Star Trek - Legacies 1: Von einem Captain zum anderen - Greg Cox - E-Book

Star Trek - Legacies 1: Von einem Captain zum anderen E-Book

Greg Cox

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Beschreibung

Versteckt an Bord der U.S.S. Enterprise befindet sich ein Geheimnis, das von Captain zu Captain weitergereicht worden ist – von Robert April über Christopher Pike bis zu James T. Kirk. Jetzt hat die Rückkehr der geheimnisvollen Frau, die man einst als Nummer Eins kannte, dieses Geheimnis ans Licht gebracht. Kirk und seine Besatzung müssen alles riskieren, um eine Mission zu beenden, die vor vielen Jahren mit April begonnen hat … Vor fast zwanzig Jahren statteten April und seine Besatzung dem Planeten Usilde einen Besuch ab, der sie ein schwerwiegendes moralisches Dilemma führte. Heute zwingt das Vermächtnis dieses schicksalhaften Ereignisses Kirk dazu, eine riskante Reise zu dieser verbotenen Welt anzutreten – die sich tief in einem von den Klingonen beanspruchten Territorium befindet!

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Seitenzahl: 432

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STAR TREK™

LEGACIES

BAND EINS

VON EINEM CAPTAINZUM ANDEREN

GREG COX

Based onStar Trekcreated by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen vonHelga Parmiter

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – LEGACIES 1: VON EINEM CAPTAIN ZUM ANDEREN

wird herausgegeben von Cross Cult / Andreas Mergenthaler, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Übersetzung: Helga Parmiter; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde;

Lektorat: Katrin Aust; Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster;

Cover Artwork: Alan Dingman; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the EU.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – LEGACIES 1: CAPTAIN TO CAPTAIN

German translation copyright © 2020 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2016 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2020 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-96658-325-1 (Dezember 2020) • E-Book ISBN 978-3-96658-326-8 (Dezember 2020)

WWW.CROSS-CULT.DE • WWW.STARTREKROMANE.DE • WWW.STARTREK.COM

Meiner Mutter gewidmet,die dieses ganze verrückte Sci-Fi-Zeugnie so richtig verstanden hat, meine Interessenaber dennoch immer unterstützt hat:

Sie fuhr mich zu Comicläden undScience-Fiction-Conventions und späterzeigte sie all ihren Freunden meine Bücher.

Du fehlst uns, Mom.

Inhalt

HISTORISCHE ANMERKUNG

2267

EINS

ZWEI

DREI

VIER

2249

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

2267

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DANKSAGUNGEN

HISTORISCHE ANMERKUNG

Diese Geschichte findet im Verlauf verschiedener Missionen des Raumschiffs Enterprise statt. Die Enterprise brach 2245 unter dem Kommando von Robert April zu ihrem Jungfernflug auf. Nach Abschluss einer Generalüberholung 2264 wurde das Kommando des Raumschiffs James Kirk übertragen. Die Begebenheiten während Kirks Mission ereignen sich, einige Monate nachdem die Besatzung der Enterprise zu der diplomatischen Konferenz auf Babel gereist ist (»Reise nach Babel«).

2267

EINS

Logbuch des Captains Sternzeit 3950,1

Die Enterprise ist unterwegs zu einem dringend benötigten Landurlaub auf Chippewa Prime. Derweil erwarten wir Besuch von einem hochrangigen Gast, den Mr. Spock wesentlich besser kennt als ich …

Traktorstrahlen manövrierten das schnittige Kurierschiff in den geräumigen Hangar der Enterprise. Die Shimizu war klein – nur etwa halb so groß wie ein Shuttle –, aber schnell und darauf ausgelegt, im Notfall medizinische Vorräte, diplomatische Würdenträger und alles andere, was am besten schon gestern irgendwo hätte sein müssen, innerhalb so kurzer Zeit an seinen Bestimmungsort zu befördern, dass nur Zeitreisen schneller gewesen wären. Ihre aerodynamischen Konturen umschlossen die Zwillings warpgondeln mit dreieckigen Tragflächen, was Landungen auf Planeten und Flugmanöver in der Atmosphäre erleichterte. Ein weißer Lacküberzug schützte den stromlinienförmigen Rumpf. Soweit Kirk wusste, stand das ausrangierte Sternenflottenschiff inzwischen mehr oder weniger ausschließlich der gerade eingetroffenen Besucherin zur Verfügung, was sowohl auf ihre ruhmreiche Laufbahn in der Sternenflotte als auch auf die Wertschätzung hindeutete, die man ihr entgegenbrachte.

»Auf die Minute«, merkte Kirk an. »Ich habe immer gehört, dass sie für ihre Pünktlichkeit bekannt war.«

»Da haben Sie korrekt gehört, Captain«, sagte Spock. »Meiner Erfahrung nach ist sie in allen Dingen bewundernswert präzise.«

An der Seite von Doktor McCoy sahen Kirk und Spock der Ankunft der Shimizu vom Beobachtungsdeck oberhalb der Landebucht zu. Die Männer hatten sich mit ihren Ausgehuniformen mit all den Orden, Ehrenzeichen und goldenen Paspelierungen herausgeputzt. McCoy zupfte am steifen Kragen seiner Uniform und wünschte sich zweifellos, stattdessen sein gewohntes blaues Hemd zu tragen.

»Sagen Sie mal, Spock, freuen Sie sich darauf, mit Ihrem alten Mannschaftskumpel alte Geschichten durchzukauen?«, erkundigte der Doktor sich.

»Als Vulkanier halte ich das für eine außerordentlich geschmacklose Redensart. Aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen, bin ich tatsächlich erfreut über die Aussicht, unsere Bekanntschaft zu erneuern.« Spock schien sich in seiner formellen Kleidung, die zu seiner reservierten Art und Haltung passte, durchaus wohlzufühlen. »Sie verfügt über einen außergewöhnlichen Verstand und neigt weit weniger zu überflüssigen emotionalen Ausbrüchen als gewisse andere Sternenflottenangehörige, die mir einfallen.«

McCoy schnaubte mit gespielter Entrüstung. »Wen nennen Sie ›überflüssig‹, Sie unausstehlicher, grünblütiger …«

»Aber, aber, meine Herren«, unterbrach Kirk schmunzelnd. »Wir bekommen Gesellschaft, also sollten wir uns von unserer besten Seite zeigen.«

»Na schön«, brummelte McCoy, »aber er hat angefangen.«

»Entschuldigen Sie, Captain.« Yeoman Lisa Bates gesellte sich auf dem Beobachtungsdeck zu ihnen. Sie war schlank und athletisch und hatte ihre kupferfarbenen Locken zu einer modischen Hochfrisur aufgetürmt. Vor Kurzem hatte sie den Posten als Kirks persönlicher Yeoman übernommen, nachdem sie vorher an Bord der Constellation gedient hatte. Bisher hatte sie sich als organisiert und durch und durch aufmerksam erwiesen. Sie hielt ihm eine Datentafel samt Stift hin. »Haben Sie einen Moment Zeit, um die neuesten Anforderungen für die Küche zu unterzeichnen?«

Die Shimizu senkte sich gerade auf das Hangardeck, also nahm Kirk die Gegenstände von Bates entgegen. Er überflog schnell die Unterlagen und entdeckte nichts Ungewöhnliches. Er genehmigte die Anforderungen und gab sie Bates zurück, die sich nicht von der Stelle rührte und offensichtlich keine Eile hatte, wieder zu gehen.

»Gibt es sonst noch etwas, Yeoman?«, fragte Kirk.

»Nein, Sir«, antwortete sie einen Hauch verlegen. »Es ist nur, also …«

Kirk glaubte zu wissen, worum es ging. »Würden Sie gern bleiben und unseren Gast begrüßen, Yeoman?«

Ihr jugendliches Gesicht strahlte. »Ja, Captain. Mit Ihrer Erlaubnis, natürlich. Ihre Laufbahn und ihre Erfolge haben mich immer inspiriert.«

»So sollte es auch sein«, sagte Kirk belustigt. Ein wenig Heldenverehrung schadet nichts, beschloss er, besonders wenn sie einem würdigen Empfänger gilt. »Also gut, Yeoman. Sie dürfen gern bleiben.«

»Vielen Dank, Captain. Das weiß ich zu schätzen.«

Unten auf dem Hangardeck hatte die Shimizu aufgesetzt und die Hälften der Hangartore schlossen sich, um die Landebucht vor dem Vakuum draußen zu schützen. Dieses Treffen fand mitten im All statt, Lichtjahre vom nächsten Sonnensystem entfernt. Die Shuttles der Enterprise waren ein Deck tiefer geparkt worden, um das Kurierschiff aufnehmen zu können. Kirk sah von oben zu, wie die Shimizu ihre Triebwerke abschaltete.

