Sommertraum mit Happy End - Stina Jensen - E-Book

Sommertraum mit Happy End E-Book

Stina Jensen

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die perfekte herzerfrischende Geschichte für all jene, die sich in den Sommer träumen wollen!

Gäbe es nicht ihre beste Freundin Susa und deren kleine Tochter Miri, würde Valerie sich kein bisschen auf den vor ihr liegenden Sommer freuen. Zwar mag sie ihren Job in einem Hotel und hat nette Kollegen. Doch in der Liebe hat Valerie schon seit Jahren kein Glück, und auch für ihre Eltern scheint sie eine einzige Enttäuschung zu sein. Als plötzlich der attraktive Erik mit einem Blumenstrauß vor ihrer Wohnungstür auftaucht, will Valerie alles dafür tun, um diesen Mann für sich zu gewinnen. Leider flunkert sie ihrem Traummann eine Kleinigkeit vor, um sich ein bisschen interessanter zu machen. Wer hätte ahnen können, was sie mit ihrer Behauptung, Schriftstellerin zu sein, in Gang setzt? Dass Erik einen Verleger kennt, der nun die ersten Seiten ihres Schaffens lesen möchte, ist nur die Spitze des sommerlichen Eisbergs. Bald schon wünscht Valerie sich ihr altes, gleichförmiges Dasein zurück. Allerdings hat sie ihre Rechnung ohne Erik Wellenkamps Hartnäckigkeit gemacht …

Lesen Sie auch die INSEL- und GIPFELfarben-Reihe von Bestsellerautorin Stina Jensen. + + + In den Romanen »Gipfelgold« und »Gipfelrot« geht es weiter mit Valerie! + + +

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



SOMMERTRAUM

mit Happy End

STINA JENSEN

Sótano

INHALT

Das Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Wie es mit Valerie weitergeht …

Leseprobe GIPFELrot

Alle Bücher von Stina Jensen

Über die Autorin

DAS BUCH

Gäbe es nicht ihre beste Freundin Susa und deren kleine Tochter Miri, würde Valerie sich kein bisschen auf den vor ihr liegenden Sommer freuen. 

Zwar mag sie ihren Job in einem Hotel und hat nette Kollegen. Doch in der Liebe hat Valerie schon seit Jahren kein Glück, und auch für ihre Eltern scheint sie eine einzige Enttäuschung zu sein. 

Als plötzlich der attraktive Erik mit einem Blumenstrauß vor ihrer Wohnungstür auftaucht, will Valerie alles dafür tun, um diesen Mann für sich zu gewinnen. 

Leider flunkert sie ihrem Traummann eine Kleinigkeit vor, um sich ein bisschen interessanter zu machen. Wer hätte ahnen können, was sie mit ihrer Behauptung, Schriftstellerin zu sein, in Gang setzt? Dass Erik einen Verleger kennt, der nun die ersten Seiten ihres Schaffens lesen möchte, ist nur die Spitze des sommerlichen Eisbergs.

Bald schon wünscht Valerie sich ihr altes, gleichförmiges Dasein zurück. 

Doch sie hat ihre Rechnung ohne Erik Wellenkamps Hartnäckigkeit gemacht …

Die perfekte herzerfrischende Geschichte für einen Sommertag auf dem Balkon.

1

Alles begann an einem sonnigen Samstag im Mai.

Ich saß in der Ecke meines Schlafzimmers an meinem Schreibtisch und wunderte mich über einen Artikel in einem Stadtmagazin. Eigentlich hatte ich nur danach gegriffen, um mich damit auf den Weg in die Eisdiele zu begeben; ich wollte nach meiner üblichen Samstagmorgen-Einkaufstour noch mal raus an die Luft und vergessen, dass in meiner Wohnung ständig Dinge verschwanden. Solche Dinge wie Socken, Haargummis, Taschenlampen und Scheren.

Kurz vor meinem Entschluss, an die frische Luft zu gehen, hatte ich nämlich verzweifelt nach einer Schere gesucht, um an einem neu erstandenen Oberteil die Schnur des Etiketts abzuschneiden – doch in meiner ganzen Wohnung war keine Schere zu finden gewesen. Dabei besaß ich mindestens drei. Also hatte ich das baumwollene Etikett-Bändchen mit den Zähnen durchgebissen, mir das neue Shirt übergezogen und nach dem Journal gegriffen, das aufgeschlagen auf meinem Schreibtisch lag.

In diesem Moment war mein Blick an einem Foto von zwei Möpsen hängengeblieben. Die Hunde lugten zwischen zwei Frauen hindurch, die Überschrift des Artikels lautete: Sechs Möpse auf Erfolgskurs – Romanautorinnen schreiben Mopskrimi.

Jetzt bin ich nicht so gut im Rechnen, doch diese Matheaufgabe löste selbst ich. Ich setzte mich und sah mir das Bild der beiden Mädels mit ihren Vierbeinern an. Erstens fand ich Möpse rein äußerlich nicht wirklich ansprechend. Zweitens erstaunte es mich, dass jemand darauf gekommen war, einen Roman über sie zu schreiben. Wenn ich dem Verfasser des Artikels glauben durfte, hatten die zwei Damen – Besitzerinnen eines Hundesalons – einen Bestseller mit ihrem Werk gelandet.

