Stallgeflüster - Wiebke Saathoff - E-Book

Stallgeflüster E-Book

Wiebke Saathoff

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sonnenuntergang. Meerestoben. Ein edles Ross im gestreckten Galopp. Und Sie verschmelzen mit diesem stolzen Tier, spüren das Kitzeln der wehenden Mähne auf dem Oberarm, das Salzwasser auf der Zunge und das Gefühl unendlicher Freiheit. Der große Traum eines jeden Pferdefreundes. Dabei ging es zwischen Zwei- und Vierbeinern nicht immer so harmonisch zu. Kleine Steinzeitmädchen wollten die Rösser lieber verspeisen, als die Steinzeithöhle mit Wendytapeten zu schmücken, später wurden Pferde ausschließlich als Arbeitstiere und Sportgeräte gehalten. Die Beziehung zwischen Pferden und Menschen bewegt sich heute zwischen Romantik und Wirtschaftlichkeit, zwischen Leidenschaft und Alltag, zwischen Glitzerstirnriemen und Misthaufen. Wiebke Saathoff, seit ihrer Geburt bekennende Anhängerin des gemeinen Equus caballus und stolze Pferdebesitzerin seit 28 Jahren, berichtet aus den heiligen Pferdehallen und geselligen Reiterstübchen und gibt Einblicke in die großen Themen des Pferdemenschen wie die Stallsuche, die Betreuung des Pferderentners, die Arterhaltung oder auch die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch. Sie klärt über das vielfältige Angebot des Pferdezubehörmarktes auf und erläutert wichtige Unterschiede bei den Reitweisen, portraitiert einige besondere Pferdepersönlichkeiten und lässt uns an ihrer ganz eigenen Evolution zum Pferdemenschen teilhaben. Was ist so faszinierend an diesen felligen Veganern? Muss ich eifersüchtig sein, wenn meine Freundin von dem neuen Stallboy redet? Ist Reiten wirklich Sport? Was bedeutet es, wenn jemand einen "Kleinen Weideunfall" zu verkaufen hat? Wie funktioniert eine Pferdeklappe? Was kostet der Samen des teuersten Pferdes der Welt? Warum nannte Pizarro sein neues Rennpferd "Klassenerhalt"? Wie entsteht ein Zesel? Wieso suchen einige Pferdebesitzer einen Stall mit einem Pferdekarussel? Was sind Emscherbrücher Dickköppe?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 184

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis
Stallgeflüster
Vorwort
Der Pferdemensch
Zwei angelegte Ohren sagen mehr als tausend Worte
Schlammfarben mit einem Hauch von Glitzer
Pferd statt Schweinehund
Licence to reproduce
Mein Pferd ist nicht stur,es hat nur Charakter
Rentner mit vier Hufen
Quiz: Sind Sie ein Pferdekenner?
Pferdeglossar
Quellenangaben
Viten

Stallgeflüster

Die Wahrheit über Pferde und ihre Menschen

von Wiebke Saathoff

Für Bruno und Fjala

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Rainer Schmidt

Lektorat: Lektorat-Lupenrein.de

1. Auflage 2017, identisch mit der Printversion

© Verlag Andreas Reiffer

ISBN 978-3-945715-50-5 

Verlag Andreas Reiffer, Hauptstr. 16 b, D-38527 Meine

www.verlag-reiffer.de

www.facebook.com/verlagreiffer

Ja, ein Pferd macht den Tag länger, die Nacht kürzer, das Konto leerer, die Nerven blanker, Auto und Klamotten schmutziger. Aber es macht auch dein Herz größer, deinen Geist weiser, den Charakter stärker, deinen Horizont weiter, die Vergangenheit unwichtiger, die Zukunft hoffnungsvoller und dein Leben reicher.

Volksweisheit

Danke

... dass es Pferde gibt. Danke auch an meine Pferdefreunde, vor allem an Silke! Und vielen Dank für die schönen Fotos von Fjala und mir, Viola!

