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Ein erfahrener Richter vermittelt lebendig und übersichtlich das deutsche Staats- und Verfassungsrecht. Aus dem Inhalt:
– Verfassung, Werteordnung, Gesetzgebung
– Grund-, Bürger- und Menschenrechte
– Würde, Freiheit und Selbstbestimmung
– Meinungs- und Pressefreiheit
– Kontrolle staatlichen Handelns
Ob Einstieg oder Wiederholung, dieses Lehrbuch ist der ideale Begleiter für alle, die sich mit dem Staatsrecht befassen wollen.
Ihr Plus: 22 Übersichten und 3 Prüfschemata.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2016
leicht gemacht®
Die prägnanten, verständlichen Lehrbücher der
leicht gemacht® SERIEN
mit Beispielfällen, Übersichten und Leitsätzen
Unsere leicht gemacht® SERIEN haben Generationen von Stu-dierenden erfolgreich in die verschiedenen Themenbereiche eingeführt.
Die GELBE SERIE erläutert Inhalte aus der Rechtswissen-schaft
Die BLAUE SERIE vermittelt Themen der Bereiche Steuer und Rechnungswesen
Die Lehrbücher sind so angelegt, dass Vorkenntnisse nicht erforderlich und nach dem Durcharbeiten des Textes die wich-tigen Grundlagen vermittelt sind. Sie eignen sich als Einstieg, aber auch zur Wiederholung vor Prüfungen.
Unsere Lehrbücher wenden sich an Studierende der Universi-täten, Hochschulen und Berufsakademien, aber auch an Teil-nehmer der berufsbezogenen Ausbildungen. Die Bücher der leicht gemacht® SERIEN vermitteln ebenso jedem Interessier-ten auf verständliche und kurzweilige Weise die Grundlagen von Steuer, Rechnungswesen und Rechtswissenschaft.
Die leicht gemacht® SERIEN GELB und BLAU erscheinen im
Ewald v. Kleist Verlag, Berlin
[1]
GELBE SERIE leicht gemacht®
Herausgeber: Professor Dr. Hans-Dieter Schwind Dr. jur. Dr. jur. h.c. Helwig Hassenpflug Richter am AG Dr. Peter-Helge Hauptmann
Staatsrecht
leicht gemacht
Das Staats- und Verfassungsrecht nicht nur für Studierende an Universitäten, Hochschulen und Berufsakademien
4., neu bearbeitete Auflage
von
Robin Melchior
Richter am Amtsgericht
Ewald v. Kleist Verlag, Berlin
[2]
Besuchen Sie uns im Internet:www.leicht-gemacht.de
Autoren und Verlag freuen sich über Ihre Anregungen
Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt Gestaltung: M. Haas, www.haas-satz.berlin; J. Ramminger, Berlin Druck & Verarbeitung: Druck und Service GmbH, Neubrandenburg leicht gemacht® ist ein eingetragenes Warenzeichen
© 2016 Ewald v. Kleist Verlag, Berlin
[3]
I.Organisation des Staates
Lektion 1: Staat und Verfassung
Lektion 2: Bundestag, Bundesrat, Länder
Lektion 3: Bundespräsident, Bundesregierung, Verwaltung
Lektion 4: Gesetzgebung, Steuern, Finanzen
II.Grundrechte: Menschen- und Bürgerrechte
Lektion 5: Grundrechte – Einleitung
Lektion 6: Art. 1, 2, 10 – Würde, Freiheit, Leben, Selbstbestimmung
Lektion 7: Art. 3 – Diskriminierungsverbot
Lektion 8: Glaubens-, Meinungs-, Pressefreiheit
Lektion 9: Art. 6 – Ehe, Lebensgemeinschaften, Familie, Kinder
Lektion 10: Versammlungs-, Vereinigungsfreiheit
Lektion 11: Freizügigkeit, EU-Grundfreiheiten, Berufsfreiheit
Lektion 12: Art. 14 – Eigentumsgarantie
Lektion 13: Art. 16a – Asyl und Aufenthalt
III.Gerichtliche Kontrolle staatlichen Handelns
Lektion 14: Rechtsprechung, Justizgrundrechte
Lektion 15: Verfassungsgerichtsbarkeit
Abkürzungen
Sachregister
[4]
Übersicht 1 Verfassung
Übersicht 2 Staatsform der Bundesrepublik Deutschland und Verfassungsgrundsätze
Übersicht 3 Wahlgrundsätze
Übersicht 4 Aufgaben und Befugnisse des Bundestages
Übersicht 5 Verhältnis zwischen Bund und Ländern
Übersicht 6 Aufgaben und Befugnisse des Bundespräsidenten ...