Nachdenklich fasste ich meine beiden Wellensittiche Piep und Matz ins Auge, die in ihrem Käfig am Fenster fröhlich vor sich hin zwitscherten. Sie hatten früher meiner Oma Anneliese gehört, bis sie vor drei Jahren starb und die Vögel zu Waisen machte. Unter heutiger Betrachtung war es vermutlich so etwas wie Schicksal gewesen, denn ohne sie hätte ich keine Tiere, über die ich einen Roman schreiben konnte. Einen Wellensittich-Roman. So etwas gab es garantiert noch nie.

Kurzentschlossen verwarf ich meinen Plan mit der Eisdiele und fuhr den Computer hoch. Wäre doch gelacht. Immerhin stand die Finanzierung meines Sommerurlaubs noch in den Sternen. Mit dem Schreiben Geld verdienen – warum war ich selbst noch nie auf diese Idee gekommen? Eine Schriftstellerin zu sein, wäre ein Traum!

Der einzige Haken an der Sache war, dass mir selbst nach zehn Minuten intensiven Starrens auf das Word-Dokument vor mir auf dem Bildschirm nicht der Hauch einer Idee einfallen wollte. Gut, ich hatte Piep und Matz, und auch der Name für meine Protagonistin war mir sofort klar (Desiree, nach meiner ungeborenen Tochter) – doch was die Drei miteinander erleben sollten, lag noch im Nebel. Wellensittiche eigneten sich vermutlich nicht ganz so gut für die Verbrecherjagd wie Möpse. Was also sonst?

Desiree betrachtete zufrieden den frisch gesäuberten Vogelkäfig von Piep und Matz und seufzte, tippten meine Finger ein. Überrascht starrte ich auf die Zeilen. Wow. Das war easy gewesen! Der erste Satz meines Romans stand – einfach so! Mein Herz klopfte. Möglicherweise war dies der Beginn einer großartigen Schriftstellerkarriere?

Ich überlegte, was ich mit dem ganzen Geld machen würde. Zuerst der Urlaub natürlich. Irgendwohin ans Meer. Ein Zimmer mit Blick auf die Bucht und jeden Tag eine gemietete Liege am Strand. Wenn noch Geld übrig war, würde ich als Nächstes hier ausziehen. In eine Eigentumswohnung mit Balkon oder Dachterrasse, mit Blick über die ganze Stadt.

Ich seufzte glücklich. Wie einfach wäre so ein Schriftstellerleben! Man würde zu Hause arbeiten können und verdiente dabei Millionen. Musste sich nicht in Kostümchen zwängen und den ganzen Tag lächeln. Auch wenn das Floyd's mein Traumhotel war und ich dort sehr gerne als Rezeptionistin arbeitete – mein Job war mit der Zeit doch ein wenig eintönig geworden.

Ich starrte wieder auf diesen einen Satz, der noch zu mager aussah, und überlegte, was als Nächstes passieren könnte. Warum seufzte Desiree eigentlich? Hatte sie eine Veranlassung? Am Ende war Desiree eine, die bei jeder Kleinigkeit seufzte. Aber nein, sie hatte bestimmt einen Grund. Nur welchen?

Nach einem kurzen Moment kam die rettende Inspiration: Desiree sollte nicht nur auf den Vogelkäfig schauen und seufzen, sie sollte auch etwas tun. Ein bisschen Action tat sicher jeder Story gut. Ich tippte, so schnell ich konnte: Desiree trat ans Fenster und sah auf die Straße. Zufrieden lächelnd sah ich auf diesen zweiten Satz meines ersten Romans, und mich durchfuhr ein wohliger Schauer. Mein Gott, ich würde ultra-erfolgreich werden. Es floss nur so aus mir heraus! Nachdenklich kramte ich in meinem Kopf nach einem weiteren Geistesblitz. Die Frage war ja, was Desiree dort unten auf der Straße entdeckte. Es musste schon etwas sein, das die Story in Fahrt brachte.

Hm. Mit den Fingern auf der Tastatur herumklackernd wartete ich auf den rettenden Gedanken. Was sah sie denn nun da unten auf der Straße? Vielleicht eine Frau mit Kinderwagen? Pah. Langweilig. Eine Nonne auf einem Fahrrad? Hm, das war auch nicht der Kracher. Ich betrachtete meine Fingernägel und knabberte an einer aufgerauten Stelle. Stirnrunzelnd nahm ich meine beiden ersten Sätze noch einmal unter die Lupe. Schlecht waren sie nicht. Aber es fehlte … der gewisse Pep. Möglicherweise brauchte ich einen Kaffee, um meinen Gedanken einen Kick zu verpassen? Oder ich könnte mit Desiree verschmelzen, eins mit ihr werden – der Protagonistin, die mich zur Millionärin machen würde.