Anmerkung: Dieses Buch nutzt an einigen Stellen die weibliche Form, an anderen wiederum die männliche, was nicht heißt, dass das Geschriebene nicht auf Lebewesen des anderen Geschlechtes zutreffen könnte. An anderen Stellen jedoch ist die Zuordnung eindeutig. Hengste zum Beispiel können keine Fohlen bekommen. Hier sind Sie als Leserinnen und natürlich auch Leser gefragt, die richtigen Annahmen abzuleiten. Da ich sehr optimistisch bin, traue ich Ihnen das zu.

Verlag und Autorin danken der Uelzener Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft a.G. und Pötzl-Medien (Wetzlar) für die schnelle und unkomplizierte Klärung und Genehmigung der Titelnutzung von »Stallgeflüster«.

Vorwort

Pferdemenschen sind komisch. Nein, werden Sie jetzt denken, ich bin doch nicht komisch, ich bin doch nicht die verrückte alte einsame Katzenfrau, die sinnloses Zeug vor sich hin brabbelt und gesellschaftlich nicht mehr integrierbar ist.

Stimmt, Sie sind keine Katzenfrau, Sie sind ein Pferdemensch. Sie erzählen Ihrem Lebensgefährten oder Ihren besten Freunden stundenlang, was Ankertulpe wieder für heldenhafte, witzige und total niedliche Sachen gemacht hat. »Tulpi hat prima den Rücken frei gemacht, ich konnte sie super sitzen. Was für ein tolles Gefühl, und die neue pinke Schabracke passt so gut zu den Bandagen, die ich ihr letztens gekauft habe, mein Gott, ich bin so froh, dass sie kein Fuchs ist, sonst könnte sie Pink gar nicht tragen! Zum Glück ist sie nicht mehr rossig, das war ja schon ganz niedlich, wie sie Weltenbummler immer hinterhergelaufen ist, so richtig verliebt, der wurde schon ganz kirre, weil sie ihm andauernd vor die Nase gepinkelt hat. Im Viereck hat sie ihm dann immer hinterhergeschrien, da war das mit der Konzentration eher schwierig, aber jetzt ist sie ja endlich wieder gut in Form!«

Und nun stellen Sie sich mal vor, Sie hätten nicht tagtäglich mit Pferden zu tun. Vermutlich würden Sie denken, ein Fuchs sei ein kleines puschiges Wildtier, eine Schabracke ein abwertendes Schimpfwort für eine Frau und eine Bandage eine stützende Hilfe zur Heilung von Sportverletzungen. Sie würden sich fragen, wieso der Reiter noch auf dem Pferd sitzt, nachdem dieses seinen Rücken frei gemacht hat, und wie es wohl ankommen würde, wenn Sie Pinkeln und Liebe in einem Satz erwähnen. Sie könnten anzweifeln, dass Pferde wirklich andere Pferde lieben und über die Bedeutung des Wortes »rossig« nachdenken. Und warum heißt das Vieh überhaupt Ankertulpe? Was ist das für ein bescheuerter Name?

Sie könnten aber auch einfach das Fragen sein lassen, zuhören, nicken und abwarten, bis die Geschichten vom Pferd vorbei sind.

Eindruck würde es allerdings machen, wenn Sie sich Pferdewissen aneigneten. Dieses Buch ist eine hervorragende Quelle für wissenswerte und überflüssige Tatsachen rund um die Pferdewelt. Es bietet eine Grundlage, um in die Gefühlswelt eines pferdeaffinen Menschen einzutauchen. Außerdem können Sie nach dem Lesen munter mitdiskutieren, wann immer Menschen ihr Gesprächsthema auf Pferde lenken.

