Sophie und der Riese - Roald Dahl - E-Book

Sophie und der Riese E-Book

Roald Dahl

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Beschreibung

Ein bemerkenswert freundlicher Riese

»Was für Menschen isst du denn am liebsten?«, fragte Sophie und hatte einen Kloß im Hals. – »Ich«, brach es aus dem Riesen hervor, so laut, dass die Einmachgläser im Regal klirrten. »Ich und Leberwesen verschlingeln! Nie und nimmerlich! Die andern, ja! Alle andern verschlingeln sie jeden Ahmt, aber nich ich doch nich! Ich bin ein bemerkenswerter Riese! Ich bin ein guter Riese! Ich bin der einziglich gute Riese im Riesenland. Ich bin der GuRie, der BAUMLANGE FREUNDLICHE GURIE! Ich bin der BFG. Und wie heißt du?«

In einer silberhellen Mondnacht wird Sophie aus ihrem Bett geraubt – von einem Riesen. Zum Glück ist es der BFG, der einzige gute Riese im Riesenland. Der BFG isst nur Obst und Gemüse, doch alle anderen neun gigantischen Hannibalen ziehen jede Nacht um die Welt auf der Jagd nach leckerschmecker-knusperknäuserigen Leberwesen. Können Sophie und der BFG sie aufhalten? Wollen wir's hoffen – sonst bist du vielleicht das nächste Menschlingel, das die Riesenbiester verschlingeln wie ein Hugelgupf!

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Seitenzahl: 199

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© der deutschen Ausgabe

2023 Penguin JUNIOR in der

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Text © The Roald Dahl Story Company Limited, 1982

ROALD DAHL ist ein eingetragenes Warenzeichen von The Roald Dahl Story Company Ltd.

Illustrationen © Quentin Blake, 1982

Diese Ausgabe ist zuerst in England erschienen bei

PUFFIN BOOKS

Penguin Random House Ltd, 80 Strand, London WC2R 0RL

Umschlaggestaltung: Miriam Wasmus

Umschlagillustration: Quentin Blake

ck · Herstellung: UK

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

Reproduktion: Lorenz & Zeller, Inning a.A

ISBN 978-3-641-28870-9V002www.penguin-junior.de

Für Olivia20. April 1955 – 17. November 1962

R. D.

Die RIESEN

Der BFG (Der Baumlange Freundliche GuRie)

Der Fleischfetzenfresser

Der Knochenknacker

Der Menschenpresser

Der Kinderkauer

Der Hackepeter

Der Klumpenwürger

Der Mädchenmanscher

Der Blutschlucker

Der Metzgerhetzer

INHALT

Kapitel 1 – Geisterstunde

Kapitel 2– Wer?

Kapitel 3– Schnapp!

Kapitel 4– Die Höhle

Kapitel 5 – Der Bfg

Kapitel 6– Die Riesen

Kapitel 7– Die wundersamen Ohren

Kapitel 8– Rozzgurken

Kapitel 9 – Der Blutschlucker

Kapitel 10– Spriedelzisch und Flitzepuper

Kapitel 11– Reise ins Traumland

Kapitel 12– Auf Traumfang

Kapitel 13 – Ein Quälmichel für den Fleischfetzenfresser

Kapitel 14– Träume über Träume

Kapitel 15– Der große Plan

Kapitel 16– Der Traum wird zusammengerührt

Kapitel 17 – Die Reise nach London

Kapitel 18– Der Palast

Kapitel 19– Die Queen

Kapitel 20– Das königliche Frühstück

Kapitel 21 – Die Konferenz

Kapitel 22– Zugriff!

Kapitel 23– Das große Fressen

Kapitel 24– Der Dichter

KAPITEL 1 GEISTERSTUNDE

Sophie konnte nicht einschlafen.

Ein bleicher Mondstrahl hatte sich seinen Weg durch einen Spalt zwischen den Fenstervorhängen gebahnt und schien direkt auf ihr Kopfkissen.

