Sonnengelb (Elfenblüte, Teil 2) - Julia Kathrin Knoll - E-Book

Sonnengelb (Elfenblüte, Teil 2) E-Book

Julia Kathrin Knoll

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Beschreibung

Sonnenfunken auf der Haut, Unterwassergespräche mit Delfinen, Augen, die Menschen hypnotisieren können… Auch wenn sich das Großstadtkind Lillian nun auf dem bayerischen Land eingelebt hat, ist ihr der Mitschüler Alahrian noch so verwirrend fremd wie ganz zu Anfang. Irgendetwas ist anders an ihm. Dabei sucht er ganz eindeutig ihre Nähe und lädt sie sogar zum Schulball ein. Doch als der ersehnte Abend endlich eintrifft, taucht er einfach nicht auf… //Alle Bände der fantastischen Bestseller-Reihe: -- Himmelblau (Elfenblüte, Teil 1) -- Sonnengelb (Elfenblüte, Teil 2) -- Glutrot (Elfenblüte, Teil 3) -- Nebelgrau (Elfenblüte, Teil 4) -- Wiesengrün (Elfenblüte, Teil 5) -- Elfenblüte. Alle fünf Bände in einer E-Box -- Nachtschwarz (Elfenblüte, Spin-off)// Die Elfenblüte-Reihe ist abgeschlossen.

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2015 Text © Julia Kathrin Knoll, 2015 Lektorat: Konstanze Bergner Umschlagbild: shutterstock.com / © Zaretska Olga / © Vojislav Markovic Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral

Wandertag

Einer der Vorteile an der neuen Schule, so stellte Lilly schon bald fest, waren die vielen Ausflüge während der Unterrichtstunden. Ein Tag jagte den nächsten, die Zeit schien wie im Flug zu vergehen. Hatte sie nicht gerade erst die samtig-weißen Häubchen auf Bäumen und Sträuchern bewundert? Nun packte der Winter schon wieder seine Sachen, Tauwetter hatte eingesetzt. Und während der Schnee vor dem Fenster allmählich zu schmelzen begann, kündigte sich ein neues Großereignis an, das die ganze Klasse in Aufruhr versetzte: der erste diesjährige Wandertag.

Das Ziel der Exkursion durften die Schüler selbst aussuchen. Per Abstimmung wurde schließlich entschieden, dass es in den Zoo gehen sollte. Nicht gerade Lillys erste Wahl. Denn waren sie nicht eigentlich schon ein bisschen zu alt für so was? Weil sich jedoch alle anderen freuten, ließ sie sich davon anstecken. Besser als sechs Stunden Schule inklusive Mathe und Physik – ihre zwei unliebsamsten Fächer – schien es allemal zu sein.

So waren dann auch sämtliche Schüler bester Laune, als sie nach dem unausweichlichen Vortrag des Biologielehrers in kleinen Grüppchen durch den überraschend großen Tiergarten schlenderten.

Einzig Alahrian machte einen etwas missmutigen Eindruck, was Lilly natürlich nicht entging, da ihre Augen immer wieder unwillkürlich seine elegante, anmutige Gestalt suchten. Schlecht gelaunt, nein, das traf es nicht wirklich, korrigierte sie sich nachdenklich. Er wirkte vielmehr angespannt, wachsam, so als müsse er befürchten, jeden Moment von einem tollwütigen Königstiger angefallen zu werden. Nachdem er jedoch vor ausgewachsenen Wildschweinen und liebeskranken Dackeln nicht die geringste Furcht gezeigt hatte, erschien Lilly dies höchst unwahrscheinlich. Leider kam sie nicht dazu, ihn danach zu fragen. Denn Anna-Maria folgte ihr wie ein Schatten, so dass sie kein einziges privates Wort mit Alahrian sprechen konnte. So ganz hatte Anna-Maria ihren verrückten Plan, Lilly von Alahrian fernzuhalten, wohl noch immer nicht aufgegeben. Zumindest in der Schule schien sie eisern daran festzuhalten.