Egal ob Pferde Sie schon lange begleiten oder Sie vielleicht gerade erst auf dem Weg sind, sich von Pferden begeistern zu lassen: Reisen Sie mit mir in den Mittelpunkt der Pferdewelt und erfreuen Sie sich an der Vielfalt, der Widersprüchlichkeit und der Faszination der Welt rund um den vierhufigen Veganer Equus caballus.

Der Pferdemensch

Ein ulkiges Wesen

Pferdemädchen

Was lässt die Pferdewelt zu einer Traumwelt für viele junge Mädchen und einige kleine Jungs werden? Was ist so interessant an großen felligen Tieren, die sich körperlich nicht so sehr von einer Kuh unterscheiden, aber dennoch einen ganz anderen Status haben? Was lässt Kinder davon träumen, ihr Leben mit Pferden zu verbringen und alle anderen Träume hintanzustellen?

Fury, Black Beauty, Dr. Ed, Immenhof, Bibi und Tina, Wendy, Lissy und Conny haben garantiert ihren Teil dazu beigetragen. Wenn man jung ist, denkt man nicht darüber nach, dass Fury - ein unbezähmbarer schwarzer Hengst - in der Realität eher in the slaughterhouse landen würde (dieser Gedanke trug jedoch zur Namensfindung einer hannöverschen Band bei), sondern geht völlig auf in der unfassbar romantischen und kitschigen Geschichte der freundschaftlichen Verbindung eines Waisenjungen mit diesem verhaltensgestörten Pferd. Das Pferd als der Sidekick des Menschen, welches jedes Abenteuer gut ausgehen lässt, ist ein schöner Gedanke. Auch in anderen medialen Pferdeereignissen geht es um Abenteuer, Freundschaft, Liebe und den Kampf gegen böse, profitgeile Menschen. Immer gibt es ein Happy End, und Gut siegt über Böse. Das gnadenlose Alltagsleben verwehrt uns oft unsere wohlverdienten Happy Ends und zwingt uns damit zum Gestalten einer besseren Traumwelt. Für die einen ist es Fußball, für die anderen Helene Fischer oder eine Rosamunde-Pilcher-Geschichte. Und für den Pferdefreund ist es eben die glitzer-rosa Pferdewelt.

Als ich ein kleines Mädchen war, war ich eines dieser Pferdemädchen. Egal worum es ging, ich brachte immer die Pferdekomponente in sämtliche Spiele. Ich hatte einen Pferdestall für die Barbiepferde, wohingegen mich die Styles von Barbie und Co. nur wenig interessierten. Auch Ken war für mich nicht so interessant wie die verschiedenen Plastikpferdchen, von denen manche auch rosa Mähnen besaßen und glitzerten. Ich baute ihnen Ställe aus Pappmaché und ließ die Barbies in den mitgelieferten Plastikdamensätteln ausreiten. Sie striegelten ihre Pferdchen und fütterten sie. Und misteten den Stall aus. Ich war überhaupt kein Fan von Puppen. Als meine Mutter mir eine Freude machen wollte, indem sie mir eine Puppe zum Anziehen und Füttern schenkte, dachte ich, sie hätte sich versehen und wollte die Puppe eigentlich meinem kleinen Bruder schenken. Die Barbies waren nur Accessoires für die Pferde. Mehr nicht.

Ich hatte alles von Playmobil, bei dem Pferde vorkamen, und spielte damit Springturniere nach. Es gab ganze Springparcours aus Playmobil, natürlich auch Westernreiter und vornehme Dressurreiter mit Kappen und Gerten. Die ganze Vielfältigkeit der Playmobilpferdewelt wurde kürzlich im Pferdemuseum zu Verden ausgestellt. Zwei Wochen brauchte es, um die Ausstellung aufzubauen, woraus ich schließe, dass die Vielfalt und Auswahl an pferdethematischen Playmobilfiguren seit meiner Kindheit bis heute stark zugenommen haben muss. Eine Entwicklung, die ich sehr begrüße!