Die anderen Kinder im Schlafsaal schliefen schon seit Stunden.

Sophie schloss die Augen und rührte sich nicht. Sie nahm all ihre Kraft zusammen, um endlich wegzudämmern.

Doch es half nichts. Der Mondstrahl durchschnitt den Raum wie eine Silberklinge, bis zu ihrem Gesicht.

Im Haus herrschte absolute Stille. Nicht eine Stimme, die von unten zu ihr hochdrang. Auch im Stockwerk über ihr keine Schritte. Nichts.

Das Fenster hinter dem Vorhang stand weit offen, aber niemand kam den Bürgersteig entlangspaziert. Kein Auto fuhr vorbei. Nicht das klitzekleinste Geräusch war zu hören. So was von still hatte Sophie noch nie erlebt.

Vielleicht, sagte sie sich, war das ja genau das, was die Leute Geisterstunde nannten.

Geisterstunde, hatte ihr mal jemand zugeflüstert, das war ein ganz bestimmter Moment mitten in der Nacht, wenn alle Kinder und alle Erwachsenen ganz tief schliefen und alle finsteren Schattenwesen aus ihren Ecken und Verstecken hervorgekrochen kamen und sich so aufführten, als gehörte die Welt ganz allein ihnen.

Der Mondstrahl auf Sophies Kopfkissen leuchtete inzwischen unerträglich hell. Sie beschloss, aufzustehen und den Vorhang zuzuziehen.

Jedem Kind, das nach dem Lichtausmachen außerhalb seines Betts erwischt wurde, drohte eine Strafe. Da nützte es auch nichts zu behaupten, man müsste dringend aufs Klo. Das wurde als Entschuldigung nicht anerkannt und bestraft wurde man trotzdem. Aber im Augenblick war niemand in der Nähe, da war sich Sophie ganz sicher.

Sie tastete nach ihrer Brille, die auf dem Stuhl neben ihrem Bett lag. Die Brille hatte ein Drahtgestell und sehr dicke Gläser, und ohne sie war Sophie so gut wie blind. Sie setzte sie auf, dann huschte sie aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen zum Fenster.

Beim Vorhang angekommen, hielt sie inne. Am liebsten wäre sie gleich unter ihm durchgeschlüpft und hätte sich aus dem Fenster gelehnt, um zu sehen, wie die Welt da draußen wohl ausschaute, jetzt, wo die Geisterstunde herrschte.

Sie spitzte die Ohren. Alles ruhig. Nichts als Totenstille.

Ihr Wunsch rauszuschauen war mittlerweile so stark, dass Sophie ihm nicht länger widerstehen konnte. Blitzschnell tauchte sie unter dem Vorhang hindurch und beugte sich aus dem Fenster.

Im silberhellen Mondlicht kam Sophie die Dorfstraße, die sie so gut kannte, völlig verwandelt vor. Die Häuser sahen schief und krumm aus, wie in einem Märchenfilm. Alles wirkte bleich und gespenstisch und milchig weiß.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte sie den Laden von Mrs Rance erkennen, wo es Knöpfe zu kaufen gab, Wolle und Gummibänder. Der Laden sah unwirklich aus. Auch ihn umgab etwas Trübes und Nebelhaftes.

Sophie ließ ihren Blick immer weiter die Straße hinunterschweifen. Plötzlich erstarrte sie vor Schreck. Da kam irgendwas die Straße hoch, auf der anderen Straßenseite.

Es war etwas Schwarzes …

Etwas Großes und Schwarzes …

Etwas sehr Großes und sehr Schwarzes und sehr Dünnes.

KAPITEL 2 WER?

Ein Mensch war das nicht. Ganz unmöglich. Das Etwas war viermal so groß wie der allergrößte Mensch. Es war so groß, dass sein Kopf über die Fenster im oberen Geschoss der Häuser hinausragte. Sophie sperrte den Mund auf und wollte schreien, aber sie brachte keinen Ton heraus. Ihre Kehle war vor Schreck wie gelähmt, ebenso wie ihr ganzer Körper.