Er ging zu einer Komm-Tafel an der Wand und betätigte den Sprechknopf. »Kirk an Brücke. Die Shimizu ist sicher an Bord. Kurs nach Chippewa Prime fortsetzen. Warp fünf.«

Die Enterprise hatte selbstverständlich den Warp verlassen, um das kleinere Raumschiff zu empfangen, aber jetzt konnten sie wieder eine anständige Reisegeschwindigkeit aufnehmen. Ehrengast hin oder her, seine Mannschaft freute sich zweifellos auf ihren Landurlaub, den sie sich mehr als verdient hatte, besonders nach all der Aufregung auf dem Weg zu der Konferenz auf Babel vor einigen Monaten. Kirks Hand fuhr unwillkürlich zu der Stelle an seinen Rippen, wo der orionische Agent ihn mit einem Messer verletzt hatte. Die Wunde war gut verheilt, aber er schauderte immer noch bei der Erinnerung.

»Aye, Captain«, antwortete Lieutenant Commander Montgomery Scott von der Brücke. »Wir werden im Nullkommanichts wieder auf dem Weg sein, Sir.« Sein starker schottischer Akzent tönte laut und deutlich aus dem Komm-System. »Meinen Sie, ich muss hier noch länger die Stellung halten? Mir graut es bei dem Gedanken, welchen Unsinn meine Maschinen während meiner Abwesenheit anstellen könnten.«

Kirk lächelte. Er wusste, dass sich Scotty, wenn er die Wahl hatte, lieber im Maschinenraum abrackerte, statt den Sessel des Captains auf der Brücke zu besetzen.

»Nur noch etwas länger, Mister Scott. Wir müssen uns immer noch um unseren berühmten Gast kümmern.« Er warf einen Blick hinunter zur Shimizu. Das Kurierschiff musste seinen Passagier erst noch ausspucken. »Kirk Ende.«

»Druck in der Landebucht wiederhergestellt«, verkündete der Schiffscomputer über einen versteckten Lautsprecher. »Zutritt gestattet.«

»Das ist unser Stichwort«, verkündete Kirk. Er wandte sich an seine Begleiter: »Meine Herren, Yeoman, wir sollten unseren Gast nicht warten lassen.«

Sie fuhren im Turbolift hinunter zum Hangardeck und betraten die geräumige Bucht in dem Moment, als die Steuerbordluke der Shimizu sich öffnete und eine kurze Treppe zum Deck hinunter ausgefahren wurde. Das Empfangskomitee mit Kirk an der Spitze nahm Haltung an, als ihr Gast das Schiff verließ.

Es handelte sich um eine groß gewachsene, gut aussehende Frau Mitte vierzig. In ihren langen schwarzen Haaren war noch keine Spur von Grau zu erkennen. Kluge blaue Augen musterten die Umgebung und ihr kühles Äußeres war auf beinahe vulkanische Weise unergründlich. Anders als Kirk und seine Begleiter trug sie bequeme, informelle Kleidung und im Gegensatz zum aktuellen Trend bei Sternenflottenuniformen hatte sie sich für eine makellos gebügelte schwarze Hose anstelle eines Rocks entschieden. Die Streifen am Ärmel ihres goldenen Oberteils wiesen sie als Captain aus. Eine einfache schwarze Reisetasche hing an einem Riemen über ihrer Schulter.

»Willkommen an Bord, Captain«, begrüßte Kirk sie. »Oder sollte ich sagen ›Willkommen zurück‹?«

»Ersteres wird genügen.« Sie sah sich im Hangar um. Vielleicht verglich sie diesen mit ihrer Erinnerung. Ihr neutraler Tonfall verriet kaum etwas von dem, was in ihrem Kopf vorging. »Aber ich weiß den Gedanken zu schätzen.«

Ihr umherwandernder Blick fiel auf Spock. »Mr. Spock. Jetzt fühle ich mich mehr zu Hause.« Ein leichtes Lächeln ließ ihre Züge weicher erscheinen. »Schön, zu sehen, dass die Enterprise immer noch einen äußerst fähigen Ersten Offizier hat.«

»Ich kann Ihnen nur nachfolgen«, antwortete er, »aber Sie nicht übertreffen.«

Die Frau, die man früher als »Nummer Eins« gekannt hatte, ging auf die anderen zu, während die Luke hinter ihr sich automatisch schloss. Kirk erkannte, dass sie der einzige Passagier war und die Shimizu selbst geflogen hatte.

»Schmeicheleien sind unnötig, Commander. Wir beide wissen, dass ich für derartige Lobeshymnen kaum empfänglich bin.«

»Ich hatte keine Schmeichelei beabsichtigt«, sagte Spock. »Ihre Leistungen auf der Enterprise und in der Folge sprechen für sich.«

»Und das ziemlich wortgewaltig«, fügte Kirk hinzu.

Das Lob des Captains war aufrichtig. Obwohl er ihren Gast kaum kannte und sie bisher nur im Vorübergehen bei diversen Konferenzen der Sternenflotte getroffen hatte, kannte er ihre beeindruckende Vorgeschichte sehr gut, die bis zu den frühesten Reisen des Raumschiffs Enterprise zurückreichte. Nachdem sie unter den Captains Robert April und Christopher Pike herausragende Leistungen erbracht hatte, hatte man ihr schließlich das Kommando über ein eigenes Schiff übertragen, die U.S.S. Yorktown. Diese wurde gerade nach einigen Jahren in den Tiefen des Alls generalüberholt. Man munkelte in der Sternenflotte, dass sie bald zum Commodore befördert und womöglich ins Sternenflottenkommando nach San Francisco versetzt werden würde. Kirk fragte sich, was sie von dieser Aussicht hielt, nachdem sie mindestens zwei Jahrzehnte über die Decks von Raumschiffen gewandelt war. Er selbst hatte keine Eile, zu einem Schreibtischjob befördert zu werden, wo es doch noch so viel in der Galaxis zu erforschen gab.

»Offenbar bin ich in der Unterzahl«, stellte sie trocken fest. »Ich denke also, ich habe keine andere Wahl, als Ihre Komplimente so anzunehmen, wie sie gemeint sind.«

»Eine höchst logische Schlussfolgerung«, sagte Kirk. »Kein Wunder, dass Sie und Spock so gut zusammengearbeitet haben.«

»Er war ein ausgezeichneter Wissenschaftsoffizier«, erinnerte sie sich, »obwohl er anfangs relativ jung und unerfahren war.«

Spock hob eine Augenbraue. »Beiden Makeln wurde im Verlauf unserer gemeinsamen Dienstzeit eindringlich Abhilfe geschaffen.«

»Das will ich doch hoffen«, entgegnete sie.

McCoy, der offensichtlich seinen Spaß daran hatte, kicherte im Hintergrund.

»Schwer, sich Spock als jungen Grünschnabeloffizier vorzustellen«, klinkte der Doktor sich in die Unterhaltung ein. »Nun, mal abgesehen von dem grünen Teil.« Er stieß Kirk mit seinem Ellenbogen an. »Wo sind deine Manieren, Jim? Stell mich der Lady vor.«

»Sie müssen mich nicht daran erinnern, Doktor. Ich wollte gerade dazu übergehen.« Er machte einen Schritt zur Seite und zeigte auf den ungeduldigen Arzt. »Mein leitender medizinischer Offizier, Doktor Leonard McCoy.« Er drehte sich zu ihrem Gast um. »Doktor, Captain Una von der U.S.S. Yorktown.«

Kirk wusste, das war nicht ihr richtiger Name, aber ihr illyrianischer Beiname war für Außenstehende so gut wie unmöglich auszusprechen, sodass sie den Namen »Una« spätestens zu ihrer Zeit an der Akademie angenommen hatte. Im illyrianischen System in einer unabhängigen Kolonie aufgewachsen, in der persönliche Bestleistungen mehr zählten als alles andere, war sie immer Klassenbeste gewesen, wenn es um Studien, Sport, Intelligenz und Leistungen ging. Somit war sie schon als »Nummer Eins« – oder »Una« – bekannt gewesen, noch bevor sie unter Pike in den Rang des Ersten Offiziers aufgestiegen war.

So oder so ähnlich hatte Spock es ihm erklärt.

»Sie müssen mir unbedingt erzählen«, beharrte McCoy, »wie Spock in jüngeren Jahren war.«

»Wesentlich reifer als gewisse Schiffsärzte«, schoss Spock zurück.

