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Innere Schweinehunde haben es gerne warm und trocken – klar, dass sie sich in der vielzitierten »Servicewüste « wohl fühlen und sich nur ungern um Kundenbindung oder Servicequalität bemühen.Wann immer Kunden in Hotlines endlos hin und her verbunden werden oder Reklamationen abgebügelt werden, können wir sicher sein: Hier sind unsere borstigen Begleiter am Werk. Doch gemeinsam mit Dienstleistungsexpertin Sabine Hübner zeigt Marco von Münchhausen: Nur wer sich mit dem kleinen Saboteur anfreundet, dem wird es gelingen, seine Kunden mit außergewöhnlichem Service zu überraschen und mit erstklassigem Kundendienst zufriedenzustellen!
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Seitenzahl: 94
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Münchhausen, Marco von; Hübner, Sabine
Service mit dem inneren Schweinehund
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E-Book ISBN: 978-3-593-40323-6
»Deutschlands dickster Service-Schweinehund« – so heißt der große Wettbewerb, zu dem sich die Schweinehunde alljährlich versammeln. Sie treffen sich in einem besonders unübersichtlichen Lager, in dem jedes Stück garantiert lange gesucht werden muss. Tausende der borstigen Doppelwesen tummeln sich zwischen Kisten und Kästen; Grunzen und Gelächter hallen durch den Lagerraum. Alle Schweinsäuglein sind auf das improvisierte Podium gerichtet: Dort geben die Schweinehunde, die sich in den Vorrunden qualifiziert haben, die unverschämtesten Service-Tricks des vergangenen Jahres zum Besten.
»Wenn ein Gast an die Rezeption kommt, mime ich sofort ein wichtiges Telefonat. Spätestens nach zehn Minuten schleicht er sich frustriert |8|davon«, schwärmt ein mürrisch dreinblickender Schweinehund. Sein Frauchen arbeitet in einem großen Hotel an der Mittelmeerküste und findet die vielen Fragen der Gäste einfach nur nervend.
»Wir haben ein unschlagbares Team gebildet«, tut sich ein ungewöhnlich borstiger Schweinehund hervor, dessen Herrchen an der Hotline eines Telekommunikationsanbieters sitzt. Eigentlich sollte er Kunden helfen, die technischen Probleme mit ihrem Telefonanschluss zu beheben – aber das ist ihm viel zu lästig. »Wir verbinden die Anrufer so lange zwischen unseren Plätzen hin und her, bis sie auflegen«, lacht das Borstentier.
Endlich tritt der größte und berüchtigtste Schweinehund ans Mikrofon. Gebannt erwartet die Meute seine Geschichte. »Ihr Lieben«, beginnt das mächtige Tier. »Ich habe mir im vergangenen Jahr viele Gedanken gemacht.« Was ist denn jetzt los? Diese Begrüßung passt überhaupt nicht zu dem, was man von diesem Schweinehund gewohnt ist. »Ist euch eigentlich klar, dass eure Frauchen und Herrchen jahrein, jahraus nur deshalb so viele nervende und griesgrämige Kunden ertragen müssen, |9|weil sie ihnen selbst die Laune verderben? Und habt ihr schon einmal daran gedacht, dass euren Menschen die Arbeit sogar Spaß machen könnte, wenn sie die Kunden regelmäßig mit ausgefallenen Service-Ideen überraschen?«
Ungläubig schauen sich die Schweinehunde an. Sollte ausgerechnet ihr bester Kandidat vom rechten Weg abgekommen sein?