Übersicht 7 Ausführung von Bundesgesetzen
Übersicht 8 Befugnisse des Bundes für die Gesetzgebung
Übersicht 9 Bundesrat und Gesetzgebung
Übersicht 10 Träger von Grundrechten
Übersicht 11 Rechtsquellen für Grundrechte (Menschen- und Bürgerrechte)
Übersicht 12 Würde des Menschen
Übersicht 13 Freiheitsrechte des Grundgesetzes
Übersicht 14 Grundrechte als institutionelle Garantien
Übersicht 15 Ehe und Familie
Übersicht 16 EU-Grundfreiheiten
Übersicht 17 Berufsfreiheit und Beschränkungen
Übersicht 18 Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung und der Grundrechte
Übersicht 19 Justiz-Grundrechte
Übersicht 20 Aufbau der Justiz
Übersicht 21 Konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 GG
Übersicht 22 Verfahren vor dem BVerfG
Prüfschema 1 Eingriff in Grundrechte und Rechtfertigung
Prüfschema 2 Verfassungsbeschwerde
Prüfschema 3 Abstrakte Normenkontrolle
[5]
Die 16-jährige Marion hat ihren ersten Personalausweis bekommen. In der oberen linken Ecke steht „Bundesrepublik Deutschland‟, es folgen Angaben zu ihrer Person und zur Staatsangehörigkeit. Marion hat in ihrer Brieftasche noch mehr Ausweise: Mitgliedsausweis vom Schwimmverein und Schülerausweis.
Marion hat eine genaue Vorstellung davon, was ihre Familie ist und was diese Menschen zusammenhält. Dasselbe gilt für ihre Freunde im Schwimmverein und in der Schule. Sie kann aber nicht sagen, was die Mitgliedschaft in der Bundesrepublik Deutschland bedeutet.
Können Sie helfen?
Marions Vergleich ihrer Staatsangehörigkeit mit der Mitgliedschaft im Schwimmverein ist gar nicht so abwegig.
Im Verein treffen sich Menschen mit gleichen Interessen, die sich or-ganisieren, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Kennzeichnend für den Verein ist, dass die Organisation rechtlich selbstständig ist und der Vereinsbetrieb z.B. nicht davon abhängt, ob Marion regelmäßig am Schwimmtraining teilnimmt, schwänzt oder aus dem Verein austritt. Diesen Grad an Verselbstständigung einer Organisation nennt man In-stitutionalisierung.
Genau das haben ein Verein und ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam. Nur heißt die Mitgliedschaft hier Staatsange-hörigkeit und ist nicht freiwillig.
Ergänzung: Was ist denn ein Staat?
[6]
Leitsatz 1
Staat
Staat ist eine Institution, die das Ziel hat, in einem abgegrenzten Gebiet das geordnete Zusammenleben der Bevölkerung zu gewährleisten. Das gelingt aber nur, wenn durch diese Organisation hoheitliche Gewalt (Herrschaft) ausgeübt werden kann, bezogen auf die Bevölkerung und auf das Gebiet.
Drei Dinge braucht ein Staat:
Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt.
Ergänzung: Bevor wir uns diese drei Merkmale eines Staates näher an-schauen, muss geklärt werden, wie denn die Bildung eines Staates, also seine Errichtung (Konstitution) erfolgt und erkennbar wird.