»Gesellschaft, schon vergessen?«, ermahnte Kirk sie. Er sah Una an und zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Sie müssen meinen Freunden verzeihen. Sie scheinen sich auf entgegengesetzten Seiten einer neutralen Zone zu befinden.«

Sie nahm die Scherze gelassen. »Ich habe Ionenstürme und orionische Piratenflotten überlebt, Captain. Da werden ein paar Sticheleien unter Schiffskameraden mich nicht aus der Ruhe bringen.« Dann trat sie näher zu Spock und ihr Tonfall wurde ernster. »Aber ich hätte gern irgendwann die Gelegenheit, mit Ihnen allein zu sprechen … über einen gemeinsamen Freund.«

Kirk vermutete, dass sie damit ihren früheren Captain, Christopher Pike, meinte. Es war erst ein Jahr her, seit Spock die Enterprise entführt hatte, um Pike einen letzten Dienst zu erweisen und ihm eine bessere Zukunft auf dem verbotenen Planeten Talos IV zu ermöglichen. Die Einzelheiten dieses Vorfalls waren immer noch streng geheim und Pike wurde in den offiziellen Akten lediglich als »vermisst« geführt. Kirk fragte sich, wie viel Una von dem, was wirklich passiert war, wusste – oder zumindest ahnte.

Was war der wahre Beweggrund ihres Spontanbesuchs? Una hatte erst vor ein paar Tagen mit der Enterprise Verbindung aufgenommen und darum gebeten, vorbeischauen zu dürfen. Soweit Kirk wusste, gab es für den Besuch keinen offiziellen Grund.

»Selbstverständlich«, sagte Spock. »Ich stehe zu Ihrer Verfügung.«

»Ich werde in einem geeigneteren Moment darauf zurückkommen.« Ihr Tonfall wurde wieder entspannter und sie wandte sich den anderen zu. »Jetzt wollen wir Captain Kirk und Doktor McCoy aber nicht mit unseren alten Kriegsgeschichten langweilen.«

»Es wird noch viel Zeit zum Schwelgen in Erinnerungen geben«, stimmte Kirk zu, »nachdem Sie sich eingerichtet haben. Und Sie können sich auch auf eine baldige Führung durchs Schiff freuen.« Er strahlte vor Stolz. »Ich glaube, Sie werden davon beeindruckt sein, wie das alte Mädchen heute aussieht.«

»Ich bin sicher, das werde ich«, erwiderte sie. »Ich habe nur Gutes über Ihren Chefingenieur gehört, der angeblich Wunder vollbringen soll.«

»Ich werde das an Mister Scott weiterreichen«, sagte Kirk. »Aber Sie müssen nach Ihrer langen Reise müde sein und wollen bestimmt nicht den Rest des Tages auf dem Hangardeck verbringen.« Nach der Schiffszeit war es früh morgens, aber Una war mit Sicherheit noch in ihrem eigenen Rhythmus. »Gestatten Sie uns, Sie zu Ihrem VIP-Quartier zu begleiten, wo Sie sich bestimmt sehr wohlfühlen werden. Für eine der angesehensten Ehemaligen der Enterprise nur das Beste.«

»Vielen Dank, Captain Kirk.« Sie unterdrückte ein Gähnen. »Ich muss zugeben, die Chance, mir die Beine zu vertreten, wäre mir sehr willkommen. Auch mit Warp sieben war es eine ziemlich lange Reise von Memory Alpha.«

Bates, die sich im Hintergrund gehalten und gezögert hatte, sich an der Unterhaltung zu beteiligen, trat vor. »Kann ich Ihnen mit Ihrer Tasche behilflich sein, Captain?«

Kirk stellte die junge Frau nachträglich vor: »Mein Yeoman, Lisa Bates.« Er überlegte kurz, zu erwähnen, dass Bates eine große Verehrerin von Una war, beschloss dann aber, Bates nicht in Verlegenheit zu bringen. »Zu Ihren Diensten.«

»Danke, Yeoman«, entgegnete Una, »aber ich komme zurecht.«

»Sind Sie sicher, Captain? Es macht keine Mühe.«

»Lassen Sie nur, Yeoman«, sagte Kirk leichthin. »Mir scheint, Captain Una hat alles im Griff.«

Bates zog sich zurück und wirkte leicht verlegen. »Aye, Sir.«

Kirk machte sich im Geiste eine Notiz, mit Bates später ein freundliches Gespräch zu führen, was den Unterschied zwischen hilfsbereit und zu hilfsbereit anging. Er wollte nicht zu hart mit dem übereifrigen Yeoman ins Gericht gehen, die sich immer noch einarbeitete. Außerdem wollte er sie nicht entmutigen, die Initiative zu ergreifen, auch wenn sie es in ihrem Bemühen, sich unentbehrlich zu machen, manchmal ein bisschen übertrieb.

Sie ist keine Janice Rand, dachte er. Aber man muss ihr Zeit lassen.

»Der Rest Ihres Gepäcks wird selbstverständlich in Kürze zu Ihrem Quartier gebracht werden«, erklärte Spock. »Und unsere Hangarbesatzung kümmert sich um Ihr Schiff.«

»Ich reise mit leichtem Gepäck«, sagte Una, die immer noch ihre Reisetasche schleppte. »Aber ich bin davon überzeugt, dass meine spärliche Ausstattung in guten Händen ist.«

»Dann sollten wir uns auf den Weg machen.« Kirk trat beiseite und ließ Una den Vortritt. »Nach Ihnen, Captain.«

Die Gruppe geleitete Una vom Hangar in einen angrenzenden Flur und ging zum nächstgelegenen Turbolift. Sie kamen an geschäftigen Besatzungsmitgliedern vorbei, die ihren Aufgaben nachgingen. Einige blieben kurz stehen und betrachteten den Captain und seine Gruppe. Kirk ging voran, während Spock und McCoy rechts und links von Una gingen. Der Weg war ihr von der Yorktown bestens vertraut, auch wenn die Enterprise einer aufwendigen Generalüberholung unterzogen worden war, seit sie hier Erster Offizier gewesen war. Bates ging mit gesenktem Kopf hinter ihnen her.

»Also, was führt Sie in Ihr altes Revier?«, fragte McCoy Una. »Nostalgie?«

»Zum großen Teil«, gestand sie. »Während die Yorktown überholt wird, habe ich keinen Auftrag und mein leitender medizinischer Offizier hat mir mehr oder weniger damit gedroht, mich vor ein Militärgericht zu stellen, wenn ich nicht endlich meinen mehrfach verschobenen Urlaub nehme. Ich habe in den Föderationsbibliotheken von Memory Alpha Forschungen für eins meiner Hobbyprojekte angestellt, als ich bemerkte, dass die Enterprise durch diesen Sektor fliegt und ein Treffen möglich wäre.« Sie zuckte mit den Schultern. »Es wäre schade gewesen, so einen glücklichen Umstand ungenutzt zu lassen, wo ich doch Zeit erübrigen konnte.«

Kirk fragte sich erneut, ob nicht doch mehr dahintersteckte. Glückliche Umstände oder nicht, sie war immer noch mindestens zwölf Stunden durchs All geflogen, um zur Enterprise zu gelangen. Könnte es sich doch mehr um Pike und dessen Aufenthaltsort drehen als nur um einen sentimentalen Besuch um der alten Zeiten willen? Una hatte mehr als zehn Jahre als seine Nummer Eins unter ihm gedient, sie musste sich Sorgen darüber machen, was aus ihm geworden war. Er konnte es ihr nicht verübeln, wenn sie Antworten wollte. Andererseits, vielleicht wollte sie wirklich nur ihr altes Schiff ein letztes Mal besuchen, bevor sie an den Schreibtisch eines Commodores gekettet wurde.

Auch das konnte er ihr nicht verübeln.

»Also handelt es sich nur um einen Freundschaftsbesuch?«, erkundigte er sich. »Nicht dass irgendwer von uns etwas dagegen hätte, verstehen Sie mich nicht falsch.«

»Mehr oder weniger«, sagte sie. »Ich hoffe, ich dränge mich nicht auf.«

»Nicht im Geringsten«, versicherte Kirk. Die Enterprise hatte für das Treffen mit der Shimizu nur einen kleinen Umweg in Kauf nehmen müssen. »Wir freuen uns sehr, dass Sie hier sind.«

Ein Turbolift brachte sie zur vierten Ebene der Untertassensektion. Von dort aus war es nur ein kurzer Weg zu den Gästequartieren, die Würdenträgern vorbehalten waren. Sie blieben vor der Tür der VIP-Suite stehen.