Das musste die Geisterstunde sein. Kein Zweifel.

Die riesige schwarze Gestalt kam langsam näher. Sie drückte sich an die Fassaden auf der gegenüberliegenden Straßenseite und versteckte sich in den schattigen Winkeln, wo das Mondlicht nicht hinkam.

Nach und nach bewegte sie sich auf Sophie zu, näher und immer näher. Aber das geschah seltsam ruckartig. Die Gestalt stand für einen kurzen Moment still, dann machte sie ein paar Schritte, und schon hielt sie wieder inne.

Was um Himmels willen trieb sie da?

Ah-ha! Jetzt konnte Sophie erkennen, was die Gestalt im Schilde führte. Sie ging von Haus zu Haus. Vor jedem Haus hielt sie an und spähte durch eines der Fenster im Obergeschoss. Dazu musste sie sich sogar runterbeugen, so groß war sie. Sie blieb stehen und spähte rein. Dann glitt sie zum nächsten Haus, hielt wieder an, spähte rein und immer so weiter, die ganze Straße entlang.

Inzwischen war die Gestalt schon so nah, dass Sophie sie besser erkennen konnte.

Bei näherer Betrachtung kam sie zu dem Schluss, dass es sich bei ihr um eine Art MENSCH handeln musste.

Eine Art RIESENMENSCH.

Sophie starrte wie gebannt auf die gegenüberliegende Seite der im milchigen Mondlicht liegenden Straße. Der RIESE (wenn es denn wirklich einer war) trug einen langen SCHWARZENUMHANG.

In der einen Hand hielt er etwas, das aussah wie eine SEHRLANGE, DÜNNETROMPETE.

In der anderen Hand trug er einen GROSSENKOFFER.

Jetzt war der Riese direkt vor dem Haus von Mr und Mrs Goochey stehen geblieben. Die Goocheys betrieben einen Gemüseladen in der Hauptstraße, direkt gegenüber, und die Familie hatte ihre Wohnung über dem Laden. Das Schlafzimmer der beiden Goochey-Kinder lag zur Straße hin, das wusste Sophie.

Der Riese spähte durch das Fenster in das Zimmer, in dem Michael und Jane Goochey schliefen. Sophie beobachtete alles von ihrem Fenster aus und hielt den Atem an.

Sie sah, wie der Riese einen Schritt zurücktrat und den Koffer auf dem Bürgersteig abstellte. Er beugte sich vornüber. Dann öffnete er den Koffer und nahm irgendetwas heraus. Es sah aus wie ein Einmachglas, eins von den eckigen mit Schraubverschluss. Er schraubte den Deckel ab und schüttete den Inhalt in den vorderen Trichter des langen Trompetendingsbums.

Sophie sah zu und zitterte.

Sie sah, wie der Riese sich wieder aufrichtete, und sah, wie er die Trompete durch das offene Fenster schob, mittenrein ins Schlafzimmer der beiden Goochey-Kinder. Sie sah, wie der Riese tief Luft holte und – Pffft! – in die Trompete hineinpustete.

Das Dings gab keinen Laut von sich, aber Sophie war sonnenklar: Was auch immer in dem Glas gewesen sein mochte – jetzt befand es sich im Schlafzimmer der Goochey-Kinder.

Was es wohl sein mochte?

Als der Riese die Trompete aus dem Zimmer herauszog und sich bückte, um den Koffer wieder hochzunehmen, drehte er wie zufällig den Kopf und warf einen Blick auf die andere Straßenseite.

Im Mondlicht erhaschte Sophie den Anblick eines ellenlangen, runzligen Gesichts mit unfassbar großen Ohren. Über der messerscharf geschnittenen Nase funkelten zwei glühende Augen. Und diese Augen waren direkt auf Sophie gerichtet! Der Blick hatte etwas total Wildes, wie vom Teufel persönlich.

Sophie schrie auf und wich vom Fenster zurück. Sie floh quer durch den Schlafsaal, sprang in ihr Bett und zog sich die Decke über die Ohren.