Also erhob ich mich von meinem Drehstuhl, tat es Desiree gleich und stellte mich ans Fenster neben den Käfig von Piep und Matz. Mit gerecktem Hals sah ich die Straße hinunter bis zur nächsten Kreuzung – und erkannte im selben Moment, dass es weitaus spannendere Dinge gab, als einen Roman über zwei Wellensittiche zu schreiben. Die dicke Frau auf dem Rennrad, die gerade dort vorbeifuhr, wäre zwar eine Erwähnung wert gewesen. Viel wichtiger war jedoch der Umstand, dass eben dort unten mit einem abenteuerlichen Schlenker knapp vor unserer Einfahrt eine quietschgelbe Ente zum Stehen kam. Ich liebte dieses Fahrzeug. Insgeheim hatte ich schon immer von einem Mann mit Ente geträumt – so ein cooler, lässiger Typ, der sich nicht über die PS seines Wagens definierte. Solche Männer waren allerdings äußerst selten!

Das Auto war erstaunlich gut in Schuss. Der sonnengelbe Lack leuchtete, die chromfarbene Stoßstange glänzte. Vom Fahrer war nichts zu erkennen, die Scheibe spiegelte zu sehr. Lange musste ich nicht warten, bis die Fahrerseite aufging und ein Typ ausstieg, der mich die Luft anhalten ließ. War das Oliver Mommsen? Dieser gutaussehende Kommissar aus dem Bremer Tatort? Dunkelhaarig, lässig, verschmitztes Lächeln. Er verriegelte die Fahrertür, ging um die Ente herum und hob eine Kiste Sprudel aus dem Kofferraum, die er neben dem Auto abstellte. Es folgten eine Stiege Milch und ein Blumenstrauß. Beides lud er auf dem Wasserkasten ab und schloss die Klappe. Er trug ein kariertes Baumwollhemd zu Jeans und Red Wings – genau mein Geschmack.

Bevor ich ihn jedoch näher ins Auge fassen konnte, packte er die Wasserkiste mitsamt Aufbau und verschwand in der Einfahrt unseres Mehrfamilienhauses. Ich blieb wie versteinert am Fenster stehen. Wer war denn das? Gedanklich ging ich alle Mitbewohner durch. Wen mochte er besuchen? Unten wohnten zwei Ehepaare mittleren Alters, zu denen er nicht gehörte. Im ersten Stock lebten Frau Berger und Herr Schöllich, beide ohne Anhang, soweit mir bekannt war. Im zweiten Geschoss hauste eine fünfköpfige Familie, die mit dem Rest des Hauses zerstritten war. Und dann war da noch Frau Daric, die seit vier Wochen in der Wohnung neben mir wohnte. Mit ihr waren ein pudriger Duft und ein perfekt aufgeräumtes Schuhregal in unserem gemeinsamen Flur eingezogen.

Schon seit ihrem Einzug fragte ich mich, was sie beruflich machte. Ich hatte noch nie mitbekommen, dass sie morgens das Haus verließ und abends wieder zurückkehrte. Stattdessen bekam sie regelmäßig Besuch von Menschen, die gutgelaunt bei ihr hineingingen und verheult herauskamen. Offen gesagt war sie mir ein bisschen suspekt mit ihren wallenden weißen Kleidern und ihren bloßen Füßen.

Ich blickte gedankenverloren auf die gelbe Ente in unserer Einfahrt und spürte, wie es plötzlich an meinen Haarwurzeln kribbelte. Desiree. Was, wenn Desiree eine wie Frau Daric wäre? Vielleicht erzählte sie ihren Besuchern traurige Geschichten? Eine Frau mit einem dunklen Geheimnis. Nur die Stadtwohnung passte nicht dazu. Besser wäre es, Desiree lebte irgendwo am Waldrand unter hohen Tannen.

Ich wollte gerade wieder zurück an meinen Schreibtisch, um diese Idee aufs Papier zu bringen, als mir am Ende der Straße eine dunkel gekleidete Person mit einer zierlichen schwarzen Kopfbedeckung ins Auge fiel. Sie und ihre Kollegen waren der Grund, weshalb ich schon seit vier Jahren kein Auto besaß.

»Mist«, murmelte ich und sah erneut auf die Ente. Offenbar hatte der Typ das Halteverbotsschild übersehen – er stand mitten in der Feuerwehreinfahrt. Ich blickte wieder auf die Politesse, die sich unaufhaltsam näherte und huschte zu meiner Wohnungstür. Vielleicht erwischte ich den Typen im Treppenhaus – einen Versuch war es wert.

Kaum hatte ich die Tür aufgerissen, prallte ich gegen ihn. Er stand mit Wasserkiste, Milchpalette und Blumenstrauß beladen auf der letzten Stufe zu unserem Flur, taumelte mit einem erschrockenen »Hoppla!« drei Schritte rückwärts und fing sich gerade noch so am Geländer ab.

»Ach Gott! Das tut mir aber leid«, rief ich. »Ich hab Sie gar nicht gesehen!«

»Ist ja nichts passiert«, antwortete er.

Ein bisschen blass um die Nase sah er allerdings aus.

