Sport für Entwicklung und Frieden - Lea Ackermann - E-Book

Sport für Entwicklung und Frieden E-Book

Lea Ackermann

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Beschreibung

"Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Zugang zu Leibeserziehung und Sport, die für die volle Entfaltung seiner Persönlichkeit wesentlich sind. Die Freiheit, körperliche, geistige und moralische Kräfte durch Leibeserziehung und Sport zu entfalten, muss sowohl innerhalb des Bildungssystems, als auch in anderen Bereichen des sozialen Lebens gewährleistet sein." So hat bereits 1979 die UNESCO in ihrer "Internationalen Charta für Leibeserziehung und Sport" in Artikel 1 den Sport als "Grundrecht für jeden" festgehalten. Von daher genießt der Sport offiziell einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Sport hat große Potenziale, macht Freude. Sport fördert körperliche und seelische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis ins hohe Alter. Sport vermittelt wichtige gesellschaftliche Werte wie Fairness, Toleranz, Respekt, Disziplin und soziales Engagement. Sport stärkt das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen und fördert die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, mit Niederlagen umzugehen, zu helfen, schwierige Lebenslagen zu meistern, Perspektiven für die eigene Zukunft zu entwickeln, es sind ungezählte Möglichkeiten. Aber erst langsam wird das enorme Potenzial, das der Sport bietet, als ein effektives Instrumentarium gerade auch in der Entwicklungszusammenarbeit erkannt.

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Vorwort von Gerhard Schröder

Mit Beiträgen von Norbert Neuser, Schwester Dr. Lea Ackermann, Dr. Christoph Beier, Ferhat Cato, Walter Desch, Malu Dreyer, Reinhard Grindel, Willi Lemke, Louis Michel, Neven Mimica, Dr. Gerd Müller, Torben Oberhellmann, Martin Schulz, Neven Subotic

INHALT

Vorwort

Gerhard Schröder

Sport hat große Potenziale – für eine bessere und effektivere Entwicklungszusammenarbeit

Norbert Neuser

SOLWODIS Weg in Kenia: Mit dem Fußball heraus aus Not und Elend

Schwester Dr. Lea Ackermann

Sport als Instrument der Entwicklungszusammenarbeit – Beispiele erfolgreicher Vorhaben der GIZ

Dr. Christoph Beier

Fußball als Botschaft des Friedens und der Aussöhnung Trainerlegende Rudi Gutendorf in Ruanda

Ferhat Cato

Der Fußballverband Rheinland (FVR) und seine Aktivitäten in Ruanda

Walter Desch

Sport fördert die Partnerschaft Rheinland-Pfalz und das Partnerland Ruanda – Zusammenarbeit im Sport

Malu Dreyer

Der Deutsche Fußballbund (DFB) und sein Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit

Reinhard Grindel

Sport als effektives Mittel zur Erreichung von Friedens- und Entwicklungszielen

Willi Lemke

Sport als Hebel für Entwicklung

Louis Michel

Der Sport in der europäischen Entwicklungspolitik

Neven Mimica

Die Rolle des Sports in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Dr. Gerd Müller

skate-aid – Welten bewegen

Torben Oberhellmann

Sport in der Entwicklungszusammenarbeit

Martin Schulz

Sport hat großes Potenzial in der Entwicklungsarbeit

Neven Subotic

Die Autorinnen und Autoren

VORWORT

von Gerhard Schröder

„Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Er hat die Kraft, zu inspirieren. Er hat die Kraft, Menschen zu vereinen, wie es sonst nur weniges kann. Er spricht die Jugend in einer Sprache an, die sie versteht. Sport kann Hoffnung erwecken, wo vorher nur Verzweiflung war“, sagte einst Nelson Mandela. Das gilt besonders auch in den Entwicklungsländern.