»Da sind wir«, sagte Kirk. »Ich nehme an, Sie würden sich nach der langen Reise gern frisch machen und ausruhen.«

»Eine berechtigte Annahme«, erwiderte sie. »Ich bin wirklich etwas müde – und außerdem habe ich Sie lange genug aufgehalten. Sie haben sicher wichtigere Pflichten, um die Sie sich kümmern müssen.«

Kirk wollte protestieren, doch sie hielt eine Hand hoch, um seine höflichen Einwände abzuwehren. »Ich bitte Sie. Unter uns Sternenflottencaptains … ich weiß, wie wertvoll Ihre Zeit ist.« Die Tür glitt auf und gab den Blick auf die Luxuskabine dahinter frei, die über einen Wohn- und Arbeitsraum sowie ein Bad und einen Schlafbereich verfügte. »Kümmern Sie sich um Ihr Schiff, Kirk. Ich komme jetzt allein zurecht.«

»Also gut«, sagte er. »Unter einer Bedingung: Nennen Sie mich Jim.«

»Na schön … Jim.« Sie stellte ihre Reisetasche direkt hinter der Tür in den Vorraum der Suite. »Und meine Freunde nennen mich Una.« Ihr Blick richtete sich auf Spock. »Oder manchmal Nummer Eins.«

ZWEI

»Wäre jetzt ein guter Zeitpunkt?«, fragte Una Spock.

Der Empfang, der im Hauptaufenthaltsraum stattfand, dauerte schon einige Zeit an. Offiziere und Unteroffiziere liefen zwanglos durcheinander, tranken bunte Drinks und kosteten von einem Buffet exotischer Horsd’oeuvres aus der Schiffskombüse mit antosianischen Blätterteigpasteten, rigelianischem Kaviar, illyrianischen Mangoscheiben und mundgerechten Gurkensandwiches. Da der Landurlaub für die Besatzung bereits überfällig war, war Spock der Meinung, die Festivitäten seien gut für die Moral. Allmählich war er zu der Erkenntnis gekommen, dass diese bei Menschen und anderen emotionalen Spezies eine wichtige Rolle spielte. Die Party wurde selbstverständlich zu Ehren von Captain Una veranstaltet, die diese Gastlichkeit sicherlich verdient hatte.

»Um die Unterhaltung unter vier Augen zu führen, die Sie vorhin erwähnten?«

»Ganz genau«, antwortete sie.

Spock sah sich um. Captain Kirk, der seine Sache tadellos gemacht hatte, seine Kollegin gebührend zu feiern, war zur Brücke abberufen worden, sodass nun Spock den Gastgeber spielte. Doktor McCoy und die anderen Führungsoffiziere waren ebenfalls beschäftigt. McCoy hatte sich entschuldigt, um nach einem Patienten in der Krankenstation zu sehen, der an cygnianischen Masern litt. Scott, Sulu und Uhura hatten sich an der Bowlenschale eingefunden. Spocks scharfes Gehör verriet ihm, dass die Männer versuchten, Uhura zu überreden, sie mit einem Lied zu beglücken. Der Kommunikationsoffizier mit beträchtlicher musikalischer Begabung wehrte höflich ab, schien aber nicht abgeneigt zu sein, sich doch noch überreden zu lassen. Weitere Besatzungsmitglieder gesellten sich hinzu, was darauf schließen ließ, dass jetzt tatsächlich ein geeigneter Zeitpunkt sein könnte, sich allein mit Una zu unterhalten.

»Wie Sie wünschen, Captain.«

Es bedurfte einer gewissen Anstrengung, sie nicht als »Nummer Eins« anzusprechen. Die Gewohnheit besaß offenbar in der Tat sehr viel Macht.

»Gut«, sagte sie. »Es war mir ein Vergnügen, mich mit Ihrem Captain und Ihren Mannschaftskameraden zu unterhalten, aber ich habe auf die Gelegenheit zu einem vertraulichen Gespräch mit Ihnen gewartet.«

»Verfügen Sie über mich.«

Sie zogen sich in eine ruhige Ecke des Raums zurück, abseits der bevorstehenden musikalischen Darbietung, und setzten sich an einen freien Tisch, auf dem zurückgelassene Teller und Gläser standen. Spock bemerkte, dass auch sie sich von den zweifelhaften alkoholischen Genüssen ferngehalten hatte und stattdessen lieber ein Glas reines Altair-Wasser trank. Sie machte Platz für ihr Getränk und sie setzten sich einander gegenüber.

»Ist dies für Ihre Zwecke vertraulich genug?«, erkundigte er sich.

Sie ließ ihren Blick schweifen. »Es wird genügen, es sei denn, diese Unterhaltung zieht sich etwas länger hin.«

»Ohne das Thema zu kennen, kann ich die Dauer nicht präzise vorhersagen.«

»Das versteht sich von selbst«, stimmte sie zu. Sie senkte die Stimme und kam mit der für sie typischen Effizienz gleich zur Sache. »Ich habe Fragen bezüglich Captain Pike.«

»Das hatte ich erwartet.«

Nummer Eins hatte Pike im Verlauf der elf Komma fünf drei Jahre, die sie alle gemeinsam an Bord der Enterprise gedient hatten, zweifellos näher gestanden als Spock. Gelegentlich hatte es sogar Gerüchte über eine romantische Anziehung zwischen dem Captain und seinem Ersten Offizier gegeben, obwohl Spock diese immer als frivolen Tratsch der Menschen abgetan und sie ohnehin für unerheblich gehalten hatte. Ihm selbst waren jedenfalls in ihrer Zusammenarbeit niemals Abweichungen von der Professionalität aufgefallen. Dennoch verstand er die tief gehende Loyalität nur allzu gut, die Pike sich von seiner Mannschaft erarbeitet hatte. Dieselbe Loyalität hatte Spock dazu veranlasst, sein eigenes Leben und seine Karriere für ihn aufs Spiel zu setzen.

»Ich habe natürlich von seinem Unfall gehört«, sagte sie. »Aber ich war im Beta-Quadranten auf einer langwierigen Friedensmission, als die Tragödie sich ereignete, also war ich nicht in der Lage, ihn sofort im Krankenhaus zu besuchen.« Eine gewisse Trauer zeichnete sich auf ihrem stoischen Gesicht ab und ihre Emotionen erstickten ihre Stimme. »Und um ganz ehrlich zu sein, ich war unsicher, ob er mich in … seinem Zustand überhaupt hätte sehen wollen. Nicht dass das meine Wertschätzung ihm gegenüber in irgendeiner Weise beeinträchtigt hätte, aber ich war mir seines Stolzes und seiner Würde immer bewusst. Vielleicht sogar zu sehr.« Die eisblauen Augen wurden feucht und sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu sammeln. Sie nippte an ihrem Wasserglas.

»Sein Zustand war … verstörend«, gab Spock zu und erinnerte sich an den geschwächten Zustand, in dem er Pike nach dem beinahe tödlichen Unfall des Captains an Bord eines Sternenflottenübungsschiffs vorgefunden hatte. Sein Körper war durch eine gewaltige Überdosis Deltastrahlung verheert worden. Pikes immer noch lebhafter Geist war in einer schwer gezeichneten, gelähmten Hülle gefangen und selbst mithilfe elektronischer Geräte kaum noch in der Lage gewesen, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Pikes Nervensystem war so schwer von der Strahlung geschädigt worden, dass selbst die fortschrittlichsten prothetischen Schnittstellen kaum von Nutzen waren. Spock schämte sich nicht zuzugeben, dass Pikes ernster Zustand sogar seine streng beherrschten Emotionen berührt hatte. »Das hat auch mir Kummer bereitet.«

»Das habe ich mir gedacht.« Sie musterte ihn scharf. »Ich weiß, dass Sie und Kirk ihn in einer medizinischen Einrichtung auf Sternenbasis 11 besucht haben, aber was danach geschah, untersteht der Geheimhaltung. In den verfügbaren Akten steht lediglich, dass Chris – Captain Pike – irgendwie verschwunden ist, nachdem er aus unbekannten Gründen an Bord der Enterprise gebracht wurde. Und trotz meiner eigenen Nachforschungen, sowohl über offizielle als auch andere Kanäle, konnte ich nichts weiter herausfinden.«

Spock zögerte. Er war hin- und hergerissen zwischen der Versuchung, ihr die ganze Wahrheit zu erzählen, und seiner Pflicht, die Geheimnisse der Sternenflotte zu wahren. Wenn jemand verdiente zu wissen, was wirklich aus Christopher Pike geworden war, war es diese Frau, die für mehr als ein Jahrzehnt voller Gefahren und Entdeckungen an seiner Seite gestanden hatte, und doch …

»Wie Sie bereits sagten, die Angelegenheit untersteht der Geheimhaltung.«

»Das verstehe ich und ich habe nicht den Wunsch, Sie in eine unangenehme Lage zu bringen, also beantworten Sie mir nur eine Frage mit ja oder nein.« Sie wappnete sich gegen die Antwort, bevor er ihrer Bitte überhaupt zugestimmt hatte. »Er ist jetzt bei Vina, nicht wahr?«

In ihrer Stimme lag keine Spur von Eifersucht, nur das dringende Bedürfnis, die Wahrheit zu erfahren, und das konnte Spock ihr nicht guten Gewissens verwehren.