Neben mir öffnete sich die Tür zur Nachbarwohnung, und Frau Daric trat zu uns in den Flur.

»Herr Wellenkamp«, sagte sie in ihrem charmanten, osteuropäischen Akzent, »das ist aber nett, dass Sie sind da. Habe ich Sie bereits erwartet.«

Der, den sie »Herr Wellenkamp« genannt hatte, quetschte sich mit seinen Einkäufen an mir vorbei.

»Ich wollte eigentlich nur Bescheid sagen, dass da unten eine Politesse unterwegs ist. Sie parken in der Feuerwehreinfahrt«, brachte ich endlich hervor.

Er setzte seine Last ab und richtete sich auf. »Im Ernst? Dann hätte sich der Sturz ja fast gelohnt.«

»Warum meinen Sie?«, fragte ich verwirrt.

»Na, umso schneller wäre ich bei meinem Auto gewesen.« Er lächelte mich an.

Verlegen senkte ich den Blick. Von Nahem sah er noch viel besser aus als von Weitem. Jungenhafte Grübchen, gepaart mit männlichen Bartstoppeln. Diese Mischung liebte ich.

Während er nach unten sprintete, blieben Frau Daric und ich allein zurück. Auch heute war sie barfüßig und trug ein weißes Kleid, ihr dünnes blondes Haar fiel ihr auf die Schultern. Ich schätzte sie auf Anfang vierzig. Eben erst bemerkte ich ihren bandagierten Fuß. »Sind Sie umgeknickt?«

»Nein, ist eingewachsener Zehennagel. Sehr unangenehm.«

Ich versuchte, den Gedanken an ihren Zehennagel aus meinem Kopf zu verbannen. »Bis Ihr Besuch einen richtigen Parkplatz gefunden hat, kann es eventuell noch etwas dauern«, sagte ich. »Soll ich die Sachen eben reintragen?«

Sie tätschelte meinen Arm. »Ist zu schwer für Sie. Das kann er gleich machen.«

Als ich einen Moment später zum Fenster hinaussah, war die Ente weg, und die Politesse lief an unserem Haus vorüber.

»Glück gehabt«, murmelte ich und setzte mich zurück an den PC. Topmotiviert legte ich meine Finger auf der Tastatur ab. »Mal sehen«, flüsterte ich, »was haben wir denn bis jetzt?«

Leise las ich vor mich hin und nahm ein paar Korrekturen vor:

Desiree betrachtete zufrieden den frisch gesäuberten Vogelkäfig von Piep und Matz und seufzte. Dann sah sie auf das Unterholz vor ihrem Fenster. Sie wohnte in einem einsamen Haus am Waldrand und bekam ab und zu Besuch von Menschen, die gerne traurige Geschichten hörten.

Hm. Ich las es noch ein weiteres Mal durch. Für den Anfang nicht schlecht. Es klang so schön tiefgründig. Doch was Desiree eindeutig fehlte, war ein Mann. Ein gutaussehender Typ mit Geld, eigenem Penthouse in der Stadt und einer Yacht im Hafen von Saint Tropez. Ich sah Desiree schon an Bord des Schiffs in der Sonne liegen, und musste nur noch herausfinden, wie sie den Weg vom Waldrand auf diese Yacht wuppte. Und wo sie in dieser Zeit die Wellensittiche unterbrachte.

Kopfschüttelnd betrachtete ich Piep und Matz in ihrem Käfig. Vielleicht sollte ich die Wellensittiche streichen und mich auf den Mann konzentrieren. Was meinen Roman auf einen einzigen Satz zurückwarf. Missmutig verzog ich den Mund. Andererseits – vielleicht war dies die Art Herausforderung, mit der jeder Schriftsteller früher oder später konfrontiert wurde? Es würde sich eine Lösung finden. Und wenn es die Vogelgrippe war.

Als es klingelte, zuckte ich zusammen. Vielleicht war es Frau Daric, die mal wieder ein Stück Ingwer oder Tofu benötigte – beides fand sich nicht in meinem Kühlschrank, was meine Nachbarin immer aufs Neue erstaunte.

Doch es war nicht Frau Daric.

2

Als ich die Tür öffnete, stand dieser Herr Wellenkamp vor mir und hielt mir den Blumenstrauß aus seinem Auto entgegen.

»Bitte?«, fragte ich lächelnd. Ich ahnte schon, was kam. Die Idee war wirklich nett. Immerhin hatte ich ihn vor einer gepfefferten Abschlepprechnung bewahrt. Dass Frau Daric so bereitwillig ihren Blumenstrauß hergab, war sehr …

»Hätten Sie eventuell eine Blumenvase?«, fragte er. »Frau Daric hat leider keine passende und da dachte ich …«

Ich nickte im Zeitlupentempo. »Moment.«

Eilig lief ich in die Küche und kniete mich auf den Fußboden, um in den Unterschrank sehen zu können. Ich besaß unzählige Vasen. Die hatte ich neben den Wellensittichen von meiner Oma geerbt.