Kein Staat kommt ohne ein gewisses Maß an Ordnung und Durchsetzung derselben aus. Das beginnt schon bei der Gründung und gilt erst recht nach seiner Etablierung.
Damit ein Staat sein Gemeinwesen überhaupt ordnen kann, hat er von sich aus die Befugnis und Pflicht, sich selbst eine
Verfassung
zu geben.
Dieses Prinzip der Selbstorganisation gibt es auch in Marions Schwimm-verein. Irgendwelche Menschen haben ihn vor Jahren gegründet und aus diesem Anlass eine Satzung festgelegt, die seine rechtliche Organisa-tionsstruktur beschreibt und die Rechte und Pflichten der Gründer und der künftigen Mitglieder einheitlich und verbindlich regelt.
Die Vereinssatzung der Bundesrepublik Deutschland heißt Grundgesetz (GG; bitte ab jetzt im Abkürzungsverzeichnis nachschlagen!) und bildet die Verfassung dieses Staates.
Staatsgewalt
Ergänzung: Marion geht im Augenblick nicht so gerne zur Schule. Ihre Eltern und Lehrer sagen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland eine [7] Schulpflicht gibt. Wenn Marion nicht freiwillig zur Schule gehe, kann sie gezwungen werden. Na, das wollen wir mal sehen, denkt sich Marion.
Sie fragt, wo denn das mit der Schulpflicht stehe und ob die auch speziell für sie gelte.
Die Frage, wo das mit der Schulpflicht stehe, zeigt, dass Marion eine vage Vorstellung davon hat, dass Gebote und Verbote in schriftlicher Form existieren müssen und dass sie allgemein verbindlich sind. Solche Regelungen nennt man Gesetze, Vorschriften oder Rechtsnormen. Sie sind ein typisches Kennzeichen für Staatsgewalt in einem modernen Staat. Es gab Zeiten, in denen es Herrschaft ohne Gesetz gab; die Rolle des Gesetzes nahmen Schwert und Revolver ein. Auch heute gelingt es noch nicht, weltweit die Idee des „Law rules!‟ (Herrschaft des Rechts) durchzusetzen. Das macht es so schwierig, Krisenregionen dauerhaft zu befrieden.
Keine
Staatsgewalt
kommt ohne Instrumente zur Durchsetzung der beanspruchten Herrschaft aus. Zur Regelung des geordneten Zusammenlebens sind Gebote und Verbote, die allgemeine Gültigkeit gegenüber jedermann beanspruchen, unerlässlich. Die Verfassung bildet dabei die höchste Grundordnung.
Tatsache ist, dass es in jedem Bundesland der Bundesrepublik Deutsch-land Gesetze gibt, die eine Pflicht zum Schulbesuch festlegen. Tatsache ist auch, dass der Staat diese Pflicht mit Gewalt als letztem Mittel (das ist wörtlich gemeint!) durchsetzen kann, z.B. Bußgelder gegen die Eltern und der „Abhol- und Lieferservice‟ durch die Polizei für Marion, wenn sie die Schule schwänzt.
Marion beschließt, dass die gesetzliche Schulpflicht für sie nicht gelte.
Geht das?
Nein, Kennzeichen eines Staates und seiner Herrschaft ist es auch, dass er sich eine Verfassung geben kann, um auf Dauer handlungsfähig zu sein. Eine solche Verfassung legt z.B. fest, wie Gesetze erlassen werden und [8] welche Rechte und Pflichten der einzelne Mensch im Verhältnis zum Staat hat. Und damit sind wir wieder beim GG.
Übersicht 1: Verfassung
Jeder Staat hat als
Institution
das Recht, sich eine
Verfassung
zu geben Der Zweck der Verfassung ist nicht auf die Errichtung des Staatswesens beschränkt.
In der Verfassung können im Sinne eines allgemein verbindlichen Gesetzes von höchster Rangordnung festgelegt werden u. a.:
▶die Staatsform
▶die wesentlichen Grundsätze und Ziele des Gemeinwesens
▶die Organisation des Staates (Welche Einrichtungen nehmen die Aufgaben des Staates wahr und welche Organe handeln für ihn?)