Er nickte.

»Ich danke Ihnen, Spock.« Ihre angespannte Haltung lockerte sich etwas, als wäre ihr eine Last von den Schultern genommen worden. Sie lächelte traurig und wischte sich eine Träne weg. »Das war alles, was ich wissen musste.«

Offenbar hatte sie die Wahrheit bereits geahnt und von ihm nur noch die Bestätigung ihrer Mutmaßungen gebraucht. Ihm kam ein Gedanke und er musste sich fragen: Wäre sie nicht im Beta-Quadranten aufgehalten worden und in der Lage gewesen, Pike als Erste zu erreichen, hätte sie dann dieselben drastischen Maßnahmen ergriffen wie er, um ihrem früheren Captain ein glücklicheres Ende zu ermöglichen? Ihre Entschlossenheit und ihre Loyalität Pike gegenüber waren ebenso unerschütterlich wie seine eigene, wenn nicht noch ausgeprägter.

Das war natürlich reine Spekulation. Logisch betrachtet gab es keine Möglichkeit, zu wissen, was unter anderen Umständen hätte passieren können, aber Spock war auf seltsame Weise sicher, hätte er nicht die Enterprise entführt, um Pike zu helfen, hätte die Yorktown womöglich selbst die unerlaubte Reise nach Talos IV angetreten.

»Lassen Sie mich Ihnen auch eine Frage stellen«, sagte er. »War diese Frage der wahre Beweggrund für Ihren Besuch auf der Enterprise ?«

»Schuldig im Sinne der Anklage, Mr. Spock. Warum auch sonst?«

Sie bedauerte, Spock anzulügen, auch wenn sie keine andere Wahl hatte. Der Betrug beschäftigte sie auch am nächsten Morgen noch, während sie sich allein mit ihren Gedanken in ihrer VIP-Suite, die Captain Kirk ihr so großzügig zur Verfügung gestellt hatte, darauf vorbereitete, ihr wahres Ziel zu erreichen. Spocks Ehrlichkeit mit einer Unwahrheit zu vergelten versetzte ihr Gewissensbisse.

Hoffen wir, dass er mir eines Tages verzeihen kann, dachte sie, nach allem, was noch kommen wird.

Nicht dass sie Spock während des Empfangs vollständig in die Irre geführt hätte – sie hatte ihm allerdings nur die halbe Wahrheit erzählt. Sie hatte wirklich eine Bestätigung ihrer Vermutungen bezüglich des Aufenthaltsorts von Christopher Pike gesucht, aber das war nicht das Einzige, was sie für sich selbst zu einem Abschluss bringen musste. Es gab noch eine weit ältere Sache, um die sie sich kümmern musste, solange sie noch die Chance dazu hatte. Und dabei handelte es sich nicht um eine Angelegenheit, die sie Spock gefahrlos mitteilen konnte … oder sonst jemandem.

Ihr Gästequartier an Bord der Enterprise war so komfortabel wie versprochen und – was noch wichtiger war – perfekt für ihre Zwecke geeignet. Zur Ausstattung gehörte ein Schreibtisch mit einem Computerterminal, den sie sogleich nutzte.

»Computer. Lokalisiere Captain James T. Kirk.«

»Captain Kirk befindet sich zurzeit auf der Brücke«, antwortete der Computer. Trotz des Ernstes ihrer Mission stellte Una amüsiert fest, dass eine ziemlich roboterhafte Version ihrer eigenen Stimme ihr antwortete. Offensichtlich hatte niemand die Stimmparameter geändert, seit sie und Spock diese vor einigen Jahren installiert und ihre eigene Stimme als Grundlage benutzt hatten.

»Und der Erste Offizier Spock?«

»Commander Spock befindet sich ebenfalls auf der Brücke.«

Bei dem kalten, mechanischen Tonfall des Computers zuckte sie leicht zusammen. So klinge ich doch nicht wirklich, oder?

Wie auch immer, sie hatte die Bestätigung, dass Kirk und Spock sich genau dort befanden, wo sie im Moment sein sollten. Da es ungefähr zehn Uhr und damit mitten in der Alpha-Schicht war, war dies zu erwarten gewesen, aber sie hatte sich dennoch rückversichern wollen. Sie konnte es sich nicht leisten, irgendwelche Risiken einzugehen, nicht, nachdem sie diesen Moment so lange geplant und darauf gewartet hatte.

Es ist Zeit, dachte sie. Endlich.

Sie war in Versuchung gewesen, schon gestern Abend die ersten Schritte zu unternehmen, direkt nachdem sie sich von dem Empfang entschuldigt hatte, aber die Vernunft hatte über die Ungeduld gesiegt. Dieses Vorhaben bahnte sich seit achtzehn Jahren an – ein paar Stunden mehr würden keinen Unterschied machen, egal wie gern sie endlich anfangen wollte.

Es war kein Zufall, dass sie den Weg der Enterprise genau zu diesem Zeitpunkt gekreuzt hatte. Jeder Schritt dieser Operation war sorgfältig geplant und nichts war dem Zufall überlassen worden. Jetzt gab es kein Zurück mehr für sie.

Zeit, den Rubikon zu überschreiten, dachte sie.

Sie trat vom Computer zurück und ließ ihren Blick ein letztes Mal durch das Gästequartier schweifen, um sicherzustellen, dass sie nichts vergessen hatte, was ihr höheres Ziel verraten könnte. Gekleidet in ihre Alltagsuniform verließ sie die Suite. Da sie nicht die Absicht hatte, jemals zurückzukehren, nahm sie ihre Reisetasche mit. Sie hatte alles dabei, was sie für die bevorstehende Expedition benötigte – bis auf einen letzten Gegenstand.

Zum Glück wusste sie genau, wo dieser zu finden war.

Während sie sich einen Weg durch die belebten Flure der Enterprise bahnte, kam sie nicht umhin, ihre aktuelle Umgebung mit ihren eigenen lebhaften Erinnerungen an genau dieses Schiff zu vergleichen. Die Farben waren fröhlicher, mit hellroten Türen und Einfassungen, im Gegensatz zu dem einheitlichen Blaugrau der Vergangenheit, und die Flure waren dichter bevölkert, als sie es in Erinnerung hatte. Unter Pike und April hatte die Enterprise eine ungefähr zweihundert Mann starke Besatzung an Bord gehabt. Jetzt beherbergte sie mehr als doppelt so viele, genau wie die Yorktown – und niemand hatte eine Ahnung, was sie wirklich im Schilde führte.

Das war zu ihrer eigenen Sicherheit auch besser so.

Zu ihrer Erleichterung erregte ihre Anwesenheit in den Fluren nur sehr wenig Aufmerksamkeit. Vereinzelt grüßten Mannschaftsmitglieder sie respektvoll, aber niemand stellte ihr Fragen oder bot ihr unerwünschte Hilfe an. Sie war schließlich ein Captain der Sternenflotte auf Besuch, wieso sollte sie sich nicht frei auf dem Schiff bewegen können? Wie erwartet nahmen die Leute an, dass sie einfach ihrer Arbeit nachging.

Ein Turbolift brachte sie ein Deck tiefer, wo die Führungsoffiziere ihre Quartiere hatten. Sie ging zügig, aber mit vorgetäuschter Lässigkeit zur Tür von Kirks Privatquartier. Um diese Tageszeit waren hier nicht viele Leute unterwegs. Dennoch wartete sie geduldig, bis die Luft rein war, bevor sie zur Sicherheit einmal an die Tür klopfte. Kirk war auf der Brücke, aber Una wollte sichergehen, dass dieser hilfreiche junge Yeoman nicht damit beschäftigt war, das Kopfkissen des Captains aufzuschütteln oder Ähnliches. Unas eigener Yeoman auf der Yorktown hütete sich davor, in ihrem Quartier ohne ausdrücklichen Befehl herumzuhantieren, aber Kirk war vielleicht nicht so streng, was seine Privatsphäre anging. Unas Erfahrung nach etablierten jeder Captain und sein Yeoman ihre eigene Arbeitsbeziehung, je nach Kommandostil und Vorlieben des Captains.

Ihr Klopfen blieb unbeantwortet, also ging Una davon aus, dass sie gefahrlos weitermachen konnte. Sie zog einen umgebauten Kommunikator von ihrem Gürtel, zu dessen speziellen Modifikationen ein kybernetischer Generalschlüssel gehörte, den sie selbst entwickelt hatte. Sie wollte gerade Kirks Quartier betreten, als sie unerwartet von einer Stimme unterbrochen wurde.