Besser kann man es nicht ausdrücken. Sport vermittelt Werte wie Fairness, Toleranz, Respekt und Disziplin. Er stärkt das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen und fördert die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Meine erste Erfahrung mit dem Sport, genauer gesagt mit dem Fußball, habe ich noch in guter Erinnerung. Die gesellschaftliche Anerkennung, die ich durch den Sport erfahren habe, hat mir Selbstbewusstsein für meinen Lebensweg gegeben. Auf dem Fußballplatz fand ich soziale Wertschätzung, die mir zunächst aufgrund meiner Herkunft verwehrt wurde. Insoweit kann ich sehr gut nachvollziehen, welche Bedeutung dem Sport beizumessen ist.

Man kann darüber hinaus aber auch noch weiter gehen und sagen, Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Sport hat die Kraft, Menschen zu vereinen. Geschichtliche Beispiele dafür gibt es. Ich denke da beispielsweise an die damalige Situation in Südafrika. Der gesetzlich verankerte Rassismus der Apartheid trennte die Menschen. Das Land wurde dafür von der FIFA suspendiert bzw. für internationale Spiele ausgeschlossen. Menschen wie Nelson Mandela haben für das Ende der Apartheid gekämpft. Seit Jahren können Sportlerinnen und Sportler nun gemeinsam und unab hängig von ihrer Hautfarbe in einer Mannschaft spielen. Dies ist heute selbstverständlich.

In ihrer „Internationalen Charta für Leibeserziehung und Sport“ hat die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) in Artikel 1 Sport als „Grundrecht für jeden“ beschrieben. Danach hat jeder Mensch ein Grundrecht auf Zugang zu Leibeserziehung und Sport, die für die volle Entfaltung seiner Persönlichkeit wesentlich sind. In vielen Ländern unserer Erde findet diese Regelung Anwendung. Aber in vielen Entwicklungsländern gehört Sport nicht zum Lehrplan oder es gibt keine qualifizierten Lehrerinnen und Lehrer, die Sport unterrichten können. Darüber hinaus können leider immer noch viel zu viele Kinder in den Entwicklungsländern im Grundschulalter überhaupt nicht zur Schule gehen.

Die Forderung der UNESCO, Sport als Grundrecht für jeden, muss alle verantwortlichen Staats- und Regierungschefs mahnen, dieses ambitionierte Ziel zu erreichen. Sport bewegt nicht nur, er bildet auch. Insoweit ist Sport auch ein wichtiger Beitrag, um die internationalen Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.

Die Vereinten Nationen (UN) haben den 6. April als internationalen Tag des Sports ausgerufen. Am 6. April 1896 wurden die I. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit in Athen eröffnet. Jährlich soll an diesem Tag der „Internationale Tag des Sports für Entwicklung und Frieden“ sein. Die Vereinten Nationen stellen damit die Bedeutung des Sports für Entwicklung und Frieden klar heraus.

Ich danke dem Europaabgeordneten Norbert Neuser für die Initiative zu diesem Buch. Mein Dank gilt auch allen anderen Autoren. Die verschiedenen Buchbeiträge zu Bildung und Erziehung, zur Förderung von Mädchen und Frauen, Völkerverbindung und Völkerverständigung, gesellschaftlichen Entwicklung, Integration – und nicht zuletzt eine weltweite Begeisterung machen das riesige Potenzial sichtbar, das im Sport vorhanden ist.

Mit dem Sport erreichen wir unsere Jugendlichen und Kinder. Und wie sagte noch Willy Brandt über die Zukunft? „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“ In diesem Sinne: Packen wir es an!

SPORT HAT GROSSE POTENZIALE – FÜR EINE BESSERE UND EFFEKTIVERE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT

von Norbert Neuser

„Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Zugang zu Leibeserziehung und Sport, die für die volle Entfaltung seiner Persönlichkeit wesentlich sind. Die Freiheit, körperliche, geistige und moralische Kräfte durch Leibeserziehung und Sport zu entfalten, muss sowohl innerhalb des Bildungssystems, als auch in anderen Bereichen des sozialen Lebens gewährleistet sein.“ So hat bereits 1979 die UNESCO in ihrer „Internationalen Charta für Leibeserziehung und Sport“ in Artikel 1 den Sport als „Grundrecht für jeden“ festgehalten. Von daher genießt der Sport offiziell einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert.

