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Während wir alle von einem Leben auf dem Ponyhof träumen, bietet es sich uns oft eher als Alltagsalptraum dar. In dieser Geschichtensammlung betrachte ich diverse Alltagsgeschichten von humoristischen Seiten.
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Seitenzahl: 100
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Impressum
Copyright: © 2016 Wiebke Saathoff
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin,
www.epubli.de
ISBN 978-3-7375-9581-0
Vorwort
Das Leben ist kein Ponyhof.
Das Leben ist kein Heimspiel.
So zutreffend diese Sprüche auch oft sein mögen, so wenig wahr sind sie wieder in Ausnahmefällen. Das Leben bietet uns nicht nur Regen, sondern manchmal auch Sonnenschein. Nicht nur schwarz, sondern manchmal auch weiß. Nicht nur Labskaus, sondern manchmal auch Kaviar. Nicht nur Bayern München, sondern manchmal auch Werder Bremen. Alles bunt durchgemischt, ergibt es ein undurchsichtiges Gebilde, eine graue Labskauskaviarsuppe in mittelmäßiger Qualität. Doch das macht es ja aus.
Die hier vor euch liegende Textsammlung habe ich während meiner bisherigen Lesebühnenerfahrung geschrieben, die eine Hälfte für die "Bumsdorfer Auslese" in Braunschweig, die es leider nicht mehr gibt, die andere Hälfte für "The HuH! - Die Lesebühne mit Hack und Herz" in Bremen.
Lesebühnen sind literarische Veranstaltungen, bei denen feste Ensemblemitglieder ihre eigenen kurzen Geschichten vor Publikum regelmäßig (z.B. monatlich) am gleichen Ort vortragen. Meistens werden noch Gäste literarischer und musikalischer Art eingeladen.
Meine Texte haben alle irgendwie etwas gemeinsam. Sie handeln vom kuriosen Alltag, der uns unser Leben manchmal auf fremden Rasen austragen lässt, um uns dann doch wieder heimisch und heimelig zu empfangen. Manchmal fühlt man sich eben wie auf dem Ponyhof und manchmal wie in der Pferdemetzgerei!
Danke
An Zandra, die unermüdlich meine fehlerhafte Kommasetzung begutachtet und auch berichtigt hat und mich auch ständig motiviert, weiterzumachen.
An Geela, die mich bei der Gestaltung des Covers unterstützt hat.
An meine Mutter, die sich diese Textsammlung zu Weihnachten gewünscht hat.
An meine Mitstreiter der "Bumsdorfer Auslese" und "The HuH!", die das Vortragen der Texte zu einem Vergnügen machten/machen.
Und natürlich an alle, die sich jeweils im Publikum befunden haben!
Inhaltsverzeichnis
Wartesaal
Chasing Cars
Happy Mörtel
Frau mit Kohle sucht Fisch zum Grillen
Bäng! Bumm! Krawumm!
Ich habe viel mit Schwänzen zu tun -Aus dem Tagebuch einer Lehrerin
Brunftzeit
Die Bacheloretten
Macht und Gemächt, eine unabdingbare
Konsequenz?!
Manni the Mantalist
Mittelstreifenfahrerei
My lost Cyberspace – oder Tagebuch einer Internetlosen
Von Menschen, Tieren und Salat.
Traumfänger
Taten ist das, was zählt
Alles ist im Eimer
Ungefragte Erziehungsmaßnahmen oder Die Saga von SuperAlterKackarsch
Einfach mal locker gegen die Wand starren
Biss nach Loppersum
Sylwie - oder Rotkäppchen und der böse Wolf
Herzensangelegenheit
Mettbrötchen ohne Brötchen aber mit Ei
Der Verfall des deutschen Liedgutes aufgrund der Unterwanderung von fremdsprachlichen Einflüssen oder "Schneller, Härter, Moped"
Bergdoktor Dr. Alp - Der Arzt, dem die Frauen misstrauten - Eine Arztkurzgeschichte
Heavy in Love in Braunschweig
Vorsätzliche Vorsätze und ein nachdenklicher Nachsatz
Am Ende des Weges
Lebenszeit auf Abwegen
Wartesaal
Die Frau am Fenster ist auf eine besondere Art angsteinflößend - creepy könnte man behaupten, irgendwie. Sie wohnt im 3. Stock und hat einen guten Überblick. So langsam ist es zu kalt für ihr Kissen, aber ich weiß, dass sie da ist, sie starrt durch das Glas des Fensters hindurch und ihr entgeht nichts - und doch alles.