»Ich habe es ausprobiert«, fährt der große Schweinehund fort. »Ich habe mein Herrchen eine Weile in Ruhe gelassen. Und siehe da: Er ist auf die Kunden zugegangen, hat ihr Anliegen in Ruhe angehört, war freundlich und zuvorkommend und hat sich außerdem das eine oder andere Extra für sie ausgedacht. Jetzt nerven die Kunden nicht mehr, sie reklamieren weniger, sie kommen gerne wieder und bescheren uns höhere Umsätze. Mein Herrchen hat bessere Laune und weniger Magenschmerzen. Und von seiner Gehaltserhöhung haben wir uns ein gemütliches Sofa gekauft.«
Die Schweinehunde auf den Regalen grunzen skeptisch: Sollten sie etwa aufhören, ihre Frauchen und Herrchen von ihren guten Service-Vorsätzen abzubringen? Sollten sie ihnen nie wieder unverschämte Bemerkungen über |10|die Kundschaft ins Ohr raunen? Sollten sie ihre wahre Natur verleugnen? »Natürlich sind und bleiben wir Schweinehunde«, beschwichtigt das Oberborstentier am Podium die raunende Meute. »Wir sorgen dafür, dass unsere Menschen sich wohl fühlen. Pudelwohl. Sauwohl.«
Dagegen haben die versammelten Borstentiere nichts einzuwenden. Sie spitzen die Schweinsohren: Schließlich wollen sie genau wissen, wie der große Schweinehund und sein Mensch es geschafft haben, Service nicht mehr als Last, sondern als Lust zu erleben.
In diesem Buch möchten wir Ihnen die wichtigsten Erkenntnisse des geläuterten Service-Schweinehundes vorstellen. Davon profitieren Sie dreifach: Sie erfahren, wo sich Service-Schweinehunde tummeln (Teil I), mit welchen Tricks und Tücken sie Ihren Service sabotieren (Teil II), und schließlich, mit welchen Strategien Sie die Service-Schweinehunde bändigen können (Teil III).
Um Ihnen einen konkreten Einblick zu geben, was Unternehmen unter exzellentem Service verstehen und wie sie ihre Service-Ideen |11|umsetzen, haben wir in verschiedenen Branchen nachgefragt. Aus den Beispielen eines Optiker-Verbandes, eines Autohauses und eines Hotels können Sie und Ihr Schweinehund sicher etwas lernen!
Frisch ausgerüstet mit den neuen Erkenntnissen und Strategien aus diesem Buch wird es Ihnen gelingen, die Service-Saboteure in Ihrem Unternehmen zu zähmen. Mehr noch: Sie werden die kleinen Unholde in motivierte Mitarbeiter verwandeln, die Ihre Kunden immer wieder mit neuen Service-Ideen zu überraschen verstehen. Und nach der Begegnung mit den unterschiedlichsten Typen von Service-Schweinehunden werden Sie auch Ihren eigenen so gut kennen, dass Sie ihn als Ihren Service-Partner gewinnen können.
Hier spricht der Schweinehund
Darf ich mich vorstellen? Ich bin Ihr innerer Schweinehund. Ich bin es, der Sie regelmäßig dazu verführt, Ihre Kunden griesgrämig abzufertigen und deren Anfragen einfach liegen zu lassen. Manchmal wollen Sie mich am liebsten loswerden. Aber so einfach ist das nicht! Ich bin genauso treu wie gerissen. Sobald Sie mich austricksen oder gar »überwinden« wollen, werde ich bissig und kassiere jeden Ihrer guten Vorsätze. Machen Sie sich das Leben leichter: Stellen Sie sich vor, ich sei Ihr Freund. Tatsächlich will ich ja nichts anderes als ein gutes Leben für Sie: Ruhe, Entspannung und Genuss statt Mühe, Anstrengung und Stress. Ob Sie als Servicemitarbeiter in direktem Kundenkontakt stehen, oder ob Sie der Geschäftsführer eines Dienstleistungsunternehmens sind: Im Grunde habe ich gar nichts dagegen, wenn Sie exzellenten Service leisten. Unter einer Voraussetzung: Service soll Spaß machen.