»Entschuldigen Sie, Captain.«

Sie wandte sich von der Tür ab und entdeckte, dass die Stimme einem jugendhaften Lieutenant gehörte, der gerade um die Ecke getrottet war, um etwas zu erledigen. Sie war so sehr auf die vor ihr liegende Aufgabe konzentriert gewesen, dass sie ihn fahrlässigerweise nicht hatte kommen hören. Im Geiste ohrfeigte sie sich selbst für den Fehler, der möglicherweise alles verdorben hatte.

»Wenn Sie nach Captain Kirk suchen, ich glaube, er ist auf der Brücke.«

Sie schaffte es, eine unbewegte Miene aufzusetzen und gleichzeitig den Kommunikator hinter ihrem Rücken zu verstecken. Trotz ihres stoischen Äußeren schwitzte sie innerlich.

»Natürlich. Das hätte mir klar sein müssen.« Sie brachte ein lässiges Schulterzucken zustande. »Ich schätze, ich bin immer noch nicht ganz im Tagesrhythmus dieses Schiffs angekommen … und leide noch etwas unter Warplag.«

»Ich kann Sie gern auf die Brücke bringen, wenn Sie möchten«, erbot er sich.

Hat er Verdacht geschöpft, dachte sie beunruhigt, oder bin ich nur paranoid?

Der junge Mann schien aufrichtig und arglos zu sein, also entschied sie, dass die ganze Heimlichtuerei und Heuchelei ihr wohl zu Kopf gestiegen war. Von Natur aus war sie geradlinig und hatte nie viel für Spionage oder Intrigen übriggehabt. Wenn es nach ihr ging, bevorzugte sie in jeder Situation den direkten Weg.

Leider war das in diesem Fall nicht möglich.

»Das wird nicht nötig sein, Lieutenant. Ich kenne den Weg.«

»Das ist kein Problem, Captain. Ich wollte ohnehin dorthin.«

Una unterdrückte ein paar unflätige illyrianische Flüche. War Kirks gesamte Mannschaft so nervtötend hilfsbereit? Sie warf schnelle Blicke rechts und links den Flur entlang und wägte ihre Möglichkeiten ab. Sie wollte auf keinen Fall, dass Kirk zu Ohren kam, sie hätte ohne guten Grund vor seinem Quartier herumgelungert. Was wäre, wenn er oder Spock zwei und zwei zusammenzählten und errieten, was sie tatsächlich vorhatte?

Das durfte nicht passieren.

»Also schön. Nach Ihnen, Lieutenant …?«

»Riley, Sir. Lieutenant Kevin Riley, zu Ihren Diensten.«

Sie ließ ihn vorangehen und schickte ihn dann mit einem Karateschlag seitlich an den Hals zu Boden. Der Schlag war nicht ganz so wirksam wie der vulkanische Nackengriff, aber er erfüllte seinen Zweck. Der Lieutenant lag bewusstlos zu ihren Füßen.

»Verzeihen Sie, Mr. Riley, aber Sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort.«

Sie beeilte sich, bevor noch weitere Mannschaftsmitglieder zufällig über diese Szene stolperten, und benutzte die Generalschlüsselfunktion ihres Kommunikators, um das Schloss zu Kirks Räumen zu knacken. Die graue Tür glitt automatisch zur Seite. Hastig zerrte sie Rileys schlaffen Körper hinein und legte ihn sanft auf den Boden. Erleichtert seufzte sie, als die Tür sich hinter ihnen schloss und das belastende Bild vor neugierigen Augen verbarg.

So viel zum Thema, es sich anders zu überlegen, dachte sie. Jetzt gibt es wirklich kein Zurück mehr.

Nicht dass es jemals eine Möglichkeit gegeben hätte, zu diesem späten Zeitpunkt noch einen anderen Kurs einzuschlagen. Diese Ereignisse waren gewissermaßen bereits vor zwei Jahrzehnten und zwei Captains der Enterprise auf einem so gut wie in Vergessenheit geratenen Planeten, der viele Lichtjahre entfernt war, in Gang gesetzt worden …

Sie trat von dem unglückseligen Besatzungsmitglied weg und sah sich in Kirks Quartier um, das bis auf einige wenige persönliche Dinge ihr eigenes auf der Yorktown widerspiegelte. Farne kämpften gegen die sterile Atmosphäre der massiven Metallwände an. Skulpturen und Kleinigkeiten aus verschiedenen Welten verliehen den Räumlichkeiten Charakter. Dies hatte nichts mehr mit dem Quartier des Captains zu Pikes Tagen gemeinsam, an das sie sich aus ihrer letzten Dienstzeit auf diesem Schiff erinnerte. Pikes runde Kabine war größer und geräumiger gewesen als Kirks Quartier, ein Luxus, der verloren gegangen war, als man die Enterprise umgebaut hatte, um eine viel größere Besatzung unterzubringen. Kirks Kabine bestand aus drei keilförmigen Kammern, die durch Trennwände unterteilt waren. Der Grundriss war ihr vertraut, aber sie wusste, dass Kirks Quartier ein Geheimnis barg, das es nur auf der Enterprise und auf keinem anderen Schiff der Sternenflotte gab.

Aber wo war es versteckt?

Wäre dies immer noch Pikes Enterprise, hätte sie genau gewusst, wo sie suchen musste, aber der nachträgliche Umbau machte die Sache komplizierter. Sie war gezwungen, kreativ zu werden. Sie zog einen Trikorder aus ihrer Tasche, ging langsam durch Kirks Quartier und scannte methodisch nach einem bestimmten Gegenstand, dessen einzigartige Natur und Zusammensetzung wortwörtlich einmalig im Universum waren. Trotz ihrer geradezu legendären Gelassenheit spürte sie, wie ihre Nerven während der Durchsuchung der Kabine blank lagen. Ihr Puls raste und sie musste sich ermahnen zu atmen. Jeder Moment, der verging, ohne dass sie ihre Beute fand, steigerte ihre Unruhe. Die schlimmsten Bilder stiegen vor ihrem geistigen Auge auf.

Was, wenn er nach all den Jahren nicht mehr hier war? Was, wenn er während eines hitzigen Weltraumkampfs oder einer Beinahekatastrophe zerstört worden war? Die Enterprise hatte unter Kirks Kommando einiges durchgemacht, einschließlich Konfrontationen mit den Klingonen und den Romulanern. Was, wenn der gesamte Plan zum Scheitern verurteilt war, bevor er überhaupt begonnen hatte?

Nein, dachte sie entschieden. Das wäre zu grausam. Einstweilen überging sie den Duschbereich, arbeitete sich durch die Nische, in der das Bett stand, und war zu dem angrenzenden Arbeitsbereich vorgedrungen, als ein elektronisches Piepsen ihre Bemühungen belohnte. Sie folgte dem Signal zu einem trapezförmigen Zierpaneel, das an der Wand gegenüber von Kirks Schreibtisch und Computerterminal angebracht war. Ein triumphierendes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.

Hab dich.

Ein gründlicherer Scan bestätigte, dass sich hinter der Platte ein Geheimfach befand. Es war so gut versteckt, dass es nicht gefunden werden konnte, es sei denn, jemand suchte gezielt danach. Sie musste Kirk – und wahrscheinlich auch Spock – zu ihrem Einfallsreichtum gratulieren. Dies war ein ausgezeichnetes Versteck und mindestens ebenso gut wie das, das sie vor so vielen Jahren für April angelegt hatte. Sie und Pike hatten es anschließend bewacht, bis sie endlich das Geheimnis – und die Verantwortung – an Kirk weitergegeben hatten, als er das Kommando über die Enterprise übernommen hatte. Sie vermutete, dass die Generalüberholung von 2264 Kirk dazu gezwungen hatte, ein neues Geheimversteck für den fraglichen Gegenstand zu finden.

Seit knapp zwanzig Jahren barg die Enterprise ein Geheimnis, das sogar die Sternenflotte nicht kannte und das von Captain zu Captain weitergegeben wurde, von Erstem Offizier zu Erstem Offizier, bis zum heutigen Tag. Und während all dieser Zeit war dieses Geheimnis in den Wänden dieses Schiffs sicher verborgen gewesen.

Bis heute.

Mit leichten Gewissensbissen tauschte sie den Trikorder gegen einen Phaser und schaltete die Waffe auf die höchste Einstellung. Ein rotglühender Strahl schnitt die Wand um das Bronzepaneel herum auf. Metall verdampfte an den Schneidrändern. Das Schloss zu knacken wäre eine elegantere Lösung gewesen, aber sie vermutete, dass die verwendete Verschlüsselung wesentlich anspruchsvoller war als die des Türschlosses, besonders wenn Mr. Spock an der Programmierung des Codes beteiligt gewesen war. Sie hatte das ursprüngliche Sicherheitssystem konzipiert, aber das war vor langer Zeit gewesen, also konnte sie kaum erwarten, dass die Kombination immer noch dieselbe war – und sie hatte nicht die Zeit, ihren Verstand mit dem von Spock zu messen.