Dort kauerte sie mucksmäuschenstill und zitterte vor Angst.

KAPITEL 3 SCHNAPP!

Sophie lag unter der Bettdecke und wartete.

Nachdem ungefähr eine Minute verstrichen war, lupfte sie die Decke ein wenig, ganz vorsichtig, und lugte darunter hervor.

Zum zweiten Mal in dieser Nacht gefror ihr das Blut in den Adern, und sie wollte losschreien. Aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Die Vorhänge am Fenster waren zur Seite geschoben und machten Platz für das riesige, ellenlange, runzlige Antlitz des Riesenwesens, das in den Schlafsaal starrte. Die blitzenden Augen waren genau auf Sophies Bett gerichtet.

Gleich darauf schob sich eine riesige Hand durch das Fenster, mit Fingern, die sich wie Schlangen auf sie zubewegten. Ihr folgte ein Arm, ein Arm so dick wie ein Baumstamm. Und der Arm und die Hand und die Schlangenfinger hatten alle bloß ein Ziel: Sophies Bett.

Diesmal fing Sophie wirklich an zu schreien. Aber bloß ganz kurz. Dann nämlich fuhr die riesige Hand auf die Bettdecke herab, schnappte zu wie eine Mausefalle, und Sophies Schrei erstickte in der Bettdecke.

Unter der Decke zusammengerollt, spürte Sophie, wie starke Finger sie umklammerten. Dann wurde sie mitsamt der Decke und allem Drum und Dran aus ihrem Bett gehoben und aus dem Fenster gezerrt. (Für den Fall, dass ihr euch irgendetwas Schrecklicheres vorstellen könnt, was einem mitten in der Nacht zustoßen kann, lasst es mich bitte wissen!)

Das Furchtbarste aber war, dass Sophie zwar genau spürte, was gerade mit ihr geschah, aber nichts davon sehen konnte. Sie wusste nur, dass ein Monster (oder Riese) mit einem ellenlangen, runzligen Gesicht und gefährlich dreinblickenden Augen sie mitten in der Nacht, zur Geisterstunde, aus ihrem Bett gerissen hatte und sie genau in diesem Moment, in ihre Bettdecke gezwängt, aus dem Fenster bugsierte.

Was dann passierte, war Folgendes: Kaum hatte der Riese Sophie aus dem Fenster befördert, zupfte er die Bettdecke so zurecht, dass er alle vier Zipfel mit einer einzigen seiner riesigen Hände festhalten konnte, zusammen mit der darin gefangenen Sophie. Mit der anderen Hand packte er den Koffer und das lange Trompetendingsbums, und ab ging’s.

Sophie strampelte wie wild in ihrem Bettdeckenbeutel herum, so lange, bis es ihr gelang, ihren Kopf aus einem kleinen Spalt zu stecken, direkt unterhalb der Hand des Riesen. Neugierig schaute sie heraus.

Links und rechts huschten die Häuser an ihr vorüber. Der Riese preschte die Hauptstraße hinunter. Er rannte so schnell, dass sein schwarzer Umhang hinter ihm aufwallte wie die Flügel eines Riesenvogels. Jeder seiner Schritte war so lang wie ein Tennisplatz. In null Komma nichts hatte er das Dorf hinter sich gelassen, und bald sausten die beiden quer über die mondbeschienenen Felder. Die Hecken zwischen den Feldern waren für den Riesen kein Problem. Er stiefelte einfach über sie hinweg. Als ein breiter Fluss ihm den Weg versperrte, überquerte er diesen mit einem einzigen Satz.

Sophie kauerte in ihrer Decke und spähte nach draußen. Ab und zu wurde sie gegen das Bein des Riesen geschleudert, als wäre sie ein Kartoffelsack. So ging es eine ganze Weile – über Felder, Hecken und Flüsse. Da kam ihr ein furchterregender Gedanke. Der Riese rennt so schnell, sagte sie sich, weil er hungrig ist. Er will so schnell wie möglich nach Hause, und dann wird er mich zum Frühstück verspeisen.