▶die Staatsangehörigkeit
▶die Rechte und Pflichten des einzelnen Menschen im Verhältnis zum Staat
Die Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland heißt Grundgesetz (GG) und ist am 23. Mai 1949 in Kraft getreten.
Marion hat wohl Pech, weil sie im Inland wohnt und damit sogar unab-hängig von ihrer Staatsangehörigkeit der Schulpflicht unterliegt. Das GG lässt es zu, dass ihre allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG durch Gesetze beschränkt werden darf; ein solches Gesetz ist das ein-schlägige Schulgesetz in ihrem Bundesland.
Ergänzung: Wie ist das GG eigentlich entstanden?
Man kann auch fragen, wie das GG auf die Welt gekommen ist. In Gesell-schaften moderner und westlicher Prägung steht das Recht, einen Staat zu gründen und damit dem Gemeinwesen eine Verfassung zu geben, grundsätzlich dem Volk als verfassungsgebende Gewalt zu (Selbstbe-stimmungsrecht).
[9]
Im Fall des GG gab es aber keine entsprechende Abstimmung in der Be-völkerung. Das lag an den historischen Umständen der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Die politische Konfrontation um die Vorherrschaft in Europa (Kalter Krieg) hatte zu Folge, dass sowohl die Sowjetunion als auch die West-Alliierten (USA, Großbritannien und Frankreich) jeweils ihre eigenen Vorstellungen von einem Staat auf deutschem Gebiet verwirklichten: Am 23. Mai 1949 kam es zur Gründung der Bundesre-publik Deutschland mit dem GG im westlichen Teilgebiet; am 7. Oktober 1949 wurde die Deutsche Demokratische Republik mit einer Verfassung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (und nach Ansicht der Sowjetunion auch im Ostsektor Berlins) gegründet. Das politische Risiko eines Scheiterns war auf beiden Seiten zu groß, um vorher eine Abstimmung durchzuführen. Das GG hat dennoch seine Legitimation dadurch gefunden, dass die nachfolgenden Bundestagswahlen mittelbar eine Zustimmung zum GG darstellten. Auch nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit zum 3. Oktober 1990 wurde das nicht ausdrücklich nachgeholt. Dennoch zweifelt niemand ernsthaft an der demokratischen Legitimation des GG.
Art. 146 GG hält aber ein Hintertürchen offen: Das GG gilt nach Voll-endung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk; das GG verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Kraft tritt. Das ist wohl eher Theorie.
Staatsgebiet
Wir haben ja schon gesehen, dass es für 41 Jahre zwei deutsche Staaten gab.
Marion liest in der Zeitung: „Deutschland ist Weltmeister im Frauen-Fußball!‟ Marion wundert sich über den Begriff „Deutschland‟, weil auf ihrem Personalausweis „Bundesrepublik Deutschland‟ steht.
Was ist denn nun richtig: Deutschland, Bundesrepublik Deutschland, oder sogar die Abkürzung BRD?
[10]
Der Begriff „Deutschland‟ hat zwei Bedeutungen.
1.Er bezeichnet das Staatsgebiet in seiner geographischen Ausdehnung.
2.Der Begriff ist eine Kurzform für „Bundesrepublik Deutschland‟ und beschreibt im politischen und gesellschaftlichen Leben damit auch die nach dem GG vorgegebene Staatsform.
Die Bezeichnung „Deutschland‟ wird in der Politik und insbesondere in der Außenpolitik (vgl. Art. 32 GG) bewusst anstelle der amtlichen Bezeichnung eingesetzt, damit der deutsche Staat – wie international üblich – einen prägnanten Namen führen kann (Germany, Allemagne, Germania, Alemania, Almanya, Tyskland, Niemcy).
Zum Thema Staatsgewalt und Staatsgebiet gehört auch die Frage, wie denn der deutsche Staat sich mit seinen Nachbarn verträgt.