Es stellt sich die Frage nach der gesellschaftlichen Realität. Ist das Grundrecht auf Sport verwirklicht? Überall? Werden dem Sport tatsächlich diese Möglichkeiten geboten? Im Bereich des Sports haben wir weltweit weiterhin große Defizite. Chancen und Möglichkeiten, die der Sport bietet, haben wir sehr lange ungenutzt und Zufällen überlassen.

Sport hat große Potenziale, macht Freude. Sport fördert körperliche und seelische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis ins hohe Alter. Sport vermittelt wichtige gesellschaftliche Werte wie Fairness, Toleranz, Respekt, Disziplin und soziales Engagement. Sport stärkt das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen und fördert die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, mit Niederlagen umzugehen, zu helfen, schwierige Lebenslagen zu meistern, Perspektiven für die eigene Zukunft zu entwickeln, es sind ungezählte Möglichkeiten.

Aber nicht nur für den Einzelnen, auch für die gesamte Gesellschaft gibt der Sport wichtige Impulse. Vereine und Sportorganisationen übernehmen wichtige Aufgaben in einer lebendigen Zivilgesellschaft. Orte, an denen Sport getrieben wird, sind neben wichtiger kultureller Infrastruktur zugleich Orte für Gemeinsamkeit, Austausch und Begegnung (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2016).

Erst langsam wird das enorme Potenzial, das der Sport bietet, als ein effektives Instrumentarium gerade auch in der Entwicklungszusammenarbeit erkannt.

Das gilt besonders auch deshalb, da die Demografie der Entwicklungsländer mit einer überaus jungen Bevölkerung – mehr als die Hälfte der Bewohner sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene – diese besonderen Möglichkeiten und Herausforderungen nochmals unterstreicht.

Warum schreibe ich dieses Buch über Sport, Frieden und Entwicklung? Als Abgeordneter im Europäischen Parlament gehöre ich dem Ausschuss für Entwicklung seit 2009 an. Gemeinsam mit zahlreichen meiner Kolleginnen und Kollegen aus diesem Ausschuss fühle ich mich verpflichtet, für eine bessere und effektivere Entwicklungszusammenarbeit einzutreten und nicht nur die Probleme zu thematisieren, sondern basisorientierte Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die gerade der Sport bietet.

Als ehemaliger Sportlehrer mit 36 Jahren Berufserfahrung, aber auch als ein im Bereich des Fußballs über Jahrzehnte ehrenamtlich aktiver Spieler, Trainer und Funktionär, möchte ich mit diesem Buch einen Beitrag dazu leisten, Sport als eine noch immer deutlich unterschätzte Möglichkeit auf dem Weg zu einer besseren und erfolgreicheren Entwicklungszusammenarbeit stärker in das Bewusstsein von politisch Verantwortlichen und der Zivilgesellschaft zu bringen.

Meine Besuche in mehr als 20 afrikanischen Ländern, der Kontakt mit Nichtregierungsorganisationen ebenso wie mit Parlaments- und Regierungsmitgliedern von Äthiopien bis Kapverden, von Namibia bis Ruanda haben mir viele Einblicke und neue Ideen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit durch Sport beschert. Ich habe zahlreiche erfolgreiche und Mut machende Beispiele kennenlernen dürfen und möchte dies gerne weitergeben, damit die mit diesem Buch anvisierten Ziele erreicht werden können.

Die integrative Kraft, die dem Sport innewohnt, ist Wesensmerkmal des Sports.

In meinen 23 Jahren als Schulleiter, davon 16 Jahre an einer Schule im sozialen Brennpunkt in meiner Heimatstadt Boppard, habe ich oftmals diese Stärke zur Integration erlebt.

