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Warum werden mit viel Engagement im Unternehmen entwickelte neue Strategien nicht umgesetzt? Warum wird in Teams über Verantwortlichkeiten diskutiert statt gehandelt? Transparente Planung, klare, eindeutige Ziele und hin und wieder eine Anerkennung fürs Team – das alles ist viel zu viel Aufwand, denken sich die inneren Schweinehunde vieler Chefs und lehnen sich träge im Sessel zurück. Warum es sich für den Unternehmenserfolg lohnt, die kleinen Blockierer doch noch zu überzeugen, das zeigen Marco von Münchhausen und Cay von Fournier anhand zahlreicher Beispiele. Denn wer als Führungskraft freundlich mit seinem inneren Schweinehund umgeht, der wird überrascht sein, wie begeistert dieser zukünftig mit- oder sogar vorantrabt!
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Seitenzahl: 91
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Fournier, Cay von; Münchhausen, Marco von
Führen mit dem inneren Schweinehund
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E-Book ISBN: 978-3-593-40329-8
Zum großen »Der Boss bin ich«-Festival haben sich in diesem Jahr so viele Schweinehunde angemeldet wie nie zuvor. Zehntausende der treuen Doppelwesen tummeln sich auf dem weitläufigen Open-Air-Gelände. Sie tauschen die neuesten Bossing-Methoden aus und berichten ihren Kollegen brühwarm von ihren jüngsten Erfolgen: Wie sie Aufsichtsräte und Vorstandsvorsitzende dazu brachten, miese Nieten in Nadelstreifen zu mimen; wie sie Finanz-, Personal- und Entwicklungschefs brüllen ließen; wie sie Leiter von Abteilungen, Projekten und Teams den Kopf in den Sand stecken ließen und wie sie die unzähligen Menschen, auf deren Visitenkarte das Wörtchen »Manager« prangt, zu egozentrischen Alleingängen verführten.
|8|Nun richten sich alle Augen auf die Hauptbühne: Die atemberaubende Präsenz der fünf gefürchtetsten Schweinehund-Bosse lässt die Menge verstummen. »Wir haben im letzten Quartal die beiden Führungsebenen unter uns komplett rasiert – da muckt keiner mehr auf«, donnert der erste Schweinehund, ständiger Begleiter des Chefs einer Großbank, der als brillanter Analytiker gilt, aber auch als eiskalter Macher. »Gibt es überhaupt Manager ›unter uns‹?«, höhnt sein feister Nachbar. Sein Herrchen überrascht die Firma regelmäßig durch An- und Verkäufe von Unternehmensteilen, von denen zuvor niemand wusste. »Ihr miesen Manager!«, feixt das dritte Borstentier auf der Bühne. Er steht dem Abteilungsleiter einer Elektrofirma zur Seite, der zwar über kein großes Budget, aber über enormes Showtalent verfügt. »Mir wäre es viel zu langweilig, immer nur den bösen Boss zu geben. Ich prügle heute mit der Peitsche, verteile morgen Zuckerbrot und übermorgen Hiebe. Ein wundervolles Machtspiel!« Der vierte Schweinehund auf der Bühne wirkt geradezu vornehm zwischen seinen struppigen Kollegen. »Wir gehen leiser vor«, unterstreicht er und grinst: »Wir prüfen |9|jede Entscheidung so häufig und kontrollieren jeden Mitarbeiter so genau, dass wir alles blockieren!«
Die Meute auf dem Festivalgelände klopft sich lachend die Schenkel. Da erhebt sich der größte und mächtigste Schweinehund. Er gilt als Boss der Boss-Schweinehunde: Mit seiner Hilfe wickelt sein Herrchen jeden Mitarbeiter, jeden Manager, den Aufsichtsrat und die Öffentlichkeit um den kleinen Finger. »Ihr glaubt, ihr seid die Elite unter den Schweinehunden, nicht wahr?«, fragt er die Menge. »Ihr denkt, euer Herrchen hat es weit gebracht und kann sich jetzt alles erlauben?« Die Schweinehunde im Publikum nicken zunächst zustimmend, schauen sich dann aber skeptisch an. Wozu diese Fragen? »Habt ihr euch einmal überlegt, dass ihr euren Herrchen das Wasser abgrabt, wenn ihr wichtige Leistungsträger vergrault? Wisst ihr, wie viel eine schlechte Führungskraft jedes Jahr kostet? Ist euch bewusst, dass ihr und euer Unternehmen sehr viel erfolgreicher seid, wenn ihr fair und vernünftig führt?«
Ein Raunen geht durch die Menge. Hier und da geben mutige Schweinehunde grunzend |10|ihren Missmut zu erkennen. Der beste Boss-Schweinehund aller Zeiten steigt aus?