Jeder Staat beansprucht für sich Staatsgewalt, Gebietshoheit und Selbstbestimmung (
Souveränität
). Die gegenseitige Achtung der Souveränität bestimmt die Beziehungen der Staaten untereinander (völkerrechtliche Beziehungen).
Mehr dazu in der Lektion 3.
Staatsvolk
Ergänzung: Marion hat einen tunesischen Vater und eine deutsche Mutter; die Eltern sind nicht verheiratet.
Ist Marion Deutsche und was bedeutet der Begriff „Staatsangehörigkeit‟ in ihrem Personalausweis?
Jeder Staat braucht ein Staatsvolk. Besteht die Bevölkerung eines Staates ausschließlich oder hauptsächlich aus Personen einer ethnischen Gruppe (Volkszugehörigkeit, Nationalität), dann spricht man von einem Nationalstaat, wie er sich in Europa seit dem 17. Jahrhundert vielfach verbreitet hat. Dieses Modell ist nicht immer ganz stimmig, weil es zu [11] allen Zeiten Migration (Einwanderung, Auswanderung) gegeben hat. Schließlich stammen z.B. die Teutonen ursprünglich ja auch nicht aus Deutschland und die Goten nicht aus Spanien.
Das GG legt in Art. 116 fest, dass Deutscher ist, wer die deutsche Staats-angehörigkeit besitzt. Ferner sind Deutsche alle Flüchtlinge und Vertrie-bene deutscher Volkszugehörigkeit sowie Personen, die bedingt durch Krieg und Verfolgung zwischen 1933 und 1945 ausgebürgert worden waren.
Das GG definiert nicht selbst, wie man die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt, sondern verweist auf das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG). Danach erlangt ein Mensch die deutsche Staatsangehörigkeit entweder durch Geburt oder Erklärung seiner Eltern und ein Ausländer durch Ein-bürgerung.
Nach dem sogenannten Abstammungsprinzip ist Marion Deutsche, weil ein Elternteil, hier die Mutter, Deutsche ist; § 4 Abs. 1 StAG. Die ganze Sache wird etwas komplizierter, wenn Marion z.B. in England oder in den USA geboren wäre. Denn dort gilt das sogenannte Territorialprinzip; die Staatsangehörigkeit wird durch den Ort der Geburt bestimmt. Marion hätte dann ggf. zwei Staatsbürgerschaften. Das lässt sich nicht vermeiden, weil jeder Staat allein die Grundlagen seiner Staatsangehörigkeit regelt.
Abwandlung: Marions Eltern sind beide Ausländer. Welche Staatsange-hörigkeit hat Marion?
Hier gilt nach § 4 Abs. 3 StAG ausnahmsweise das Territorialprinzip. Marion ist Deutsche, wenn sie in Deutschland geboren wurde und wenn ein Elternteil zu diesem Zeitpunkt seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und er Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedslandes ist oder einen besonderen Aufenthaltstitel besitzt. Es kommt also auf die Staatsangehörigkeit der Eltern und ihren Aufenthalts-status an. Wir sehen, das Thema lässt keine pauschalen Antworten zu.
Ergänzung: Marions Vater ist Tunesier, lebt seit 20 Jahren in Deutschland und möchte nun deutscher Staatsbürger werden.
Wie geht das?
[12]
Marions Vater kann als Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erlangen; §§ 8 bis 10 StAG. Eine wesentliche Voraussetzung ist auch hier der rechtmäßige Aufenthalt im Inland.
Aufenthalt ist genauso wie Staatsangehörigkeit im Kern ein verfassungs-rechtliches Thema. Denn Staatsgewalt setzt immer die Hoheit des Staates über die Bevölkerung und das Gebiet voraus. Bevölkerung sind die Per-sonen mit der eigenen Staatsangehörigkeit und alle Ausländer. Ausländer sind Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, also eine andere Staatsangehörigkeit haben oder gar keine (Staatenlose).
