süchtige!
Du wirst doch diese Tendenz zur vollständigen Technisierung und Anonymisierung nicht mitmachen!
Computer und Internet sind einfach nichts für kreative und kontaktfreudige Menschen wie dich!
Außerdem braucht man dazu erst mal einen richtigen Kurs; wenn du da was falsch machst, stürzt der Kasten ab und alle deine Daten sind weg – was dir übrigens bei schriftlichen Aufzeichnungen nicht passiert.
Warte noch, die Technik entwickelt sich so schnell, in einem Jahr wird es viel einfacher sein einzusteigen. Also lass dir ruhig noch etwas Zeit damit!
Diese Ausreden kamen nicht nur den meisten anderen Seminarteilnehmern bekannt vor. Die Ausflüchte tauchen auch in Seminaren anderen Inhalts immer wieder auf. Wie Sie im zweiten Teil erfahren werden, sind die Schweinehunde auf ihren eigenen Fortbildungskursen ähnlich geschult worden …
Und wo tritt er sonst noch in Erscheinung, der kleine Feind? Bei vielen Menschen, wenn wichtige Entscheidungen anstehen: im Beruf, in der Partnerschaft oder gar vor einem Wohnungswechsel. Auch hier ist der Schweinehund als »Aufschiebespezialist« am Werk. Genauso wie im Kontakt mit anderen: Wichtige Briefe lässt er uns nicht schreiben, unangenehme Telefonate nicht führen, fällige Einladungen oder erwartete Besuche hinauszögern und die Rückgabe entliehener Sachen schnell vergessen.
Wenn Zivilcourage gefragt ist, wird er besonders aktiv. Er hat’s nicht gern, wenn wir in der Öffentlichkeit für etwas Partei ergreifen wollen; zu besorgt ist er dann, sich die Pfoten zu verbrennen. Angst um sein Fell hat er auch, wenn wir womöglich Risiken eingehen durch allzu offene Ehrlichkeit in Familie, Partnerschaft oder im Freundeskreis. Besser die Klappe halten, lautet seine Devise.
Ein weiteres beliebtes Betätigungsfeld dieses Widersachers: Er schaltet sich gern ein, wenn wir mal wieder für etwas »kulturellen Input« sorgen oder unsere Bildung ein wenig aufpolieren wollen. Dieses Vorhaben torpediert er. Zu leicht macht es sich der Schweinehund vor dem Fernseher gemütlich und versteckt das Buch, das doch endlich gelesen werden sollte.
Und sogar vom »Nichtstun« kann er uns abhalten. Nicht nur, wenn es darum geht, regelmäßig zu meditieren oder sich im Alltag »Auszeiten« zu nehmen, um innezuhalten, müssen sich viele überwinden. Manche bekommen es sogar mit ihm zu tun, wenn sie mal gar nichts tun wollen.
Gönnen Sie sich und Ihrem Schweinehund auch mal eine Pause!
Beispiel
Ich erinnere mich an einen Mann, der vor Energie nur so strotzte. Er hatte mit Selbstüberwindung keine Probleme und in seinem Leben alle Ziele erreicht, es gab keine Herausforderung, die er nicht meisterte. Als es im Seminar, an dem er teilnahm, darum ging, bis zum nächsten Tag eine so genannte Schweinehunde-Übung zu machen, irgendetwas, bei dem man mit dem eigenen Schweinehund in Kontakt käme, schaute er zunächst etwas ratlos. Alle waren am nächsten Morgen gespannt, welcher Herausforderung er sich gestellt hatte. Er lächelte etwas unsicher und sagte, er habe nichts getan, das sei ihm am schwersten gefallen: Es auszuhalten, nichts zu tun, während alle anderen etwas tun: Da begegne er seinem Schweinehund.
Dieser Seminarteilnehmer ist sicher nicht der Einzige, der sich überwinden muss, mal gar nichts zu tun!
Soweit die wichtigsten Tätigkeitsfelder, die in der Schweinehunde-Forschung ermittelt wurden. Mit Sicherheit ist damit aber der Aktionsbereich dieser seltsamen Wesen nicht abschließend erfasst. Im Übrigen kommen sie auch überall sonst zum Einsatz, wo ein Mensch sich aufraffen und überwinden muss, um weiterzukommen, oder einer Herausforderung ins Auge zu blicken hat.
