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Die bekannte Buchautorin und Elternberaterin Christiane Kutik zeigt die unersetzliche Bedeutung des Spielens und gibt viele Hinweise, wie man es im Alltag anregen und unterstützen kann. So gibt man dem Kind die nötigen Freiräume, damit es sich für die späteren Anforderungen des Lebens stärkt. Ein wichtiger Ratgeber für alle Eltern, Erzieherinnen und Pädagogen. Diese Darstellung weckt das Verständnis für das freie Spielen und zeigt, wie es gelingt, Spielfreude in den Alltag zu holen. Denn im Spiel gewinnt das Kind bleibende Erfahrungen, Einsichten und Fertigkeiten. Es lernt dabei – absichtslos – mehr als durch Programme und frühen Unterricht. Spielen macht Kinder stark und glücklich. Doch haben sie dafür heute genügend Freiräume? Und können sie noch richtig spielen? Wie können wir das selbstständige Spiel ermöglichen? Darauf gibt die erfahrene Pädagogin und Beraterin Christiane Kutik überzeugende und weiterführende Antworten. Sie behandelt die zentralen Themen rund ums Spiel und bietet viele Spielanregungen für Kinder in den verschiedensten Lebensphasen.
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Seitenzahl: 171
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Christiane Kutik
Spielen macht Kinder stark
Verlag Freies Geistesleben
Cover
Titel
VORWORT
VORWORT ZUR NEUAUSGABE
DAS BESTE FÜR KINDER
DAS BESTE FÜR KINDER
Schätze, die Kinder mitbringen
Die angeborene Lust zur Eigenaktivität
Verzichten Sie darauf, Ihrem Kind Ihr Handy zu überlassen …
Mangelnde Eigenbewegung schadet der körperlichen Entwicklung
«LASST UNS SPIELEN!»
ELTERNSONNE
KINDER BRAUCHEN ELTERNSONNE
MEHR BLICKKONTAKT UNDMEHR ZWIESPRACHE
Ist das Baby nicht zu klein zum Sprechen?
Die Sehnsucht, gesehen zu werden
Wenigstens ein Blick
VORBILD – INTERESSE – NACHSPIELEN
«ICH WILL MEINE RUHE»
Mitwirken dürfen beflügelt und weckt eigene Spielideen
Die Arbeitsatmosphäre ist für Kinder spielanregend
Eltern sollten aufhören, sich selbst zu unterschätzen
Kleine Kinder wollen «spielhelfen»
NACHAHMEN IST DAS SPIEL DER KINDER
«Ich habe doch nur nachgemacht»
Kinder anleiten, wie etwas wiedergutgemacht werden kann
KINDER BRAUCHEN VIELFÄLTIGE VORBILDER
Einfach mal zehn Minuten nur zugucken
WEITERE SPIELVORBILDER
HANDARBEIT DER ERWACHSENEN WECKT SPIELIDEEN
WAS SONST NOCH ZUM SPIELEN UND NACHSPIELEN ANREGT
Vorlesen
SPIELEN EINST UND JETZT
UNBEHELLIGT SPIELEN
UNBEHELLIGT SPIELEN HEUTE
Kinder in Ruhe forschen lassen
Nach eigenen Ideen spielen
Ins Spiel vertieft
DIE KUNST, EINFACH MAL NUR IM HIER UND JETZT ZU SEIN
Träumen und trödeln
Kinder brauchen Rückzugsräume
Kinder brauchen auch mal elternfrei
Mehr Zutrauen und Freiraum
Wo ist es denn möglich, die Kinder unbehelligt draußen spielen zu lassen?
WAS BESONDERS JUNGS BRAUCHEN
JUNGEN HEUTE
WAS BRAUCHEN BUBEN? WAS IST ANDERS?
BUBEN WOLLEN NICHT IMMER LIEB UND NETT SPIELEN
«Ich will wild sein»
«Könnt ihr nicht mal leise spielen?»
