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Gerhart Johann Robert Hauptmann (geboren 15. November 1862 in Ober Salzbrunn (Szczawno-Zdrój) in Schlesien; gestorben 6. Juni 1946 in Agnetendorf (Agnieszków) in Schlesien) war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. Er gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
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Seitenzahl: 28
Der alternde Dichter stand in Erwartung der Sonne. Hinter einer niedrigen Wolkenbank ging sie auf.
Sie glich einem rosefarbenen Pilz – einer Feuerluft-Tulpe – einer Seerose – einer umgekehrten Rubinschale.
Die Rubinschale bricht. Unter ihrem ungeheuren Lichtausbruch entsteht die Welt.
Der alternde Dichter stellt die alte Frage: Wo befinde ich mich? In meiner eigenen Entrücktheit befinde ich mich. Und weiter gab er sich Antwort: Ich starre ins Licht.
Felsenküste trägt meinen Fuß, der Abgrund rauscht, die Gewässer der Tiefen und Fernen färben sich, der Mond verblaßt am bleichenden Himmel.
Wo befinde ich mich? fragt der Dichter wieder: ins Geheimnis mitten hineingestellt.
Was wäre faßbar und was nicht faßbar von allem, was ist und nicht ist!
Der alternde Dichter wechselt den Ort die Felshöhe entlang: Söller, Kanzeln, Lorbeer, Arbutuskirsche, Wein.
Hier kocht das Meer und tost gewaltig, ob es auch schlummernd liegt um alle Küsten.
Der Dichter sinnt: es schläft die See, sie schläft, und wühlten sie Taifune auf.
Es schläft der Mensch gleichwie die See, gleichwie Gestein und Luft. Es schläft und träumt der Tod im toten Raum. Und doch: die Kirchenglocke, die zur heiligen Messe mahnt: Gestein, zum Klang berufen.
Der Dichter steht, derweil sich alles rings in Licht verhüllt, und lauscht dem Erz.
Er schaudert.
Aus der Erde Tiefen spricht sein Wort, erfüllt von dem, was über ihr im Lichte steht, verschwebend in das unbekannte Reich.
Der alternde Dichter stand in Erwartung der Sonne.
Noch war es Nacht.
Schüchterne Vogellaute wie Diamanten auf Kissen von schwarzem Samt.
Ruhe.
Was ist's, wodurch die Ruhe sich vertieft?
Wißt ihr, was Ruhe ist?
Der Dichter gab die Antwort ohne Laut:
Sie ist das Element, darin die Seele wie der Fisch im Wasser lebt.
Nein, denkt er fort, zu grob.
Der Seele letzte Wahrheit ist die Ruhe.
Resedenduft erfüllt das Dunkel.
Die Gottheit naht.
Die Feuerschale steigt aus Wassertiefen, das zweite Meer ausgießend in die Welt.
Der alte Dichter wußte nicht, ob er die Sonne einmal im Geist gesehen hatte und nun wirklich sah oder ob wieder ein Schöpfungstag vergangen, ein anderer begonnen war.
Alles, denkt er, ist, wie es gestern war: stumme Sonne, stummes Meer, stumme Blumen, stummer blühender Rosenhag. Schlaf ohne Traum, nur ich bin der Träumer.
Und wieder ist der alte Dichter wach vor Tag.
Er will nichts sein, nicht einmal der alternde Dichter, der er ist. Der Name Mensch sogar löst sich ihm auf. Er schwindet hin.
Es ist nichts gewesen, es wird nichts sein. Aber ich bin, denkt der Dichter.
Er war nur noch das Gefühl von Sein, weder von Werden noch von Vergehen.
Und doch: beides drängte sich wieder zu.
Geheimnisvolles Tal, seh' ich dich wieder, dich, Schlucht, von tiefen Wasserquellen rauschend, narzissenduftende Terrassen, die ihr, Öl und Wein gebärend, euch hinanstuft. Und drüben steile Wälder, Kiefern, die der harte Fels, der unzugängliche, festhält und nährt mit seines Kernes Saft. Und dumpfige Gemäuer, ausgehöhlte Stätten des Elends heben sich wie Burgen hoch aus Gipfeln, frei und stolz das Tal beherrschend. Wie oft schon ging ich deine steilen Steige allein mit mir und meiner stummen Welt, ins Leben meiner Seele eingesenkt und immer wieder warm hervorgelockt vom Duft der Gräser bald und Blumen, bald vom Zwitschern eines Vogels, der die Perlen, die zierlich blitzenden der kleinen Kehle, achtlos in stummbelaubten Abgrund ausstreut.
Die Sonne erscheint als umgestülpte Seerose – als purpurne Qualle, die aus dem Meere steigt – als Lampion.
Schon schwebt das Gestirn losgelöst.
Der Gott.
Seltsam. Das Urschauspiel ist heute gleichsam ereignislos.