Gerade saßen die beiden Mädchen zusammen auf einer Bank, aßen Erdbeereis aus Plastikschälchen, die wie Elefanten geformt waren, und sahen müßig ein paar Jungs zu, die verzweifelt versuchten, einen frei herumlaufenden Pfau dazu zu bringen, ein Rad zu schlagen. Dabei wandten sie recht barbarische Methoden an, wie Lilly fand. Zunächst hatten sie den Vogel noch mit Futter gelockt, mittlerweile bewarfen sie ihn jedoch mit Kieselsteinen. Lilly war kurz davor, einzuschreiten, um das arme Tier zu retten, als plötzlich Alahrian den Weg entlanggeschlendert kam.

Seine Stimmung schien sich noch nicht gebessert zu haben. Er hielt den Blick gesenkt, hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und schlurfte regelrecht über den Kies, anstatt wie sonst in nahezu tänzerischer Anmut voranzuschreiten.

Die anderen beachteten ihn kaum, der Pfau jedoch hob sofort den Kopf, trippelte majestätisch auf ihn zu – und schlug ein Rad, das all seine prächtigen, blaugrün schillernden Federn zur Schau stellte. Dann senkte er ehrfürchtig, so schien es, den Kopf.

Alahrian zuckte zusammen, verharrte mitten in seiner Bewegung und hob hastig die Hand, seltsam abwehrend. Wie ein Herrscher, der seinem Untertan gebietet, sich zu erheben, winkte er dem Pfau in einer kleinen, kaum merklichen Geste zu.

Die Jungs lachten grölend. »He, Alahrian!«, rief einer. »Ich glaub, er hält dich für sein Weibchen!«

Da errötete Alahrian bis unter die Haarspitzen und schüttelte den Kopf, den Blick noch immer auf den Pfau gerichtet. Der klappte seine bunten Federn wieder ein wie einen gewaltigen Fächer und trottete mit hängendem Haupt davon. Hätte Lilly es nicht besser gewusst, sie hätte dem Vogel einen enttäuschten Gesichtsausdruck zugeschrieben. Aber natürlich war das albern!

»Wow«, stichelte Anna-Maria. »Mit der Nummer kannst du ja im Zirkus auftreten! Als Pfauenflüsterer!«

Wieder lachten alle. Alahrian würdigte sie keines Blickes und lief, die Augen starr geradeaus gerichtet, weiter.

»Warte!«, rief Lilly und sprang auf, aber da war er schon verschwunden. Wild entschlossen rannte sie ihm hinterher, doch es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihn wiederfand. Und zwar an einem Ort, an dem sie ihn nicht unbedingt vermutet hätte.

Er hockte im Aquarium auf einer Bank. Ganz allein. Durch ein schmales Fenster hoch oben in der Wand drang ein wenig Sonnenlicht herein, ansonsten war es hier drinnen recht dunkel – wahrscheinlich, um eine gewisse Unterwasseratmosphäre zu zaubern. Fast alle Wände waren mit blauen und grünen Kacheln bedeckt, dazwischen hingen kleine beleuchtete Tafeln, welche die Fische und Wasserpflanzen erklärten, die man hinter den dicken Glassscheiben betrachten konnte. Lilly fühlte sich fast wie in einem U-Boot.

Alahrian selbst saß vor dem Becken mit den Delfinen, wie sie auf den allerersten Blick erkannte, denn drei der Tiere schwammen in einer Reihe direkt vor ihm und drückten sich die Schnauzen an der Scheibe platt. Ganz so, als wären sie gekommen, um ihn zu bewundern, nicht umgekehrt. Alahrian verhielt sich indes ganz ruhig und blickte die Tiere an. Fast machte es den Eindruck, als kommunizierte er mit ihnen, auf eine stille, lautlose Art und Weise.