KAPITEL 4 Die HÖHLE

Der Riese rannte und rannte. Dann, mit einem Mal, veränderte sich die Art und Weise, wie er sich fortbewegte. Als hätte er einen höheren Gang eingelegt. Er sauste schneller und schneller, und schon bald düste er in einer solchen Geschwindigkeit, dass Sophie die Landschaft unter sich bloß noch verschwommen wahrnahm. Der Fahrtwind zerrte schmerzhaft an ihren Wangen und trieb ihr die Tränen in die Augen. Er peitschte ihren Kopf nach hinten und pfiff ihr um die Ohren. Ihr war so, als hätten die Füße des Riesen die Bodenhaftung verloren. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, sie würden fliegen. Ob sie sich dabei über Land befanden oder über dem Meer – sie konnte es nicht länger sagen. Dieser Riese musste irgendeinen Zauber in den Beinen haben. Der Wind brauste ihr jetzt so gewaltig ins Gesicht, dass sie den Kopf wieder einziehen musste, sonst wäre er ihr noch davongeflogen.

Konnte es wirklich sein, dass sie über Ozeane hinwegsausten? Es fühlte sich auf jeden Fall so an. Sophie kauerte sich in ihre Decke und lauschte dem Heulen des Winds. Stundenlang. So zumindest kam es ihr vor.

Doch dann, von einem Moment zum anderen, hörte das Sturmgeheul auf. Immer langsamer ging es voran. Bald darauf spürte Sophie, dass die Füße des Riesen wieder den Boden berührten. Sie streckte ihren Kopf aus der Decke, um zu sehen, was los war. Sie befanden sich in einem Land voller dichter Wälder und rauschender Flüsse. Der Riese war tatsächlich sehr viel langsamer geworden und lief nun fast ganz normal, obwohl »normal« ein ziemlich verrücktes Wort ist, um einen galoppierenden Riesen zu beschreiben. Er sprang über ein Dutzend Flüsse. Er raste rumpelnd durch einen großen Wald, bretterte durch ein tiefes Tal und wieder hoch über eine Hügelkette, kahl wie Beton. Schließlich galoppierte er durch eine wie ausgestorben daliegende gottverlassene Mondlandschaft. Der Boden war eben wie ein Brett und von einem ausgeblichenen Gelb. Weit darüber verstreut lagen blaue Felsbrocken, und überall ragten abgestorbene Bäume aus dem Boden wie Skelette. Der Mond war schon lange untergegangen, und der Morgen begann zu dämmern.

Plötzlich sah Sophie, die immer noch aus ihrer Bettdecke hervorlugte, vor sich einen großen, zerklüfteten Berg. Der Berg war dunkelblau, und der Himmel um ihn herum erstrahlte in glitzerndem, gleißendem Licht. Zwischen zarten frostig-weißen Wolkenfetzen schwebten Stückchen hell strahlenden Goldes, und über den Bergkamm hinweg erhob sich der blutrote Strahlenkranz der Morgensonne.

Am Fuße des Berges machte der Riese halt. Er schnaufte heftig. Sein riesiger Brustkorb hob und senkte sich. Er machte eine Pause, um wieder zu Atem zu kommen.

Direkt vor ihnen, am Fuß des Berges, sah Sophie einen riesigen runden Felsblock. Er war so groß wie ein Haus. Der Riese streckte seinen Arm aus und rollte ihn so mühelos zur Seite, als wäre es ein Fußball, und da, wo eben noch der Felsblock gelegen hatte, öffnete sich jetzt ein gewaltiges schwarzes Loch. Das Loch war so groß, dass der Riese nicht mal seinen Kopf einziehen musste, als er sich hineinbewegte. Immer noch trug er Sophie in der einen, das Trompetendingsbums und den Koffer in der anderen Hand.

Kaum war der Riese eingetreten, drehte er sich um und wälzte den großen Felsblock zurück auf seinen Platz, damit der Eingang zu seinem Versteck jedem Blick verborgen blieb.