Conny und Wendy waren Pflichtlektüre. Und ich weiß noch genau, wie groß der Wunsch war, eines Tages wirklich ein lebendiges, echtes Pferd zu besitzen. Ich saß mit meinen Eltern vor dem Fernseher, und in einem Western galoppierte eine Pferdeherde, die von einem Cowboy getrieben wurde. Und ich dachte mir: »Nur eines dieser Pferde, wenn ich nur eines dieser Pferde besitzen könnte, dann wäre ich der glücklichste Mensch der Welt!« Ich glaube, ich sprach es auch aus und dachte es nicht nur. Und das nicht nur einmal, sondern ich habe meine Eltern mit diesem Wunsch fast in den Wahnsinn getrieben.

Je älter ich wurde, desto realer wurden meine Begegnungen mit Pferden. Meine Freizeitgestaltung verlagerte sich immer mehr vom heimischen Kinderzimmer auf den Bauernhof nebenan. Dieser Bauernhof hatte Schafe, einen Esel, aber eben auch zwei Pferde und fünf Ponys zu bieten, sowie weitere pferdebegeisterte Mädchen, die dort Urlaub machten.

Meine Eltern nahmen mich mit neun Jahren aus dem Schwimmverein, da ich lieber Reitunterricht haben wollte. Als Mädchen, das auf Schulpferden Reitunterricht nimmt, bist du in der Stallhackordnung ganz unten. Denn nicht nur in Pferdeherden gibt es eine Rangordnung, die durch Kämpfe und Status festgelegt wird, auch die an Pferdeställen beteiligten Menschen legen eine Hierarchie fest. Die Privatpferdebesitzer und die Reitlehrer rangieren dabei ganz oben. Und diese nutzen ihre Position nur zu gerne aus. Ich nahm die kleinen Schikanen und Gemeinheiten der Ranghöheren stoisch hin und träumte davon, eines Tages selbst eine der ganz Großen zu sein und ein eigenes Pferd zu besitzen.

Irgendwann war es dann so weit. Als ich 13 war, redeten meine Eltern davon, dass wir uns Ponys anschauen wollten. Ich war total euphorisiert. Mein Traum ging in Erfüllung! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich weiß noch, wie ich mein erstes Pony mit Kaufoption proberitt, eine Halflingerstute namens Ronja, und wir dann doch ein geschundenes Pferd von einem zwielichtigen Pferdehändler kauften. Dieses Tier war allerdings sehr wild, und so tauschte er es auf Wunsch meiner Eltern gegen mein erstes Pony Bruno um.

Ich liebte Bruno. Redete ich von ihm, so dachten meine Zuhörer, ich würde von meinem Lover reden. Bruno bestimmte mein Leben. Mein Leben war Bruno. Die Schule war mir egal. Ich malte ihn im Unterricht und träumte vor mich hin. Ein wenig wundere ich mich, dass ich überhaupt die Schule geschafft habe.

Als ich meine Ausbildung absolvierte, war Bruno alt und konnte nicht mehr geritten werden. Ich schaute mich nach einem jungen Pferd um und kaufte meine jetzige Friesen/Oldenburger Stute. Ich brachte ihr alles bei, was man als Reitpferd braucht. Während meines Studiums gab ich sie zeitweise an meine kleine Schwester ab, da ich mit meinen Studentenjobs als Putzfrau in einer Arztpraxis und als Obst- und Gemüsehändlerin keine zwei Pferde durchfüttern konnte. Bruno zog mit um, und gemeinsam unternahmen wir viele schöne Spaziergänge.

Eines Tages rief der Besitzer des Trabrennstalls an, in dem Bruno unterstand. Es ginge ihm gar nicht gut, er wäre beim Fressen umgefallen und könne nicht mehr aufstehen. Ich wusste sofort, dass es sein letzter Tag sein würde. Ich hatte jahrelang mit angesehen, wie Bruno immer dünner wurde, wie er immer mehr Schwierigkeiten bekam, sein Heu zu kauen und der Bewegungsapparat steifer wurde. Ich war vorbereitet. Er starb in meinen Armen, und ich konnte bei ihm sein, als er seine letzte Reise antrat. Was mir sehr wichtig war.