Vielen Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, vielen Flüchtlingskindern in der Zeit des Balkankrieges und vielen Kindern und Jugendlichen als Aussiedler aus der früheren Sowjetunion, ohne deutsche Sprachkenntnisse und mit anderem kulturellen Hintergrund, hat der Sport und besonders der Mannschaftssport enorm geholfen, selbstbewusst zu werden, Vertrauen zu entwickeln, Leistungsbereitschaft zu fördern, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren und Freunde zu finden.

Es sind beeindruckende persönliche Erfahrungen, die ich gerne gemacht habe, weil ich beachtliche Erfolge miterleben durfte.

Bei der Auswahl der Autoren habe ich mich auf unterschiedliche Persönlichkeiten und Themen aus meinem politischen und gesellschaftlichen Umfeld konzentriert. Sie stehen mit ihren kompetenten Beiträgen exemplarisch für breite und vielfältige Möglichkeiten integrativer Projekte im Bereich des Sports.

Mit dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem langjährigen Präsidenten des Europäischen Parlamentes und derzeitigen Vorsitzenden der SPD Martin Schulz, dem Bundesminister für Entwicklungszusammenarbeit Dr. Gerd Müller und mit der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, sind es Persönlichkeiten, die diese Philosophie über die Rolle des Sports in der Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam unterstützen.

Von Gerhard Schröder ist bekannt, dass er in ärmlichen Verhältnissen aufwachsend in der Nachkriegszeit in dem kleinen Dorfverein TuS Talle als 18-jähriger Mittelstürmer aktiv war. Er erfuhr große soziale Anerkennung, weil er ein erfolgreicher Spieler war und immer sehr kämpferisch agierte. Gerhard Schröder war stolz, dass mit seinem Spitznamen „Acker“ sein Reinhängen, sein volles Engagement im Fußballspiel, gewürdigt wurde.

Auch vom früheren Präsidenten des Europäischen Parlamentes und derzeitigen Vorsitzenden der SPD Martin Schulz weiß man, dass ihn Fußball als Mannschaftssport sehr geprägt hat. Seinen unbändigen Ehrgeiz verdankt er diesen Erfahrungen, war er doch, wie seine früheren Mitspieler erklären, kein Filigrantechniker, aber ein beinharter linker Verteidiger bei Rhenania 05 Würselen. Er war die Lokomotive, die alle anderen in der Mannschaft mitreißen konnte. Immer wieder soll er ihnen eingebläut haben, keine Angst vor großen Vereinen und vor großen Namen zu haben.

Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller unterstreicht in seinem Beitrag, wie sehr sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren verstärkt dem Sport als Instrumentarium bedient und so zu einem Schwerpunkt der deutschen Entwicklungspolitik geworden ist.

Das entwicklungspolitisch in Deutschland und darüber hinaus wohl einmalige Engagement des Bundeslandes Rheinland-Pfalz mit dem afrikanischen Partnerland Ruanda ist als Graswurzelpartnerschaft seit über drei Jahrzehnten erfolgreich, auch und gerade im Bereich des Sports. Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der Präsident des Fußballverbandes Rheinland Walter Desch machen in ihren Beiträgen klar, wie bedeutsam die Unterstützung des Sports für eine funktionierende Graswurzelpartnerschaft ist.

Auf der Ebene des Fußballprofigeschäftes hat Willi Lemke jahrzehntelang als Manager des SV Werder Bremen gearbeitet und immer Sport und Politik miteinander verknüpft. Als Senator in Bremen für Bildung und Wissenschaft sowie für Inneres und Sport hat er später die rein politische Dimension des Sports kennengelernt. Seine Beauftragung 2008 durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban ki Moon als „UN-Sonderberater für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung“ unterstreicht diesen Zusammenhang.

Rudi Gutendorf, 90-jährige internationale Trainerlegende aus meiner Heimatregion Koblenz im Rheinland, ist ein gelebtes Beispiel für die immense Integrationskraft und die versöhnungsstiftende Wirkung des Fußballs. Wie kein anderer Fußballtrainer der Welt ist er prädestiniert, als Zeuge für die Aussöhnung verfeindeter Volksgruppen zu stehen.