Als ich hier herzog hatte ich mir die Wohnung gegenüber angeschaut. Die Frau lehnte gegen die Fensterbank und starrte den Haufen Menschen an, der wartete, so wie sie. Ich habe die Wohnung nicht genommen.
Während der Menschenhaufen längst verschwunden ist, ist sie immer noch da. Jeden Morgen, wenn ich zur Arbeit fahre. Und jeden Abend, wenn ich wiederkomme. Auf dem Weg sehe ich nicht nur sie warten. Kurz vor der Becks Brauerei steht der Mann. Er hat seinen Rollator neben sich geparkt, meist lehnt er sich dort an. Er blickt in die Weser. Er ist schon früh morgens da und nachmittags ist er auch oft noch dort. Er kommt keinen Meter weiter.
Sie sind beide alt. Sie müssen schon eine lange Zeit gelebt haben. Sie müssen irgendetwas getan haben. Sie müssen harte Zeiten miterlebt haben und schöne. Sie müssen gelebt haben.
Ich fahre weiter. Der Wind bläst mir in das Gesicht und durch den Regen nehme ich sie nur verschwommen wahr, aber sie sind da, wie immer. Mein Blick schweift in die Ferne. Ich nähere mich der Brücke, auf ihr donnern die Autos und LKWs und lassen sie erschüttern. Sie klingen dumpf. Ich trete in die Pedale. Ich rase über die Brücke und doch komme ich keinen Meter voran.
Chasing Cars
Ein sehr einfacher und effektiver Weg, seinen Mitmenschen Persönlichkeitsmerkmale, Tatsachen oder Einstellungen mitzuteilen, ist das Anbringen eines Aufklebers an der Rückscheibe des Autos.
Häufige Aussagen sind: „Baby an Bord" bzw. „Baby fährt mit!“ oder auch die fremdsprachliche Version „Baby on Board!“. Allerdings sind diese Art von Sticker auch schon wieder voll out. Selbst Eltern von Kleinkindern gehen mit dem Trend und passen sich neuen Entwicklungen an. Heutzutage muss schon was Individuelles her, z. B. „Ann-Jaqueline fährt mit!“. Am besten man hat nicht nur Ann-Jaqueline gezeugt, sondern auch noch Kevin-Horst und dessen Aufkleber befindet sich dann in der anderen Ecke der Rückscheibe. Ann-Jaqueline und Kevin-Horst sind auch individuell gezeichnet, Ann-Jaqueline in rosa und Kevin-Horst in hellblau. Wunderschön und äußerst kreativ! Und wie gesagt, jetzt weiß ich Bescheid!
Aber ein wenig wundert mich, worüber ich Bescheid wissen soll. Wird hier nur dezent auf die Beförderung von Ann-Jaqueline und Kevin-Horst hingewiesen oder will mir das Pärchen vor mir noch weitgehendere Nachrichten überbringen? Ich klebe doch auch nicht „Kiste Becks fährt mit!“ hinten drauf.
Ich denke weiter. Die Existenz von Ann-Jaqueline und Kevin-Horst setzt eine ganz wichtige Begebenheit voraus. Ja genau, die zwei oder nur der oder die eine, je nachdem wer gerade mit der glorreichen Nachricht durch die Gegend fährt, hatte schon einmal Geschlechtsverkehr! Toll, denke ich und möchte am liebsten gratulieren. Aber warum muss man diese Nachricht so versteckt und kompliziert ausdrücken? Wahrscheinlich nur, um den Intellekt der Mitmenschen herauszufordern. Ein einfaches „Poppen 2006!“ hätte doch auch gereicht. Oder „Ficken for Fun 2004 + 2005!“ wäre auch nicht schlecht gewesen.