»Kommen Sie doch bitte mal rein, damit ich sehen kann, ob eine passt!«, rief ich über meine Schulter hinweg. Ich hörte ihn mit dem Blumengebinde durch meinen Flur rascheln, kurz darauf blieb er im Türrahmen stehen und sah abwechselnd auf den Strauß pinkfarbener Pfingstrosen in seiner Hand und auf meine rosafarben gestrichene Küchenwand, dann auf die Schale frischer Erdbeeren vom Wochenmarkt.

»Die Blumen würden viel besser in Ihre Wohnung passen, als in die von Frau Daric«, bemerkte er.

»Wie wäre es mit diesen hier?«, ignorierte ich seine Aussage und pustete meinen Pony aus der Stirn. Achtsam stellte ich ein bauchiges und ein hohes Exemplar auf meiner Anrichte ab. Beide waren aus geschliffenem Glas. Furchtbar altmodisch, doch fast schon wieder cool. Er trat näher und versuchte unbeholfen, die Blumen zuerst in der hohen, dann in der bauchigen Vase unterzubringen, doch er blieb mit den Stängeln hängen und warf mir einen hilflosen Dackelblick zu.

»Lassen Sie mich mal versuchen.« Ich nahm ihm den Strauß ab und steckte ihn in die bauchige Vase. Das Gebinde hätte sich tatsächlich gut in meiner Küche gemacht.

»Woher kennen Sie eigentlich Frau Daric?«, fragte ich beiläufig, als ich Wasser zu den Blumen gab.

»Ich kenne sie gar nicht.« Er lachte. »Das ist eine längere Geschichte.«

Täuschte ich mich, oder schien er verlegen?

»Klingt interessant«, sagte ich. Eine bessere Antwort fiel mir nicht ein – tausend Fragen hingegen schon. Er schien zu bemerken, dass ich kurz davor war, welche zu stellen, und griff nach den Blumen.

»Vielen Dank für Ihre Hilfe ... tja und ... schönen Tag.«

Ich nickte und begleitete ihn zur Tür. Dort blieb er stehen und legte den Kopf schräg. »Was machen Sie eigentlich sonst so – wenn Sie nicht mit Blumenvasen aushelfen?«

Ich starrte ihn an. Was meinte er? Beruflich? Privat? Arbeitete er bei der Marktforschung? Auf keinen Fall wollte ich ihm sagen, dass ich Rezeptionistin in einem Hotel war. Laut meiner Mutter benötigte man kein anderes Talent, als den ganzen Tag freundlich zu lächeln.

»Ich – schreibe.« Immerhin hatte ich das vor fünf Minuten getan. Ich stand kurz vorm Durchbruch.

»Sie schreiben? Was denn? Gedichte?«

Gedichte? Ich hasste Gedichte. Aber vielleicht mochte er sie. In einer nachdenklichen Geste legte ich mir den Finger ans Kinn und nickte bedächtig. »Jaa, genau. Ab und zu Gedichte. Aber seltener. Hauptsächlich schreibe ich Romane. Ich bin … sozusagen … Romanautorin.« Mein Gott. Es fühlte sich fantastisch an, das zu sagen!

Er betrachtete mich anerkennend. Gewöhnlich erntete ich andere Reaktionen, wenn ich meinen Beruf nannte, jedenfalls nicht dieses unverhohlene Interesse.

»Bei welchem Verlag sind Sie denn?«, richtete er schon die nächste Frage an mich.

Ach du lieber Himmel. »Also – das mag ich gar nicht so gerne verraten. Ich schreibe sowieso unter Pseudonym.« O mein Gott. Was für eine unverschämte Lüge.

»Verraten Sie mir wenigstens den Titel Ihres aktuellen Werkes? Es interessiert mich wirklich.«

Ich rang nach einer Antwort. Wieso hatte dieser Kerl ein solches Interesse daran? »Ja, also …«, begann ich. An einen Titel hatte ich ja noch gar nicht gedacht. Herrje – natürlich gehörte zu einem richtigen Buch auch ein Titel!

»Äh«, stotterte ich weiter, bis ich den rettenden Einfall hatte. »Es ist mir ja ein bisschen peinlich«, und das war es wirklich, »er heißt ›Aus dem Wald nach Saint Tropez‹.«

Seine rechte Augenbraue wanderte einen halben Zentimeter nach oben. Dann nickte er anerkennend und deutete mit dem Kinn auf die Blumen. »Meine Fracht wird langsam schwer. Ich geh dann mal.«

Nachdem ich ihm den Tipp gegeben hatte, die Blumen anzuschneiden, damit sie länger frisch blieben, schloss ich die Tür hinter ihm und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Dieses Grinsen von ihm. Frech. Ich meine: Es gab die abgefahrensten Buchtitel. Man denke an diesen Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand. War das etwa ein ernsthafter Titel?

Kopfschüttelnd ging ich zurück ins Schlafzimmer und blickte auf meinen Schreibtisch. Jetzt wurde weitergeschrieben. Komme, was wolle.