Umgekehrt will ich am Beispiel des Fußballprofis Neven Subotic verdeutlichen, dass auch der professionelle Sport enorme Möglichkeiten hat, seine herausragende Stellung in der Gesellschaft einzubringen.

Der mehrfache serbische Fußballnationalspieler Neven Subotic, zweifacher Deutscher Meister mit dem BVB Borussia Dortmund, nutzt seine Beliebtheit und seine Popularität in der von ihm gegründeten Stiftung, um konkrete Entwicklungsprojekte in Äthiopien zu realisieren.

Politische Absichtserklärungen sind das eine, die konkrete Umsetzung aber braucht Kreativität und ausdauerndes, persönliches Engagement, wie es beispielsweise der Fußballverband Rheinland verinnerlicht hat.

Das ehrenamtliche Engagement des Fußballverbandes Rheinland ist eingebettet in das entwicklungspolitische Engagement des Deutschen Fußballbundes DFB. Der DFB gehört mit mehr als 25.000 Vereinen mit annähernd 6,9 Mio. Mitgliedern zu den größten Nichtregierungsorganisationen in Deutschland. Sportpolitisch und finanziell ist die entwicklungspolitische Zusammenarbeit herausragend. In Kooperation mit den Bundesministerien für Entwicklungszusammenarbeit und für Auswärtige Angelegenheiten sind in diesem Sektor die Trainerausbildung und der Aufbau von Breitensportangeboten und von Sportinfrastruktur die Schwerpunkte.

Der DFB verfügt deswegen über umfangreiche internationale Erfahrungen und stellt sich auch neuen gesellschaftlichen Herausforderungen im Rahmen der globalen Fluchtbewegungen und bei der Linderung humanitärer Katastrophen gerade auch vor dem Hintergrund des Krieges in Syrien und im Irak.

In enger Abstimmung und Kooperation mit der GIZ, der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, werden Projekte angegangen und umgesetzt.

Parallel zu den international beachteten und in der Weltöffentlichkeit aufmerksam verfolgten Großsportereignissen wie die Olympischen Spiele oder die Fußballweltmeisterschaften wird dieses Potenzial genutzt, um die entwicklungspolitischen Ziele ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Konkret ist in Deutschland die GIZ bei der Implementierung der Projekte im Auftrag des Ministeriums für Entwicklungszusammenarbeit betraut, wie es der Beitrag der GIZ in diesem Buch zeigt.

Als Abgeordneter im Europäischen Parlament will ich natürlich auch die europäische Dimension von Sport in der Entwicklungszusammenarbeit beleuchten, immerhin ist die EU als Ganzes der weltweit größte Geldgeber.

Ein langjähriger Verfechter dieses Ansatzes ist der frühere EU-Kommissar für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, Louis Michel aus Belgien. Er weiß aus vielen Erfahrungen, wie Sport als Mittel der humanitären Hilfsmaßnahmen erfolgreich eingesetzt werden kann und dass Sport friedliche Beziehungen und Versöhnung zwischen kriegsführenden Parteien unterstützt.

Wie Sport als Element für nachhaltige Entwicklung wirken kann, macht der derzeitige EU-Kommissar für Entwicklung, Neven Mimica aus Kroatien, deutlich.

Die Verabschiedung der nachhaltigen Entwicklungsziele 2015 bis 2030 bietet riesige Möglichkeiten, dem Sport eine wachsende Bedeutung zu geben. Diese Chance muss bei der jetzt stattfindenden Implementierung der Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals (SDGs)) genutzt und auf allen Ebenen verfolgt werden.

Neven Mimica und die EU-Kommission heben hervor, dass die Europäische Union die wesentliche Rolle des Sports anerkennt und der Sport zur integrativen Entwicklung und zum nachhaltigen Wachstum beiträgt.

EU-Programme zur Förderung der Jugend durch Kultur, Sport, Unterstützung der Zivilgesellschaften, öffentliche Kampagnen und Sportturniere, besonders durch die Beteiligung von Kindern und Frauen, erweitern die bisherigen Ansätze.