Da klappt die Überleitung zu meinem nächsten Thema perfekt. „ABI 2008!“. Aus Erfahrungswerten würde ich diese Aussage folgendermaßen übersetzen: „Ich bin nicht so blöd, wie es mein Fahrstil vermuten lässt!“ Und natürlich zählt ein hoher Schulabschluss mehr als ein einigermaßen zumutbarer Fahrstil.
Mittlerweile gibt es aber schon Gegenangriffe. Ich habe Autos gesehen mit „Hauptschulabschluss 1975!“ oder „Rente 2022!“ und muss gestehen, dass ich diese für weitgehend geistreich und niveauvoll halte. Eigentlich sollte sich jeder seinen gesamten Lebenslauf auf die Rückscheibe drucken lassen, angefangen mit Grundschule Heidberg 1981 bis Prüfung zur Fleischereifachverkäuferin 2006.
Was auch ganz toll ist, ist ein richtig schönes Arschgeweih am Arsch des Autos. Eigentlich ja auch logisch, während die blondierte Hüfthosenträgerin vom Frisörtermin zur Jägermeisterparty fährt, kann man das echte Arschgeweih nicht sehen. Nun ist es aber wichtig, dass man immer was zu sagen hat und ständig ein Statement rüberbringt. Da ist ein Autoarschgeweih nur die logische Konsequenz!
Weiterhin gibt es noch die Möglichkeit sein Auto mit gutem Musikgeschmack zu schmücken. Da eignen sich besonders Death-Metal Bands, da diese immer poetische Namen tragen und die Schriftzüge der dem Arschgeweih ähneln. So kann man wunderschöne Namen wie (Achtung, diese Namen entspringen nicht meiner Fantasie!!!) „Fuck…I’m Dead“ (hier wird auch gleichzeitig auf den metalwürdigen Fahrstil hingewiesen) oder „Cock and Ball Torture“ (auch ein kleiner dezenter Hinweis, dass man Erfahrungen mit der Pubertät gemacht hat) dort anbringen.
Am besten wäre jedoch, wenn man sämtliche Möglichkeiten der Selbstauskunft kombiniert. Also ich fange an bei Grundschule Wirdum 1980 (kleine Anmerkung: Wirdum ist ein Dorf in der Gemeinde Krummhörn in Ostfriesland und dort durchaus durch den witzigen Ausspruch: „Ich dumm, du dumm, wir dumm!“ bekannt), weiter dann zum beinahe Hauptschulabschluss 1993, dafür aber Poppen 1994 (Ann-Jaqueline) und noch mal Ficken 1996 (Kevin-Horst), Hartz4 1995 und Peter Zwegat 1997. Das Ganze wird oben von einem Autoarschgeweih geschmückt (für die Mami) und unten mit dem Emblem des GTI-Clubs Wolfenbüttel (für den Papi). Eventuell hört man noch Death-Metal und hat dann noch in Arschgeweihschrift „Dying Fetus“ auf der Rückscheibe, das passt auch sehr gut zu der rosa und hellblauen Babyschrift!
Zum Abschluss muss ich gestehen, dass auch ich in meiner Jugend beinahe dazu verführt wurde, Mamas Auto mit einem wunderschönen Sticker zu bekleben. Auf diesem war ein Auto fahrendes Schwein zu sehen und in der Sprechblase stand: „Ich fahre nicht nur wie eine Sau, ich bin auch sonst eine!“ Als meine Mutter von meinem geplanten Vorgehen erfuhr, hat sie natürlich alles möglich Erdenkliche getan, um das zu verhindern. Ein Glück, es wäre sowieso zwecklos gewesen. 2 Wochen später fuhr ich Mamas Auto zu Schrott!
Happy Mörtel
Endlich Urlaub! Dass die Handwerker heute Morgen kommen, ist bestimmt kein Problem. Die brauchen nur einen Tag. Höchstens zwei. Und dann sowieso nur einen zweiten halben Tag. Also insgesamt eineinhalb Tage. Und dann ausruhen. In den Tag Leben. Erholung. Ruhe. Wellness. Wie schöööön!