Buben wollen das Jungenhafte zeigen
Jungs nicht unnötig ausbremsen
Kleine Helden mit gestutzten Flügeln
Buben wollen ihre Kräfte messen
GRUNDBEDÜRFNISSE – WAS BUBEN BRAUCHEN
Jungs brauchen genügend Gelegenheiten, sich auszutoben
Experimentierecke
Jungen brauchen männliche Vorbilder und Zuwendung
Mal nur «wir Männer»
TIPPS FÜR JEDEN, DER DEN BUBEN DAS WILDSEIN VERBIETEN WILL
Ritterspiele
DIE DREI SPIELPHASEN IM VORSCHULALTER
VON NULL BIS DREI: SPIELPHASE ‹KLEINKINDALTER›
Ankommen – und sich beheimaten
Erste Spiel-Entdeckungen
Experimentieren
Kinder lernen durch Wiederholen
Schöne Augenblicke erhaschen
Was Kleinkinder gerne spielen
Was die Spielfreude der Kleinsten beflügelt
VON DREI BIS FÜNF: SPIELPHASE ‹KINDERGARTENALTER›
Schon etwas beheimatet und mit Neugier weiter
Freude an Wortspielereien
Kinder können selber spielen
«Ich bin schon groß», das ist der Ruf der Drei- bis Fünfjährigen
‹Was ich mir wünsche›
VON FÜNF BIS SIEBEN: SPIELPHASE ‹VORSCHULALTER›
Bewegungslust und Spielgesellen
Ideen finden und Spielen mit Regeln
‹Wisst ihr eigentlich, wie das ist, wenn man fünf ist?›
Spielen und Schaffen
ELTERLICHER SPIELSTATUS MIT HUMOR
SPIELLUST IN DEN ALLTAG EINLADEN
In schwierigen Situationen selber in den Spielstatus wechseln
MAGISCHE FIGUREN ALS GUTE HELFER
Max der Held
Was macht eine magische Figur so erfolgreich?
Was tun, wenn Ungeheuer auftauchen?
Unsichtbare Spielgefährten
PUSTEWIND UND HEILE-SEGEN
WENN ELTERN SELBER SPIELEN, STECKT DAS AN
Spielen, Singen, Reimen
Wer singt, schimpft nicht
Mit Humor reagieren
Spielproviant, der das Warten verkürzt
Wartespiele ohne Material
DRAUSSEN SPIELEN
KINDER IN DER NATUR
Wo sind sie denn?
Kontakt mit der Natur?
OUTDOORBEREICH?
Wunder entdecken und spielen
Spazierspielen
Rausgehen in die echte Natur stärkt
Dreck, Matsch, Sand
Die Natur beflügelt und weckt Spielideen
Unbehelligt draußen in der Natur
Auf Bäume klettern
«Unser Kind ist so schwierig»
Wild spielen – austoben
Undigital zum Wildererpicknick
Wieder mehr Wege zu Fuß zurücklegen
Bewegungslust anspornen
Draußen mit anderen
HILFE, MEIN KIND KANN NICHT SPIELEN
«UNSER KIND HAT SO VIEL SPIELZEUG UND WILL TROTZDEM NICHTS ALLEIN TUN»
SPIELSACHEN – SPIELMATERIAL
WAS BRAUCHEN KINDER WIRKLICH ZUM SPIELEN?
Kinder können aus allem etwas machen
Spielzeug für Sinne und Fantasie
Fantasievoll spielen stärkt die geistige Beweglichkeit
MALEN
Malblock und Stifte
Spielen mit der Spur
Zugang zur inneren Ausdruckskraft
BEWÄHRTE SPIELWAREN UNDSINNVOLLES SPIELZEUG FÜR DIE SINNE
Naturmaterial für drinnen
Spieltücher
Ungesponnene Schafwolle – Märchenwolle
Wachs
Die Puppe – oder was zum Liebhaben
Buben eine Puppe schenken?
BEWEGUNGSEINLADENDES SPIELZEUG
Etwas zum Hinterherziehen
Springseil und Schwungseil
Schaukel
Ball
Eine Fußbank
«NEIN, DAS KAUFE ICH NICHT»
CHEMIEFREIES SPIELMATERIAL
Gut gemeint ist nicht immer gut getan
«RÄUM SCHÖN AUF!»