Bemerkenswert ist die Forderung von Neven Mimica an die Sportund Sportunterhaltungsindustrie, mehr in die Unterstützung sozialer Aktivitäten zu investieren sowie Bildung, Lebenskompetenz und Gesundheit zu fördern.

Zwei konkrete Praxisbeispiele zeigen exemplarisch auf, welche enorme Wirkung der Sport sogar mit relativ überschaubaren finanziellen Mitteln entfalten kann.

Es sind Praxisbeispiele aus dem Bereich des organisierten Mannschaftssports (Frauenfußball in Kenia) und aus dem informellen, unorganisierten, mehr individuell betriebenen Sport (Skateboarden in Uganda).

Beide Projekte konnte ich kennenlernen. Zum einen ist es das weltweit aktive Netzwerk Skate Aid, das ich in Uganda besucht habe. Zum anderen zeigt das Frauenfußballprojekt der Frauenhilfsorganisation Sol wodi in Kenia, dass über die entstandenen Frauenfußballzentren, den Schulbesuch und durch Schulbildung in Selbsthilfegruppen Aufklärungsarbeit geleistet wird. Dies geschieht im Bereich HIV-Vorbeugung, Verhütungsmöglichkeiten, Bekämpfung von Menschenhandel. Mädchen und Frauen werden befähigt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Ebenfalls auf Emanzipation und Stärkung der Individualität ausgerichtet sind die weltweiten Projekte von Skate Aid in vielen afrikanischen Ländern, aber auch in von Kriegen heimgesuchten Staaten wie Afghanistan, Syrien oder Palästina.

In Uganda konnte ich mich in einem Slumviertel von der ungeheuren Ausstrahlung des Skate Aid-Projektes überzeugen. Hunderte Kinder und Jugendliche treffen sich regelmäßig zum gemeinsamen Skaten und sind so erreichbar für dringend benötigte Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen.

Es sind nur zwei Beispiele aus unzähligen engagierten Projekten, die mich allesamt tief beeindruckt und mich bewogen haben, mithilfe dieses Buches meine Erfahrungen an eine interessierte und engagierte Leserschaft weiterzureichen.

Ich würde mir sehr wünschen, dass diese Projekte Anstoß zum konkreten Handeln im Bereich Sport in der Entwicklungszusammenarbeit sein könnten. Dies gilt für Entwicklungspolitiker, Sportfunktionäre und Sportbegeisterte sowie alle in der Entwicklungszusammenarbeit Engagierten.

SOLWODIS WEG IN KENIA:MIT DEM FUSSBALL HERAUS AUS NOT UND ELEND

von Schwester Dr. Lea Ackermann

2009 kommt die Fußballerin Doreen Nabwire aus Kenia nach Europa und erhält beim niederländischen Erstligisten FC Zwolle einen Vertrag. Doreen ist die erste Frau aus dem Fußball-Entwicklungsland Kenia, die den Sprung in eine europäische Liga schafft. Sie ist damit eine Vorzeigefußballerin in ihrem Land und Vorbild für viele junge Spielerinnen.

Drei Jahrzehnte zurück, ins Jahr 1985. Die Ordensschwester Lea Ackermann lebt und arbeitet in Afrika. Not und Elend, vor allem der Frauen, entsetzen sie und werden zur Herausforderung ihres Lebens. In Mombasa gründet Schwester Lea die Menschenrechtsorganisation SOLWODI. Es geht um Solidarität mit Frauen in Not. Zwangsprostitution und Menschenhandel sind ihre Themen.

Und sie bleiben es bis heute. SOLWODI ist 2016 in Deutschland, Rumänien, Österreich, Ruanda und Kenia mit insgesamt 54 Beratungszentren präsent, alleine in Deutschland gibt es weitere 9 Schutz- und Fluchthäuser. Dr. Lea Ackermann ist mit höchsten Ehrungen und Würdigungen für ihre Arbeit bedacht worden, als unermüdliche Streiterin in einer schwierigen Welt.