»Ich weiß, wovon ich spreche«, beharrt der große Boss. »Ich habe meinen Menschen testweise in Ruhe arbeiten lassen. Der Effekt war erstaunlich: Plötzlich dachten die Mitarbeiter mit, sie arbeiteten kreativer, lösten Probleme schneller, waren produktiver und erwirtschafteten mehr Umsatz. Mein Herrchen musste nicht mehr so viel Zeit investieren, andere vom Sägen an seinem Chefsessel abzuhalten, hatte mehr Spaß bei der Arbeit und konnte sich beim Zähneputzen wieder im Spiegel betrachten. Erst gestern wurde er befördert! Zur Belohnung gönnen wir uns jetzt einen Trip in die Karibik.«
Das klang in den Schweinsohren der Anwesenden gar nicht schlecht. Doch sollten sie tatsächlich nie wieder Mitarbeiter bloßstellen, nie wieder brüllen und niemanden mehr schikanieren? Wie sollten sie die Kontrolle behalten, wie die Macht? »Keine Sorge. Eure Herrchen werden als Chefs mehr akzeptiert als zuvor und müssen sich dafür sogar weniger anstrengen«, beschwichtigt der Oberschweinehund. »Weniger anstrengen!«, sekundiert die |11|Meute und wird hellhörig. Wie hat der große Boss es bloß geschafft, fair zu führen, ohne selbst unter die Räder zu kommen? Auf Angst und Schrecken zu verzichten, ohne dass man ihm auf der Nase herumtanzt? Das wollen sie jetzt genauer wissen.
In diesem Buch möchten wir Ihnen die wichtigsten Erkenntnisse des geläuterten Führungsschweinehundes vorstellen. Davon profitieren Sie dreifach: Sie erfahren, wo sich im Führungsalltag Schweinehunde tummeln können (Teil I), mit welchen Tricks und Tücken sie Ihre Führung sabotieren (Teil II), und schließlich, mit welchen Strategien Sie die Schweinehunde bändigen können (Teil III).
Frisch ausgerüstet mit den neuen Erkenntnissen und Strategien aus diesem Buch wird es Ihnen gelingen, die Chef-Saboteure in Ihrem Unternehmen zu zähmen. Mehr noch: Sie werden die kleinen Unholde in motivierte Führungskräfte verwandeln, die nicht mehr nur Planung und Profit im Kopf haben, sondern ihre Mitarbeiter als Menschen und das Unternehmen als Ganzes wahrnehmen. Nach der Begegnung mit den unterschiedlichsten |12|Chef-Typen werden Sie auch Ihren eigenen borstigen Begleiter so gut kennen und schätzen gelernt haben, dass Sie ihn vielleicht als persönlichen Assistenten einstellen.
Hier spricht der Schweinehund
Darf ich mich vorstellen? Ich bin Ihr innerer Schweinehund. Ich bin es, der Sie regelmäßig dazu verführt, Ihre Mitarbeiter einzuschüchtern, Machtspielchen mit Ihren Kollegen zu treiben, und Ihr Privatleben zu vernachlässigen. Warum ich das tue? Ich will, dass Sie Spaß haben, dass Sie richtig viel Geld verdienen und dass man Ihnen eine Menge Respekt entgegenbringt. Ich meine es gut mit Ihnen! Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie mich immer wieder verscheuchen oder sogar »überwinden« wollen. Sie wissen doch aus Erfahrung, dass Sie keine Chance gegen mich haben. Je härter Sie gegen mich vorgehen, desto schneller kassiere ich jeden Ihrer guten Vorsätze.