Aufräumstress ade
ANHANG
ANMERKUNGEN
VERZEICHNIS DER SPIELE UND SPIELANREGUNGEN
Impressum
Leseprobe: Christiane Kutik – Herzensbildung
Der Hauptberuf der Kinder ist Spielen. Kinder kommen mit einer natürlichen Spielfreude ausgestattet auf die Welt. Spielideen sprudeln im Hier und Jetzt – bis ins erste Schulalter hinein. Ohne Anstrengung. Ohne Anleitung. Ohne Aufforderung. Ganz von sich aus. Allerdings nur, solange die Kinder nicht gestört oder abgelenkt werden.
Entscheidend ist, dass wir Erwachsenen diese natürliche kindliche Spielfreude auch sehen. Dass wir Kindern ihre ureigene Lust an Eigenaktivität gönnen. Dass wir einen Blick dafür entwickeln, wie Kinder von Anfang an Vergnügen daran haben, mit allen Sinnen tätig zu sein. Wie sie spielend versuchen, die Welt zu erfahren und zu begreifen. Mit ganzem Körpereinsatz, mit Händen, Füßen, Augen und mit munteren Tönen und Lauten. Aus eigenem Impuls. Freudestrahlend über jeden kleinen Schritt, der ihnen gelingt auf dem Weg, sich aufzurichten, zu stehe zu gehen und nach und nach immer geschickter zu werden.
Das zeigt der Stolz in ihren Augen, wenn sie selbst etwas geschafft haben. Und es stärkt ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstvertrauen.
Wenn Sie als Eltern überlegen: ‹Welches ist die beste Förderung für mein Kind im Vorschulalter?›, so gibt es nichts Besseres, als dafür zu sorgen, dass Ihre Kinder von klein auf genügend Freiraum und Gelegenheit zum Spielen haben – allein und mit anderen Kindern. Spielend eignen sich Kinder – ganz zweckfrei – Fähigkeiten an, die ihnen ihr ganzes Leben zugutekommen. Sie werden dadurch geistig und körperlich immer geschickter.
Kinder mögen es, wenn mit ihnen gespielt wird. Doch bereits sehr kleine Kinder wollen und können sich immer wieder für gewisse Zeitspannen selbst beschäftigen. Auch darum geht es – unter anderem – in diesem Buch, dass Erwachsene keine Entertainer sein sollen, die ständig Spielvorschläge anbieten. Denn Kinder brauchen die Erfahrung, unabhängig von den Großen frei und selbstbestimmt zu spielen. Nach eigenen Ideen und eigener Fantasie.
Spielen macht Kinder stark. Gerade in schwierigen Zeiten wie diesen, wo Kinder durch verordnete Hygiene- und Abstandsregeln vielerorts in ihrer natürlichen Spielfreude und Spontaneität ausgebremst werden, ist Spielen für sie so unentbehrlich wie die Luft zum Atmen. Selber spielen ist auch für uns Erwachsene beglückend. «Elterlicher Spielstatus und Humor» heißt daher ein Kapitel in diesem Buch. Weil es beim Spielen nicht darum geht, die Zeit zu vertändeln, sondern belebend auszuschöpfen. «Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.»1
Christiane Kutik, am 9. August 2021
Kindergeheimnis
Es gibt einen Schatz in jedem Kind, und der ist Neugier, ist selber experimentieren, entdecken, ist spielen und nebenbei wichtige Sachen lernen. Gelernt wird, was interessiert.
Das ist das Kindergeheimnis.
Jeder will das Beste für sein Kind. Doch was ist tatsächlich das Beste für das kleine Kind? Dafür ist es nötig, die Aufmerksamkeit auf das Kind selbst zu richten und es in seiner Eigenart wahrzunehmen. Was gehört denn in den ersten Lebensjahren – ganz typisch – zum Wesen des Kindes? Da lässt sich Erstaunliches entdecken.
Kinder kommen höchst motiviert zur Welt. Unübersehbar ist ihre Freude, sich zu bewegen, nachzuahmen und Neues zu entdecken: Alles lockt zum Spielen.