In der Pubertät stellt sich dann heraus, ob aus einem Pferdemädchen auch eine Pferdefrau wird. Denn in dieser Zeit wird das Pferdemädchen durch diverse Ablenkungen, die größte von ihnen Jungs, auf eine harte Probe gestellt, sodass sich hier zeigt, wer von ihnen weiterhin der Pferdewelt treu bleibt und wer sich von ihr abwendet. Auch ich musste mich dieser harten Prüfung unterziehen. Aber Jungs erreichten nie den Status von Pferden, denn eine Beziehung zu einem Pferd ist sehr viel haltbarer als eine Beziehung zu einem anderen Menschen. Oder wie Thees Uhlmann von Tomte singt: »Endlich etwas, was länger als vier Jahre hält.« Damit meinte er zwar seinen Hund, aber das kann man ohne Probleme auch auf Pferde übertragen.

Ich habe immer noch meine Stute, welche alt und gebrechlich geworden ist. Mittlerweile haben wir über 22 gemeinsame Jahre hinter uns, und ein Abschied vor dem Tod kommt nicht infrage.

Die Dinge haben sich jedoch geändert. Ich bin berufstätig, und die Zeit ist knapp. Die naiven Träumereien sind längst verschwunden. Die Rituale der Pferdepflege sind Bestandteile des Alltags geworden, und das hat den großen Lebenstraum, den ich als Mädchen geträumt habe, teilweise zerstört. Allerdings bedeuten mir Pferde immer noch sehr viel. Ich weiß nicht, ob ich immer glücklich bin, aber eins steht fest: weil ich mein Pferd habe, bin ich ein glücklicherer Mensch.

Ich betrete eine andere Welt, wenn ich den Fuß auf die Stallschwelle stelle. Dort herrscht Ruhe. Pferde sind Tiere, die nur wenige Laute von sich geben, und so sind sie eine willkommene Abwechslung zu dem lauten und hektischen Alltag. In ihrer Welt herrschen klare Regeln, klare Zeichen, die von den anderen Herdenmitgliedern und den Pferdemenschen eindeutig zugeordnet werden können, was Sicherheit und Strukturen gibt. Diese Ruhe wirkt sich auf Menschen aus und beschwört ein Gefühl der Geborgenheit herauf.

Pferde bewirken weiterhin eine große Faszination in mir. Wenn auch alles scheiße ist, die Realität nervt und ich von Arschlöchern umzingelt scheine, dann bin ich extrem dankbar dafür, dass es Pferde gibt!

Wenn ich einmal groß bin ...

Pferdemensch

Menschen, die sich ein Pferd angeschafft haben, werden oft als Pferdemenschen bezeichnet. Dem Namen nach sind Pferdemenschen eine Kombination aus Pferd und Mensch. Ein Zentaur. Halb Mensch, halb Pferd.

Der Zentaur entstammt der griechischen Mythologie, und wie so oft ist diese Geschichte ziemlich durchgedreht und nicht ganz jugendfrei. Also Vorsicht! Alle Leser unter 16 sollten den nächsten Absatz überspringen!

Die olympische Göttin Hera war gleichzeitig die Schwester und auch die Gattin des Zeus. Damit fangen die Schweinereien ja schon an. Heutzutage ist sowas verboten! Aber die Geschichte wird noch versauter, keine Angst. Hera und Zeus trieben es einmal im Jahr unter einem Baum. So weit, so gut. Zeus war es auch, der Hera anstachelte, einer Wolke ihre Gestalt zu geben. Hera hielt sich auf einem Saufgelage der Götter auf, als ein Betrunkener mit dem Namen Ixion, zufälligerweise ein König, sie belästigte. Als nun dieser König die Wolke in der Gestalt Heras »anstach«, zeugte er damit einen Bastard. Und was hat so ein Bastard aus Wolkengöttin und König im Sinn? Das Naheliegende. Er vögelt eine Herde Stuten. Und die Zentauren sind geboren. Ein unglaublich unbeherrschtes und lüsternes Volk, diese antiken Griechen.