Lilly schauderte ein wenig. Irgendwie unheimlich das Ganze. Die Sache vorhin mit dem Pfau hatte sie für einen reinen Zufall gehalten, aber das hier?

Schließlich fasste sie sich ein Herz. »Alahrian?«, fragte sie vorsichtig, traute sich jedoch kaum, näherzutreten.

Er wandte ihr den Kopf zu und im selben Moment lösten sich die Delfine von der Scheibe und schwammen davon, so weit es ihnen das Becken erlaubte.

»Lilly!« Er lächelte strahlend, zum ersten Mal an diesem Tag.

Daraufhin setzte sich Lilly zu ihm. »Tut mir leid wegen vorhin«, murmelte sie verlegen, obwohl sie nichts dafür konnte. »Vergiss die Idioten einfach!«

Er lächelte erneut, dann wandte er den Blick wieder den Delfinen zu. Lilly folgte seinen Augen.

»Sie sind schön, nicht wahr?«, bemerkte er, seltsam wehmütig.

Lilly brachte nur ein Nicken zu Stande.

Alahrians Augen wirkten mit einem Mal leer, das Wasser spiegelte sich darin, klar und blau und schimmernd. »Sie sind in Gefangenschaft geboren«, erklärte er tonlos. »Und dennoch sehnen sie sich nach dem Meer, das sie doch nie gekannt haben. Es ist, als wurde ihnen eine Erinnerung eingepflanzt an etwas, das sie nicht erlebt haben, eine stumme Sehnsucht, nie gestillt, nie verstummt …«

Schweigend schaute Lilly den Delfinen im Wasserbecken zu und verspürte plötzlich eine tiefe Traurigkeit. Unfähig, etwas Passendes zu erwidern, saß sie mit Alahrian minutenlang still zusammen, verbunden durch eine gleichermaßen schwere wie zuckersüße Melancholie. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, wisperte Lilly noch einmal behutsam seinen Namen: »Alahrian?«

»Ja?«

»Darf ich dich etwas fragen?« Mit den Worten wurde sie rot, aber sie zwang sich, ihn weiter anzusehen, trotz des Bedürfnisses, den Blick zu senken. »Etwas, das vielleicht ein wenig merkwürdig klingt?«

»Sicher.« Es hörte sich gelassen an, doch seine Haltung hatte sich versteift, er wirkte mit einem Mal angespannt, fahrig.

Nervös kaute Lilly auf ihrer Unterlippe herum. »Aber du musst mir versprechen, nicht zu lachen.«

»Okay.« Seine Finger bewegten sich unruhig auf der Bank, zeichneten Muster nach, die niemand außer ihm selbst dort erkennen konnte.

»Alahrian.« Wieder blickte sie ihm direkt in die Augen und versuchte dabei, ihre Stimme ganz ruhig und nüchtern klingen zu lassen. »Kannst du mit Tieren sprechen?«

»Was?!« Sein Blick weitete sich. Eine halbe Sekunde lang starrte er sie einfach nur verblüfft an, dann sprudelte ein leises, glockenhelles Lachen aus seiner Brust empor.

Lilly errötete noch tiefer und löste ihren Blick von seinem. Sie hatte ja gewusst, dass es eine doofe Frage war, aber die Delfine, der Pfau, Dackel Wilbur, das Wildschwein … diese komische Stimmung hier unten … und nicht zu vergessen der schwindelerregende Taumel in ihrem Kopf, in dem sie sich jedes Mal befand, wenn er in ihrer Nähe war. Sie konnte einfach nicht klar denken in seiner Gegenwart!

»Du meinst, ich rede mit Tieren wie … wie Dr. Dolittle?«, vergewisserte er sich ungläubig, doch immerhin erstarb sein Lachen. Er schien sich endlich an sein Versprechen erinnert zu haben. In jeder anderen Situation hätte Lilly das bedauert, denn seines war wunderschön, wie eine liebliche Melodie an einem milden, warmen Sommertag. So aber war sie dankbar darüber.