Die Politik verwendet für die Migration von Ausländern auch den Begriff der Zuwanderung. Der deutsche Staat behandelt die Frage des Aufenthaltes und Niederlassung für die Staatsangehörigen der EU-Mitgliedsstaaten (Unionsbürger) im Sinne von Freizügigkeit und für Ausländer aus Nicht-EU-Ländern bisher eher restriktiv. Mehr dazu – und zu den Themen Asyl und Flucht – in den Lektionen 11 und 13.
Staatsform und Verfassungsgrundsätze
Marion kann mit der Bezeichnung Bundesrepublik Deutschland nicht viel anfangen. Auf dem Personalausweis wird nicht erklärt, was das ist.
Was kennzeichnet denn die Bundesrepublik Deutschland als Staatsform?
Ein Blick in das GG hilft weiter. Lesen Sie Art. 20 GG. Dort steht schon fast alles.
Und? Wie weit hat der Art. 20 GG geholfen? Hier dann strukturiert die Übersicht 2 über Staatsform und Verfassungsgrundsätze.
[13]
Übersicht 2: Staatsform der Bundesrepublik Deutschland und Verfassungsgrundsätze
Aus dem GG ergeben sich fünf Wesenmerkmale für die Bundesrepublik Deutschland:
Merkmal
Kurze Beschreibung
1.
Republik
Art. 20 Abs. 1 GG
Staatsform
, deren höchste Repräsentanten und Organe durch Wahl bestimmt werden. Zugleich abgrenzendes Merkmal zur Monarchie, bei der das Staatsoberhaupt durch Herkunft und Erbrecht bzw. durch ein Wahlgremium von Aristokraten bestimmt wird. Republik ist nicht automatisch gleichzusetzen mit Demokratie.
2.
Demokratie
Art. 20 Abs. 1 und 2 GG
Bedeutet
Herrschaft des Volkes
. Das Volk ist Träger der Staatsherrschaft; das Volk ist der Souverän und bestimmt durch Wahlen und Abstimmungen, wer welche Ämter auf Zeit im Staat besetzt und wer welche Funktionen ausübt; siehe auch
Lektion 2
.
Republik und Demokratie sind der Ausgangspunkt für den Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung.
Außerdem sind Demokratie und die Grundrechte eine Garantie dafür, dass das Gemeinwohl Staatsziel ist.
Merke: Demokratie ist die Herrschaft des Volkes, durch das Volk und für das Volk (Abraham Lincoln, 1809 – 1865).
3. Bundes-staatlichkeit (
Föderalismus
) Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1, 37 GG
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein
föderales Staatsgebilde
bestehend aus 16 selbstständigen
Bundesländern
, wobei bestimmte staatliche Aufgaben nicht die einzelnen Bundesländer als
Gliedstaaten
wahrnehmen, sondern nach dem GG dem Bund als
Gesamtstaat
übertragen sind (z.B. die Außenpolitik).
Das Gegenteil zum Föderalismus wäre eine zentralistische Organisation der staatlichen Befugnisse (wie z.B. in Frankreich).
[14] Keine föderale Struktur, also keine Bundesstaatlichkeit, sondern ein Staatenbund liegt vor, wenn einzelne souveräne Staaten sich durch völkerrechtliche Verträge gegenseitig binden und Aufgaben verteilen bei gleichzeitiger Wahrung der Souveränität jedes Mitgliedstaates. Zum Beispiel ist die Bundesrepublik Deutschland Mitglied in der EU und der NATO, vgl. Art. 23 und 24 GG, siehe Lektion 3.
4.
Rechtsstaat
Art. 19, 20 Abs. 3 GG
Bindeglied zwischen Mensch und Staat. Der Verfas-sungsgrundsatz beschreibt das Verhältnis zwischen der
objektiven Werteordnung der Grundrechte
(Art. 1 bis 19 GG, siehe
Lektion 5
) und den Befugnissen des Staates, sowie die Kontrolle durch die Gerichte (siehe
Lektion 14
). Wesentliche Merkmale sind die
Selbstbindung staatlicher Gewalt
an das GG und der
Gesetzesvorbehalt
(Der Eingriff in die Rechtsposition eines Menschen erfordert eine gesetzliche Grundlage).