Die folgende Übersicht zeigt die häufigsten Aktionsbereiche des inneren Schweinehundes. Anhand der Checkliste auf Seite 24 haben Sie dann die Möglichkeit, das Tätigkeitsprofil Ihres eigenen Schweinehundes zu ermitteln: wo er Ihnen im Alltag begegnet und wie stark er Sie dort beeinträchtigt. So können Sie sich nicht nur bewusst machen, in welchen Bereichen des Alltags Sie den Angriffen dieses Saboteurs immer wieder ausgesetzt sind, sondern auch, wie viele Dinge Ihnen persönlich nicht schwer fallen, während andere damit zu kämpfen haben.
Wo der Schweinehund regiert
Bereich
Insbesondere
1. Gesundheit und Ernährung
Gesundheitschecks beim Arzt
Gesunde Ernährung, Abnehmen
Aufgeben ungesunder Gewohnheiten
2. Fitness und Bewegung
Regelmäßige Bewegung, z. B. Joggen,Fitnessstudio und sonstiger Sport
Verzicht aufs Autofahren
3. Berufsalltag
Regelmäßige Zeitplanung
Ablage abarbeiten
Ehrlichkeit und Integrität
Fortbildung
4. Projekte über die Bühne bringen
Ausbildung
Prüfungsvorbereitung
Abschlussarbeiten und Promotion
Präsentationen
5. Neues anpacken oder lernen
Umgang mit Computer/Internet
Tanzkurs
Musikinstrument
Fremdsprache
6. Aufräumen und Ordnung halten
Keller, Speicher, Garage
Gartenarbeit
Bügeln
Schreibtisch, Schubladen, Schränke
Akten und Ordner
7. Vor wichtigen Entscheidungen
Berufswahl oder -wechsel
Wohnungswechsel
In Beziehung und Partnerschaft
8. Kontakte mit anderen
Wichtige Briefe und Telefonate
Fällige Einladungen und Besuche
Rückgabe entliehener Sachen
Ehrlichkeit in Familie, Partnerschaft, Freundeskreis
9. Zivilcourage
In der Öffentlichkeit für eine Person oder Sache Partei ergreifen
Eine Rede halten
Engagement in Politik, Sozialem und Umwelt
10. Bildung und Kultur
Mehr lesen/weniger fernsehen
Theater, Konzerte, Vorträge und Ausstellungen besuchen
Innehalten und Ruhen
11. Innehalten und Selbstbesinnung
Meditieren
Zeiten der »Einkehr«
Auch mal nichts tun
12. Allgemein
Bei allem, wozu wir uns aufraffen und überwinden müssen, oder wann immer wir einer Gefahr ins Auge blicken sollen
Tätigkeitsprofil meines Schweinehundes
Bei welchen Gelegenheiten begegnet mir mein innerer Schweinehund am häufigsten, und wo macht er mir am meisten zu schaffen?
Tätigkeit/Vorhaben
Schweinehund-Aktivität
gering — stark
1
2
3
4
5
6
Aufräumen
Gartenarbeit
Finanzen klären
Steuererklärung
Früher aufstehen
Sport, z. B. Joggen, Fitnessstudio
Gesündere Ernährung
Diäten, Abnehmen
Gesundheitschecks beim Arzt
Briefe schreiben oder beantworten
Unangenehme Telefonate
Aufgeschobene Besuche/Einladungen
Computer/Internet
Tanzkurs/Sprachkurs/Musikinstrument
Bücher lesen
Konzert/Theater/Ausstellungen
Weniger fernsehen
Größere berufliche Projekte anpacken
Berufliche Entscheidungen
Klärung von Beziehungsfragen
Auseinandersetzung mit Kindern/Eltern
Fälliger Wohnungswechsel
Längst fällige/gewünschte Reise
Persönliche Herausforderung angehen
Rede halten
Die eigene (ggf. unerwünschte) Meinung äußern/Partei ergreifen für jemanden
Mich zeigen, wie ich bin (mit meinen Schwächen)
Regelmäßige Zeitplanung
Meine Lebensvision klären
Innehalten, Meditieren
Auch mal nichts tun
Tragen Sie nun die fünf wichtigsten Aktionsbereiche Ihres Begleiters in die folgende Darstellung ein. Auf diese Weise haben Sie nochmals klar vor Augen, wo er Ihnen am häufigsten begegnet.
Die fünf wichtigsten Aktionsbereiche meines inneren Schweinehundes
1.
2.
3.
4.
5.
Und dann schauen Sie sich doch bitte die Liste der Aktionsbereiche des Schweinehundes noch einmal an (Wo der Schweinehund regiert, S. 22 f.), um sich bewusst zu machen, dass da etliche Dinge aufgeführt sind, mit denen Sie überhaupt kein Problem haben, die Sie spielerisch umsetzen können und von denen Sie sich vielleicht nicht einmal vorstellen können, dass andere Menschen damit Schwierigkeiten haben.