Peinlich berührt schwieg sie und vermied es weiterhin, ihn anzusehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie seine Miene mit einem Mal ganz ernst wurde. »Lilly, niemand kann mit Tieren sprechen«, erklärte er sanft. Es klang neutral und sachlich, so als würde er ihr die binomischen Formeln oder den Aufbau einer Zelle erläutern. »Tiere … kommunizieren anders als … als wir.« Das letzte Wort betonte er merkwürdig, er sprach jedoch mit einer Ernsthaftigkeit, die ihrer dummen Frage, so schien es Lilly zumindest, viel von ihrer Lächerlichkeit nahm.

»Es gibt allerdings … Menschen … Leute«, wieder dieses Zögern, diese eigenartige Betonung, »Leute, die in einer ganz besonderen Art und Weise mit Tieren umgehen … Leute, auf die Tiere besonders reagieren, verstehst du?«

Lilly war sich nicht sicher. »So wie … der Pferdeflüsterer?«, hakte sie unglücklich nach und hoffte, er war nicht mehr zu gekränkt wegen Anna-Marias Witz vorhin.

Und tatsächlich lächelte er nur. »Ja, so ähnlich.«

»Und du bist einer von diesen … Leuten?« Instinktiv ahmte sie seine Betonung nach.

»Ja.« Das klang nun wieder ganz selbstbewusst. In seinen Augen blitzte es auf, als amüsierte ihn irgendetwas. »Anna-Maria hatte gar nicht so Unrecht, weißt du? Ich bin wirklich schon mal im Zirkus aufgetreten.«

»Echt? Das ist ja spannend!«

Er lächelte versonnen. »Es war ein kleiner Wanderzirkus. In Italien.«

Italien? Lilly war sprachlos. Island, Italien … Was für eine bemerkenswerte Biografie er schon vorzuweisen hatte! Dabei war er höchstens siebzehn! Unwillkürlich fragte sie sich, was er wohl sonst noch so erlebt hatte. Von Island über Italien nach Deutschland. Wie es wohl dazu gekommen war? Dann dachte sie an Kathys Erzählungen auf dem Sommerfest damals. Seine Eltern waren tot. Waren sie vielleicht Artisten aus Island gewesen, die durch Italien gereist und dort bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen waren?

Sie traute sich nicht, ihn danach zu fragen. Seine Eltern zu verlieren musste schrecklich sein, sie konnte es sich kaum vorstellen – und sie wollte ihn nicht noch trauriger machen. »Wann war das, in Italien?«, erwiderte sie stattdessen, sich schmerzhaft darüber bewusst werdend, wie wenig sie doch im Grunde über ihn wusste. Seit Monaten gingen sie nun schon zusammen in eine Klasse, wohnten fast Tür an Tür, seit Monaten schmachtete sie ihn schon heimlich an – aber manchmal, da war er ihr so fremd wie am ersten Tag.

»Hm …« Alahrian schien über die Frage erst nachdenken zu müssen. »Das war wohl so in den Zwanzigern … ähm … ich meine, es fühlt sich an, als wäre es zwanzig Jahre her …« Er begann, sich zu verhaspeln, wurde erst rot, dann blass. »Es war in einem anderen Leben«, erklärte er schließlich.

»Ah.« Seine zerstreute Reaktion bestätigte Lillys Vermutung. Da war irgendetwas Schmerzhaftes in seiner Vergangenheit. Er wollte nicht darüber reden und sie akzeptierte das.

Und trotzdem fiel ihr noch etwas an ihm auf, in diesem Moment. Island … Italien … Welche Länder er auch immer bereist haben mochte, er kam ursprünglich nicht von hier, so viel stand fest. Dennoch sprach er ohne den geringsten Hauch eines Akzents.