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Der Kellner kommt nach einer Viertelstunde. Die Bibliotheksangestellte behandelt Besucher wie Störenfriede. Der Turnschuhverkäufer versteckt sich im Lager. Die Hotline-Mitarbeiterin lässt den Anrufer in der Warteschleife versauern. Der Zugchef verrät nicht, warum die Bahn plötzlich stehen bleibt. Der Kinderarzt verlässt das Behandlungszimmer grußlos. Die Servicewüste lebt – und die Liste mit Beispielen ließe sich endlos verlängern.
Warum ist Service so schwierig? Wir haben den inneren Schweinehund in Verdacht, für diese Missstände verantwortlich zu sein.
|14|Schlecht bezahlt und unter Druck
Er scheint hierzulande ein besonders leichtes Spiel zu haben. Nicht, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Service besonders träge oder gar unfähig wären – obwohl wir das im Affekt des ersten Ärgers gern glauben –, sondern weil die Rahmenbedingungen ihm ein ideales Spielfeld bieten.
Stellen Sie sich einen Kellner vor, eine Kassiererin oder einen Call-Center-Telefonisten: Sie arbeiten unter harten Bedingungen, sind oft schlecht auf ihre Aufgaben vorbereitet und verdienen zumeist miserabel. Gleichzeitig steigen die Anforderungen: Immer weniger Mitarbeiter müssen in immer kürzerer Zeit immer komplexere Aufgaben bewältigen. Es gilt, immer mehr elektronische Geräte zu bedienen – und bei einer der häufig auftretenden Störungen wieder in Gang zu setzen. Wen wundert es da, wenn der innere Schweinehund zum Generalstreik bläst?
|15|Mangelnde Wertschätzung
Wer hierzulande bedient, hilft oder Auskunft erteilt, steht häufig ganz unten auf der sozialen Leiter. Entsprechend gering ist die soziale Wertschätzung seitens mancher Kunden und leider auch manchmal die der eigenen Vorgesetzten.
Gerade diejenigen, die sich selbst mühsam »hochgearbeitet« haben, schauen allzu oft abschätzig auf Service-Personal herab und neigen zu demütigenden Bemerkungen. Kein Wunder, dass der innere Schweinehund der Mitarbeiter dann auf die Barrikaden geht. Sollen die Kunden doch auf ihren Kaffee warten! Sollen sie sich doch an der Kasse die Beine in den Bauch stehen! Und sollen sie eben in der Warteschleife der Telefonanlage hängen! Der innere Schweinehund wird nicht müde, seinem Frauchen oder Herrchen immer neue Sabotage-Ideen einzuflüstern. Das kann bis zur völligen Ignoranz gehen. Dazu ein Beispiel:
Eine Gruppe von Hostessen ist zwei Wochen lang in einem Hotel untergebracht. Jede Hostess verfügt über zwei schicke Kostüme, |16|die im Wechsel getragen und jeden Abend gereinigt werden sollen. Kein Problem: Im Kleiderschrank jedes Hotelzimmers befindet sich ein Wäschebeutel für die Reinigung. Am ersten Abend befüllen die Hostessen frohgemut ihre Wäschebeutel und deponieren diese in ihren Schränken – um sie allerdings am nächsten Tag unberührt wieder vorzufinden. Der Zimmerservice hatte sich offenbar nicht die Mühe gemacht, nach den Beuteln zu schauen und diese an den Reinigungsdienst weiterzuleiten. Ein paar Telefonate, und die Sache kann geklärt werden. Am nächsten Abend stellen die Hostessen ihre Wäschebeutel demonstrativ auf die Betten oder direkt an die Zimmertür – doch der Zimmerservice ignoriert die Beutel wieder. Wieder sind Anrufe notwendig, wieder entsteht Hektik und Frust. Als sich die Geschichte am nächsten Tag noch einmal wiederholt, beschließen die Hostessen, ihre Wäsche fortan direkt an der Rezeption abzugeben. In der kommenden Woche stapeln sich täglich so viele Wäschebeutel am Empfang, dass sich andere Kunden über den unprofessionellen Eindruck des Hotels ärgern |17|und ihre Business-Termine an einen anderen Ort verlegen.