Doch als ich dort saß, fand ich es einfach nur trostlos. Mit meinem Schreibtisch verband ich die Steuererklärung und Ebay-Ersteigerungen. Ich war keine, die sich mit stundenlangem Internet-Surfen die Zeit vertrieb – weder am PC noch auf dem Smartphone. Dazu ging es mir viel zu sehr auf die Nerven, wenn selbst Hotelgäste beim Check-in nicht in der Lage waren, einem für ein paar Minuten Aufmerksamkeit zu widmen – nein, was im WWW vor sich ging, war wichtiger. Aus diesem Grund hatte ich mein Smartphone fürs Internet außerhalb meiner vier Wände deaktiviert. Ich hatte keine Lust, Sklave von Facebook und Co. zu werden wie einige andere. Aber zurück zu meinem deprimierenden PC-Standort: Ich brauchte einen gescheiten Arbeitsplatz, falls ich eine Zukunft als Schriftstellerin ins Auge fasste.

Sehnsüchtig sah ich nach draußen. Die Sonne schien, ich sollte eigentlich in der Eisdiele sitzen, statt meinen Schreibtisch zu verrücken. Oder einen Roman zu schreiben. Wie war ich noch mal auf diese Idee gekommen? Ach ja. Die Möpse-Autorinnen. Allein der Gedanke fuchste mich.

»Piep und Matz«, sagte ich und kam mit meinem Gesicht ganz nah an die Gitterstäbe ihres Käfigs, »erzählt mir mal was aus eurem Leben im Wald. Oder aus dem von Desiree. Hat sie einen Freund? Nein? Ach doch, der steinreiche Typ aus Saint Tropez. Der hat bestimmt keinen Computer im Schlafzimmer. Der hat zwei Arbeitszimmer, dazu noch drei iPads und fünf Notebooks.«

Ich hielt inne und starrte Pieps grüne Federn an. Ein Notebook wäre die Idee! Darauf konnte ich problemlos in der Eisdiele schreiben. Die gab es doch schon recht günstig? Ich sah auf meine Armbanduhr. Vierzehn Uhr. Beste Shopping Zeit.

Als ich meine Wohnungstür hinter mir zuzog, äugte ich auf Frau Darics Eingang, doch alles war ruhig. Schade eigentlich. Ich hätte diesen Herrn Wellenkamp gerne noch einmal wiedergesehen.

Eine halbe Stunde später brummte mir der Schädel. Der in einen blauen Arbeitsanzug gekleidete Herr an meiner Seite im Elektronikfachmarkt schien auch mit seinem Latein am Ende zu sein. Dabei wollte ich nur keinen Fehler bei meiner Auswahl machen. Die Tastaturen überzeugten mich nicht. Wie sollte ich auf diesen kleinen Tasten meine Finger unterbringen? Dabei hatte ich nun wirklich keine Pranken. Schließlich rief ich bei Susa an. Meine beste Freundin wusste immer einen Rat – seit fast dreißig Jahren schon. Und seitdem sie mit Tobi verheiratet war, war auch die Seite, von der Susa keine Ahnung hatte (Computer), abgedeckt. Er programmierte die Dinger. Oder so etwas in der Art. Man sah ihn meist mit seinem Handy oder dem iPad herumspielen – vorausgesetzt er war zu Hause; oft genug war er tagelang auf Geschäftsreise.

»Hallo Süße«, meldete sich Susa nach einem mir endlosen erscheinenden Klingeln, »ich bin grad mit Miri in der Stadt. Können wir später telefonieren?« Miri war ihre achtjährige Tochter. Dann gab es noch Ben, ihren zwölfjährigen Sohn.

»Ich brauche dringend Tobis Rat. Ich will mir ein Notebook kaufen, oder was kleineres – ich weiß aber nicht welches.«

»Wofür brauchst du denn ein Notebook?«

»Ach. Das erzähl ich dir mal in aller Ruhe. Kann ich Tobi irgendwo erreichen?«

»Normalerweise auf seinem Handy, die Nummer hast du doch? Momentan ist es allerdings ungünstig. Er liegt beim Osteopathen auf der Liege und kriegt die Knochen eingerenkt.«

»O je. Was hat er denn gemacht?« Ich gab dem Mann im blauen Anzug ein Zeichen, dass es möglicherweise etwas länger dauern würde.

Susa kicherte. »Er hat sich beim Rasenmähen im Kabel verheddert und ist der Länge nach im Garten gelandet. Zuerst hab ich gelacht, aber dann hat er gebrüllt vor Schmerzen. Jetzt hat er irgendwas mit dem Knie.«

»Der Arme.« Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Tobi mochte softwaretechnisch ein Genie sein, in Haus und Garten war er eine Niete.

Ich hörte Miris Stimme im Hintergrund: »Maaami. Wann legst du endlich auf?«

Susa und ich verabredeten, später noch mal zu telefonieren – diese Entscheidung hier musste ich alleine treffen.

Unschlüssig betrachtete ich die Auswahl in den Regalen und nahm das Teil in Augenschein, das mir schon die ganze Zeit am besten gefallen hatte. Es war in metallic-rosa. Gekauft.