Bewegungsdrang, Nachahmungstrieb und Entdeckerfreude sind regelrechte Schätze, die Kinder mitbringen.
Bewegungsdrang: Der Bewegungsdrang und die Bewegungsfreude sind überaus weise Einrichtungen der Natur, denn indem ein Kind sich frei und selber bewegt, wird es immer geschickter. Es lernt von sich aus, sich in seinem Körper zu beheimaten und seine Bewegungen mit Armen, Beinen, Füßen und Händen immer besser und gezielter zu führen. Doch braucht es den Erwachsenen, der Eigenbewegung vorlebt, denn Kinder sind Nachahmer.
Nachahmungstrieb: Den Nachahmungstrieb können wir gar nicht genug wertschätzen, denn wesentliche menschliche Fähigkeiten, wie beispielsweise Stehen, Gehen und Sprechen, erwirbt sich ein Kind durch Spielen und Nachahmen. Erklärungen oder Ermahnungen («mach dies, mach jenes») würden in dem Zusammenhang nichts nützen.
Und jeder kann das beobachten. Beobachten ist zentral, denn damit sind wir beim Kind selbst statt beim eigenen Wunschdenken, was es erreichen soll.
Was im Alltag echt vorgelebt wird, erweckt das kindliche Interesse zum Nachmachen und Lernen. ‹Das, was die Großen können, will ich auch. Das interessiert mich. Das probiere ich. Dazu habe ich Lust. Ich experimentiere und spiele, bis ich es kann.›
Selbst zwei verschiedene Sprachen können sich Kinder durch Nachahmung aneignen, wenn Vater und Mutter unterschiedliche Muttersprachen haben und jeder die seine von Anfang konsequent mit den Kindern spricht. Zwei Sprachen sind dann ihr Alltag und kein Lernprogramm.
Entdeckerfreude: Alles, was die kindliche Neugier weckt, lockt zum Spielen und Experimentieren. Als ob das Kind uns mitteilen würde:
‹Etwas interessiert mich. Das will ich dann auch anfassen und tasten, wie es sich anfühlt, und riechen und schmecken und hören, wie etwas klingt. Das macht mir Freude. Und ich will ganz oft das Gleiche wiederholen. Manche glauben, dass das langweilig ist, aber das stimmt nicht. Ich will doch die Sachen kennenlernen. Das geht nicht so husch, husch. Die Erwachsenen, die sich auskennen, sagen, dass das wichtig ist.›
Stimmt. Indem ein Kind tastet, greift, riecht, guckt, schmeckt, lauscht, lernt es – beiläufig – Qualitäten, Strukturen, Zusammenhänge und physikalische Gesetze kennen. Tätigsein mit den eigenen Sinnen baut die Brücke zur Ausbildung der Denkfähigkeit. Durch eigenaktives Spielen, Forschen, Erkunden und Bewegen entstehen Strukturen im Gehirn, und geistige Fähigkeiten bilden sich aus. «Was Kinder in ihren ersten Lebensjahren an Strukturen nicht mit auf den Weg bekommen, holen sie später kaum mehr auf.»2
Eigenaktivität mit allen Sinnen ist der Antrieb zur sogenannten «sensorischen Integration», also zu dem Vorgang, durch den «das Gehirn Auskünfte von den Sinnen aufnimmt, erkennt, deutet und eingliedert, um daraufhin mit einer anpassenden Handlung zu reagieren».3
Nicht umsonst heißt es: «Es ist nichts im Kopf, was nicht zuvor in den Sinnen war.»