Die wesentlichen Themen ihrer Arbeit sind geblieben. Es geht immer noch um Prostitution und den Schrecken, der sich damit verbindet. Und es geht um Handel mit Frauen und jetzt auch um die Integration von Flüchtlingen.

Dort, wo SOLWODI mit der Arbeit vor über 30 Jahren begann, konnte vielen Frauen geholfen werden. Sie fanden heraus aus der Elendsprostitution, sind erfolgreiche Kleinunternehmerinnen geworden, manche gar Ärztinnen oder Rechtsanwältinnen. Der Weg zurück in ein ganz normales Leben war in keinem Fall einfach.

Die Beratungsstellen von SOLWODI an der Küste Kenias und im Westen des Landes führen stets einen Kampf gegen schwierige Umstände: Frauen und Mädchen besuchen keine Schule, weil sie keine Gebühren zahlen können oder männliche Jugendliche bevorzugt werden. Auch werden viele Mädchen früh schwanger und brechen ihre Ausbildungen ab.

2010 beginnt SOLWODI mit dem Projekt SOLASA (SOLWODI Ladies Sports Association). Das Motto ist: „Verändere dein Leben durch Sport.“ Lea Ackermann ist nicht gerade das, was man einen Sportenthusiasten nennen kann. Aber sie war immer pragmatisch. In Deutschland hat sie gelernt, welche soziale und gesellschaftliche Kraft vom Volkssport Fußball ausgehen kann. Im Deutschen Fußballbund (DFB) und seinem damaligen Präsidenten Dr. Theo Zwanziger findet sie verlässliche Partner wie vor allem auch im Fußballverband Rheinland (FVR) und seinem Präsidenten Walter Desch.

Walter Desch hat an der Koblenzer Sportschule Trainerlehrgänge für ausländische Teilnehmerinnen und Teilnehmer installiert. Sie werden ein Riesenerfolg, vor allem auch für das SOLWODI-Projekt in Kenia. Jährlich werden Stipendien für den Trainerlehrgang in Deutschland vergeben. 14 junge Frauen nahmen bisher für SOLWODI daran teil und bestanden die Prüfungen mit Erfolg. Zurück in ihrer Heimat sind sie die Eckpfeiler für das Fußballunternehmen SOLASA. Es entstehen Fußballzentren an der Küste und in anderen Teilen des Landes. Die Ziele beinhalten ein regelmäßiges Training, die Teilnahme an Turnieren, die Gründung von Selbsthilfegruppen und Aufklärungsarbeit, die über den Fußball hinausgeht und Themen wie HIV, Verhütungsmöglichkeiten, Menschenhandel sowie Rechte von Frauen und Mädchen umfasst. Der Erfolg ist gewaltig. Mehr als 1.500 Mädchen nahmen bisher am Angebot teil.

Das SOLWODI-Sportprojekt motiviert die Mädchen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Durch das regelmäßige Training lernen sie Pünktlichkeit, Teamgeist, Durchhaltevermögen und Disziplin. Bei Turnieren werden Teamgeist, Fair Play und Ehrgeiz großgeschrieben. Dies alles sind Voraussetzungen, die Mädchen dazu befähigen, an einem Bildungsprogramm teilzunehmen, um einen Schulabschluss nachzuholen oder mit einer Ausbildung zu beginnen.

Die Teilnahme am Fußballprojekt setzt voraus, dass die Mädchen und Frauen zu einem Schulbesuch oder einer Ausbildung bereit sind. SOLWODI unterstützt sie dabei. Die Art der Unterstützung hängt dabei von der Vorbildung und den Fähigkeiten der Teilnehmerinnen ab.

80 dieser Mädchen und Frauen spielen inzwischen in der ersten kenianischen Fußballliga der Frauen, 5 in der kenianischen Nationalmannschaft. 2015 betreute SOLWODI 57 Fußballteams mit mehr als 500 Spielerinnen.