Als ich die Haustür aufschloss und mit meinen Samstagnachmittag-Einkäufen die Treppe zu meiner Wohnung nach oben stieg, hegte ich bittere Zweifel. Vierhundert Euro hatte ich ausgegeben – einen Großteil meiner Ersparnisse für den Sommerurlaub. Ich wollte mal wieder in den Süden, mal raus aus der Stadt, irgendwohin ans Meer – ich hatte mir extra an Silvester geschworen, mir in diesem Jahr nur das Nötigste an Klamotten und Schuhen fürs Frühjahr zuzulegen. Stattdessen endete ich mit einem Notebook! Ich konnte nur den Kopf über mich selbst schütteln.

Andererseits, so überlegte ich seit der Eisdiele, war es ja eine Investition in die Zukunft. Das Geld hatte ich ganz schnell wieder drin. Allerdings sicher nicht für den Sommerurlaub, da musste ich realistisch bleiben. Doch ganz abgesehen von dieser Problematik – die weitaus größere Herausforderung lag in der äußerst knapp formulierten Bedienungsanleitung, die ich bereits in der Eisdiele studiert hatte. Betriebssystem, WLAN, Antivirus – alles Begriffe, mit denen ich nur in der Theorie etwas anfangen konnte. Ich hatte keine Ahnung davon, wie man die installierte. Meinen PC zu Hause hatte Tobi eingerichtet – an einem Samstagnachmittag, an dem Susa und ich derweil mit Miri in meiner Küche saßen und Freundschaftsbänder bastelten.

Schnaufend stellte ich meine Einkäufe vor meiner Wohnungstür ab, um aufzuschließen, als ich Stimmen aus Frau Darics Wohnung hörte. Vielleicht war dieser Herr Wellenkamp noch bei ihr? Oder doch jemand anderes? Sie hatte ja häufig Besuch. Meistens kamen Frauen. Manchmal auch mit Kindern. Wie schon erwähnt, irgendeiner heulte immer, doch an diesem Tag vernahm ich lautes Rufen.

Ich spitzte die Ohren. Es war nicht Frau Daric, die ich hörte. Eine Frau rief: »Machen Sie das sofort wieder weg!«

Ich hob eine Augenbraue und versuchte, meine Wohnungstür zu öffnen, doch ich stieß auf Widerstand. Etwas steckte unter der Tür fest. Ein Stück Pappe. Ich bückte mich und hob es auf.

Hallo. Danke für den Tipp mit der Politesse. Falls Sie wegen Ihres Romans einen Kontakt zu einem Verleger brauchen – ich kenne einen. Sein Name ist Peter Werk.Es folgte eine Telefonnummer.

Grüße, Erik Wellenkamp

3

»Du willst einen Roman schreiben?« Susa starrte mich ungläubig an.

Es war am späten Nachmittag desselben Tages, wir saßen auf ihrer Terrasse – vom angrenzenden Feld wehte ein dezenter Duft von Gülle und frisch gemähtem Gras zu uns hinüber. Susa hatte eben Kaffee und Streuselkuchen auf dem Teakholztisch abgestellt, und ich hatte ihr ausführlich geschildert, wie mein Tag verlaufen war. Inklusive meines Kennenlernens von Erik Wellenkamp, den ich allerdings als weit weniger attraktiv schilderte, als er war. Ich kannte Susa. Sobald ich von einem interessanten Mann erzählte, bekam sie Hoffnung auf ein Patenkind.

Verklärt sah ich sie an. »Ja, irre, oder!? Das war so ein schicksalhafter Tag heute, wirklich unglaublich. Und damit ich von meinem Schreibtisch unabhängig bin und jederzeit schreiben kann, habe ich mir eben dieses Notebook gekauft.«

Ich betrachtete liebevoll das Gerät vor uns auf dem Tisch. Es war wirklich hübsch. Außen metallic-rosa, innen weiß. Genau mein Geschmack.

Susa deutete mit dem Kinn aufs Haus. »Ich weiß nicht, ob Tobi noch schläft. Dieser Besuch beim Osteopathen hat ihn völlig umgehauen.«

Ich nickte und griff nach einem Stück Kuchen. Tobi war zart besaitet, ihn haute alles immer gleich um. Selbst bei seiner Hochzeit war er ohnmächtig geworden. Es war zwar ein Magen-Darm-Virus gewesen, doch nie würde ich den Anblick vergessen, wie er zeitlupenartig just in dem Moment in sich zusammensank, in dem er »Ja« sagen sollte.

»Wo sind die Kids?«, fragte ich und sah über die Felder, die bis zum Feldberg zu reichen schienen. Wenige hundert Meter vor uns schlängelte sich die Nidda durch die Wiesen. Davor lag eine Pferdekoppel, auf der vier Pferde ihre Schweife schwangen und grasten.

Miri ging dort reiten und hatte immerzu Stroh im Haar und schmutzige Hände. Ich liebte dieses Kind. Wenn ich abends auf sie aufpasste, lag sie frisch gebadet in meinem Arm oder wir kämmten uns gegenseitig die Haare und schauten dabei fern.