Doch diese Lust zur Eigenaktivität kann auch verloren gehen, wenn Kinder sich zu wenig bewegen. Erwachsenen mag es bequem erscheinen, wenn Kinder stillhalten. Und mit einem digitalen Gerät lässt sich das jederzeit einrichten. So wird das elterliche Smartphone vielfach schon den Kleinsten überlassen. Suchtfaktor inbegriffen – mit der Folge, dass oft schon die Jüngsten mit Händen und Füßen nach dem Handy gieren.4
… denn es fördert Kinder keineswegs. Sondern es schwächt ihren natürlichen Antrieb, eigene Spielideen zu entwickeln. Kinderärzte schlagen Alarm und warnen vor den negativen Folgen von digitalen Medien: «Säuglinge und Kleinkinder fördern, das funktioniert nicht … am Tablet, sondern durch Knuddeln, Toben oder auf dem Schoß sitzen. Ein kleines Kind lernt bei jeder Bewegung, die es macht, weil es Rückmeldung von seinen Muskeln bekommt. Es lernt auch aus dem Blickkontakt zu seinen Bezugspersonen: Die Mutter lächelt es bestätigend an oder schaut erschrocken, wenn es zur Schere greift. Stehen Eltern vor der Entscheidung, ob ihr Kleinkind mit Bauklötzen oder einer App spielen soll, dann würde ich immer die Bauklötze vorziehen», sagt der Kinderneurologe Volker Mall.5
Landauf, landab weisen Fachkräfte aus ärztlichen und pädagogischen Zusammenhängen darauf hin, dass Kinder, die einst gesund zur Welt kamen, im Laufe ihrer ersten Kinderjahre schon unter körperlichen Beeinträchtigungen leiden, weil sie viel zu wenig Gelegenheit zum Spielen, Hüpfen, Rennen, Werfen, Fangen und Klettern hatten. Lehrer beklagen Motorikschwächen ihrer Schüler: «Viele Kinder können nicht mal mehr einen Purzelbaum.»6
Inzwischen ist jedes fünfte Kind in Europa zu dick. Immer häufiger werden Haltungsschäden diagnostiziert. Kinder werden immer ungelenker und ungeschickter.
Viele haben als Fünf- oder Sechsjährige noch Schwierigkeiten, sich selber die Hände zu waschen, sich allein anzuziehen, die Jacke zuzuknöpfen, einen Reißverschluss zu schließen, Schuhe zu binden, ein Butterbrot zu streichen oder mit Besteck zu essen.
Vielleicht können die Kinder drei Worte auf Englisch sagen oder bis hundert zählen – doch was nützt das, wenn sie nicht gelernt haben, selber zu bewältigen, was altersgemäß leistbar wäre?
Es gibt keine bessere Vorbereitung auf das Leben als das freie Spiel in der Kindheit.7
Wenn Sie, liebe Eltern, Ihre Kinder tatsächlich fördern wollen, dann ermöglichen Sie ihm eigenaktives Spielen. Lassen Sie ihre Kinder selbst tätig sein, selbst experimentieren, selbst entdecken und nachspielen.
Je mehr ein Kind eigenaktiv tätig ist, umso mehr Lebenskompetenz erwirbt es sich. «Aus der Art, wie ein Kind spielt, kann man erahnen, wie es seine Lebensaufgabe ergreifen wird.»8
Wie kommt es nur,
dass wir das Liebste, was wir haben,
kaum wirklich anschauen?
Wie kommt es nur,
dass wir unseren Kindern
so selten in die Augen sehen?
Sehnt sich doch jedes Kind danach,
in Elternaugen zu lesen:
‹Ich hab dich lieb. Ich sehe dich gerne.
Es ist gut, dass es dich gibt.›
Kinder brauchen kein «Helfen» beim Spielen. Doch sie brauchen den Erwachsenen als Gegenüber – die Elternsonne, die ihnen Licht und Rückhalt gibt: Sie wollen angeschaut und wahrgenommen werden und spüren: ‹Ja, hier bin ich richtig!› Denn genau das beflügelt die kindliche Lust zum Spielen und Experimentieren.