Zum Glück ist der Pferdmensch von heute nicht unheimlich unbeherrscht und lüstern. Nicht alle jedenfalls. Nein, Pferdemenschen verschmelzen in ganz anderer Hinsicht als der sexuellen mit Pferden. Sie richten ihr ganzes Leben nach ihrem Pferd aus.

Das bedeutet zunächst, dass sie all ihr Geld ihrer Passion opfern. Der Pferdemensch ist ein sehr risikofreudiger Mensch, da er zukünftige Investitionen nicht voraussagen kann und auch nicht versucht, dieses zu tun. Er hat entweder eine Menge Kohle auf seinem Konto liegen, oder er liebt die Gefahr, und ist sich ständig des drohenden Verlustes seiner finanziellen Basis bewusst. Ein Wink des Schicksals, und der Pferdefreund droht, Haus und Hof, Partner, Freunde und vielleicht auch sich selbst zu verlieren und in die Obdachlosigkeit abzurutschen. Dabei sind es nicht die Futterkosten, die risikobehaftet sind, denn die sind kalkulierbar. Natürlich brauchen verschiedene Pferde unterschiedliche Futtermengen und vor allem auch verschiedene Arten von Futter, allerdings sind Quantität und Qualität des Futters planbar. Auch die Miete, die der Pferdfreund monatlich an den Stallbesitzer zu entrichten hat, kann variieren, ist aber im Großen und Ganzen nachvollziehbar. Der Pferdefreund muss sich im Klaren darüber sein, ob sein Pferd ein Solarium braucht oder ob er auf diese Annehmlichkeit verzichtet. Oder legt er Wert auf eine vollautomatische Futteranlage, die durch abgestimmte Computertechnik berechnet, welches Futter und wie viel davon das Pferd am Tag bekommt? Fragen über Fragen, von deren Antworten die passende Residenz für das Pferd und somit auch der zu entrichtende Preis für den Pferdefreund abgeleitet werden kann.

Auch das Zubehör ist sehr differenziert in der Preisgestaltung. Hier kann der Pferdefreund allein schon mehrere Jahresgehälter loswerden, möchte er den besten und passendsten Sattel für sein Pferd und den ergonomischsten Pferdanhänger anschaffen. So wie auch das richtige Auto, da ein VW Polo nun mal nicht in der Lage ist, bis zu einer Tonne Lebendgewicht plus Pferdeanhänger zu ziehen.

Nein, das Lotteriegefühl wird durch die Tatsache ausgelöst, dass es sich bei Pferden um Lebewesen handelt. Und dass Lebewesen theoretisch krank werden können. Wer einmal privatversichert war, weiß, dass so ein Arztbesuch kein wirkliches Schnäppchen ist. Und ein Pferd ist immer ein Privatpatient.

Es gibt die Möglichkeit, eine private Krankenversicherung für sein Pferd abzuschließen. Diese lohnt sich aber nur bei jungen, gesunden Pferden. Denn da sind die Beiträge noch einigermaßen annehmbar. Ob eine Pferdeversicherung überhaupt Sinn macht, ist eine andere Frage. Vorerkrankungen sowie auch das fortschreitende Alter eines Pferdes sind Kriterien, die die Versicherungsbeiträge ins Unermessliche wachsen lassen. Dabei ist es egal, wie alt oder jung ein Pferd bei Versicherungsabschluss ist. Wird es älter, so wird auch die Versicherung teuer. Eine einfache Regel. Ist der Pferdemensch weniger risikofreudig, so schließt er trotzdem eine Versicherung ab. Oder eine Spezialversicherung, in der nur mögliche Klinikaufenthalte des Lieblings enthalten sind.