Also musste es der Phaser sein, auch wenn sie sich dadurch wie ein orionischer Plünderer fühlte.

Dennoch dauerte die Operation länger, als sie erwartet hatte, da die Wand sich dem konzentrierten Phaserstrahl widersetzte. Schweiß ließ ihr Oberteil an ihrem Rücken kleben, während der Strahl sich mit quälender Langsamkeit durch das Metall fraß. Hatten Kirk und Spock die Abschirmung um das Geheimfach verstärkt? Es wirkte angesichts der Schwierigkeiten, die sie damit hatte, jedenfalls so.

Verdammt, dachte sie. Das hätte ich vorhersehen müssen.

Sie machte sich Sorgen wegen des Lieutenants, der immer noch bewusstlos in der Nähe auf dem Boden lag. Theoretisch müsste er für die nächsten fünfundvierzig Minuten bewusstlos sein. Dann würde er mit kaum mehr als einem schmerzenden Nacken und leichten Kopfschmerzen aufwachen. Aber sie lauschte ständig auf Geräusche, die darauf schließen ließen, dass er zu sich kam. Notfalls konnte sie ihn immer noch mit ihrem Phaser betäuben, aber das wollte sie vermeiden. Sie überstrapazierte Kirks Gastlichkeit schon genug, ohne auch auf eins seiner Besatzungsmitglieder zu schießen.

Außerdem verdiente der junge Riley etwas Besseres.

Aber was, wenn er irgendwo zum Dienst erwartet wurde? Er hatte gesagt, er sei unterwegs zur Brücke, bevor sie ihn außer Gefecht gesetzt hatte. Wie lange hatte sie noch, bevor seine Abwesenheit entdeckt werden würde?

Die Zeit war nicht auf ihrer Seite.

Wertvolle Momente verstrichen, während sie um das Paneel herumschnitt. Eine kleinere Öffnung wäre schneller gegangen, aber sie konnte nicht riskieren, den Inhalt des Fachs versehentlich zu beschädigen. Verdampfendes Metall zischte und knackte und die ätzenden Dämpfe stiegen ihr in Nase und Mund, bevor sie endlich fertig war. Die verkohlten Ränder des Paneels waren immer noch heiß, doch nachdem sie den Phaser beiseitegelegt hatte, packte sie es mit beiden Händen und zerrte es heraus, um das Geheimfach freizulegen – und seinen Inhalt. Sie hielt den Atem an, als sie ihn zum ersten Mal in viel zu vielen Jahren sah.

Der Transferschlüssel war ein flaches, rechteckiges Gerät von der Größe eines Tablets und nur etwas größer als Unas Handfläche. Ein leerer, blau umrahmter Bildschirm befand sich auf der einen Seite des Geräts. An seiner Seite waren verschiedene Knöpfe und Schalter eingelassen. Schmerzliche Erinnerungen stiegen vor ihrem geistigen Auge auf, während sie den Schlüssel nachdenklich betrachtete. Es erstaunte sie immer noch, dass ein derartig kleines Gerät vor all diesen Jahren so viel Kummer hatte verursachen können. Alte Wunden, die sie tief in ihrer Seele trug, rissen wieder auf.

Es tut mir so leid, Tim … für dich und die anderen.

Die schuldbewussten Erinnerungen taten weh, erneuerten aber auch ihre Entschlossenheit, den Kurs, den sie eingeschlagen hatte, in der Hoffnung beizubehalten, die Dinge endlich wieder in Ordnung zu bringen.

Falls das nach all dieser Zeit überhaupt noch möglich war.

Es muss möglich sein, dachte sie, und erwachte aus ihren Tagträumen. Oder all das ist umsonst.

Sie legte das schwere Paneel auf den Boden, viel vorsichtiger, als sie den armen Riley abgelegt hatte. Es kam mit einem dumpfen Knall auf, aber Una hörte ihn kaum. Sie hatte nur noch Augen für den Schlüssel.

Sie streckte die Hand aus und nahm ihre Beute an sich.

DREI

Es war ein ruhiger Morgen auf der Brücke, was Kirks Meinung nach wahrscheinlich auch gut so war, da einige seiner Besatzungsmitglieder bis spät in die Nacht gefeiert hatten. Sulu wirkte auf den Captain heute Morgen etwas verkatert und war nicht so munter wie sonst. Uhuras Stimme schien nach zu viel venusianischem Karaoke ein wenig heiser zu sein. Und wenn er ehrlich war, hätte Kirk auch noch ein paar Stunden mehr Schlaf gebrauchen können. Er hielt sich an der zweiten Tasse Kaffee dieses Morgens fest, die ihm die stets aufmerksame Yeoman Bates gebracht hatte. Nur Spock merkte man die Festivitäten nicht an. Er bemannte routiniert und wie immer mühelos seine Wissenschaftsstation.

Typisch, dachte Kirk.

Er lehnte sich auf seinem Sessel zurück und nippte an seinem Kaffee. Der Bildschirm vor ihm zeigte nichts außer entfernt vorbeirasenden Sternen, während die Enterprise durch die ausgedehnte Leere des Weltraums warpte. Die unendliche Weite war manchmal bedrohlich. Überall lauerten bekannte und unbekannte Gefahren. Doch sie konnte auch beschaulich sein, als segelte man über ein endloses, ruhig daliegendes Meer, das manchmal stiller und friedlicher war als alles, was man am Grund eines Gravitationsschachts fand. Kirk führte sich vor Augen, dass man solche Momente genießen sollte, bevor man zwangsläufig wieder in unruhigeren Gewässern landete.

»Klarer Himmel heute, wie’s aussieht«, sagte er. »Kein Sturm in Sicht.«

»Sagen Sie das meinem Kopf«, stöhnte Sulu. »Der fühlt sich an, als ob eine Horta versucht, sich aus meinem Schädel rauszugraben.«

»Ein kleiner Rat, Steuermann: Versuchen Sie niemals, unseren Chefingenieur unter den Tisch zu trinken, vor allem nicht, wenn Scotch im Spiel ist.«

»Ich hab meine Lektion gelernt, Captain«, sagte Sulu. »Glauben Sie mir.«

Kirk beschloss, Sulus Kopfschmerzen als Beweis dafür anzusehen, dass der Empfang am vorigen Abend ein voller Erfolg gewesen war, und hoffte, dass es Captain Una auch gefallen hatte. Die Pläne für den heutigen Abend waren weniger aufwendig. Es gab ein privates Abendessen für die Führungsoffiziere, aber Kirk war zuversichtlich, dass sie alle eine schöne Zeit haben würden. Er war nicht ganz sicher, wie lange Unas Besuch dauern würde, aber er hatte vor, ihr während der ganzen Zeit jegliche Gastlichkeit angedeihen zu lassen, die das Schiff zu bieten hatte. Das war das Mindeste, was er tun konnte, angesichts ihrer persönlichen Vergangenheit mit der Enterprise.

»Möchten Sie noch einen Kaffee, Captain?« Bates betrat den Kommandobereich und hatte eine frisch aufgebrühte Kanne Javakaffee dabei.

»Wieso nicht?«, sagte Kirk. »Und wo Sie schon dabei sind …«

Er wollte gerade vorschlagen, dass sie auch Sulu eine Tasse anbieten sollte, da blinkte plötzlich ein stummer Alarm, den er niemals zu sehen erwartet hätte, auf der Miniaturkonsole in der Armlehne seines Sessels auf. Kirk blinzelte überrascht. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was er da sah.

Der Schlüssel, erkannte er. Jemand hat den Schlüssel gefunden.

»Captain?«, fragte Bates. »Ist alles in Ordnung?«

Er setzte eine weniger besorgte Miene auf. »Mir geht es gut.« Er verscheuchte sie und ihre Kaffeekanne. »Wenn ich es mir recht überlege, verzichte ich auf den Kaffee, danke. Das ist dann alles, Yeoman.«

»Sind Sie sicher …?«, begann sie und unterbrach sich dann. »Aye, Captain.«

Kirk bemerkte ihren Rückzug aus dem Kommandobereich kaum, während seine Gedanken als Reaktion auf diese noch nie dagewesene Entwicklung rasten. Seine Blicke suchten Spock, der mit Sicherheit denselben stillen Alarm erhalten hatte. Spock drehte sich mit ernstem Gesicht zu Kirk um. Sie wechselten besorgte Blicke, die hoffentlich niemand anders auf der Brücke bemerkte.