Erinnern Sie sich noch an die erste Babyzeit, an das allererste Lächeln Ihres Kindes? So etwa ab der vierten bis sechsten Lebenswoche zeigt es sich. Es ist das sogenannte Engelslächeln. Das ist so ansteckend, dass es den Erwachsenen – normalerweise – ermuntert zurückzulächeln: lächeln – zurücklächeln. Es ist ein Geben und Nehmen und Wieder-Geben, das beiderseits beglückt. Schenken Sie Ihrem Kind immer wieder Elternsonne! Nehmen Sie Blickkontakt auf. Lächeln Sie es mit Wohlwollen an. – Wo es nur geht, ohne Maske. Denn kleine Kinder sind auf offene Gesichter der Erwachsenen angewiesen. «Die Mimik, die Gestik, die Stimme und die Gefühle, die sich darin ausdrücken, werden von den Kindern wahrgenommen und gedeutet. Insbesondere für den Spracherwerb kann es daher sehr problematisch sein, wenn die Bezugsperson Mund und Nase bedeckt, da dem Kind in diesem Fall wichtige nonverbale Signale fehlen.»9 Liebevolles Angeschautwerden zeigt mehr als alle Worte: ‹Ich hab dich lieb. Ich seh dich gerne. Es ist gut, dass es dich gibt.›
Das lässt Kinder aufblühen – wie Blumen unter der Sonne. Wirklich wahrgenommen zu werden bestärkt das eigene Sein. Es gibt Rückhalt, es erheitert und weckt die Spielfreude.
Lassen Sie sich nicht beirren, liebe Eltern, wenn Unwissende über solche Lächelspiele den Kopf schütteln. Abgesehen davon, dass sie Freude machen, sind sie auch eine wichtige Stärkung für Ihr Kind. «Das wahrnehmende Lächeln der Eltern schützt vor negativen Stress-Einwirkungen, denen das Kind im Laufe seiner weiteren Entwicklung ausgesetzt ist … Es reagiert weniger angstvoll oder aggressiv, wenn es nur häufig genug diesen wahrnehmenden Lächeldialog erlebt hat.»10
‹Ich bin ja da›, mögen Eltern denken, die mit ihrem Baby unterwegs sind, aber gleichzeitig intensiven Augenkontakt zu ihrem Handy statt zu ihrem Kind haben.
‹Na und, was macht das schon?›
Den Kleinsten macht es sogar sehr viel aus, wenn Eltern nur körperlich anwesend, jedoch geistig ganz woanders sind, denn sie sind vollkommen angewiesen auf die Eltern. Sie brauchen ein verlässliches Gegenüber, statt sich wie ein fünftes Rad am Wagen zu erleben. Kinder wollen aktiv wahrgenommen werden, wenn sie mit ihren Eltern unterwegs sind. Statt unbeachtet nebenherzulaufen.
«In der U-Bahn sollte man die Handys verbieten, damit sich die Erwachsenen wieder mehr mit uns beschäftigen», wünscht sich eine Fünfjährige auf die Frage: «Was wünschst du dir von deinen Eltern?»
Und – mal ehrlich – es ist doch auch für uns als Eltern geselliger und heiterer, das Kind liebevoll im Blick zu haben und mit ihm zu plaudern, statt ins Handy zu sprechen.
Drehen Sie also den Kinderwagenaufsatz so herum, dass Sie Ihr Kind anschauen können, wenn Sie mit ihm unterwegs sind. Denn ein kleines Kind blickt am liebsten auf das Liebste, was es hat: auf das freundliche Gesicht von Mutter, Vater oder einer anderen Bezugsperson. Es braucht liebevolle Blicke und Ansprache, um Urvertrauen und eine sichere Bindung aufzubauen. Selbst wenn es beim Ausfahren schläft, erfährt es dadurch einen Raum der Geborgenheit. Ist es wach, sind kleine Miteinander-Spielchen möglich, wie Anlächeln, Zunicken, Girren, Summen, Miteinander-Sprechen.
Bestimmt nicht, denn schon wenige Wochen alte Babys reagieren mit Zurücklächeln und Babysprache. Schenken Sie Ihrem Kind also Elternsonne, liebe Eltern. Das stärkt die Beziehung und macht fröhlich.
«Anfangs wusste ich das auch nicht», sagt eine Mutter. «Jetzt fahre ich mein Kind so, dass wir uns anschauen können. Seitdem sind wir viel vergnügter unterwegs. Wenn es wach ist, plaudern wir – oder ich summe ihm etwas. Wir genießen das.»