Eine Pferdeklinik ist ein hochmodernes, auf dem neuesten Stand der Veterinärmedizin erbautes Gesundheitszentrum für Pferde, in dem hochsensible Gerätschaften und teure Computertechnik zum Einsatz kommen.

Wie bei uns Menschen, hat die Pferdewelt auch alternative Heilmethoden zu bieten. Einige Pferdebesitzer schwören auf Heilpraktiker oder Osteopathen. Knochenbrecher und Pferdeheiler stellen der Pferdebesitzerin ihre Dienste zur Verfügung, der XXL Ostfriese war ein prominentes Beispiel. Pferdeflüsterer versprechen, verhaltensauffällige Pferde zu umgänglichen Tieren auszubilden. Bei der Magnetfeldtherapie sollen Pferde durch eine energieregulierende Decke geheilt werden. Pferdeschamanen predigen einen gewaltfreien Umgang mit dem Geschöpf Pferd. Klaus Ferdinand Hempfling ist der bekannteste selbsternannte Pferdeschamane, der jedoch neben zahlreichen Anhängern auch viele Kritiker hat. Unbestritten ist, dass er durch die Vermarktung seiner Methode sehr reich geworden ist. Seine Bücher sind Bestseller, und Anhänger müssen enorme Summen für seine Kurse hinblättern, es wurde weiterhin berichtet, dass sogar wirtschaftliche Verhältnisse vor Kursantritt offengelegt werden mussten und er seiner Anhängerschaft strikte Ernährungsregeln auferlegte. Die Möglichkeiten, für die Pferdgesundheit zu sorgen und dabei sein Vermögen loszuwerden, sind also schier unendlich.

Doch Geld ist nicht das einzige, was Pferdemenschen ihren Pferden opfern. Ein weiteres, den Menschen kostbares Gut wird zur Verfügung gestellt, nämlich die Zeit. Wer schon einmal versucht hat, sich mit einem Pferdemenschen zu verabreden, wird ein Liedchen davon singen können. »Ich würde ja so gerne das Spiel zwischen Hannover 96 und dem SV Sandhausen angucken, aber leider muss ich heute noch unbedingt zu Moonlight.« Dieser oder ein so ähnlicher Satz ist die Standardentschuldigung eines Pferdemenschen. Ein Außenstehender könnte sich fragen, was der Pferdemensch den ganzen Tag bei seinem Pferd treibt. Wofür braucht er Stunden oder sogar halbe Tage?

Zuerst einmal ist das Pferd meistens in einem Stall untergebracht, welcher in ländlicheren Gegenden zu finden ist. Wohnt der Pferdemensch in der Stadt, muss er also lange Fahrzeiten in Kauf nehmen, um seinem Pferd einen Besuch abzustatten. Im Stall angekommen, trifft er oft auf andere Pferdemenschen. Ein Pläuschchen über die Lieblinge ist nicht unüblich. »Diego ist heute so schön in die Trabverstärkung gegangen und er lief dabei so schön in Anlehnung!« - »Oh, das ist aber schön, ich bin ja mal gespannt, ob Trixie heute besser am Zügel geht als gestern!«

Nach dem Pläuschchen muss der Liebling von der Weide in den Stall geholt werden. Die Weide befindet sich nicht unbedingt direkt am Stall und der Liebling nicht unbedingt direkt am Weidetor. Dann fängt das Putzen an. Das Putzen des Pferdes. Hierfür gibt es verschiedenartige Bürsten, die nacheinander verwendet werden. Die Mähne wird mit dem Mähnenkamm durchgebürstet, der Schweif wird verlesen. Dann werden die Hufe mit einem Hufauskratzer gereinigt, dabei muss sehr vorsichtig vorgegangen werden, damit der in der Mitte des Hufes angesiedelte Strahl nicht zu sehr gedrückt wird. Denn dort sind unsere Freunde besonders empfindlich. Nach dem Putzen wird das Tier noch mit Fellglanzspray veredelt.