Jetzt, wo der Eingang verschlossen war, drang nicht mehr das kleinste Lichtfitzelchen in die Höhle. Es war stockdunkel.

Sophie spürte, wie sie heruntergelassen und auf dem Boden abgesetzt wurde. Dann ließ der Riese die Zipfel ihrer Bettdecke los, und seine Schritte entfernten sich. Sophie saß im Dunkeln und zitterte vor Angst.

Jetzt wird er mich fressen, dachte sie. Jetzt gleich. Wahrscheinlich roh, so, wie ich bin.

Vielleicht schmeißt er mich auch vorher in den Kochtopf.

Oder er wird mich braten. Wird mich wie ein Stückchen Schweinespeck in eine riesige Bratpfanne werfen und in heißem Fett ordentlich durchbrutzeln lassen.

Plötzlich flammte ein Licht auf und erleuchtete alles um sie herum. Sophie blinzelte und war starr vor Staunen.

Was sie sah, war eine riesengroße Felsgrotte mit einer hohen gewölbeartigen Decke.

Die beiden Seitenwände waren vollgestellt mit Regalen, und auf den Regalbrettern standen reihenweise Einmachgläser, eins neben dem anderen, Gläser, wohin man sah. Sie stapelten sich in allen Ecken und Winkeln.

Und mittendrin standen ein vier Meter hoher Tisch und ein dazu passender Stuhl.

Der Riese nahm seinen schwarzen Umhang von den Schultern und hängte ihn an einen Nagel in der Wand. Sophie sah, dass er unter dem Umhang eine Art kragenloses Hemd trug und eine schmutzige alte Lederweste, die anscheinend keinen einzigen Knopf mehr hatte. Seine Hose war von einem ausgeblichenen Grün und hatte viel zu kurze Beine. Seine nackten Füße steckten in einem Paar lächerlicher Sandalen, an deren Seiten sich kleine Löcher befanden, aus welchem Grund auch immer. Vorne war das Loch so groß, dass die Zehen daraus hervorschauten. Sophie kauerte in ihrem Nachthemd auf dem steinernen Höhlenboden, starrte durch die dicken Gläser ihrer Nickelbrille und ließ den Riesen nicht aus den Augen. Sie zitterte wie Espenlaub, und ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hoch und runter.

»Ha!«, brüllte der Riese und marschierte händereibend auf sie zu. »Was haben wir denn da?« Seine dröhnende Stimme ließ die Wände erbeben wie ein gewaltiger Donnerschlag.

KAPITEL 5 Der BFG

Der Riese hob die zitternde Sophie mit einer Hand in die Höhe, trug sie quer durch seine Höhle und setzte sie auf den Tisch.

Jetzt ist es so weit, dachte Sophie, jetzt frisst er mich auf.

Der Riese setzte sich hin und starrte Sophie an. Seine Ohren waren wirklich gewaltig. Ein jedes so groß wie ein Lastwagenrad, und es hatte den Anschein, als könnte er sie ausklappen oder anlegen, ganz nach Belieben.

»Hunger!«, brüllte der Riese. Er grinste quer übers Gesicht und zeigte seine gewaltigen, quadratischen Zähne. Die Zähne waren sehr weiß und sehr quadratisch, und sie steckten in seinem Mund wie riesige Toastbrotscheiben.

»B… bitte friss mich nicht«, stammelte Sophie.

Der Riese lachte schallend auf. »Bloß weil ich ein Riese bin, denkst du, ich bin ein menschenfressender Hannibale!«, brüllte er. »Stimmt! Riesen sind hannibalistisch und morzmörderich! Tun menschliche Leberwesen fressen, ganz besonders gern kinderliche Leberwesen als wie du. Erst recht hier in Riesenland! Um uns rum gibs nix als wie Riesen! Da draußen is berühmter Knochenknacker-Riese. Knochenknacker tut jeden Tag zwei knackig-knusprige Leberwesen zum Ahmtessen zerknackern! Krach ohrenbestäubend! Krachen von knackenden Knochen klingt kilometerweit. Knackedi-knackediknack!!«

»Autsch«, sagte Sophie.