»Miri ist auf einem Geburtstag, Ben beim Fußball.« Susa sah mich bedeutungsvoll an. »Du weißt doch gar nicht, wie man schreibt.«

»Jeder kann schreiben. Wenn ich mich nicht irre, haben wir es in der Schule gelernt. Und ich war besser in Deutsch als du!«

»Stell dir das mal nicht so einfach vor. So einen Roman schreibt man nicht mal eben weg. Da braucht man ein Konzept.«

Ich verschränkte die Arme. An Susa war eine Lehrerin verloren gegangen. Eine von der Sorte, die dich garantiert dann nach den Hausaufgaben fragt, wenn du sie nicht gemacht hast.

»So, so, ein Konzept. Hast du Literaturwissenschaften studiert oder woher willst du das wissen?«

»Das sagt mir meine Logik. Wenn du ein Haus bauen willst, brauchst du auch einen Plan. Du baust nicht einfach drauf los.«

Ich hob die Schultern. »Mag sein. Aber so ein Roman entsteht. Das ist doch das Spannende. Man weiß nicht, was am Ende dabei herauskommt.«

»Wie du meinst.«

Wir schwiegen einen Moment, dann deutete sie grinsend auf das Notebook. »Hübsch ist es ja. Schöne Farbe!«

Ich lachte und griff nach einem zweiten Stück Kuchen.

Nachdem Tobi endlich aufgewacht war, richtete er mir das Notebook ein. So schwer war es eigentlich gar nicht – ich hatte mal wieder vor lauter Panik vor der Technik die Bedienungsanleitung nicht richtig durchgelesen. Sonst hätte ich sicher gemerkt, dass das Ganze idiotensicher war. Genau genommen musste man das Ding nur anschalten und dann zweimal »O. k.« drücken. Es war denkbar unkompliziert. Tobis nachsichtiger Blick über den Rand seiner Brille hinweg sagte mir, dass von mir nichts anderes zu erwarten gewesen war.

»Du kannst eben Leuten gut erklären, wie sie von der Rezeption zum Fahrstuhl kommen, ich kann Computer einrichten.«

Ich warf ihm einen schmollenden Blick zu. Immerzu zog er mich mit meinem Job auf. Dabei war er super. Ich lernte die unterschiedlichsten Menschen kennen und durfte Englisch sprechen – ich liebte diese Sprache. Wenn man mal von der Kommunikation mit den Indern absah, beherrschte ich sie nahezu perfekt.

Susa lud mich zum Essen ein, doch ich brannte darauf, an meinem Buch weiterzuarbeiten. Als Schriftstellerin musste man vorankommen, seine Sache ernst nehmen. Ich hatte den ganzen Tag schon genug herumgetrödelt und packte meine Errungenschaft in den Karton zurück. Gerade als ich gehen wollte, kam Miri von der Geburtstagsfeier. Sie umarmte mich stürmisch an der Haustür und bettelte, ich sollte noch bleiben – doch für heute musste ich sie enttäuschen. Ich versprach, ein andermal wiederzukommen. Und wo ich gerade da war, verabredete ich mit Susa den kommenden Samstag – sie und Tobi wollten mal wieder ins Kino. Miri jubelte, die Sache war geritzt.

Zehn Minuten später saß ich in der S-Bahn und betrachtete in der Ferne den Feldberg. Es war wirklich eine schöne Gegend, in der Susa mit ihrer Familie lebte. Ländlich und trotzdem nah an der City. Dennoch – ich würde nie verstehen, wie sie dieses Nest der Stadt vorziehen konnten.

Zu Hause angekommen war ich voller Vorfreude. Nur noch wenige Minuten, und die Ideen würden nur so sprudeln. Inspiriert durch die Landluft bei Susa hatte ich schon eine konkrete Idee für einen meiner nächsten Sätze. Er würde lauten: Die frische Waldluft wehte Desiree um die Nase und kitzelte die feinen Härchen derselben.

Hach, wie ich mich freute. Ich hatte wirklich ein gutes Feeling für Sprache. Dieser Verleger würde Augen machen!

Doch vorerst kam ich nicht dazu. Kaum stand ich oben im Flur, öffnete sich Frau Darics Wohnungstür.

»Wusste ich doch, dass ich habe etwas gehört.«

Ich warf einen Blick auf ihren bandagierten Fuß. »Wie geht es Ihnen?«

»Es pulsiert.« Sie hob den Daumen. »Ist gutes Zeichen. Verband kommt bald wieder ab.«

»Brauchen Sie irgendwas? Eine Salbe vielleicht?«

»Nein, danke, bin ich versorgt.« Sie schien zu zögern. »Haben Sie Lust auf Tee? Ich mache selbst.«

Ich lächelte. Eigentlich zog ich Kaffee vor, doch davon hatte ich bei Susa genug bekommen. Und da ich mich schon seit Wochen fragte, was Frau Daric in ihrer Wohnung trieb, war ich nicht zu halten. Mein Roman hatte dreiunddreißig Jahre warten können, da kam es auf ein halbes Stündchen auch nicht an.

---ENDE DER LESEPROBE---