Nun kommt das Zubehör ins Spiel, sämtliches Gedöns, was zum Reiten benötigt wird, wird an das Pferd rangefummelt. Hier kann der Aufwand sehr variieren, die Minimalausstattung sind ein Sattel und eine Trense, Extras wären Bandagen oder Gamaschen für die Beine, Hufschuhe für die Hufe, Decken für den Rücken, Hilfszügel zur Verfeinerung der Hilfen - oder zum Hinwegtäuschen über die Unfähigkeit des Reiters - und Mützen für die Ohren.

Hat der Pferdefreund nun sein Pferd zum Reiten vorbereitet, geht es an die eigene Vorbereitung. Es werden Reitstiefel angezogen und ein Reithelm aufgesetzt. Vielleicht muss der Reiter auch noch eine Gerte mitnehmen. Nun geht es los.

Geritten wird oft ungefähr eine Stunde lang. Reitet der Reiter auf dem Platz, so muss er ihn hinterher harken, damit der nächste Reiter es schön hat. Beim Reiten verlorene Pferdeäpfel müssen eingesammelt werden. Wird das absichtlich nicht gemacht oder vergessen, gibt es richtig Ärger, denn bei der Nichteinhaltung der Stallordnung kennen Pferdefreunde kein Pardon! Manchmal schwitzt das Pferd nach dem Reiten. Dann braucht es eine Abschwitzdecke, und der Reiter muss warten, bis das Pferd trocken ist, bevor er die Decke wieder runternehmen darf.

Jetzt muss der Reiter das Futter für das Pferd zubereiten. Das kann sehr kompliziert sein und um die zehn verschiedenen Zutaten enthalten. Ist das erledigt, muss der Dreck wieder beseitigt werden. Zum einen der Dreck aus den Hufen und eventuell auch die Pferdeäpfel, die das Pferd auf der Stallgasse und auf dem Hof und überall sonst verteilt hat, aber auch der Dreck aus dem Stall des Pferdes. Hierzu müssen mehrere Karren an Mist mit einer Mistgabel aus dem Stall gefischt und dann auf den Misthaufen abgeladen werden. Danach wird frisches Stroh und frisches Heu in der Unterkunft des Lieblings verteilt. Oft muss auch noch die Pferdeweide von Pferdeäpfeln befreit werden. Der Pferdemensch bewaffnet sich hierzu mit einer handelsüblichen Schubkarre und einem Stallboy. Mithilfe dieser Utensilien befördert er die Hinterlassenschaften der Lieblinge aller Einsteller von der Pferdeweide auf den Misthaufen. Dieses Ritual muss zum Glück nicht täglich erledigt werden, da diese Arbeit meist nach der Philosophie der job rotation organisiert ist, sodass jeder Einsteller sie in wiederkehrenden Zeitabschnitten zu erledigen hat. Auch das Aufräumen und Putzen der gemeinsamen sanitären Anlagen und des Aufenthaltsraumes, des Reiterstübchens, sind in dieser Art und Weise organisiert.

Ist all dieses nun erledigt, hält man noch kurz ein Pläuschchen mit den Stallkollegen, fettet eventuell noch sein Lederzeug ein und räumt sämtliches Gedöns wieder in seinen eigenen Schrank. Dann kann man nach Hause fahren. Dort angekommen, ist der Pferdefreund dann meistens etwas müde und hat Hunger. Und riecht nach Pferd. Der nachsichtige Partner sollte ihn also erst einmal in Ruhe lassen, bis Hunger, Müdigkeit und Körperhygiene in den Griff bekommen wurden.