»Knochenknacker tut grunzsätzlich nur Leberwesen aus Luxembörg fressen«, sagte der Riese. »Jede Nacht kaloppiert Knochenknacker nach Luxembörg und frisst Luxembörger.«

Diese Bemerkung vertrug sich nicht mit Sophies Heimatliebe. »Sind wir Engländer ihm etwa nicht gut genug?«, platzte es aus ihr heraus. »Warum ausgerechnet Luxemburger?«

»Was heißt hier ausgerechnet?«, sagte der Riese. »Knochenknacker kann überhaup nich rechnen! Er sagt bloß, Luxembörger schmecken viel saftiger und knusperknabberknäuseriger als alle andern! Er sagt, Luxembörger sind absolute Luxusbörger.«

»Na ja«, sagte Sophie, »er muss es ja wissen.«

»Und ob er das weiß!«, brüllte der Riese. »Jedliches Leberwesen is unverstellbar unterschieblich. Manche sind knusperknabberknäuserig und manche schlibberschlabber koppeistergescheißert.«

»Schon möglich«, sagte Sophie. Doch insgeheim fragte sie sich mit leichtem Schaudern, wohin dieses ständige Gerede über das Verspeisen von Menschen noch führen sollte. Wie auch immer, ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als gute Miene zu machen, zu allem, was diesem merkwürdigen Riesen einfiel, und über seine Witze zu lachen.

Aber waren das überhaupt Witze? Vielleicht diente das ständige Geschwätz vom Essen diesem riesigen Wüstling ja bloß dazu, seinen Appetit anzuregen.

»Wie ich versagt hab«, fuhr der Riese fort, »alle Leberwesen haben unterschiebliche Geschmecker. Leberwesen aus Panama, zum Beispiel, schmecken nach Strohhüte.«

»Warum nach Hüten?«, fragte Sophie.

»Sehr schlau bis du nicht grade«, sagte der Riese, »eher krumm.« Er wedelte mit seinen großen Ohren. »Ich dachte, Leberwesen als wie du sind voller Grips, aber dein Kopf is wohl hohl. Wie Kürbisse an Hohlowien.«

Kürbisse brachten Sophie auf eine Idee. »Isst du eigentlich gern Gemüse?«, fragte sie und hoffte das Gespräch damit auf etwas weniger heikle Lebensmittel zu lenken. »Oder Früchte?«

»Du bist mir ja ein sauberes Früchtchen! Willst wohl das Thema wechseln?«, rief der Riese missbilligend. »Wir haben grad sehr interessante Sprechzeit über wie Leberwesen schmecken. Und Leberwesen sind kein Gemüse oder Früchte nich.«

»Und was … was ist mit … sauberen Früchtchen?«, fragte Sophie.

»Die auch nich. Weniksens leberwesentliche Früchtchen nich«, sagte der Riese. »Leberwesentliche Früchtchen haben zwei Beine. Gemüse und Früchte haben gar keine Beine.«

Sophie hörte auf, dem Riesen zu widersprechen. Das Letzte, was sie wollte, war, ihn gegen sich aufzubringen.

»Leberwesentliche Früchtchen«, fuhr dieser fort, »gibs in Dillionen unterschiebliche Geschmecker. Leberwesen aus Irrland, zum Beispiel, schmecken irre gut.«

»Du meinst Iren aus Irland«, sagte Sophie. »Irre ist etwas ganz anderes.«

»Irren oder Iren, ganz egal«, sagte der Riese. »Faselquatsch nich mit Wörter rum. Ich tu dir noch ein andres Beispiel geben. Leberwesen von der Insel Ölland schmecken irnkwie ganz früchterlich nach Öl.«

»Das heißt Ö-land, nicht Öl-land«, sagte Sophie.