Es ist also ganz wichtig, die Kinder in den Zeiten, in denen wir sowieso mit ihnen zusammen sind, mehr anzuschauen. Babys, die den Kopf schon drehen können, inszenieren selber schon kleine Spiele. Beispielsweise dieser Säugling, der gerade ausprobiert: ‹Wie ist das, wenn ich den Kopf zur Seite drehe? Dann kann ich machen, dass ich weg bin.› Nun vorsichtig wieder zurück: ‹Ist Mama wieder da? Ja, sie schaut. Sie sieht mich. Sie lacht mich an!› Die Babyaugen leuchten. Gleich noch einmal das schöne Spiel!
Das ist typisch Kind. Was ihm gefällt, will es wiederholen. Noch mal und noch mal und noch mal freut es sich über seine Eigenwirksamkeit. Es erlebt: ‹Ich kann machen, dass wir uns wieder sehen.› (Siehe auch S. 96)
Anschauen und Angeschaut-Werden beglückt Eltern und Kind und bringt Licht in den Alltag.11
Kinder wollen ihre Spielfreude gerne mitteilen und zeigen, was sie entdeckt haben. Sie suchen immer Blickkontakt: ‹Siehst du das?› – ‹Freust du dich auch?› – ‹Oder etwa nicht?› Was mag wohl das Kind in dem folgenden Beispiel fühlen?
«Schau mal», strahlt der Zweieinhalbjährige, der beim Spaziergang einen Riesenschilfhalm vom Boden aufgehoben hat und ihn mit beiden Händen hoch hält. Mama: «Warte, warte, bleib so!» Nun kramt sie in ihrer Tasche, holt ein Gerät heraus. «Lach noch mal so schön wie vorhin», sagt sie und macht ein Foto. Und noch eins. Klick. Klick. – ‹Komisch, die Großen. Erst gucken sie gar nicht richtig hin. Und dann durch ein Gerät.›
Wie wäre es, mal nicht zu fotografieren? Das Kind mal in seiner herrlichen Spielidee zu respektieren und es wahrzunehmen, etwa in dem Sinn: «Bist du groß! Du bist ja ein Riese!» Herzliche Rückmeldung beglückt und bestärkt ein Kind in seiner Spielfreude.
Und wie mag es diesem Kind gehen?
Freudig kommt der Viereinhalbjährige von draußen herein: «Du, Papa …» – Papa ist auf dem Sofa, die Zeitung vor der Nase: «Hm.» – Das Kind: «Ach, du liest ja Zeitung.» – Der Vater, den Blick weiterhin auf das Blatt geheftet: «Erzähl ruhig, ich kann beides.» – Das Kind geht weg und behält das Tolle, was es gerade entdeckt hat, für sich. Und der Vater fragt auch nicht weiter.
Doch nächstes Mal sollte er das tun. Jeder von uns sollte einem Kind Respekt zeigen.12
Hier zum Beispiel hätte schon ein Augenblick genügt. Einfach mal kurz dem Kind in die Augen gucken, es anlächeln, ihm zunicken. Wir Menschen sind alle so gestrickt: Wenn einer mit dem anderen spricht, dann braucht er Blickkontakt als Bestätigung. So ein Moment Elternsonne vermittelt einem Kind: ‹Du bist wichtig.› Das Gefühl, wichtig zu sein, ist ein wesentlicher salutogener Faktor,13 der die Lebenskräfte stärkt und zum Weiterspielen ermuntert.
Kinder wünschen sich im Grunde: ‹Liebe Eltern, schaut uns nicht nur dann an, wenn ihr glaubt, streng sein zu müssen. Lächelt öfter – auch wenn wir schon aus dem Babyalter raus sind. Schenkt uns Elternsonne.› Eine kleine Geste. Ohne Aufwand. Die Kinder lächeln garantiert zurück. Und es stärkt ihr Selbstwertgefühl, wenn sie zwischendurch freundlich wahrgenommen werden.
«Was machst du da?»
«Kochen, waschen, putzen, aufräumen, reparieren.»
«Ich will auch!»
«Dafür bist du noch zu klein!»
«Ich will aber!»
«Dann dauert nur alles länger, geh schön spielen!»
«Das will ich doch – bei dir!»