Das kann nicht stimmen, dachte Kirk. Das muss ein technischer Fehler oder eine Fehlfunktion sein. Niemand auf diesem Schiff weiß etwas von dem Schlüssel, außer mir und Spock und …

Er schlug auf den Komm-Knopf seiner Armlehne. »Kirk an Captain Una, bitte antworten Sie.«

In ihrem Quartier meldete sich niemand, allerdings wusste er, dass sie im Moment an allen möglichen Orten sein konnte – vom Fitnessraum des Schiffs bis zur Offiziersmesse. Er änderte die Einstellung, sodass er das ganze Schiff erreichen konnte.

»Captain Kirk an Captain Una. Bitte melden Sie sich umgehend.«

Inzwischen waren alle Blicke auf ihn gerichtet. Fragende Gesichter ließen auf die Verwirrung der Brückenbesatzung schließen, während sie versuchten herauszufinden, was los war und weshalb Una noch nicht geantwortet hatte. Kirk kannte das Gefühl. Auch er machte sich deswegen Sorgen.

»Captain?«, fragte Uhura. Ihre Neugier spiegelte sich auf den Gesichtern von Sulu und Bates und den anderen wider. Plötzlich war Kirk dankbar, dass McCoy sich in der Krankenstation aufhielt. Nicht einmal Pille durfte etwas von diesem Geheimnis erfahren.

»Weitermachen, Lieutenant«, sagte Kirk zu Uhura.

»Aye, Sir«, erwiderte sie unsicher.

Pille hätte die Angelegenheit nicht so einfach auf sich beruhen lassen, dachte Kirk.

Spock glitt an Bates vorbei und gesellte sich zu Kirk in den Kommandobereich. Er senkte seine Stimme. »Captain, vielleicht sind aktivere Maßnahmen nötig, um Captain Una zu finden.«

»Sie haben vielleicht recht, aber …«

Kirk zögerte, da es ihm widerstrebte, ein Sicherheitsteam auf die Suche nach Una zu schicken. Das lag zum Teil daran, dass eine so drastische Reaktion nur noch mehr Aufmerksamkeit auf eine Angelegenheit lenkte, die so lange ein gut gehütetes Geheimnis gewesen war, aber auch daran, dass es ihm gegen den Strich ging, das Schlimmste von einem anderen Captain der Sternenflotte anzunehmen – ganz zu schweigen von einem hochdekorierten Veteranen wie Captain Una. Es war beinahe unmöglich, sich vorzustellen, dass ein so angesehener Offizier abtrünnig wurde.

Aber nichts an dieser Situation folgte den Regeln.

»Sicherheit«, bellte er ins Komm-System. »Finden Sie Captain Una und bringen Sie sie auf die Brücke.«

Spock runzelte die Stirn und kehrte an seine Station zurück. Vulkanier oder nicht, Unas immer verdächtigeres Schweigen musste auch ihm Sorge bereiten, genauso wie die Schritte, die unternommen wurden, um sie festzunehmen. Es wäre höchst peinlich, wenn es sich um einen einfachen Zufall oder ein Missverständnis handelte, aber Kirk hoffte trotzdem verzweifelt, dass das der Fall sei.

»Captain?«, erklang eine verblüffte Stimme aus dem Lautsprecher in Kirks Sessel. »Hier ist Lieutenant Bresler von der Hangarkontrolle. Captain Una verlässt uns auf ihrem Schiff.«

Kirk sprang auf die Füße. »Auf wessen Befehl?«

»Auf ihren, Sir.«

Bresler klang verlegen, als würde ihm plötzlich dämmern, dass er irgendwie einen Fehler gemacht hatte, aber Kirk konnte dem Mann keinen Vorwurf machen, weil er Unas Befehlen Folge geleistet hatte. Wenn ein hochrangiger Offizier im eigenen Schiff abfliegen wollte, würden nur wenige Besatzungsmitglieder sich etwas dabei denken.

»Lassen Sie sie nicht abfliegen!«, befahl Kirk. »Schließen Sie die Hangartüren.«

»Wir versuchen es, Captain, aber sie hat bereits ihre Maschinen gestartet!«

Sie hatte sich beeilt, um von seinem Quartier zum Hangardeck zu kommen, stellte Kirk fest, aber Spock hatte bereits gesagt, dass sie effizient sei. Ein Expressturbolift hätte die Entfernung schnell genug überwunden, wenn sie sich zügig bewegt und genau gewusst hatte, wo sie hinwollte.

»Sie hatte das alles geplant«, vermutete Kirk. »Von Anfang an.«

»Es sieht so aus«, sagte Spock, »wenn unser Verdacht richtig ist.«

Kirks Zweifel daran schrumpften mit jeder Minute. Der Alarm war kein Fehler.

»Auf den Schirm«, befahl Kirk. »Zeigen Sie mir, was da vor sich geht.«

»Verstanden«, sagte Spock. »Schalte auf interne Sensoren um.«

Das Bild auf dem Hauptschirm schaltete von dem mit Sternen übersäten Weltall vor ihnen auf eine Innenansicht des Hangardecks um. Die gewaltigen Weltraumtore der Landebucht begannen, sich wieder zu schließen, wie Kirk befohlen hatte, aber die Shimizu machte keine Anstalten, ihre Triebwerke abzuschalten. Die in ihren Tragflächen eingelassenen Zwillingsgondeln leuchteten blau und das kleine, schnittige Raumschiff hob vom Deck ab. Das Fahrwerk zog sich in den Rumpf zurück.

»Sie versucht zu entkommen«, sagte Spock.

»Sagen Sie mir etwas, das ich noch nicht weiß!«, versetzte Kirk schroffer als beabsichtigt. »Uhura, rufen Sie die Shimizu. Holen Sie mir Captain Una an die Strippe.«

»Bin schon dabei«, erwiderte sie, da sie seinen Befehl vorausgeahnt hatte. »Enterprise an Shimizu,antworten Sie.«

Wie zuvor reagierte Una nicht.

»Captain«, sagte Spock, »wenn wir die Tore vollständig schließen oder auch nur die Schilde hochfahren, riskieren wir an beiden Schiffen beträchtliche Schäden, es sei denn, die Shimizu bleibt, wo sie ist – und das scheint nicht Captain Unas Absicht zu sein.«

Nein, sieht nicht so aus, dachte Kirk.

Die Shimizu neigte sich um fünfundvierzig Grad nach Backbord, um besser durch die immer enger werdende Lücke zwischen den sich schließenden Toren hindurchzupassen. Ein plötzlicher Beschleunigungsschub, der jedem vorgeschriebenen Sicherheitsprotokoll widersprach, ließ das Kurierschiff aus der Landebucht in das Vakuum des Weltalls hinausschießen. Kirk konnte nur noch frustriert auf einen leeren Hangar starren. Die Shimizu hatte sich aus dem Staub gemacht.

Und den Schlüssel mitgenommen.

»Achteransicht!«, befahl er. »Jetzt!«

Der leere Weltraum hinter der Enterprise füllte den Hauptschirm gerade rechtzeitig aus, damit Kirk sehen konnte, wie die Shimizu mit mindestens voller Impulsgeschwindigkeit davonschoss. Das winzige Schiff schrumpfte bereits in der Ferne zusammen, während die Enterprise mit Warp fünf in die andere Richtung flog. Ein Raumschiff zu verlassen, das mit Warpgeschwindigkeit flog, gehörte ebenfalls nicht zum Standardprotokoll, aber Captain Una machte in diesem Moment offensichtlich ihre eigenen Regeln.

»Volle Kraft zurück!«, befahl Kirk. »Und erfassen Sie das Schiff mit den Traktorstrahlen. Lassen Sie es nicht entkommen!«

»Aye, Sir!« Sulu klang jetzt kein bisschen verkatert mehr. »Volle Kraft zurück.«

Die abrupte Richtungsänderung stellte die Trägheitsdämpfer der Enterprise auf eine harte Probe und schleuderte Kirk beinahe aus seinem Sessel. Bates griff nach einem Sicherheitsgeländer, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und eine Datentafel fiel klappernd aufs Deck. Der Kaffee schwappte in Kirks Tasse herum und drohte überzulaufen. Kirk erwartete jeden Moment einen empörten Protest aus dem Maschinenraum.

Tut mir leid, Scotty.

»Setze Traktorstrahlen ein«, meldete Ensign Chekov von der Navigationsstation rechts von Sulu. In seinen starken russischen Akzent mischte sich etwas, das wie zunehmende Frustration klang. Er murmelte kaum hörbar finster vor sich hin, während die Shimizu auf dem Hauptschirm weiterhin vor der