Heute stelle ich mir das letzte Mal den Wecker. Danach wache ich einfach auf, wenn ich fertig bin mit dem Schlafen. Ok, so 6:30 Uhr ist nicht die ideale Zeit, um ausgeschlafen zu sein, aber ein Mal, ja so ein Mal kann man das ja machen.
Jetzt ist es halb 8, gleich kommen sie, die Handwerker. Ich mache schon mal Kaffee. Handwerker trinken gerne Kaffee. Das weiß ich.
Es ist jetzt halb 9. Ich habe sechs Tassen Kaffee getrunken, weil es ja zu schade ist, den frischen Fairtrade Kaffee von Kindern von kolumbianischen Bauern wegzugießen. Ich fühle mich ein wenig aufgekratzt und muss dauernd auf Klo.
Jetzt ist es hab 10. Ich mache mir Sorgen um die Handwerker, nicht dass ihr Handwerker-mobil auf dem Weg hierher kaputt gegangen ist oder abgebrannt ist, weil die Handwerker da drinne geraucht haben. Handwerker machen so was. Das weiß ich.
Ich habe 17 Mal auf ihre Mailbox gesprochen.
Nachricht 1: "Saathoff hier, wir haben heute einen Termin."
Nachricht 2: "Saathoff hier noch mal, ich wollte sagen, dass ich auf Sie warte!"
Nachricht 3: "Saathoff hier, sind sie vielleicht auf dem Weg?!"
Nachricht 4: "Saathoff hier, ich habe Kaffee gekocht."
Nachricht 5: "Saathoff hier, jetzt ist nur noch eine Tasse Kaffee übrig!"
Nachricht 6: "Saathoff hier, die letzte Tasse hat eh nicht mehr geschmeckt, der Kaffee war lauwarm!"
Nachricht 7: "Saathoff hier. Ich verspreche auch neuen Kaffee zu kochen, wenn Sie hier mal erscheinen!"
Nachricht 8: "Saathoff hier. Kaffeemaschine läuft. Wenn sie nicht bald da sind, werd ich sauer!"
Nachricht 9: "Saathoff hier. Also, jetzt haben sie's geschafft! Ich bin sauer!"
Nachricht 10: "Saathoff hier. Wenn sie nicht sofort ihren verfickten Arsch in meine Bude schieben dann.....dann....ach, ich weiß auch nicht!"
Nachricht 11: "Saathoff hier. ....dann reiß ich die verfickten Fenster eben selber raus und die Scheißwand gleich mit!"
Nachricht 12: "Saathoff hier, aaarrrgghhhhh!
Nachricht 13: "Saathoff hier, ich hoffe sie haben Mörtel, das Loch in der Wand ist etwas groß geworden!"
Nachricht 14: "Saathoff hier, beeilen sie sich, es wird kalt hier!"
Nachricht 15: "Saathoff hier, wenn sie anhalten, bringen sie gleich Kaffee mit!"
Nachricht 16: "Saathoff hier, ich bin dann mal im Baumarkt!"
Nachricht 17: "Wichser!"
Auf dem Weg in den Baumarkt fühle ich das Testosteron und den Kaffee in mein Blut schießen. Das Baumarktsyndrom ergreift mich. Ich bin unbesiegbar. Ich bin ein Macher. Mein Mazda Demio hat gefühlte 210 PS. Ich leiste mir ein kleines Rennen mit dem roten Porsche neben mir und gewinne natürlich. Ich wechsle ständig die Fahrbahn ohne zu blinken. Ich nehme alten Damen die Vorfahrt. Ich zeige der Polizei den Mittelfinger. Ich höre Black Metal und nuschle mit. Der Text ist eh egal, den versteht eh niemand, ich nehme an irgendwas mit: "Die Bitch, die!" oder so.
Im Baumarkteingangsbereich hängt ein riesiges Poster von einem Mann in einem Feinrippshirt, der gerade mit einem Hammer eine Wand einschlägt. "Mach es zu deinem Projekt" steht da drüber. Das bin ich. Wie gut es sich anfühlt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.