Also: Machen Sie sich das Leben leichter. Akzeptieren Sie mich als Ihren persönlichen |13|Coach! Ich habe ja gar nichts gegen Ethik oder Moral, Fairness und Vernunft in der Führung. Wenn Sie mir beweisen, dass das die Arbeit nicht komplizierter macht, Sie persönlich nicht zu kurz kommen und Sie damit sogar erfolgreicher sind, dann ziehe ich gerne mit Ihnen an einem Strang.
Der Schreinermeister kommandiert seine Truppe wie ein preußischer General. Die Filialleiterin tritt heute auf wie eine treusorgende Mutter und morgen wie die Leiterin eines Heims für schwer erziehbare Kinder. Der Marketingboss pfeift seine Mitarbeiter zur Präsentation wie ein Oberlehrer seine Schüler an die Tafel. Die Geschäftsführerin inszeniert Wutanfälle. Der Controllingchef sieht vor lauter Kosten die Menschen nicht mehr. Und der Oberarzt schikaniert seine Krankenschwestern. Die Zahl der wirklich fähigen, fairen und vernünftigen Führungskräfte ist nicht gerade überwältigend groß – und die Zahl der feisten Führungsschweinehunde erschreckend hoch. Warum? In Vorstandsetagen und Chefzimmern geht es ihnen hervorragend: Hier |16|finden sie besonders viele gute Vorsätze und meterweise ungelesene Führungsliteratur zu fressen.
Es wird zu viel gemanagt und zu wenig geführt – und oft wird zu schlecht gemanagt und nicht gut genug geführt. Tatsächlich ist die Führung eines Unternehmens ein komplexes Handwerk. Und noch mehr Geschick verlangt die Führung von Menschen: Diese ist eine Kunst, die entscheidend zum Erfolg des Unternehmens beiträgt.
Beides geht täglich schief. Statt intelligent zu managen, agieren die Bosse kurzsichtig, sie verkomplizieren statt zu vereinfachen, sie demotivieren ihre Mitarbeiter. Nicht absichtlich, sondern weil der Führungsschweinehund in der Hektik und Komplexität des Tagesgeschäfts so viele Chancen erhält, gute Führungsvorsätze zu kassieren.
|17|Veraltete Führungsstile
Manch ein Manager rühmt sich seines »patriarchalischen«, »autokratischen« oder gar »charismatischen« Führungsstils. Darüber hat er in einem seiner Bücher über Führung gelesen, und sein innerer Schweinehund befand: »Tolle Rolle, wunderbares Theater! So machen wir das!« Andere finden ihr Naturell im »bürokratischen«, »kooperativen« oder – das klingt so schön modern – »partizipativen« Führungsmodell wieder. Letztendlich scheitern alle. Denn die Mitarbeiter, die Menschen, die sie führen sollen, sind zu unterschiedlich und die Situationen zu spezifisch, als dass einfache Rollenmodelle greifen könnten.
Außerdem liefert jeder der propagierten Führungsstile dem inneren Schweinehund einen Freibrief für unangemessene Verhaltensweisen: So verführt der kleine Saboteur einen väterlich-gutmütigen Patriarchen dazu, seine unbeherrschbar-grausame Schattenseite hervorzukehren. Den mitreißenden Charismatiker verwandelt er in einen eitlen Fatzke, der lieber Theater spielt als ordentlich seine Aufgaben zu erledigen. Und den Chef, dem |18|Partizipation ach so wichtig ist, verlockt er zu nachlässigem Laisser-faire.