Dieser zweite Schritt des Sich-Bewusst-Machens, dass es etliche Bereiche im eigenen Leben gibt, die einfach funktionieren, wo einem die Dinge einfach leicht von der Hand gehen, dieser zweite Schritt ist genauso wichtig, um das eigene Leben sinnvoll zu steuern, wie die schwierigen, problematischen Bereiche zu kennen. Es hilft uns zu einem gesunden (nicht überheblichen) Selbstbewusstsein. Denn leider verlieren wir die Dinge, die in unserem Leben in Ordnung sind, allzu leicht aus dem Blick, wie auch folgendes Experiment verdeutlicht:
Beispiel
Einer Versuchsgruppe wurde ein Blatt mit zehn einfachen Rechnungen vorgelegt. Da stand beispielsweise 12 + 7 = 19; 26 – 4 = 22; 5 + 8 = 13 und so weiter. Unter diesen Rechnungen stand allerdings auch 37 – 5 = 33, also sofort erkennbar unrichtig. Die Frage an die Teilnehmer lautete: »Fällt Ihnen an diesem Blatt etwas auf?« – und alle, ausnahmslos alle antworteten spontan: »Da ist eine Rechnung falsch!« Keiner sagte: »Da sind neun Rechnungen richtig.«
Als ich von diesem Versuch zum ersten Mal hörte, war ich sehr betroffen. Die Erkenntnis ging mir durch und durch: »Dies ist die Haltung, mit der ich ganz oft durch’s Leben gehe!« Ich wache morgens auf, und das Erste, auf das sich meine Gedanken fast automatisch richten, ist irgendein »Schrottproblem«, das ungelöst vom Vortag übrig geblieben ist (das eine »Falsche«) – während ich völlig zu vergessen scheine, dass ich gesund bin, eine gesunde Familie habe, einen Beruf, der mir Freude macht, Freunde, genug zu Essen, ein Haus in einem Wohlstandsland ohne Krieg oder Diktatur und so weiter und so weiter (die neun »Richtigen«). Dies muss ich mir tatsächlich immer wieder erst aktiv bewusst machen, sonst richtet sich der Fokus meiner Aufmerksamkeit fast nur noch auf die Dinge, die nicht stimmen!
Eine Fehlfunktion unseres Gehirns? Keineswegs! Dieser Automatismus, der primär immer auf Fehlersuche ist, garantiert unser Überleben. Auf jedes Gefahrensignal reagieren wir schneller und stärker als auf erfreuliche Dinge. Nur so können wir uns sofort in Sicherheit bringen. Wenn sich der Neandertaler in der Wildnis in erster Linie an der schönen Landschaft, den Blumen und dem Vogelgezwitscher erfreut hätte, wäre er möglicherweise vom Bären gefressen worden, der hinter einem Baum seiner Aufmerksamkeit entgangen war.
Für unsere Sicherheit ist diese Fokussierung auf das »eine Falsche« also durchaus ein sinnvoller Mechanismus – für unser Selbstwertgefühl und unsere Zufriedenheit mit unserem Leben dagegen nicht! Denn jede noch so kleine Unstimmigkeit kann wie ein Magnet unsere Aufmerksamkeit in Beschlag nehmen, und jede Niederlage gegenüber unserem inneren Schweinehund kann unser Selbstbewusstsein und unseren Lebensmut torpedieren.
Wenn Sie also mal wieder völlig frustriert sein sollten, dass Sie zum wiederholtem Male etwas nicht geschafft haben, mit dem Sie womöglich schon Ihr Leben lang ringen, dann machen Sie sich in solchen Augenblicken ruhig bewusst, dass es etliche andere Bereiche und Angelegenheiten gibt, die Ihnen einfach gut gelingen und in denen Ihr innerer Schweinehund keinerlei Chancen hat, Sie zu sabotieren. Nicht, damit Sie sich darauf ausruhen, sondern damit Sie nicht emotional »in den Keller« rauschen. Mit gestärktem Selbstbewusstsein können Sie dann erneut den Bereich angehen, in dem Sie gerade eine Niederlage erlitten haben. Und mit den Strategien aus Teil III dieses Buches wird Ihnen das auch leichter fallen.
Deswegen ist es so wichtig, nicht nur die Aktionsbereiche seines Schweinehundes genau zu kennen, sondern sich auch bewusst zu machen, wo er einen in Frieden lässt.
Der nächste Schritt ist nun festzustellen, mit welchen Mitteln Schweinehunde im Allgemeinen und Ihrer im Speziellen am Werk sind. Teil II des Buches gewährt Ihnen einen nahezu umfassenden Einblick in die Trickkiste dieser Scharlatane.