Er aber durchbrach ihre Gedanken, indem er plötzlich aufsprang und sie mit einem neuen Strahlen in den Augen anschaute. »Komm mit!«, bemerkte er munter. »Soll ich dir die kleinen Robbenbabys zeigen? Wir können sie zusammen füttern, wenn du willst.«

Einen Augenblick lang zögerte Lilly verblüfft, dann folgte sie ihm. Wer konnte einem solchen Angebot schon widerstehen?

***

Eine halbe Stunde später schlichen sie sich unbemerkt aus Bereichen des Tiergartens, die Besucher üblicherweise gar nicht betreten durften. Alahrian bewegte sich dafür erstaunlich unbefangen. Er hatte einmal in den Ferien hier gejobbt, erklärte er Lilly auf die entsprechende Frage hin. Und tatsächlich schien er den einen oder anderen Pfleger zu kennen – zumindest störte sich niemand an ihrer Anwesenheit und oder hielt sie auf. Ein bisschen seltsam kam sich Lilly trotzdem vor, auch wenn sie zugeben musste, dass es ein aufregendes, berührendes Erlebnis gewesen war, die kleinen flauschigen Wesen zu füttern.

Verschwörerisch zwinkerte sie Alahrian zu, als sie nun – ganz unschuldig wieder auf gewohnten Pfaden durch den Zoo wanderten. Bis zum vereinbarten Treffpunkt mit dem Rest der Gruppe war noch ein wenig Zeit und sie konnte auch keinen der anderen entdecken. Als sie an einem winzigen Café nahe des Flamingogeheges vorbeikamen, fragte sie daher: »Hast du Lust, noch einen Kaffee trinken zu gehen?«

Alahrian folgte ihrem Blick. »Ja, warum eigentlich nicht?«

Nebeneinander schlenderten sie zu dem winzigen Häuschen. Draußen standen nur ein paar Tische, doch die waren schon besetzt, also suchten sie sich einen Platz im Inneren. Dort sah das Ganze eher aus wie ein Schnellimbiss, mit orangefarbenen Plastikstühlen und –tischen sowie in Folie eingeschweißten Sandwiches, die sich hinter einer verspiegelten Theke stapelten. Die Wände waren mit bunten Tiermotiven bemalt, in einer Ecke stand ein Regal, das Souvenirs und Kinderspielzeug anbot.

Blinzelnd sah Lilly sich um. Die Idee war ihr spontan gekommen, nun wurde ihr das Merkwürdige an der Situation langsam bewusst. Einen Kaffee trinken gehen … Das klang verfänglich nach einem Date … Andererseits: Für ein Date hätte sie sich definitiv einen anderen Ort ausgesucht.

Trotzdem klopfte ihr Herz ein bisschen, als sie sich an einem der Plastiktischchen direkt am Fenster niederließen, das mit blauen Elefantenaufklebern verziert war.

Die Kellnerin lenkte sie schließlich von ihrem pochenden Puls ab und Lilly war dankbar dafür. Ohne in die Karte zu blicken, bestellte sie eine Tasse heiße Schokolade. Auch Alahrian überlegte nicht lange. »Ein Wasser ohne Kohlensäure, ohne Zitrone, bitte.« Er sagte es ausnehmend höflich, mit einem freundlich-distanzierten, aber sehr charmanten Lächeln. Die Kellnerin, offenbar an Sonderwünsche gewöhnt, notierte es sich und zuckte dabei nicht einmal mit der Wimper.

Wow, dachte Lilly verwundert. Das konnte man mal kalorienbewusste Ernährung nennen! Dabei sah er nicht so aus, als hätte er es nötig. Im Gegenteil! Er war größer und um einiges schlanker als die meisten Jungs in der Klasse, hatte jedoch nichts Schlaksiges an sich wie viele andere mit dieser Statur. Jede seiner Bewegungen war von kontrollierter, zielgerichteter Geschmeidigkeit, sogar die Art und Weise, wie er entspannt und gelassen vor ihr saß, zeugte von Würde, ja, von Eleganz. Und dabei fehlte ihm die Arroganz, die manch gutaussehendem Menschen zuweilen anhaftete. Anna-Maria zum Beispiel war klar, dass sie hübsch war, und sie zeigte es auch. Alahrian hingegen schien sich seiner Attraktivität in keinster Weise bewusst zu sein.