»Du tust ja schon wieder faselquatschen«, brüllte der Riese. »Schluss! Aus! Finnisch! Dies is ein sehr jöses und famöses Thema. Darf ich weitermachen?«

»Ja, bitte«, sagte Sophie, »klar.«

»Afghanen aus Afghanistan schmecken pfundig hundig«, fing der Riese wieder an.

»Verstehe«, sagte Sophie. »Wahrscheinlich nach afghanischen Windhunden.«

»Falsch!« Der Riese lachte laut auf und haute sich auf die Schenkel. »Afghanen aus Afghanistan tun pfundig hundig schmecken, weil sie nach Neupfundsländern schmecken.«

»Und nach was schmecken dann die Neufundländer?«, fragte Sophie.

»Nach Afghanen«, brüllte der Riese triumphierend. »Afghanischen Windshunden!«

»Bringst du da jetzt nicht irgendetwas durcheinander?«, fragte Sophie.

»Ich bin durch und durch ein anderer«, sagte der Riese. »Aber ich tu mein Bestes. Und ich bin lange nich so durch und durch anders als wie die anderen Riesen. Einen kenn ich, der tut für sein Ahmtessen den ganzen Weg nach Menschisster hetzwetzen.«

»Menschisster?«, fragte Sophie. »Wo ist denn Menschisster?«

»Du hast ein Kopf voll zermatschter Fliegen«, sagte der Riese. »Menschisster! Die Stadt in deinem Engerland.«

»Ach so«, sagte Sophie, »du meinst Manchester.«

»Sag ich doch, Menschisster. Engerlinge aus Menschisster schmecken ganz besonders knusperknabberknäuserig. Sagt weniksens der Riese, der am liebsten Engerlinge verschlingen tut.«

»Wonach schmecken die Menschen aus Manchester denn?«, fragte Sophie.

»Nach Menschissterhosen«, rief der Riese.

»Ach so«, sagte Sophie, »nach diesen ulkigen Cordhosen, meinst du. Darauf hätte ich aber auch selber kommen können.«

Sophie beschloss, dass es jetzt allerhöchste Zeit war, diese Unterhaltung zu beenden. Wenn sie schon aufgefressen werden sollte, wollte sie das lieber jetzt gleich hinter sich bringen. Lieber ein Ende mit Schrecken, dachte sie, als ein Schrecken ohne Ende. »Was für Menschen isst du denn am liebsten?«, fragte sie mit einem Kloß im Hals.

»Ich«, brach es aus dem Riesen hervor, so laut, dass die Einmachgläser im Regal klirrten. »Ich und Leberwesen fressen! Nie und nimmerlich! Die andern, ja! Alle andern tun sie verschlingeln. Jeden Ahmt! Aber ich doch nich! Ich bin ein Riese, ja! Ein baumlanger Riese! Aber ich bin ein guter Riese, bin GuRie. Ich bin der einzig freundliche Riese in Riesenland! Ich bin der BFG – der BAUMLANGEFREUNDLICHEGURIE! Und wie heißt du?«

»Sophie«, sagte Sophie und konnte kaum glauben, was sie gerade gehört hatte, so groß war der Stein, der ihr vom Herzen fiel.

KAPITEL 6 Die RIESEN

Aber wenn du so gut und freundlich bist, warum hast du mich dann aus dem Bett gerissen und entführt?«

»Weil du mich GESEHEN hast«, antwortete der Baumlange Freundliche GuRie. »Wenn irnkwer ein Riese SEHENTUT, muss er oder sie ratzfatz aus dem Verkehrt gezogen werden.«

»Warum?«, fragte Sophie.

»Lirumlarum wirumwarum«, stöhnte der BFG, »erst mal tun Leberwesen nich würglich an Riesen glauben, oder? Leberwesen denken, dass es uns nich geben tut.«

»Ich aber schon«, sagte Sophie.

»Ahwa! Doch nur bloß, weil du mich GESEHEN hast!«, brüllte der Riese. »Auf kein Fall nich kann ich erlauben, dass ganz egal werweißichdenn mich SEHEN