Uraltes Affentheater
Dass Service so mühsam ist, hat möglicherweise auch etwas mit unserer Herkunft zu tun: Auch in unserer modernen Arbeitswelt sind wir immer noch »Teil einer hierarchisch organisierten Primatengesellschaft, die sich an 30 Millionen alte Regeln der Herrschaft und Unterdrückung, der Kriegsführung und der Friedenserhaltung hält«. So zumindest beschreibt es der US-amerikanische Wissenschaftsjournalist Richard Conniff in seinem Buch über das tägliche »Affentheater« in der Arbeitswelt.
Wer im Job etwas gelten will, verhält sich heute immer noch gern wie ein behaartes Alphamännchen: Er schaut möglichst finster, stapft mit festem Schritt und gehobenem Kinn umher, gibt sich unnahbar, brummt und grummelt. Kein Verhalten also, das eine exzellente Servicekraft auszeichnen würde. Evolutionsbiologisch betrachtet ist die Körpersprache des Service-Personals – verbeugen, |18|nicken, demütig aufschauen – sogar typisch für einen »Unterling« der Primatengesellschaft. Ein solcher »Unterling« muss viel einstecken, zieht immer den Kürzeren, hat wenig Selbstbewusstsein. Kein Wunder, wenn er aus dieser Lage heraus kleine Racheaktionen startet oder sich schmollend zurückzieht – Reaktionen, die wir in diesem Buch dem inneren Schweinehund zuschreiben. Ist es vor dem Hintergrund der Evolutionsbiologie überhaupt denkbar, dass Mitarbeiter motiviert, innovativ und voller Freude Service leisten?
Ja. Denn glücklicherweise sind wir zwischenzeitlich von den Bäumen abgestiegen. Wir haben »uns seit der Zeit unserer äffischen Vorfahren um einiges weiterentwickelt – zum Beispiel haben wir einen freien Willen«, räumt auch Richard Conniff ein. Die Natur zwingt niemanden dazu, nach vorprogrammierten Mustern zu handeln. Wer wirklich will, kann also auch guten Service leisten. Theoretisch zumindest.
|19|Sensibler König Kunde
Wäre da nicht der Kunde: ein äußerst anspruchsvolles, sensibles und leicht reizbares Wesen, der zumeist in Begleitung eines noch sensibleren Schweinehundes auftaucht. Dass der äußerst empfindlich auf Service-Pannen reagiert, zeigt eine Studie des »Deutschen Marketingbarometers«. In mehr als 40 Branchen und 700 Betrieben wurden die Gründe dafür ermittelt, warum Kunden verloren gehen:
2 Prozent durch Tod,
10 Prozent durch Umzug,
18 Prozent durch neue Gewohnheiten und
70 Prozent durch unfreundliche oder desinteressierte Bedienung.
Dabei lässt sich der Kunde eigentlich mit recht einfachen Mitteln milde stimmen. Das zeigt eine Umfrage der Hamburger Marktforschung dpm-Team: 38 Prozent der 1000 befragten Konsumenten berichten von einem bemerkenswert guten Kundenservice, wenn sie die Mitarbeiter eines Unternehmens einfach nur als »freundlich« oder »sehr nett« erlebt haben. Wichtig zu wissen: Frauen legen noch größeren |20|Wert auf einen herzlichen Umgang als Männer (Frauen: 45 Prozent; Männer: 32 Prozent).
Nach der Freundlichkeit empfinden 29 Prozent der Befragten die Schnelligkeit der Bedienung, Bearbeitung oder Belieferung als wichtigen Faktor. Beratung folgt mit 25 Prozent auf Platz drei.
Dass 18 Prozent aller Befragten keinen herausragenden Kundendienst nennen konnten, den sie je erlebt hätten, stimmt nachdenklich: Entweder sind sie für positive Service-Erlebnisse nicht empfänglich, oder es liegt tatsächlich an der viel gescholtenen »Servicewüste«.
Hier spricht der Schweinehund