Lilly schoss die Röte ins Gesicht, als es ihr bewusst wurde. Schnell starrte sie aus dem Fenster, dann wieder zu ihm hin. Ruhig, beinahe in sich gekehrt, schaute er sie an. Lilly spürte ein Kribbeln im Rücken, als ihre Blicke einander begegneten, ihr Puls beschleunigte sich, doch es war nichts Unangenehmes daran. Ihn anzusehen schien so natürlich wie zu atmen. Obwohl seine schönen, blauen Augen Adrenalin durch ihre Adern und Hitze unter ihre Haut jagten, fühlte es sich beinahe beruhigend an, ganz so, als ob man lange in den Himmel schaute – oder ins Meer. Sein Blick war so weit, so klar, man wollte sich darin verlieren, ja, darin ertrinken.

Wieder war es die Kellnerin, welche nun die Getränke brachte, die Lilly aufschreckte. Überrascht bemerkte sie, dass sie, seit sie das Café betreten hatten, kein einziges Wort mit Alahrian gewechselt hatte. Das war das Merkwürdige an ihm: Sie hätte ihm gut tausend Fragen stellen können, hätte gut tausend Antworten hören wollen. Doch wenn sie ihn ansah, schien das alles völlig bedeutungslos. Dann war seine reine Anwesenheit alles, was noch zählte.

Gedankenverloren rührte sie in ihrer Schokolade. Die Tasse war mit drei Päckchen Würfelzucker gekommen, diese legte sie nun abwesend beiseite, nicht wegen der Kalorien, sondern weil die Schokolade ohnehin schon süß genug war.

Alahrian nippte, immer noch schweigend, an seinem Wasser und betrachtete dabei aufmerksam die Zuckerpäckchen, die Lilly verschmäht hatte.

»Willst du sie nicht?«, fragte er schüchtern, als ihm klar wurde, dass Lilly seinen Blick bemerkt hatte.

Ein bisschen irritiert schob sie ihm den Würfelzucker hin, als wäre er ein Kätzchen, das es zu füttern galt. Er zögerte zuerst, dann nahm er sie mit spitzen, schneeweißen Fingern entgegen und Lilly beobachtete verblüfft, wie er nacheinander zwei Päckchen auflutschte, als wären es Bonbons. So viel zur kalorienbewussten Ernährung … Auf der anderen Seite: Es war das erste Mal, dass sie ihn überhaupt etwas essen sah. Während der Pausen aß er nichts, er ging nie in die Cafeteria, er balgte sich nie mit den anderen um irgendwelche Süßigkeiten. So schlank wie er war, hätte man meinen können, er leide unter irgendeiner Essstörung, dies hier jedoch widerlegte die Theorie eindeutig. Oder?

Alahrian wurde unter ihrem Blick ein bisschen rot und hielt unbehaglich inne. »Entschuldigung«, murmelte er peinlich berührt, als habe sie ihn bei etwas Verbotenem ertappt. »Ich bin ein wenig hungrig …«

»Schon gut«, entgegnete Lilly, die ihn keineswegs hatte beleidigen wollen, hastig. Zwei Päckchen Zucker wären nicht ihre erste Wahl gewesen für ein Mittagessen, aber das war schließlich seine Sache.

»Du könntest dir ein Sandwich bestellen«, schlug sie dennoch vor, um ihn zu ermutigen. Aus irgendeinem Grund schien es ihm unangenehm zu sein, eine eigentlich so natürliche Sache wie das Bedürfnis nach Nahrung vor ihr offenbaren zu müssen.