Die Medizin macht es uns vor: Sie verabschiedet sich immer mehr von der reinen Schulmedizin, die den Körper als Ansammlung von Einzelteilen wahrnimmt und akribisch vermisst. Immer mehr Ärzte versuchen, den Menschen als Ganzes zu sehen: als Körper und Psyche, als Leib und Seele. Verabschieden wir uns also von einem Management, das nur Zahlen in den Blick nimmt und darüber den Menschen vergisst. Wenn wir die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern wollen, müssen wir auch Führung ganzheitlich gestalten.
Fies und erfolgreich
Ein Forscher der Universität Stanford zeigte in einer Studie, wie Chefs durch den gezielten Einsatz von gehässigen Blicken, Demütigungen und Mobbing ihre Machtposition erreichen, ausbauen und gegen Rivalen verteidigen. Im Grunde geht es dabei nicht anders zu als unter Pavianen, die sich um die Herrschaft streiten – und wegen der bekannten Verwandtschaftsverhältnisse |19|funktioniert die Masche auch heute noch.
Zwar ist bekannt, dass Mitarbeiter in einem angstfreien Umfeld effektiver lernen und arbeiten, doch funktioniert leider auch Angst als Ansporn zu Höchstleistungen: Menschen arbeiten eben nicht nur, um Anerkennung zu bekommen, sondern auch, um Bestrafung oder Bloßstellung zu vermeiden. Dieser Zusammenhang wird in der Verhaltenspsychologie als »negative Verstärkung« bezeichnet.
Schreien, Zähne fletschen, böse gucken, sich auf die Brust trommeln: Der Führungsstil der Oberaffen ist so alt und so unmittelbar wirksam, dass wir uns sehr leicht dazu verführen lassen, es ihnen gleichzutun. Dass wir dafür in einer sich schnell ändernden Welt einen ziemlich hohen Preis zahlen, wissen wir eigentlich – doch der Schweinehund schiebt diese Einsicht aus unserem Blickfeld.
Was schlechte Führung kostet
Alle Jahre wieder veröffentlicht das Marktforschungsunternehmen Gallup einen »Engagement Index«, und wie jedes Jahr sind die Ergebnisse |20|alarmierend – und die Bekanntgabe offenbar ohne Wirkung. 2006 verspürten 87 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland keinerlei »echte Verpflichtung« gegenüber ihren Arbeitgebern, so die Umfrage unter 1 800 abhängig Beschäftigten über 18 Jahren. Davon machen 68 Prozent Dienst nach Vorschrift, ein Fünftel hat die innere Kündigung bereits vollzogen. Ähnlich wie in den Vorjahren klagten die Befragten wieder über mangelnde Anerkennung und Aufmerksamkeit seitens der Vorgesetzten, über nicht ausreichende Förderung und darüber, dass ihre Meinung kein Gewicht habe. Den gesamtwirtschaftlichen Schaden, hervorgerufen durch krankheitsbedingte Ausfälle, geringere Produktivität und viele Stellenwechsel, schätzt Gallup auf über 250 Milliarden Euro jährlich. Und im konjunkturellen Aufschwung verabschieden sich in der Regel die guten Mitarbeiter zuerst – denn sie haben überall Chancen.
Nun mag Ihr innerer Schweinehund einwenden, dass es sich beim Ergebnis der Engagement-Studie in etwa um eine Gauß’sche Normalverteilung handelt, und dass Mitarbeiter sich durchaus vernünftig verhalten, wenn |21|sie in einer Zeit zunehmender Entlassungen ihren Job nicht mehr als allein seligmachenden Lebensinhalt auffassen. Schauen wir uns deshalb an, was gezielt schlechtes Führungsverhalten kostet: Sehr schön lässt sich das am Beispiel Mobbing nachvollziehen. Schätzungen zufolge gehen 50 bis 80 Prozent der Mobbing-Attacken von Vorgesetzen aus – für diesen Sonderfall wurde sogar das schöne Wort »Bossing« erfunden.