Alahrian schielte zu der verspiegelten Theke hin und schüttelte dann heftig den Kopf. »Nein, danke«, erklärte er höflich und richtete seinen Blick auf den letzten Zucker, der noch vor ihm lag, offenbar verunsichert von Lillys verwundertem Blick.

Sie seufzte lautlos. Ein bisschen seltsam war er ja schon … Oder hatte er vielleicht einfach kein Geld, um sich etwas Ordentliches zu essen zu kaufen? Ein leiser Schrecken durchzuckte sie. Er war doch eine Waise, womöglich … Doch seine Kleidung, überlegte sie, während sie ihn schon wieder verstohlen musterte, sah nicht gerade so aus, als wäre er mittellos. Lilly achtete normalerweise nicht auf diese Dinge. Nun jedoch, wo sie gezielt danach suchte, fiel es ihr umso deutlicher auf: Auf seiner Jacke war sehr dezent und kaum sichtbar das Label eines französischen Designers gestickt und der Stoff seines sportlich geschnittenen Hemdes schimmerte glatt und zart – Seide, da war sie sich sicher. Die Marke seiner Jeans konnte sie nicht erkennen, aber es waren Markenjeans, das schien eindeutig. Nein, arm war er bestimmt nicht.

Verstohlen schob sie das letzte Zuckerpäckchen ein Stück näher zu ihm hin. Alahrian lächelte scheu.

»Darf ich dich einladen?«, fragte er, keine zwei Minuten, nachdem er den Zucker hinuntergeschluckt hatte.

Lilly nickte überrascht. Was für gute Manieren er hatte! Ganz gentlemanlike … »Gerne«, sagte sie laut und schenkte ihm ein Lächeln. »Danke.«

Nachdenklich beobachtete sie, wie er bei der Kellnerin zahlte – mit einem Fünfzig-Euro-Schein – und ein großzügiges Trinkgeld gab. Okay, er war eindeutig nicht arm … Sie brauchte also kein schlechtes Gewissen zu haben. Das machte es ihr etwas leichter, die Einladung anzunehmen, Trotzdem hatte die Situation etwas merkwürdig Prickelndes an sich. Hätte jeder für sich gezahlt, wäre es einfach nur ein Imbiss gewesen, ein Zwischenstopp im Café, flüchtig und bedeutungslos. Aber er hatte gezahlt. Entweder, weil er wirklich auf eine altmodische Art wohlerzogen war, oder … oder weil dieses Treffen doch eine Art Date gewesen war …

Ihr Herz tanzte, als sie neben ihm nach draußen trat. Dummerweise liefen sie dort direkt einer Gruppe Jungs aus seinem Volleyballteam in die Arme. Es gab ein paar vielsagende Blicke und leises Getuschel, was weder Lilly noch Alahrian entging. Die Diskretion, sich einfach wieder zurückzuziehen, hatten die Typen jedoch nicht. Es dauerte keine Minute, da waren Lilly und Alahrian von schwatzenden Klassenkameraden umgeben, die sie allmählich zum Rest der Gruppe zurückdrängten.

Alahrian warf Lilly einen entschuldigenden Blick zu, aber sie lächelte nur beruhigend. Sie hätten sich ohnehin bald zum Treffpunkt begeben müssen.

Wirklich schade, dachte sie in einem Anflug von Enttäuschung. Sie hätte gern noch ein bisschen mehr Zeit mit ihm allein gehabt.

Tanz in den Mai

»Hey, warte mal!«

Irritiert wandte Alahrian sich um und sah Thommy Niedermeier den Gang entlang auf sich zu joggen. »Ja?«

»Sag mal«, der andere wirkte ungewohnt aufgewühlt. »Gehst du mit Lilly zum Frühlingsfest?«

»Zum was?« Alahrian blinzelte verständnislos.

»Na, zum Frühlingsfest.« Thommy machte einen etwas genervten Eindruck, kramte ein Stück Papier aus seiner Jeanstasche und hielt es Alahrian hin. »Du weißt schon… Das ist doch jedes Jahr.«

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